Das Mehrkörperproblem in der Astronomie/ Grundlagen/ Ruck

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Definition[Bearbeiten]

Wie in den ersten Abschnitten dieses Kapitels gezeigt wurde, ist die mittlere Geschwindigkeit definiert als das Verhältnis zurückgelegte Strecke / Zeit , die mittlere Beschleunigung wiederum als das Verhältnis Geschwindigkeitsänderung / Zeit . Die entsprechenden momentanen Größen gewinnt man, indem man das Zeitintervall so klein wie möglich hält. Die sich anschließende Diskussion von Kraft und Energie macht deutlich, dass zum physikalischen Verständnis eines Systems, in welchem allein die Schwerkraft wirkt, diese Größen ausreichen.

Für bestimmte Lösungsverfahren des Mehrkörperproblems - der Gegenstand des nächsten Kapitels - ist es jedoch erforderlich, über Strecke, Geschwindigkeit und Beschleunigung hinaus weitere Größen durch fortgesetzte Betrachtung der zeitlichen Änderung einzuführen. Als dabei Wichtigste ist der mittlere Ruck zu nennen, dessen Symbol j auf seine englische Bezeichnung "jerk" zurückgeht. Er gibt die pro Zeitintervall auftretende Änderung der Beschleunigung an.

Die mathematische Definition entspricht durchaus der Alltagserfahrung. Das Gefühl, bei einer Notbremsung durchgeschüttelt zu werden, ist nicht allein auf die hohen Absolutwerte der dabei auftretenden Beschleunigungen zurückzuführen, sondern auch auf deren abrupte Änderungen. Tritt man heftig auf die Bremse, so erfährt man sofort eine starke der Fahrtrichtung entgegengesetzte Beschleunigung. Kommt das Auto zum Stillstand, verschwindet diese ebenso rasch wieder. Tatsächlich ist die Fahrdynamik eine der wichtigsten Anwendungen des Rucks.

Wie für die Geschwindigkeit und Beschleunigung kann man durch extrem kleine Momentanwerte auch für den Ruck ableiten und mit den Methoden der Differential- und Integralrechnung allgemeine Zusammenhänge zwischen den momentanen Größen , und aufstellen. Für das Verständnis von auf dem Ruck basierenden Lösungsmethoden genügt aber die Betrachtung des mittleren bzw. eines für kleine Zeitintervalle konstanten Rucks , so dass auf eine weitere Diskussion der momentanen Größen verzichtet wird. Wird ein Körper einem konstanten Ruck unterworfen, so ändert sich seine Beschleunigung gemäß obiger Definition linear mit der Zeit.

Ruck und Geschwindigkeit[Bearbeiten]

Für eine auf dem Ruck beruhende Lösung eines Mehrkörperproblems wird selbstverständlich ein Zusammenhang zwischen diesem und der Geschwindigkeit benötigt. Für den Fall eines konstanten Rucks lässt sich ein solcher elementar ableiten, das Vorgehen entspricht völlig der Beziehung zwischen konstanter Beschleunigung und zurückgelegter Strecke.


Änderung der Geschwindigkeit als Dreiecksfläche unter der Kurve momentane Beschleunigung gegen die Zeit bei Bewegung mit konstantem Ruck


Wirkt der Ruck aus der Ruhelage heraus, so liegt nach einer Zeit eine zu dieser direkt proportionale Beschleunigung vor. Trägt man die Beschleunigung über die Zeit auf, so erhält man als Fläche unter der Kurve (analog zum Problem der bei konstanter Beschleunigung bewältigten Distanz) ein Dreieck. Somit besteht folgender Zusammenhang (man vergleiche mit für konstante Beschleunigung).

Weist ein Körper schon zu Anfang eine Beschleunigung auf, so gilt wegen des Zusatzbeitrags

Ruck und Strecke[Bearbeiten]

Schließlich muss auch die Beziehung zwischen Ruck und zurückgelegter Strecke betrachtet werden. Selbst für den einfachen Fall eines konstanten Rucks lässt sich diese leider ohne höhere Mathematik nicht angeben. Da die Geschwindigkeit wie soeben gezeigt nun quadratisch von der Zeit abhängt, liegt die gesuchte Strecke im Diagramm gegen jetzt als Fläche unter einer Parabel vor, nicht als Dreieck wie im Fall einer konstanten Beschleunigung. Für einen zu Beginn ruhenden Körper liefert die Integralrechnung folgendes Ergebnis.

Existieren schon zu Anfang eine Beschleunigung und eine Geschwindigkeit , so müssen deren Beiträge und berücksichtigt werden. Damit gilt allgemein


Einschub für Fortgeschrittene: Geschwindigkeit, Beschleunigung und Ruck als Taylor-Entwicklung der Strecke

Gemäß des Taylorschen Satzes lässt sich eine reelle Funktion in der Umgebung einer Stelle als Potenzreihe darstellen, sofern diese dort stetig und beliebig oft differenzierbar ist.

Setzt man sowie und betrachtet die ersten 3 Glieder der Summe, so erhält man

Man erkennt leicht, dass dies dem Zusammenhang zwischen konstantem Ruck und der während einer gewissen Zeit bewältigten Distanz entspricht. Der Vergleich liefert unmittelbar, dass Geschwindigkeit, Beschleunigung und Ruck der 1., 2. und 3. Ableitung der Strecke nach der Zeit entsprechen.


Ruck im Schwerefeld[Bearbeiten]

Im Zusammenhang mit einem astronomischen Mehrkörpersystem interessieren natürlich vor allem die Rucks, den zwei Massen und aufgrund der Schwerkraft aufeinander ausüben. Man findet, was sich wiederum einer elementaren Betrachtung entzieht, dass diese gegenseitigen Rucks im Gegensatz zu den Beschleunigungen nicht nur vom Abstandsvektor , sondern auch der vektoriellen Geschwindigkeitsdifferenz zwischen und abhängen. Im ersten Term erscheint diese allein, im zweiten als Bestandteil des Skalarprodukts mit dem Abstandsvektor.


Einschub für Fortgeschrittene: Zeitableitung der Gravitationsbeschleunigung

Obige Formeln erhält man, in dem man die im Abschnitt "Das Newtonsche Gravitationsgesetz" hergeleiteten wechselseitigen Schwerebeschleunigungen zweier Massen nach der Zeit ableitet. Betrachtet man z.B. die x-Komponente der durch auf ausgeübten Beschleunigung, so liefert die Quotientenregel für die entsprechende Komponente des Rucks

Die Ableitung des Abstandsvektors nach der Zeit liefert unmittelbar die Geschwindigkeitsdifferenz. Weniger offensichtlich ist die Ableitung dessen Betrags. Schreibt man diesen aber ausführlich gemäß des Satzes von Pythagoras hin (), so erkennt man, dass das Skalarprodukt durch zweimaliges Nachdifferenzieren innerhalb der Wurzel entsteht. Denn es gilt:

Elementare Schlussfolgerungen[Bearbeiten]

Auf die schon wiederholt erörterte Kreisbahn soll nun auch der Ruck angewandt werden. Bei unbeweglicher Zentralmasse sind vektorieller Abstand und Geschwindigkeitsdifferenz zwischen und direkt durch die entsprechenden Größen der umlaufenden Masse gegeben. Auf einem kreisförmigen Orbit stehen Orts- und Geschwindigkeitsvektor zudem stets senkrecht aufeinander, so dass das Skalarprodukt der beiden verschwindet. Damit ist der Betrag des auf ausgeübten Rucks einfach durch gegeben. Setzt man noch die Bahngeschwindigkeit ein, so lautet das Endergebnis:

Der Ruck nimmt sehr rasch mit zunehmendem Bahnradius ab - bei doppeltem Radius um einen Faktor (etwa 11.3), bei dreifachem um einen Faktor (ungefähr 46.8) usw.

Die starke Abhängigkeit des Rucks von der Ausdehnung der Bahn lässt sich auch im Alltag nachvollziehen. Bei einer kurvenreichen Fahrt kann nicht nur das häufige Bremsen und Gas geben Schwindelgefühl hervorrufen, sondern auch die heftigen Rucks beim Passieren enger Kurven.

Betrachtet man das Verhältnis von Beschleunigung und Ruck für eine Kreisbahn, so stellt man fest, dass es mit dem Verhältnis von Umlaufgeschwindigkeit und Beschleunigung exakt identisch ist und somit ebenfalls als Maß für die dynamische Zeit dienen kann:


C-Code: Rucks im Mehrkörpersystem

Die Berechnung des in einem Mehrkörpersystem auf einen Massenpunkt ausgeübten Rucks folgt der gleichen Struktur wie diejenige der Beschleunigung. Benötigt werden jetzt aber nicht nur die Positionen r, sondern auch die Geschwindigkeiten v der einzelnen Mitglieder, für welche wie für die Rucks j Zeigerarrays für den Variablentyp Double definiert werden müssen. Zusätzlich zur 3. wird die 5. Potenz d5 des Abstandvektors dr gebraucht, hinzu tritt die vektorielle Geschwindigkeitsdifferenz dv zwischen zwei Körpern. skalar schließlich bezeichnet das aus Abstand und Geschwindigkeitsdifferenz gebildete Skalarprodukt.

Wie die Beschleunigung wird auch der Ruck im Rahmen einer ständig wiederkehrenden Prozedur bestimmt. Zu den bisherigen Übergabeparametern objekt, N, m und r tritt das Vektorarray v hinzu. Da der Ruck nie allein, sondern immer zusammen mit der Beschleunigung betrachtet wird, werden für den aktuell untersuchten Körper beide Größen a[objekt] und j[objekt] zurückgegeben. Der Aufruf der Prozedur geschieht durch ruck(objekt,N,m,r,v,a[objekt],j[objekt]).

/* Globale Variablen */

unsigned int objekt
unsigned int N;
double *m;
double **r;
double **v;
double **a;
double **j;

void ruck (unsigned int objekt, unsigned int N, double *m, double **r, double **v, double *a, double *j)
{

/* Lokale Variablen */

  unsigned int i,k;
  double dr[3];
  double d3,d5;
  double dv[3];
  double skalar;

/* Initialisierung von Beschleunigung und Ruck */

  for (k = 0;k < 3;k ++)
  {
    a[k] = 0;
    j[k] = 0;
  }

/* Berechnung von Beschleunigung und Ruck */

  for (i = 0;i < N;i ++)
  {
    if (i != objekt)
    {

/* Abstandsvektor und Geschwindigkeitsdifferenz zwischen einem beliebigen Körper i */
/* und dem untersuchten Massenpunkt objekt                                         */

      for (k = 0;k < 3;k ++)
      {
        dr[k] = r[i][k] - r[objekt][k];
        dv[k] = v[i][k] - v[objekt][k];
      }

/* 3.und 5.Potenz des Betrags des Abstandsvektors */

      d3 = pow (betrag (dr),3);
      d5 = pow (betrag (dr),5);

/* Skalarprodukt von Abstandsvektor und Geschwindigkeitsdifferenz */

      skalar = skalarprodukt (dr,dv);

/* Beitrag der Beschleunigung und des Rucks durch den Körper i */

      for (k = 0;k < 3;k ++)
      {
        a[k] += G * m[i] * dr[k] / d3;
        j[k] += G * m[i] * (dv[k] / d3 - 3 * skalar * dr[k] / d5);
      }
    }
  }
}