Demonstration und politischer Aktivismus: Aktionsformen

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- Inhaltsverzeichnis -

Aktionsformen | Umgang mit Behörden | Aufbau eines Netzwerkes | Mobilisierung | Verhalten auf Demonstrationen | Leitfaden für Ordner | Nachbereitung | Literatur | Organisationen und Verbände

 

Dem politischen Aktivismus stehen heute eine Vielzahl von Aktionsformen zur Verfügung, um auf ein Thema, Problematik oder Missstand aufmerksam zu machen. Nicht alles eignet sich gleich gut für jedes Anliegen. Daher geben wir im folgenden einen kurzen Überblick über die verschiedenen Formen politischen Aktivismus.

Demonstrationsumzüge[Bearbeiten]

Demonstration

Viele Menschen gehen auf die Straße, um durch Rufe, Plakate, aber eben auch ihre reine Anwesenheit Druck auf Politik, Gesellschaft etc. auszuüben. Dabei haben sie meist auch informative Funktionen inne, um eben nicht nur auf betreffende Thematik aufmerksam zu machen, sondern auch über diese aufzuklären. Die spezifische Aktionsform Demonstration will ihr Ziele durch das Vereinen der Aktivisten in ihrer Zahl erreichen.

Mahnwachen[Bearbeiten]

Netzaktivismus[Bearbeiten]

Petitionen[Bearbeiten]

Laut Grundgesetz Artikel 17 hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden .

Art 17a (1) Gesetze über Wehrdienst und Ersatzdienst können bestimmen, dass für die Angehörigen der Streitkräfte und des Ersatzdienstes während der Zeit des Wehr- oder Ersatzdienstes das Grundrecht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz), das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Artikel 8) und das Petitionsrecht (Artikel 17), soweit es das Recht gewährt, Bitten oder Beschwerden in Gemeinschaft mit anderen vorzubringen, eingeschränkt werden. (2) Gesetze, die der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen, können bestimmen, daß die Grundrechte der Freizügigkeit (Artikel 11) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13) eingeschränkt werden. </poem> Artikel 45c GG – Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Möglichkeiten, Petitionen einzureichen:

Europäische Union

Deutschland
Seit dem 1. September 2005 ist es möglich, Online-Petitionen über ein Internetformular beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages einzureichen. Zugleich sind Öffentliche Petitionen eingeführt worden. [1] [2]

Länder
Für Petitionen an die Länder muss man nicht seinen Wohnsitz in diesen haben, jedoch muss es die jeweiligen Gesetze oder Behörden betreffen. Bayern

Infostände[Bearbeiten]

Ein Infostand einer Drogen-Legalisierungsinitiative

Ein Infostand an stark frequentierten öffentlichen Plätzen ist eine gute Möglichkeit mit Passanten in Kontakt zu treten.

Ort und Zeit[Bearbeiten]

Der Infostand sollte logischerweise an einem sehr belebten Ort aufgestellt werden, an dem möglichst viele Menschen vorbeikommen. Sinnvoll ist, sich so zu positionieren, dass

  • die Passanten am Stand vorbei müssen, ihm nicht weiträumig ausweichen können.
  • Platz genug ist, um in Ruhe am Stand stehen zu bleiben und sich zu informieren und zu unterhalten. Keine ausgesprochen schmale Gasse also...

Beachte dass dir an Wochentagen auf großen öffentlichen Plätzen auf denen sich vor allem Einkäufer, Berufspendler oder Touristen tummeln oft weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als am Wochenende in Wohngebieten und Kiezen, da die Passanten dort meist mit mehr Zeit und weniger Stress unterwegs sind. Dennoch solltest du natürlich einen hoch frequentierten Ort wählen wie beispielsweise einen Flo- oder Wochenmarkt oder eine Ausgehmeile. Achte auch darauf möglichst in Nähe einer öffentlichen Toilette zu sein.

Im Vorfeld sollten Freunde und Bekannte sowie die lokale Presse und befreundete Gruppen und Initiativen über Ort und Zeit informiert werden.

Formalitäten[Bearbeiten]

Ein Infostand muss bei der zuständigen Behörde (Ordnungsamt oder Straßen-/Tiefbauamt) angemeldet werden.

  • Die Anmeldeformalitäten und -kosten von Infoständen variieren von Gemeinde zu Gemeinde, z.T. bis zu 70 Euro. Vereinsanmeldungen sind billiger, allerdings bekommt der betreffende Verein die Rechnung und muss die Formalitäten erledigen. Rechtzeitige Anmeldung beachten - z.T. mehrere Wochen vorher!
  • Eventuell ist es sinnvoll, einen Infostand, der nicht mit zu großen Aufbauten verbunden ist, als Versammlung (Demo) ohne Aufzug anzumelden. Das ist kostenlos, und Aktionen wie große Karton-Kameramodelle und Schilder können bedenkenlos eingesetzt werden, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Dabei ist überlicherweise bei guter Ortsbeschreibung auch ein Kartenauszug mit Markierung überflüssig (Kostenersparnis).
  • Im Gespräch mit dem Sachbearbeiter ruhig dessen Hilfe offen in Anspruch nehmen, um Rat fragen usw.
  • Es muss ein Verantwortlicher und ein Stellvertreter benannt werden, die abwechselnd während der gesamten Aktionsdauer vor Ort sein müssen.

Inventar[Bearbeiten]

Ein Tapeziertisch ist in der Regel ausreichend. Je nach Wetter ist zudem eine Unterstellmöglichkeit bzw. Überdachung nützlich. Slogans und wichtige Stichworte sollten in Form von Bannern oder ähnliches gut zu lesen und auffallend angebracht werden. Wichtig ist, dass insgesamt eine Aussage für die Passanten erkennbar wird, die auf das Thema einstimmt, nicht zu sehr verwirrt und neugierig macht. Kundenstopper mit knappen aber deutlichen Aussagen sind ebenfalls ein effektives Hilfsmittel. Wenn Flaggen fest in Form von Bannern angebracht werden, ist je nach Standort darauf zu achten, dass sie von beiden Seiten zu lesen sind!

Neben dem eigentlichen Infomaterial können Giveaways wie Buttons interessierte Gesprächspartner nachhaltig erfreuen. Giveaways für Kinder sind ebenfalls nützlich. Da freuen sich die Kleinen und man hat außerdem etwas Ruhe um mit den Eltern zu sprechen.

Nicht vergessen werden sollte die Standgenehmigung bzw. Bestätigung der Demoanmeldung, sowie gegebenenfalls eine Spendendose.

Wenn Unterschriften gesammelt werden, ist außerdem auf eine gerade und optisch ansprechende Schreibfläche zu achten. Klemmbretter für die Unterschriftenbögen können die Sammlung erleichtern.

Aufmerksamkeit erregen[Bearbeiten]

Grundsätzlich gilt, je auffallender, desto besser. Dabei ist allerdings zu beachten, dass einige Gemeinden Vorgaben hinsichtlich der Größe und Gestaltung des Stands machen. Im Normalfall wird aber bereits im Antrag dann eine entsprechende Angabe abgefordert. Möchte man nicht nur die von vornherein interessierten Passanten ansprechen, sondern auch alle anderen Menschen aufmerksam machen, kann man sich verschiedener Mittel (auch in Kombination) bedienen:

  • Im Umkreis Plakate anbringen bzw. Bodenplakate aufkleben.
  • Eine Kunstaktion durchführen.
  • Einen "Marktschreier" engagieren oder Musik spielen.
  • Optische Aufhänger am Stand anbringen
  • Stellwände mit Informationen aufstellen um Leuten die Angst vor dem direkten Kontakt mit den Aktivisten zu nehmen.

Betreuung[Bearbeiten]

Um einen Infostand zu betreuen sollten mindestens zwei Personen anwesend sein. Besser ist jedoch noch weitere Unterstützung. Es sollte darauf geachtet werden keine Drohkulisse für Passanten darstellt die nur vorbei gehen möchten. Wenn mehr Leute mitmachen ist es sinnvoll sich in Zweiergruppen aufzuteilen.

Blickkontakt mit Passanten aufnehmen. Wird dieser erwiedert, kurze Ansprache wie z.B. "Entschuldigung, darf ich Sie ansprechen?" oder auch markanter "Kennen Sie schon XY". Wichtig ist nur, dass die Ansprache kurz und nicht belästigend klingt. Bleibt der Angesprochene dann nicht stehen, macht auf keinen Fall den Fehler, hinterherzugehen und nochmal nachzufragen, ob derjenige nicht wenigstens ein bisschen Infomaterial mitnehmen will oder so. Eventuell wird die angesprochene Person dann ungehalten und wird lauter mit Worten wie "Lass mich in Ruhe!". Das steckt umstehende Bürger an, die gleich einen negativen Eindruck erhalten und einen Bogen um den Stand machen!

Lauft stets in sehr kleinen Gruppen, am besten nur zwei Leute, damit die Leute sich nicht überfallen und unter Druck gesetzt fühlen. Gebt auch immer den Hinweis, das übergebene Material doch im Bekanntenkreis weiterzureichen.

Wenn am Infostand gerade keine Menschen stehen, verfällt man sehr leicht in Diskussionen untereinander und dreht den Passanten dabei den Rücken zu und bewirkt so, dass man für eine geschlossene Gesprächsgruppe gehalten wird. So gehen eventuell interessierte Bürger vorbei. Falls unbedingt was zu diskutieren ist, so kann sich ein Pirat vor den Stand stellen und Passant "spielen", dann kommen manchmal weitere Passanten dazu.

Diskussionen, auch mit Verfechtern der aktuellen Politik am Stand sorgen immer dafür, dass weitere Passanten stehenbleiben und zumindest interessiert zuhören. Geht also darauf ein und nehmt auch die Argumente der "Gegenseite" mit um sie später auszuwerten. Wenn genug Standpersonal da ist hilft es auch, solche Diskussionen aus den eigenen Reihen zu lancieren.

Nachbereitung[Bearbeiten]

Ein Infostand kann als Aktion zusammen mit den gesammelten Erfahrungen beispielsweise auf der Aktionswebseite dokumentiert und als Hilfestellung für zukünfitge Aktionen festgehalten werden.

Kunstaktionen[Bearbeiten]

Kunstaktion vor dem Reichstagsgebäude

Bei Kunstaktionen werden politische Probleme spielerisch dargestellt. Zudem stellt die Kunstfreiheit ein in Deutschland durch Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz geschütztes Grundrecht dar. Dadurch sind Kunstaktionen beispielsweise auch innerhalb der Bannmeile möglich.

Beispiele[Bearbeiten]

Menschenketten[Bearbeiten]

Menschenketten sind eine besondere Form der Massendemonstration. Die Menschen fassen sich an den Händen oder geben Gegenstände weiter und zeigen so ihre Solidarität. Leider ist diese Demonstrationsform nur bedingt geeignet um Straßen und andere öffentliche Plätze zu blockieren, da sie leicht zu räumen sind.

Sitzblockaden[Bearbeiten]

Sitzblockade in Frankreich

Die Sitzblockade, auch Sit-In genannt, stellt die Häufigste und zudem eine äußerst effektive und gewaltlose Art des Widerstandes dar. Dabei bildet eine Gruppe Menschen auf einer Straße oder einem Übergang einen Sitzkreis oder eine Sitzgruppe und blockiert ihn. Am besten funktioniert die Sitzblockade mit vielen Gleichgesinnten eng an eng. Bis die PolizistInnen alle Demonstrierende fortgetragen haben, kann einige Zeit vergangen sein.

Lock-on/Festketten[Bearbeiten]

Wer einen Schritt schärfer agieren will, kann sich anketten. Dies fällt allerdings bereits unter den Straftatskatalog. Wer dennoch darauf besteht, sollte nicht zu dicke Ketten und Schlösser benutzen und den Schlüssel Dritten in unmittelbarer Nähe geben. Allerdings sollten sie nicht zu fest anliegen, denn es kann zum Teil Stunden, sogar Tage dauern, bis ihr "befreit" werdet. Sorgt auf jeden Fall dafür, dass ihr eine Person habt, die sich um euch kümmert.

Clownarmee[Bearbeiten]

Rebel Clown

Die Rebel Clown Army trat zum erstenmal zum G8-Gipfel in Gleaneagles weltweit in Erscheinung. Auch in Deutschland fasst die Clown Army Fuß und trat beim Castortransport, beim G8-Gipfel in Heiligendamm oder bei verschiedenen Naziaufmärschen in Erscheinung. Diese Aktionsform, bei der sich die Teilnehmer z.B. wie ein Clown aber auch wie Pseudo-Nazis verkleiden, will die Gegenseite ins Lächerliche ziehen und damit friedlich überzeugen.

Radical Cheerleading / Pink & Silver[Bearbeiten]

Radical Cheerleading

Radical Cheerleading oder Pink & Silver bilden eine sehr kreative und ungewöhnliche Art der Aktionsform. Beim Radical Cheerleading werden gezielt Choreographien aufgeführt, die eigentlich nicht in den Kontext der Demonstration passen. Bei Pink & Silver verkleiden sich Frauen wie Männer in rot-rosa-silbernen Kostümen und tanzen. Beiden Aktionsformen zu eigen ist die unkonventionelle und überraschende Präsentation, die man in der Regel nicht erwartet.

Reclaim the Street[Bearbeiten]

Oberstes Ziel ist hier die Aneignung des öffentlichen Raums mit einer großen Menschenmenge. Dabei werden besonders wichtige Plätze oder Straßen einfach lahm gelegt und somit jeglicher Verkehr unterdrückt. Besonders geeignet an Stellen, die eine sogenannte "Lebensader" einer Stadt darstellen. Getreu dem Motto: Hol dir die Straße zurück!

Besetzungen[Bearbeiten]

siehe Besetuzung

Baumbesetzungen[Bearbeiten]

Baumbesetzung durch Vereniging STOP awacs

Einen Baum zu besetzen ist wohl eine der wirkungsvollsten Methoden ihn vor der Rodung zu retten. Während die Polizei damit beschäftigt ist sich zu überlegen, wie sie euch da am besten runterbekommt, haben andere noch die letzte Möglichkeit für Verhandlungen. Trotzdem solltet ihr diese Blockadeform nur wählen, wenn ihr schon Erfahrung im Baumklettern habt. Baumsteigseminare werden von der Aktionsgemeinschaft Robin Wood angeboten. Falls ihr nicht wisst, wann gerodet wird, könnt ihr auch schon Wochen vorher ein baumschonendes Baumhaus bauen und euch von unten versorgen lassen.

Hausbesetzungen[Bearbeiten]

siehe Hausbesetzung

Greenpeace-Besetzung der Esso-Zentrale

Büros besetzen/Transparente von Dächern hängen[Bearbeiten]

Ebenfalls eine sehr gute Methode den Blick der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Allerdings solltet ihr euch nie unbefugt zu fremden Gebäuden Zutritt verschaffen! Seid ihr dann aber in einer guten Situation, dann gilt je größer das Transparent oder das Büro, desto größer der Rummel.

Critical Mass/Massenradfahren[Bearbeiten]

Critical Mass in Prag

Auch Fahrraddemos genannt, ist eine gute Art zu zeigen, dass in den Innenstädten auch Platz für Fahrräder sein muss. Fahrt einfach zur Hauptverkehrszeit mit einer größeren Gruppe FahrradfahrerInnen durch die Innenstadt und legt so den Verkehr lahm. Überlegt euch aber vorher eine Route und bestimmt eine Kontaktperson für die Presse und die Polizei.

Fünf- bzw. Zehn-Finger-Taktik[Bearbeiten]

--> w:Fünf-Finger-Taktik

Diese Taktik dient dazu Polizeiketten zu durchfließen. Mensch braucht dafür nur eine große Gruppe, die geschlossen auf eine solche Polizeikette zu läuft. Kurz davor splittet sich die Gruppe (am besten in kleineren Bezugsgruppen) in so genannte Finger auf. Da die PolizistInnen nur selten alle DemonstrantInnen erwischen, kann die Kette so durchstoßen werden.

Out of Control[Bearbeiten]

--> w:Out of Control

Go-in[Bearbeiten]

Ein Go-in ist eine Demonstrationsform, die insbesondere von der internationalen Studentenbewegung der 1960er Jahre gepflegt wurde. Es geht darum, eine Fremdveranstaltung (z.B. eine Vorlesung, Feierlichkeit, Messestand) zu stören, zu sprengen oder umzufunktionieren. Juristisch gesehen kann es sich bei solchen Aktionen um Hausfriedensbruch handeln.

Daher sind einige Aktivisten dazu übergegangen, Go-ins beim Veranstalter der Gastveranstaltung anzukündigen. Nicht selten kann ausgehandelt werden, dass das Go-in duldet wird – insbesondere wenn der Veranstalter von der ggf. erwarteten Berichterstattung über die Störung profitieren könnte.

Beispiele[Bearbeiten]

Ad-Busting[Bearbeiten]

siehe Adbusting

Boykottaufrufe[Bearbeiten]

siehe Boykott

Streik[Bearbeiten]

siehe Streik

Flashmob, politisch[Bearbeiten]

siehe Flashmob

Hupaktion[Bearbeiten]

Hierbei werden Autofahrer vom Straßenrand aus aufgefordert, zu hupen, um gegen eine Organisation oder ein Vorhaben zu demonstrieren. Üblicherweise stellen sich die Aktivisten mit entsprechend beschrifteten Schildern (z.B. „Hupen gegen Scientology!“) vor ein Gebäude, welches das Abgelehnte repräsentiert: etwa vor die Zentrale einer Organisation. Ideal ist es, wenn die anliegende Straße zu dieser Zeit stark befahren ist.