Die sechs Frauen von Heinrich VIII./ Anne Boleyn

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Anne Boleyn: „Der Henker ist, glaube ich, sehr erfahren, und mein Hals ist sehr schlank.“
Quelle: Anne Boleyn einen Tag vor der Hinrichtung, 18. Mai 1536


Anne Boleyn

Anne Boleyn (Deutsch: Anna Boleyn; * 1501 oder 1507, wahrscheinlich in Blickling/Norfolk; † 19. Mai 1536 in London) war die zweite der sechs Ehefrauen von König Heinrich VIII. von England und Mutter der späteren Königin Elisabeth I.. Sie war die treibende Kraft hinter der Scheidung Heinrichs von seiner ersten Frau Katharina von Aragón und der damit einhergehenden Abspaltung der Kirche von England von der römisch-katholischen Kirche. Sie wurde wegen Ehebruchs und Verrats am 19. Mai 1536 enthauptet.

Leben[Bearbeiten]

Jugend[Bearbeiten]

Handschrift von Anne Boleyn 1514

Anne Boleyns Geburtsdatum ist umstritten. In einer 1614 erschienenen Biographie über ihre Tochter, Königin Elisabeth I., wird es mit 1507 angegeben. Neuere Forschungen deuten aber eher auf das Jahr 1501 hin. So wurde ein von Anne Boleyn im Jahr 1514 verfasstes Schreiben eher einem 14 Jahre alten Mädchen zugeschrieben. Andererseits wäre sie - wenn 1501 geboren - bei der Geburt ihrer Tochter Elisabeth bereits 32 Jahre alt gewesen, also aus damaliger Sicht recht alt für die Geburt eines ersten Kindes und etwa so alt wie Katharina von Aragón bei ihrem letzten Kind (Totgeburt 1518).

Auch Anne Boleyns Geburtsort ist unbekannt. Wahrscheinlich kam sie in Hever Castle oder Blickling zur Welt. Anne Boleyn entstammte väterlicherseits dem niederen Adel, mütterlicherseits der englischen Hocharistokratie. Ihr Vater war Thomas Boleyn, der als Diplomat Karriere am Hof König Heinrichs VII. machte. Ihre Mutter, Elizabeth Howard, war die Tochter des Herzogs von Norfolk. Anne hatte zwei Geschwister, George und Mary. Als Botschafter bei Margarete von Österreich, der habsburgischen Statthalterin der Niederlande, gelang es Thomas Boleyn im Jahr 1513, seinen Töchtern als Hofdamen an Margaretes Residenz in Mechelen den Einstieg in die Adelskreise zu sichern. Beide verbrachten den Rest ihrer Kindheit zunächst in Flandern und anschließend am französischen Königshof, wo Anne Hofdame von Claude de France und Renée de France war. Sie erwarb sich dort eine ausgezeichnete Bildung und vermittelte später europäische Einflüsse in Kleidung und Kultur am englischen Hof.

Ein Jahr nach Mary Boleyn kehrte 1521 auch Anne nach England zurück, wo sie wie zuvor ihre Schwester zur Hofdame Katharinas von Aragón ernannt wurde, der ersten Gemahlin Heinrichs VIII. Ihr Debüt am Hof gab sie bei einem Maskeradenball im März 1522, wo sie mit der Schwester des Königs und ihrer eigenen Schwester Mary Boleyn einen kunstvollen Tanz vorführte. Anne Boleyn wurde schnell als die eleganteste und vollendetste Frau am Hof bekannt. Der König unterhielt damals eine Liebesbeziehung zu Mary Boleyn, die er jedoch 1525 beendete. Möglicherweise war er damals schon auf ihre Schwester aufmerksam geworden. Anne begann eine Liebesbeziehung mit Henry Percy, die jedoch von Kardinal Thomas Wolsey beendet wurde. Spätestens seit Ende 1526 war Heinrich VIII. in Anne Boleyn verliebt. Aus den Jahren 1527 und 1528 sind 17 Liebesbriefe des Königs an sie erhalten geblieben. Anne verführte den König systematisch, denn sie wollte nicht irgendwann als abgelegte Geliebte enden, sondern sie war ehrgeizig und ihr Ziel war nichts Geringeres als die Krone Englands.

Da Katharina von Aragon ihrem Mann nicht den gewünschten männlichen Thronfolger schenkte, ließ dieser 1532 seine Ehe - gegen den Willen seiner Frau und ohne Zustimmung des Papstes - für ungültig erklären und heiratete im Mai 1533 Anne Boleyn. Das war bitter nötig, denn Anne hatte dem König endlich nachgegeben und war bei der Heirat bereits im fünften Monat schwanger. Die Hochzeit mit ihr führte zum Bruch mit der römisch-katholischen Kirche und zur Errichtung der anglikanischen Staatskirche.

Ehe mit Heinrich VIII.[Bearbeiten]

Schon als Geliebte des Königs hatte Anne sich viele Feinde gemacht, und es gelang ihr auch als Königin nicht, Verbündete zu gewinnen. Zudem scheint Anne Boleyn den zeitgenössischen Vorstellungen nicht entsprochen zu haben, nach denen von einer Ehefrau ein anderes Verhalten erwartet wurde als von einer Geliebten. Schon bald nach der Hochzeit soll es zu Eifersuchtsszenen und Streitigkeiten zwischen ihr und dem König gekommen sein. Statt Milde gegenüber seiner ersten Tochter Maria walten zu lassen, machte sie sie für ihre immer stärker werdende Unbeliebtheit verantwortlich und demütigte sie, wo sie nur konnte.

Nach der Geburt einer Tochter - Elisabeth kam am 7. September 1533 zur Welt - begann Heinrichs Zuneigung zu Anne abzukühlen. In seinen Augen hatte sie versagt. Dennoch hatte er zu der gemeinsamen Tochter Elisabeth ein gutes Verhältnis.

Verhältnis zu Elisabeth[Bearbeiten]

Von Elisabeth heißt es, sie habe in ihrem späteren Leben praktisch nie von ihrer Mutter gesprochen. Erinnerungen an ihre Mutter wird sie allerdings auch kaum gehabt haben, da sie bei Anne Boleyns Tod erst zwei Jahre und acht Monate alt war und zudem seit ihrem dritten Lebensmonat in eigener Hofhaltung lebte. Obwohl Elisabeth sich in der Öffentlichkeit stets mit ihrem Vater identifizierte und oft betonte, die Tochter Heinrichs VIII. zu sein, scheint sie privat auch das Andenken an ihre Mutter wachgehalten haben. Ein Beispiel dafür ist der Ring mit der Kapsel, in der sich ein Doppelporträt von ihr und ihrer Mutter befindet (zu sehen auf der Seite: http://www.tudorhistory.org/groups/ring.jpg). Auch nahm sie den Kaplan ihrer Mutter, Bischof Matthew Parker, in ihre Dienste. Darüber hinaus protegierte Elisabeth die Verwandten ihrer Mutter und übernahm Anne Boleyns Wappen, das einen Baumstumpf zeigt, als ihr eigenes - mit einer Veränderung: Bei Elisabeth sprießen Blumen aus dem Baumstumpf. Wenn Elisabeth ihre Mutter praktisch nie erwähnte, so vermutlich deshalb, weil sie keine Erinnerungen an ihre möglicherweise uneheliche Geburt und den schlechten Ruf ihrer Mutter als Ehebrecherin wecken wollte, weniger aus Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Mutter.

Anne fällt in Ungnade[Bearbeiten]

Über ein Ereignis aus dem Jahr 1534 liegen drei Versionen vor: 1. Anne Boleyn täuschte eine Schwangerschaft vor, 2. Anne Boleyn war so verzweifelt, dass sie sich eine Schwangerschaft einbildete, 3. Anne Boleyn war tatsächlich schwanger und hatte eine Fehl- oder Totgeburt. Welche Version zutrifft, ist nicht geklärt.

Sicher ist, dass Anne Boleyn 1536 eine Fehlgeburt (einen Sohn) hatte. Danach fiel sie bei Heinrich endgültig in Ungnade. Mit Jane Seymour hatte er bereits die nächste Ehekandidatin ins Auge gefasst. Paradoxerweise war ihr größter Schutz, dass Katharina von Aragón noch lebte, denn Heinrich befürchtete, dass die Ehe mit Katharina automatisch wieder gültig wäre, wenn er die Ehe mit Anne für ungültig erklären würde.

Prozess und Hinrichtung[Bearbeiten]

Als Katharina von Aragón im Januar 1536 starb, wurde Anne Boleyn wegen mehrfachen Ehebruchs, inzestuöser Beziehungen zu ihrem Bruder und des Plans, den König umzubringen, angeklagt. Obwohl diese Anschuldigungen unbewiesen blieben, wurde sie wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.

Vermutlich war sie in allen Anklagepunkten unschuldig. Der Biograph ihrer Tochter, John E. Neale, hält es für denkbar, dass Anne, falls sie tatsächlich fremdgegangen sein sollte, dies getan hat, um schwanger zu werden. Auch andere Historiker neigen zu dieser Ansicht. Die Autorin Philippa Gregory greift diesen Gedanken in ihrem Roman The Other Boleyn Girl (dt.: Die Schwester der Königin) auf und lässt Anne tatsächlich mit ihrem Bruder George ins Bett gehen. In einem Interview, das der englischen Ausgabe nachgestellt ist, erklärt die Autorin, Anne habe sich mit ihrem Bruder eingelassen, um wieder schwanger zu werden, und hält den Inzest für die Ursache von Annes Fehlgeburten. Antonia Fraser bezeichnet diese Argumentation als "Rufmord" an Anne Boleyn. Ohne hierzu Stellung beziehen zu wollen, muss man anmerken, dass auch Katharina von Aragóns Schwangerschaften - bis auf eine - unglücklich verliefen, und dass möglicherweise der König selbst, der vielleicht an Syphilis litt, an den Fehl- und Totgeburten seiner Frauen Anteil hatte.

Kurz vor Anne Boleyns Hinrichtung wurde ihre Ehe mit dem König für ungültig und Elisabeth zum Bastard erklärt.

Einer Legende nach soll Anne Boleyn ihren berühmten Ring, der das Porträt von ihr und Elisabeth zeigt, kurz vor ihrem Tod Elisabeth als Andenken übergeben haben. Der Ring wurde nach Elisabeths Tod 1603 von ihrem Finger entfernt und James VI. von Schottland, Edinburgh, gegeben, um ihm den Tod Elisabeths zu beweisen. Noch heute kann man den Ring, neben vielen weiteren Ausstellungsstücken, im Museum by the chequers Trust besichtigen.

Zur Hinrichtung seiner Ehefrau am 19. Mai 1536 ließ Heinrich den französischen Henker Jean Rombaud aus Frankreich kommen, einen der wenigen Scharfrichter, die schnell mit dem Schwert statt mit dem Beil töteten. Eine Gruppe von Beamten hatte sich im Tower versammelt, um die Hinrichtung zu beobachten. Auf dem Schafott hielt Anne Boleyn eine kurze Rede.

Gute christliche Leute, ich will niemanden anklagen, oder darüber sprechen, warum ich angeklagt wurde und zum Sterben verurteilt bin. Gott schütze den König. Möge er noch lange über euch herrschen. Denn einen so sanftmütigen und nachsichtigen König wie ihn gab es noch nie. Mir war er stets ein guter freundlicher und gnädiger Herr. Jesus, zu Dir befehle ich meine Seele, Herr empfange meine Seele.

Good Christian people, I am come hither to die, for according to the law, and by the law I am judged to die, and therefore I will speak nothing against it. I am come hither to accuse no man, nor to speak anything of that, whereof I am accused and condemned to die, but I pray God save the king and send him long to reign over you, for a gentler nor a more merciful prince was there never: and to me he was ever a good, a gentle and sovereign lord. And if any person will meddle of my cause, I require them to judge the best. And thus I take my leave of the world and of you all, and I heartily desire you all to pray for me. O Lord have mercy on me, to God I commend my soul. To Jesus Christ I commend my soul; Lord Jesus receive my soul.

Sie gestand ihre Schuld nicht, vermied es aber auch, den König anzugreifen - wahrscheinlich befürchtete sie, er würde in diesem Fall Rache an ihren Verwandten nehmen. Anne Boleyn wurde kniend, mit erhobenem Kopf hingerichtet. Bereits elf Tage nach Annes Tod, am 30. Mai 1536, heiratete Heinrich seine dritte Frau, Jane Seymour.

An der Hinrichtungsstätte im Londoner Tower befindet sich eine Gedenktafel. Anne Boleyns Körper wurde ohne Erinnerungstafel unter dem Kirchenschiff der Kapelle des Towers begraben. Im Jahr 1876 wurden die sterbliche Überreste der dort liegenden Personen in die Gruft der Kapelle überführt.

Quelle: Wikipedia, Deutsche Ausgabe/ Anne Boleyn