Examensrepetitorium Jura: StGB BT: § 211

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Aufbauschema Mord (ua.)

Grundlagen[Bearbeiten]

Der Mord unterscheidet sich vom Totschlag (§ 212 StGB) dadurch, dass mindestens eines der in § 211 Abs. 2 StGB genannten Mordmerkmale im Rahmen der Tötung verwirklicht wird.

Strittig ist, wie Mord und Totschlag rechtsdogmatisch zueinander stehen. Die Rechtsprechung (allen voran der BGH) sieht in § 211 einen eigenen Straftatbestand, während die herrschende Lehre § 211 als Qualifikation zu § 212 begreift. Relevanz hat der Streit, wenn ein Teilnehmer der Tat ein personenbezogenes Mordmerkmal nicht aufweist, da dieser nach der Ansicht der Rechtsprechung über § 28 Abs. 1 StGB nur in den Genuss einer Strafmilderung kommt.

Tatbestand[Bearbeiten]

Die Mordmerkmale müssen auf Grund der absoluten Strafandrohung aus Absatz 1 sehr restriktiv ausgelegt werden. Dies ist schon verfassungsrechtlich geboten. Die Literatur und die Rechtsprechung haben verschiedene Rechtsfiguren geschaffen, um dieser restriktiven Auslegung gerecht zu werden, dazu gehören 1. die positive und die negative Typenkorrektur und 2. die sog. Rechtsfolgenlösung.

Unterschieden werden drei Merkmalsgruppen (zwei täterbezogene und eine tatbezogene):

  • Gruppe 1: Niedrige Beweggründe (täterbezogen)
    Der Täter handelt aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder aus einem anderen niedrigen Beweggrund heraus.
    • Mordlust
      Allein die Tötung eines Menschen an sich ist Zweck der Tathandlung. Die Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens bzw. der Wunsch, jemanden sterben zu sehen, treibt den Täter zur Tat. Mögliche Ursachen sind beispielsweise Langeweile, Neugier oder Angeberei. Mordlust kann einer natürlichen Neigung entspringen, oder gezielt trainiert werden. Ein Mord aus Mordlust ist oftmals mit sadistischen Handlungen verbunden. Eng verwandt mit der Mordlust ist die Motivation, einen perfekten Mord zu begehen.
    • Befriedigung des Geschlechtstriebes
      Hier will sich der Täter durch die Ermordung eines Menschen sexuell befriedigen („Lustmord“). Die Befriedigung erfolgt entweder direkt durch den Akt der Tötung oder im Nachhinein an der Leiche. Ebenfalls erfüllt ist das Merkmal, wenn der Täter den Tod seines Opfers bei einer Vergewaltigung billigend in Kauf nimmt, d. h. Gewalt anwendet und sich darüber im Klaren ist, dass sein Opfer dadurch möglicherweise stirbt. Auch ist das Mordmerkmal dann gegeben, wenn man sich erst nach dem Mord anhand von Videos, Fotos oder Tonaufnahmen, die bei der Tat hergestellt wurde, sexuell erregt.
    • Habgier
      Darunter wird das rücksichtslose Streben nach Vermögensmehrung oder Besitzerhaltung um jeden Preis (höchst strittig!) verstanden. Dem Täter geht es also darum, sein Vermögen durch die Tötung seines Opfers zu vermehren (z. B. eine Erbschaft oder Lebensversicherung zu kassieren, Auftragsmord) oder zu behalten (z. B. einen bestimmten Betrag - Unterhalt, Schadenersatz - nicht zahlen zu müssen).
    • Sonstige niedrige Beweggründe
      Die herrschende Meinung versteht unter diesem Begriff solche Motive, die sittlich auf niedrigster Ebene angesiedelt sind und nach den Wertmaßstäben des deutschen Kulturkreises besonders verwerflich oder gar verachtenswert sind. Darunter fallen z.B. Neid, Rassenhass und Rachsucht. So genannte normal-psychologische Verhaltensweisen wie zum Beispiel Wut und Eifersucht sind dann niedrige Beweggründe, wenn die Motive, auf die sie sich gründen, als niedrige Beweggründe einzustufen sind, also wenn z.B. Grund der Eifersucht eine erhebliche Eigensucht ist. Auch die sog. "Ehrenmorde" können unter "sonstige niedrige Beweggründe" subsumiert werden, da zur Bestimmung dieses Mordmerkmals nicht der ausländische, sondern der inländische Kulturkreis entscheidend ist.
  • Gruppe 2: Besonders verwerfliche Begehungsweise (tatbezogen)
    Die Tat selbst muss dieses Merkmal erfüllen, und zwar indem sie entweder heimtückisch oder grausam war oder mit gemeingefährlichen Mitteln durchgeführt wurde.
    • Heimtücke
      Der Heimtückebegriff ist umstritten. Der Mörder muss die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzen und geht gegen dieses in feindlicher Willensrichtung vor. Arglos ist derjenige, der sich im Moment der Tat keines Angriffs bewusst ist. Die Wehrlosigkeit ist Folge der Arglosigkeit, da die Verteidigungsbereitschaft und -möglichkeit eines arglosen Opfers eingeschränkt ist. Schwierig ist die Abgrenzung bei Kleinstkindern, welche keinen Argwohn entwickeln können, und Bewusstlosen. In solchen Fällen wird die Arglosigkeit dann angenommen, wenn der Täter den natürlichen Schutz- und Abwehrinstinkt beim Kind überwindet, indem er z. B. das bittere Gift mit Zucker süßt, damit es genießbar wird. Bei Schlafenden wird angenommen, dass diese ihre Arglosigkeit „mit in den Schlaf nehmen“. Ein Bewusstloser kann hingegen nicht arglos sein. Aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehene restriktive Auslegung dieses Mordmerkmals werden in der Literatur und Rechtsprechung umstrittene Einschränkungsversuche gemacht. Einerseits wird auf Tatbestandsseite zusätzlich ein "besonderer Vertrauensbruch", eine "besondere Verwerflichkeit" oder ein "tückisch verschlagenes Vorgehen" gefordert . Die Rechtsprechung versucht die Rechtsfolge durch Strafmilderung abzufedern (insbesondere beim sog. Haustyrannenmord).
    • Grausamkeit
      Das Opfer ist körperlichen oder seelischen Qualen ausgesetzt, die nach Intensität und Dauer über das „normale Maß“ einer Tötung hinausgehen, wobei der Täter aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung heraus handelt. Dies trifft beispielsweise zu, wenn der Sterbeakt des Opfers vom Täter verlängert oder anderweitig intensiviert wird (z. B. Tötung durch dauerhaften Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsentzug oder Folter).
    • Gemeingefährliche Mittel
      Mittel sind dann gemeingefährlich, wenn der Täter sie im Einzelfall nicht sicher zu beherrschen vermag und sie geeignet sind, Leib und Leben mehrerer Menschen zu gefährden. Die Gefahr beschränkt sich also nicht nur auf eine Einzelperson, sondern wird auf die Allgemeinheit ausgeweitet. Beispiele sind u. a. der Einsatz von Sprengstoff, mehrere, unkontrollierte Schüsse aus einer Waffe oder Feuer in der Nähe einer Menschenmenge.
  • Gruppe 3: Verwerflichkeit der deliktischen Zielsetzung (täterbezogen)
    • Ermöglichung oder Verdeckung einer Straftat
      Wenn das dritte Mordmerkmal erfüllt sein soll, so muss es das maßgebliche Ziel des Täters gewesen sein, entweder eine Tat zu ermöglichen oder eine solche zu verdecken. Darunter fällt nicht nur eine eigene, sondern auch die Tat eines Dritten. Sie muss allerdings nicht strafbar und auch nicht tatsächlich begangen worden sein, es reicht, wenn der Täter dies irrigerweise annimmt. Beispiele hierfür sind das Töten eines Zeugen oder Ermittlers, wobei entscheidend ist, dass die Straftat aus Sicht des Täters noch verheimlicht werden kann.

Abgrenzung zu anderen Tötungsdelikten[Bearbeiten]

§ 218 StGB stellt klar, dass ungeborene Kinder keine tauglichen Tatobjekte eines Mordes (und eines Totschlags sowie darüber hinaus einer fahrlässigen Tötung und von Körperverletzungsdelikten) sein können. Die Existenz eines "Menschen" als taugliches Tatobjekt im Sinne der o. g. Vorschriften beginnt - anders als im BGB, das für die Rechtsfähigkeit auf die Vollendung der Geburt abstellt (§ 1 BGB) - mit dem Beginn des Geburtsvorgangs. Maßgeblich ist der Eintritt der Eröffnungswehen; bei einer Geburt durch operative Methoden (Kaiserschnitt) ist der relevante Zeitpunkt die Öffnung der Gebärmutter.

Sterbehilfe findet regelmäßig ohne Verwirklichung eines Mordmerkmals statt. Eine echte Tötung auf Verlangen ist meist nur gem. § 216 StGB als privilegierter Fall des Totschlags zu bestrafen.

(Exkurs: Wer von einem geplanten Mord Kenntnis erhält, ist unter den Voraussetzungen von § 138 und § 139 StGB zur Anzeige verpflichtet.)

Strafe[Bearbeiten]

Auf Mord steht zwingend lebenslange Freiheitsstrafe (sofern nicht Jugendstrafrecht eingreift oder der Täter nicht voll schuldfähig war). Diese absolute Strafandrohung ist mit dem Rechtsstaatsprinzip nur vereinbar, wenn der Richter in Härtefällen auf eine zeitige Freiheitsstrafe ausweichen kann. Die mithin gebotene Korrektur wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich vorgenommen. Teilweise wird vertreten, die einzelnen Mordmerkmale müssten restriktiv ausgelegt werden, teilweise wird - beispielsweise bei der Heimtücke - noch ein zusätzliches Moment der Tücke oder ein Vertrauensbruch gefordert. Nach der Rechtsprechung (sogenannte Rechtsfolgenlösung) soll in Ausnahmefällen, insbesondere bei den sog. „Haustyrannenmorden“, in denen eine Frau sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als ihren (Ehe-)Mann zu töten, eine im Gesetz eigentlich nicht vorgesehene Strafmilderung nach § 49 StGB stattfinden; damit droht nur noch eine Freiheitsstrafe zwischen drei und 15 Jahren.

Prozessuales[Bearbeiten]

Zuständiges Gericht erster Instanz ist die Große Strafkammer des Landgerichts als Schwurgericht, in Jugendstrafverfahren die Große Jugendkammer des Landgerichts. Rechtsmittel gegen das Urteil ist die Revision zum Bundesgerichtshof. Die Berufung ist gem. § 312 StPO hingegen nur gegen Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichts zulässig.