Medizinische Informatik: Telemedizin

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Einleitung[Bearbeiten]

Wenn man so will, ist jede telefonische Konsultation eines Arztes eine telemedizinische Anwendung. Unter der Telemedizin im engeren Sinne sind aber nur größere spezielle medizinische Lösungen gemeint, die den Computer und die Telekommunikation nutzen. Dabei kann die Telemedizin auf immer größere Bandbreiten, zunehmend sichere Verbindungen und einer flächendeckenden Verbreitung der allgemeinen Telekommunikation aufbauen.

In Teilbereichen ist hier ein hoher technischer Stand erreicht, der sich bereits im täglichen Routinebetrieb und mit Übertragung von riesigen Datenmengen gut bewährt hat.

Auf der anderen Seite steht die Tatsache, daß die elektronische Informationsübermittlung auch in den banalsten Bereichen der reinen Textübertragung beispielsweise zwischen Hausarzt und Facharzt oder Hausarzt und Krankenhaus noch in den Kinderschuhen steckt und auf eine brauchbare standardisierte und sichere Lösung wartet.

Peter Haas, informatiker , Fachhochschule Dortmund

  • Ärzte fürchten die Telemedizin, weil sie befürchten, dass sie dadurch Patienten verlieren"
  • "Die Telemedizin hat keine starke Lobby."

In der Schweiz kann man sich bereits seit mehr als 15 Jahren übers Telefon oder per Videotelefon ärztlich beraten lassen. Rezepte werden auf diesem Weg auch verschrieben.

In der BRD gilt bis jetzt ( 2018 ) ein Fernbehandlungsverbot. Ein Lockerung des Verbotes steht aber in Aussicht.

Telemedizin[Bearbeiten]

Allgemeines[Bearbeiten]

Die Telemedizin bezeichnet Diagnostik und Therapie unter Überbrückung einer räumlichen oder auch zeitlichen Distanz zwischen Arzt und Patienten oder zwischen zwei sich konsultierenden Ärzten mittels Telekommunikation. Größere Verbreitung hat die Telemedizin heute vor allem in

  • der Teleradiologie
  • der Telemetrie
  • der Telepathologie

gefunden, wenn man von der breiten Anwendung des Internets und des Telefons in der Befundübermittlung und Informationsbeschaffung einmal absieht.

Telemedizinische Verfahren werden in größerem Umfang seit den 1980er-Jahren erprobt. Triebkraft zur Telemedizin ist eine räumliche Trennung von Arzt und Patient oder Arzt und Facharzt, wie sie in der Raumfahrt] (hier auch Telemetrie), bei Expeditionen und in militärischen Einsätzen zu beobachten ist. Auch großflächige Länder mit einer geringen Einwohnerzahl in entlegenen Gebieten haben früh einen Bedarf für telemedizinische Anwendungen gesehen. Aus diesem Grund sind viele Forschungen in Norwegen erfolgt. Es gibt aber auch andere Formen der Versorgung neben der Telemedizin, wie die  Flying Doctors aus Australien zeigen. Ein Nachteil der Telemedizin ist häufig das Fehlen der therapeutischen Möglichkeiten, da ein Facharzt nicht vor Ort ist. In den medizinisch gut versorgten Gebieten wird Telemedizin mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung, z. B. durch Einholung einer Zweitmeinung verwendet. Daneben kann Telemedizin auch einen Beitrag zur Verbesserung der Aus-, Fort- und Weiterbildung leisten.

Anwendungsgebiete[Bearbeiten]

  • Telechirurgie
  • Teledermatologie
  • Telediagnostik
  • Telekardiologie
  • Telekonsultation
  •  Telemetrie
  • Telemonitoring
  • Teleneurologie
  • Teleoperation
  • Telepathologie
  • Telepsychiatrie
  • Teleradiologie
  • Teletherapie

Herausforderungen[Bearbeiten]

Die Telemedizin hat technische, organisatorische, wirtschaftliche und rechtliche Herausforderungen sowie subjektive Bedenken zu bewältigen:

Technische Herausforderungen[Bearbeiten]

Telemedizin bedeutet die Anwendung von Kommunikationsmitteln und beinhaltet damit die Anforderung von Interoperabilität zwischen den Kommunikationspartnern. Hier haben sich in den letzten Jahren z. B. Videokonferenzstandards etabliert. Der technische Aufwand ist jedoch zum Teil groß, insbesondere, wenn radiologische Modalitäten (NMR) an weit entfernte Workstations und Archive mittels des  DICOM Standards angebunden werden müssen. Ein weiteres Problem ist die Datenqualität, die durch die Gewinnung der Daten, ihre Weiterleitung oder die Kompression von Daten verändert sein kann. Telemedizinische Verfahren sollten daher klinisch validiert sein. Aufgrund der äußerst einschränkenden Regelungen für die Vermittlung von  Patientendaten ist die Gewährleistung von Datenschutz eine Herausforderung für die Telemedizin. Personenbezogene Daten dürfen in der Regel nur anonymisiert oder  pseudonymisiert ausgetauscht werden. Technische Lösungen hierzu sind auch Verschlüsselungen des Datenstroms, die aber eine entsprechende Ausstattung bei Sender und Empfänger voraussetzen.

Organisatorische Herausforderungen[Bearbeiten]

Die Kommunikationspartner müssen Absprachen treffen, wie der Datenaustausch erfolgen soll. Bei synchroner Übertragung sind feste Zeiten zu vereinbaren. Dies ist im Klinikalltag nicht immer zu gewährleisten. Ebenso verlangt auch die Telekonsultation die Dokumentation, was u. U. zu Mehraufwand führt.

Wirtschaftliche Herausforderungen[Bearbeiten]

Die Telemedizin verursacht Fixkosten (Geräteanschaffung) und Betriebskosten (Verbindungskosten, Personalkosten). Hier stellt sich die Frage, wer diese Kosten übernimmt. So stellt die Vergütung und Abrechnung vielerorts noch ein Hemmnis für die Einführung von Telemedizin dar. Viele geförderte Projekte werden daher nach dem Förderungszeitraum nicht mehr betrieben.

Andererseits bietet die Telemedizin auch echte Kosteneinsparungen. Erst die Telemedizin hat es beispielsweise auch kleinen Krankenhäusern erlaubt CTs zu betreiben, ohne daß ein Radiologe vor Ort ist.

Juristische Herausforderungen[Bearbeiten]

Im allgemeinen unterscheidet man eine „erste Meinung“ und eine ergänzende Zweitmeinung. Während die Zweitmeinung rechtlich weniger Bedenken verursacht, kann eine rein auf Telemedizin abstützende Erstmeinung rechtlich problematisch sein. Eine solche Situation kann z. B. vorliegen, wenn kein Facharzt vor Ort ist und die Diagnose allein durch eine telemedizinische Konsultation von einem entfernten Facharzt durchgeführt wird. Die Datenqualität ist ebenfalls für die rechtliche Bewertung entscheidend. Daher sollte eine Validierung des Verfahrens durchgeführt werden.


Weblinks[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

  • Armin Gärtner, Teleneurologie, mt-medizintechnik6/2006 TUEV Media Verlag Köln, S. 208 - 213
  • Armin Gärtner, Medizintechnik und Informationstechnologie, Band 3: Telemedizin und computerunterstützte Medizin, TÜV Media, Köln 2006, ISBN 3-8249-1004-7
  • Peter Haas, Gesundheitstelematik: Grundlagen, Anwendungen, Potenziale, Springer, Berlin 2006, ISBN 3-5402-0740-6
  • Achim Jäckel (Hrsg.), Telemedizinführer Deutschland, Jahrbuch der Telemedizin 2007, 8. Ausgabe, Bad Nauheim 2006, ISBN 3-937948-05-8
  • Christian Link, Telemedizinische Anwendungen in Deutschland und in Frankreich – Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Grundlagen und des Haftungsgefüges sowie des Internationalen Privatrechts – mit Zusammenfassung in französischer Sprache, Herbert Utz Verlag, München 2007, ISBN 978-3-8316-0731-0.

Teleradiologie[Bearbeiten]

In der Medizin versteht man unter Teleradiologie jeden Vorgang, bei dem  radiologisches Bildmaterial über eine Telekommunikationseinrichtung an einen entfernten Ort übertragen, befundet und der Befund wieder zurückgeschickt wird .

Teleradiologie nach RöV[Bearbeiten]

Im engeren Sinn bedeutet Teleradiologie die bildgebende Untersuchung eines Menschen unter der Verantwortung eines fachkundigen Arztes (meist Radiologe), der sich nicht am Ort der Durchführung befindet. Der verantwortliche Radiologe steht dabei mittels elektronischer Datenübertragung (z.B. verschlüsselte Internet-Tunnelung oder Telefon-Verbindung) unmittelbar mit der anfordernden und durchführenden Stelle in Verbindung. Diese Form der Teleradiologie ist in § 2 der  Röntgenverordnung (RöV) definiert und wird auch als "Teleradiologie nach RöV" bezeichnet.

Die Teleradiologie nach RöV ermöglicht auch kleineren Krankenhäusern, die Computertomografie (CT) oder NMR anzubieten, ohne dass immer ein fachkundiger Arzt vor Ort sein muss. Besonders im Nacht-, Sonn- und Feiertagsdienst ergeben sich Vorteile. Teleradiologische Lösungen haben sich in mehrjährigem Einsatz an verschiedenen Orten bewährt. Der Gesetzgeber hat jedoch hohe Hürden an die Teleradiologie nach RöV gestellt, die Folge sind oft langwierige Genehmigungsverfahren.

Voraussetzungen[Bearbeiten]

  • Eine entsprechende apparative Ausstattung muss vorhanden sein (Untersuchungsgerät und Teleradiologie-Einrichtung am Untersuchungsort sowie eine teleradiologische Empfangseinrichtung am Auswerteort).
  • am Untersuchungsort muss eine Fachkraft sein, die das Gerät technisch bedienen kann.
  • Es muss eine schnelle, stabile Leitung zur Übermittlung der Bilddaten vorhanden sein.
  • Auf der Empfängerseite muss ein Radiologe sein, der die Bilder fachkundig beurteilt und seinen Befund zurückübermittelt.

Ablauf[Bearbeiten]

Vor der Untersuchung wird die Fragestellung und die Art der gewünschten Untersuchung übermittelt. Der Radiologe überprüft die rechtfertigende Indikation und legt das Untersuchungsprogramm fest. Die Untersuchung wird durchgeführt. Nach der Durchführung wird der Bilddatensatz an den Radiologen übermittelt. Der Radiologe sendet seinen Befund an die Anforderungsstelle zurück (per elektronischer Mail, Fax oder telefonischem Diktat, gelegentlich direkt per Telefongespräch mit dem anfordernden Kliniker.)

Telekonsultation[Bearbeiten]

Der zweite große Anwendungsbereich der Teleradiologie ist die Telekonsultation. Bei dieser Form der Teleradiologie ist immer ein verantwortlicher Radiologe am Ort der Durchführung. Bei besonders schwierig zu diagnostizierenden oder zweifelhaften Fällen kann der verantwortliche Radiologe für die Erstellung des Befundes eine weitere Meinung, z.B. die eines Spezialisten an einer Universitätsklinik, einholen. Durch die elektronische Übertragung der Bilddaten entfällt der heute noch weit verbreitete Versand der Bilder, z.B. mit dem Taxi. Da bei dieser Form immer ein verantwortlicher Radiologe am Ort der Durchführung ist, sind die gesetzlichen Hürden erheblich niedriger als bei der Teleradiologie nach RöV.

Übertragene Datenmengen[Bearbeiten]

Verfahren

Typische Bildauflösung

Kilobyte pro Bild (verlustfrei komprimiert)

Bilder pro Untersuchung

Megabyte pro Untersuchung

Röntgen Thorax

2048 × 2400 × 16

ca 1600

1 oder 2

1,6 oder 3,2

CT

512 × 512 × 16

200

50 bis 100

10 bis 20

MRT

256 × 256 × 8

20

50 bis 100

1 bis 2

Sonografie

512 × 512 × 8

100

10 bis 50

1 bis 5

Die Angaben sind als Richtwerte aufzufassen.

Besonders bei der  Sonografie (Ultraschall-Untersuchung) müssen unter Umständen größere Datenmengen übertragen werden, da hier zum Teil Farbbilder und/oder Videosequenzen anfallen. Allerdings sind teleradiologische Anwendungen im Ultraschall auch eher selten, denn zur Ableitung eines guten Ultraschallbildes braucht man einen erfahrenen Untersucher, der dann auch seine Bilder meist selbst beurteilen kann.

Standardisierung der Teleradiologie[Bearbeiten]

Für die Bildübertragung im Rahmen der Teleradiologie kommen heute (Stand: 2006) so gut wie keine proprietären Lösungen mehr zum Einsatz, sondern standardisierte DICOM-Protokolle. Im Gegensatz zu früher ist es nicht mehr erforderlich, dass beide Kommunikationspartner die Teleradiologie-Software des selben Herstellers einsetzen. Allerdings müssen vor der erstmaligen Kommunikation einige Konfigurationen (AE-Title, Ports, Hostname oder IP-Adressen, Routereinstellung) vorgenommen werden, so dass vor allem bei sporadischen Telekonsultationen mit wechselnden Partnern Probleme entstehen können.

Zur Lösung dieses Problems hat die Deutsche Röntgengesellschaft im Mai 2004 eine Empfehlung zur Standardisierung der Teleradiologie in Deutschland verabschiedet. Laut dieser Empfehlung soll die Verwendung von Open PGP-verschlüsselter  DICOM-E-Mail für die Bildübertragung zum Standard in der Teleradiologie werden.

Zum  Medizinproduktegesetz (MPG) konforme Teleradiologiesysteme, die diesen Standard unterstützen, werden von der Industrie angeboten.

Weblinks[Bearbeiten]

Telemetrie[Bearbeiten]