Topographische Anatomie: Neuroanatomie: Blutversorgung

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Allgemeines[Bearbeiten]

Das Gehirn erhält Blut aus insgesamt vier verschiedenen Arterien: aus zwei Arteriae vertebrales und zwei Arteria carotides internae. Sie vereinigen sich im Circulus arteriosus cerebri (Willisi) an der Hirnbasis und versorgen letztlich das gesamte Gehirn. Im Gegensatz dazu wird das Rückenmark von umliegenden Arterien außerhalb des Wirbelkanals gespeist.

Blutversorgung des Rückenmarks[Bearbeiten]

Das Rückenmark wird versorgt von zwei hinteren Arterien (Arteriae spinales posteriores), die sich an den Hinterstrang anschmiegen, und einer vorderen Arterie (Arteria spinalis anterior), die in der Fissura mediana anterior am Rückenmark entlangläuft.

  • Die vordere Arterie versorgt das Vorderhorn und den Vorderseitenstrang sowie zum Teil das Hinterhorn des Rückenmarks,
  • Die beiden hinteren Arterien versorgen den Rest.

Alle drei Arterien werden von Segmentarterien gespeist, die aus umgebenden Arterien außerhalb des Wirbelkanals abstammen:

  • aus den Arteriae vertebrales, cervicalis profunda und cervicalis ascendens (entstammen der Arteria subclavia),
  • aus den Arteriae intercostales posteriores (entstammen der Aorta thoracica),
  • aus den Arteriae lumbales (entstammen der Aorta abdominalis).

Sie treten in unregelmäßigen Abständen ans Rückenmark heran und spalten sich dann in zwei Äste auf (Arteriae radiculares anterior und posterior), die dann zu den beiden hinteren und der einen vorderen Spinalarterie ziehen. Hervorzuheben ist dabei die Arteria radicularis magna, die besonders groß ist und auf Höhe von Th9 bis Th12 aus einer Arteria intercostalis posterior entspringt und dann direkt zur Arteria spinalis anterior zieht. Das venöse Blut fließt fast vollständig analog dazu ab, allerdings gibt es nur eine hintere und eine vordere Spinalvene (Vena spinalis posterior und anterior); sie entlassen in unregelmäßigen Abständen je zwei Venae radiculares posteriores oder anteriores, welche sich dann zur Vena spinalis vereinigen. Diese zieht dann zu umgebenden größeren Venenstämmen (Vena azygos, Vena hemiazygos, Vena subclavia etc.)

Blutversorgung des Gehirns[Bearbeiten]

Arterien[Bearbeiten]

Wie bereits erwähnt, wird das Gehirn von Abkömmlingen der Arteriae vertebrales und von den Arteriae carotides internae versorgt.

  • Aus der Arteria vertebralis jeder Seite geht (nach kurzzeitiger Vereinigung zur Arteria basilaris) die Arteria cerebri posterior hervor
  • Aus der Arteria carotis interna jeder Seite gehen
    • die Arteria cerebri media und
    • die Arteria cerebri anterior hervor.

Den Kreis (Circulus arteriosus cerebri) schließen insgesamt drei Verbindungsarterien, und zwar zwei Arteriae communicantes posteriores (auf jeder Seite zwischen Arteria cerebri posterior und Arteria carotis interna) und eine Arteria communicans anterior (zwischen den beiden Arteriae cerebri anteriores). Wir wollen zunächst die Entstehung und die Verzweigungen der Arteria cerebri posterior betrachten und uns dann der Arteria carotis interna und ihren Derivaten zuwenden; dabei beschränken wir uns allerdings auf die wichtigsten Abzweigungen.

Arteria cerebri posterior[Bearbeiten]

Ab der Medulla oblongata verändert sich die Lage der Arterien auf dramatische Weise. Die Arteria vertebralis (Ursprung: Arteria subclavia) ist durch die Membrana atlantooccipitalis hindurchgetreten und befindet sich nun im Rückenmarkskanal. Dort zieht sie entlang des Rückenmarks nach kranial durch das Foramen magnum und vereinigt sich noch weiter kranial mit ihrem Pendant der Gegenseite zur Arteria basilaris. Die beiden Arteriae vertebrales und die Arteria basilaris geben eine Reihe von Ästen ab (Mit "*" markierte Arterien entstammen der Arteria vertebralis, alle anderen der Arteria basilaris):

  • Äste, die zu Rückenmarksarterien absteigen*
    • einen Ast zur Arteria spinalis anterior*
    • einen anderen Ast zur Arteria spinalis posterior*
  • Äste an die Medulla oblongata*
  • Äste ans Kleinhirn
    • Zwei Äste für die breite Unterseite des Kleinhirns: Arteria inferior posterior cerebelli* und später Arteria inferior anterior cerebelli
    • Einen Ast für die spitze Oberseite des Kleinhirns: Arteria superior cerebelli
  • Weitere kleine Äste: Arteriae pontis, Rami laterales etc.

Auf Höhe des Mittelhirns teilt sich die Arteria basilaris wieder auf, und zwar in die beiden Arteriae cerebri posteriores für jede Seite. Jede Arteria cerebri posterior entlässt zunächst die Arteria communicans posterior zur Arteria carotis interna, gibt hierauf einen Ramus temporalis inferior posterior ab, zieht dann an der Innenseite der entsprechenden Großhirn-Hemisphäre entlang und teilt sich schließlich am Isthmus Gyri cinguli in zwei Teile auf:

  • Arteria occipitalis media, die sich aufteilt in
    • einen Ramus calcarinus und
    • einen Ramus parietooccipitalis;
  • Arteria occiptialis lateralis.

Die Arteria cerebri posterior versorgt somit

  • das Mittelhirn,
  • den hinteren basalen Temporallappen, insbesondere den Hippocampus,
  • den Okzipitallappen, vor allem die Sehrinde und die Radiatio optica,
  • außerdem Teile des Thalamus und anderer in der Tiefe des Gehirns gelegenen Objekte.

Nützlich ist die Untergliederung der Arteria cerebri posterior in vier Segmente ("P": posterior):

  • P1: von der Arteria basilaris bis zum Abgang der Arteria communicans posterior
  • P2: vom Abgang der Arteria communicans posterior bis zum Abgang des Ramus temporalis inferior posterior
  • P3: vom Abgang des Ramus temporalis inferior posterior bis zur Aufspaltung am Isthmus Gyri cinguli
  • P4: terminale Äste

Arteria carotis interna und ihre Abkömmlinge[Bearbeiten]

Die Arteria carotis interna entstammt der Arteria carotis communis (Ursprung: links Aortenbogen, rechts Truncus brachiocephalicus), zieht in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wirbelsäule nach kranial (Pars cervicalis) und tritt durch den Canalis caroticus in das Schädelinnere ein. Hier windet sie sich und gelangt schließlich zur Hirnbasis. Man unterscheidet dabei drei Teilabschnitte der Arteria carotis interna: Pars petrosa im Canalis caroticus, der durch das Felsenbein verläuft Pars cavernosa mit ihrer charakteristische Krümmung (Karotissiphon) innerhalb des Sinus cavernosus Pars cerebralis (in der Cisterna chiasmatica des äußeren Liquorraums), an der als wichtigste Äste die Arteria ophthalmica und die Arteria communicans posterior abgehen. Schließlich erreicht die Arteria cartotis interna die Hirnbasis und teilt sich auf Höhe des Chiasma opticums auf

  • in die große Arteria cerebri media und
  • in die kleinere Arteria cerebri anterior.
Arteria cerebri media[Bearbeiten]

Die Arteria cerebri media zieht durch die Hirnsubstanz hindurch, wobei sie Arteriae centrales anterolaterales an Thalamus, Capsula interna, Pallidum und Striatum abgibt, und erreicht die Fissura lateralis, in der sie die Inselrinde, und Teile des Temporal- und Parietallappens versorgt. Hier teilt sie sich in zwei Stämme auf:

  • Truncus superior für den Frontal- und Parietallappen
  • Truncus inferior für den Temporal- und Okzipitallappen

Die Arteria cerebri media versorgt somit Teile aller Hirnlappen, besonders den motorischen Kortex und den somatosensibeln Kortex mit den entsprechenden Funktionszentren. Auch hier ist eine Untergliederung nützlich ("M": media):

  • M1: vom Beginn der Arteria cerebri media bis zum Austritt aus der Hirnsubstanz
  • M2: ab dem Austritt aus der Hirnsubstanz, d. h. ab der Aufspaltung in die beiden Stämme
Arteria cerebri anterior[Bearbeiten]

Die Arteria cerebri anterior zieht ein Stückchen an der Hirnbasis entlang, über das Chiasma opticum hinweg, gibt dann die Arteria communicans anterior ab und gibt wenig später die Arteria striata medialis distalis ab, die den vorderen Teil der Capsula interna sowie des Striatums versorgt. Die übrige Arteria cerebri anterior zieht in die Fissura longitudinalis cerebri, umgreift das Knie (Genu) des Corpus callosums und teilt sich dann in zwei Arterien auf:

  • Arteria callosomarginalis, die sich weiter aufteilt in
    • Rami frontales
    • Rami paracentrales
  • Arteria pericallosa, die schließlich Rami precuneales abgibt

Die Arteria cerebri anterior versorgt somit den größten Teil der Hemisphäreninnenseite sowie daran anschließende Bezirke der Außenseite. Vor allem zieht sie zum medialen Frontallappen und versorgt die medialen Anteile der Gyri prae- und postcentralis (im motorischen und sensorischen Homunkulus also die Areale für die untere Extremität). Auch die Arteria cerebri anterior untergliedert man ("A": anterior):

  • A1 (Pars precommunicalis): vom Beginn der Arteria cerebri anterior bis zum Abgang der Arteria communicans anterior
  • A2 (Pars postcommunicalis): ab dem Abgang der Arteria communicans anterior.

Venen[Bearbeiten]

Das venöse Blut des Gehirns fließt über ein kompliziertes Netzwerk von Venen ab. Grob kann man unterscheiden zwischen

  • inneren Venen,
  • mittleren Venen und
  • äußeren Venen.

Mittlere Venen: Blutleiter der harten Hirnhaut[Bearbeiten]

Die mittleren Venen sind entscheidend, denn in ihnen sammelt sich das Blut aus den inneren und äußeren Venen und fließt über die Vena jugularis interna ab; es handelt sich dabei um die venösen Blutleiter, die von der harten Hirnhaut umscheidet werden, d. h. um die Sinus durae matris. Es existieren zwei Blutsammelstellen:

  • Die erste Sammelstelle ist der Confluens sinuum; er befindet sich am Hinterhaupt innerhalb des Tentoriums cerebelli.
    • Er erhält zwei Zuflüsse.
      • Der erste Zufluss ist der Sinus sagittalis superior an der Ursprungsstelle der Falx cerebri; in diesem Sinus sammelt sich das Blut der Venae superiores cerebri, also der Venen, welche den dorsalen Kortex drainieren und über Brückenvenen in den Sinus einziehen, wobei sie die Dura durchqueren müssen.
      • Der zweite Zufluss ist der Sinus rectus an der Vereinigungslinie von Falx cerebri und Tentorium cerebelli; er erhält seinerseits Blut erstens aus dem Sinus sagittalis inferior, der parallel zum Sinus sagittalis superior gewissermaßen in der "Schneide" der Falx cerebri verläuft, und zweitens aus der Vena magna cerebri, die zu den inneren Venen zählt.
    • Aus dem Confluens sinuum fließt das Blut ab
      • vor allem über die Sinus transversi; zu ihnen ziehen – analog zum Sinus sagittalis superior – die Venae inferiores cerebri, die die basale Hemisphäre drainieren.
      • die Sinus transveris diese ziehen jeweils an der Seite des Hinterhauptsbeins entlang und werden dann zu den Sinus sigmoidei, welche eine charakterisitische S-förmige Windung vollziehen (daher "sigmoideus") und schließlich den Schädel durch das Foramen jugulare verlassen; ab hier werden sie jeweils "Vena jugularis interna" genannt.
  • Die zweite Blutsammelstelle ist der Sinus cavernosus, ein Venenbecken, das im Türkensattel des Keilbeins liegt und die Hypophyse umgibt. Genau genommen handelt es sich um zwei Sinus für jede Seite, die über einen vorderen und einen hinteren Sinus intercavernosus miteinander kommunizieren. Der Sinus cavernosus ist deshalb von großer Bedeutung, weil zum einen die Arteria carotis interna und wichtige Nerven (alle Augenmuskelnerven sowie die beiden oberen großen Abgänge des Nervus trigeminus) durch ihn hindurch ziehen und er zum anderen mit so gut wie allen Gebieten innerhalb und außerhalb des Schädels in Beziehung steht, so dass für Keime reichlich Gelegenheit besteht, aufgrund der fehlenden Venenklappen in diesen Sinus zu gelangen und schwerwiegende degenerative Prozesse auszulösen.
    • Die Hauptzuflüsse des Sinus cavernosus aus dem Schädelinneren sind die Sinus sphenoparietales, die auf beiden Seiten von lateral nach medial ziehen, und zwar an der Übergangsstelle zwischen oberer und mittlerer Schädelgrube. Diese Sinus erhalten Zuflüsse von der Vena medialis superficialis jeder Seite, die ihrerseits Blut aus den Venae anastomoticae superior und inferior (Verbindungen zum Sinus sagittalis superior und Sinus transversus) empfängt. Ein Großteil des Blutes aus dem Sinus cavernosus fließt über den Plexus basilaris ab, der sich auf dem Clivushügel ausbreitet. Außerdem bestehen Verbindungen zu anderen Sinus und somit auch zu den äußeren Venen; darauf werden wir später genauer zurückkommen.
    • Weitere Verbindungen bestehen zu Gebieten außerhalb des Schädels:
      • zur Vena ophthalmica superior, die mit der Vena facialis und der Vena angularis (im Augenwinkel) kommuniziert,
      • zum Plexus pterygoideus, der unter anderem Kontakt zur Vena retromandibularis hat, und über den Plexus venosus foraminis ovalis mit dem Sinus cavernosus Verbindung aufnimmt.

Es gibt Verbindungen zwischen beiden Hauptsammelstellen.

  • Mit dem Sinus sigmoideus kommuniziert der Sinus cavernosus über die Sinus petrosi superior und inferior.
  • In den Sinus cavernosus mündet auch die Vena media superficialis cerebri ein; sie liegt in der Fissura lateralis und steht über die Vena anastomotica superior mit dem Sinus sagittalis superior in Verbindung und über die Vena anastomotica inferior mit dem Sinus transversus.

Innere Venen[Bearbeiten]

Wie wir bereits gesehen haben, münden die inneren Venen in die kurze, aber recht kräftige Vena magna cerebri ein, deren Blut über den Sinus rectus in den Confluens sinuum fließt. Die Vena magna cerebri erhält zwei Hauptzuflüsse:

  • Die Vena basalis, die um den Hirnstamm herumzieht und dann von lateral an die Vena magna cerebri herantritt. Sie erhält zwei Zuflüsse, und zwar erstens von der Vena anterior cerebri (verläuft wie die Arteria cerebri anterior) und zweitens von der Vena media profunda cerebri (verläuft ein Stück weit wie die Arteria cerebri media), die beide ventral gelegene Anteile der Basalganglien und des Marklagers drainieren.
  • Die Vena interna cerebri verläuft im dritten Ventrikel und kommt von ventral auf die Vena magna cerebri zu. Sie und ihre Äste drainieren dorsale Anteile der Basalganglien und einen Großteil des Marklagers; es gibt drei wichtige Äste, die ihrerseits zahlreiche weitere Äste besitzen:
    • Vena choroidea superior (drainiert den Plexus choroideus von Seiten- und drittem Ventrikel)
    • Vena septi pellucidi (drainiert das Septum pellucidum, d. h. die kernhaltige Verbindung zwischen Corpus callosums und Fornix)
    • Vena thalamostriata superior (verläuft in einer Furche zwischen Thalamus und Nucleus caudatus)

Äußere Venen[Bearbeiten]

Die äußeren Venen befinden sich auf der Außenseite des Schädels, versammeln sich zu Venae emissariae und ziehen durch kleine Löcher in der Schädelkalotte in das Schädelinnere ein, um in die Blutleiter der harten Hirnhaut zu gelangen, also in die – nach unserer oben gemachten Festsetzung – in die mittleren Venen. Auf ihrem Weg dorthin nehmen sie die Venae diploicae auf, also die Venen, die sich in der Diploe (poröse Innenschicht des Schädelknochens) ausbreiten. Eine wichtige Vene ist dabei die Vena emissaria condylaris; sie anastomosiert mit dem Plexus venosus vertebralis externus, der sich außen an der Wirbelsäule befindet.