Ab durch die Mitte - Mit dem Motorrad durch den Mittelpunkt Europas (Reisebericht): -Polen- Die Anreise

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Polen - Die Anreise[Bearbeiten]

Die ersten zwei Tage (29./30.05.2009)[Bearbeiten]

557 Kilometer


Die Reiseroute bis Polen

HalberstadtSchönebeckMöckernLoburgZiesarKirchmöserPlaue (Havel) (1) – NauenOranienburgStettinLabesSchivelbeinKolberg (2)


Gestern sind wir also gestartet. Erstes Ziel sollte bei meinem Kumpel Andi in Plaue bei Brandenburg sein, um dann keinen so weiten Weg bis an die polnische Ostseeküste zu haben. Außerdem haben wir bei dieser relativ kurzen Strecke viel Zeit, uns an unsere gut bepackten Maschinen zu gewöhnen.


Kurz vor halb zwei war ich bei Kalle. Er hatte seine Maschine schon fertig gepackt und wartete auf den Start. Noch eine kurze Verabschiedung von seiner Freundin und dann ging es auf die Piste. Wir wollten touren, also haben wir uns für die kürzere Strecke über Schönebeck, Loburg und Ziesar nach Plaue entschieden, die auf Grund der vielen Ortsdurchfahrten und schmalen Straßen, aber keinen Zeitvorteil bringt. Landschaftlich ist sie auf jeden Fall die schönere Alternative, als über Magdeburg, Genthin, Burg zu fahren oder gar die A2 zu nehmen.


Zum Abschied hat uns Halberstadt noch mal an allen Ampeln, die wir passieren mussten, anhalten lassen. In Loburg haben wir dann zum ersten mal Pause gemacht. Ein reizvolles kleines Städtchen, das sicher irgendwann mal eine Tagestour wert sein wird.


Um Kirchmöser herum haben wir uns in die DDR zurückversetzt gefühlt. Die Straßen, Häuser, Zäune, Siedlungen ... alles so, wie ich es von damals in der Erinnerung habe.


Bei Andi war, als wir ankamen, schon alles vorbereitet. Ich glaube, er hatte sich über meine Idee, bei ihm zu rasten, sehr gefreut. Die Fische hingen schon im Räucherofen, die Garage war für unsere Maschinen frei geräumt, Tische, Bänke, Kiste Bier, Feuerschale .... alles da und fertig. Wir mussten uns also nur noch hin setzten und genießen.

Nach dem ersten Bier mußte ich unser Kartenmaterial aus Andis Vorrat auffüllen. Ich hatte mein Navi zu Hause nicht finden können. Habe es wohl verliehen und noch nicht zurück bekommen. Auf der Rücktour von Rostock wollen wir noch eine Nacht in Beckerwitz bei Freunden aus Braunschweig bleiben, die dann dort zelten werden, um am letzten Tag über Schwerin und Wittenberg zurück fahren.


Außerdem musste Andi mir noch ein Taschenmesser mit Korkenzieher leihen, weil auch das bei mir unauffindbar war. Allerdings hat die Weinflasche, die ich mir heute geholt habe, einen Schraubverschluss. So ist das ... sollten die alle haben, finde ich!


Bevor die Fische oder auch „toten Kameraden“, wie Andi sie nennt, richtig fertig waren, haben wir noch die Tour für die Anfahrt nach Polen besprochen. Ursprünglich wollte ich bei meinem Kumpel Mario Station machen, der nördlich von Berlin wohnt, da der aber keine Zeit hatte, würde die nächste Etappe nicht so nah an Danzig heran führen wie geplant, wodurch die folgende nach Masuren etwas länger werden würde. Aber auch das werden wir überleben und bei Andi ist eh alles super.


Und dann waren die Fische soweit. Gold vom Rauch lagen sie vor uns auf dem Tisch. Andi hatte noch leckeren Salat gemacht und ich ein selbst gebackenes Brot dazu mitgebracht. Lecker! Zur Verdauung gab es den Askanier aus Aschersleben. Den hatte sich Andi gewünscht und ich ihn besorgt.


Zum Glück wurden wir noch von Andis Freund Nils verstärkt, sonst wäre am Schluss noch etwas vom guten Fisch übrig geblieben.


Nach dem Essen machten wir es uns an der Feuerschale gemütlich. Habe mir auch gleich ein Loch (Löchlein) mit etwas Glut in meinen Kombi gebrannt. Das würde in den nächsten Wochen dafür sorgen, dass ich bei Regen einen nassen Hintern bekam, wenn ich nicht die Regenkombi drüber zog.


Nachdem sich der Askanier verabschiedet hatte, musste noch Slibowitz probiert werden. Irgendwann wurde ich dann auch ganz müde und legte mich ins vorbereitete Lager in Andis Wintergarten.


Je später der Abend, desto lustiger die Gäste
Je später der Abend, desto lustiger die Gäste

Der Morgen wurde mit einem guten Frühstück begangen, bevor wir uns auf die erste „große“ Etappe begaben. Nauen und Oranienburg erreichten wir noch über die Landstraße. Dabei passierten wir auch Fontanes Ribbeck, das mit dem Birnbaum.


„Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand ...“ Birnenzeit war allerdings noch nicht, so hielten wir uns auch nicht lange auf. Außerdem führte uns diese Strecke auch am guten alten Wandlitz vorbei, welches wir aber links liegen ließen.

Auf der A11 machten wir ein paar schnelle Kilometer bis Stettin. Ein Stück dieser Autobahn ist noch original wie früher alle Autobahnen bei uns waren, nur dass wir sie damals mit 100 km/h befahren durften. Heutige Stoßdämpfer halten das wohl nicht aus?!


Bei Stettin ist auch noch die Originalautobahn, die ein gewisser Gefreiter aus dem ersten Weltkrieg bauen ließ, der später zu zweifelhaften Ruhm gelangte. Auch mit den Wegweisern nehmen das die Polen nicht so genau.

Jedenfalls lernten wir noch so schöne Orte wie Lobez und Swidwin kennen, die eigentlich nicht auf unserem Tourenplan standen. Und über die Orientierung nach Sonne und Uhr hatten wir uns gestern ja erst unterhalten.

In Lobez füllten wir unsere Vorräte auf. Mal sehen, wie lange die halten..... haben nicht daran gedacht, dass Montag (Pfingsten) vielleicht nichts auf hat, wo wir nachfassen können. Aber egal, dann gehen wir halt teuer essen ...

Hinter Kolberg haben wir uns einen Zeltplatz an der Ostsee gesucht. Die wollen zwar erst morgen eröffnen, lassen uns aber trotzdem hier campen. Schaun wir mal, ob sich da nicht am Preis was machen lässt.

Nachdem wir die Zelte aufgestellt hatten, waren wir erst mal am Wasser. Scheiß Wind! Aber ein erstes kurzes Bad zur Erfrischung habe ich mir trotzdem nicht nehmen lassen. Außerdem funktionieren auf dem Zeltplatz die Duschen noch nicht.

Dann lecker Campingabendessen: Brot, Käse, Tomaten, Zwiebel und dazu ein trockener Roter. Leider wird es morgen wohl nicht ganz so üppig ausfallen, weil der Hunger heute schon so groß war ... und morgen ist Sonntag! Naja, an solche Planungen werden wir uns die nächsten Wochen auch noch gewöhnen.

Für heute ... gute Nacht!

Abendrot über "wüsten" Zeltplatz in Kolberg
Abendrot über "wüsten" Zeltplatz in Kolberg

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Der dritte Tag (31.05.2009)[Bearbeiten]

666 Kilometer (hat diese Zahl etwas zu bedeuten?)


Der Transit durch Polen

KolbergKöstinStolp - GdingenDanzigElbingPaslekWormdickHeilsburgBischofsteinRösselHeiligelindeRastenburgLötzenTreuburgSuwalkiSangruda (PL/LIT) – KalvarienSimnasMeteliai (3)


„Fahren bis es weh tut“, das war heute das Motto. Da es sich unsere Zeltplatzbetreiber nicht nehmen ließen, nach einem langen Arbeitstag die Nacht hindurch Party zu feiern, gab es für uns keinen Schlaf. Damit stand auch der Preis fürs Zelten fest. Jedenfalls für mich. Ich bin gegen 4:30 Uhr aufgestanden und habe angefangen, meine Sachen zu packen. Kalle kroch kurze Zeit später auch aus seinem Zelt. Wir machten uns Kaffee, wobei die letzten Partygänger sich langsam zur Ruhe legten. Kein Problem, denn kurz darauf dröhnten unsere Maschinen. Der Typ von der Truppe, den ich aus dem Bett schmiss, um uns den Torweg zu öffnen, war gleichzeitig perplex, übermüdet und noch so voll, dass er um kurz nach sechs gar nicht dazu kam, uns nach Geld zu fragen. Versucht hat er es. Kam aber nicht weit. Ein kurzes Heulen der Motoren, ein freundliches GOODBYE und wir waren im wahrsten Sinne des Wortes „vom Acker“.

Nach einigen Kilometern in Richtung Köslin oder auch dahinter, machten wir Frühstück auf den Stufen einer alten Kneipe. Überhaupt waren an diesem Pfingstsonntag viele Leute unterwegs. Einige hatten schon früh am Morgen die Hucke voll; andere, viel jüngere, liefen rum, als sollten sie geopfert werden. Jedenfalls sah das für mich als Heide so aus. Wir jedenfalls überschlugen mal so die Zeit, von der wir ja nun heute mehr zur Verfügung hatten, und kamen auf die Idee, dass wir es heute schon locker bis Litauen schaffen könnten und so die Polen noch einmal um das Entgelt für eine Zeltplatzübernachtung bringen können. So als Ausgleich, weil die uns doch um unseren Schlaf der letzten Nacht gebracht haben ...

Also war es beschlossene Sache: Der Fahrriemen kommt runter! ... und aua! ... das war er dann auch .... Aber damit war auch das gesamte Kulturprogramm im Eimer. Da Polen, jedenfalls bei dieser Reise, nur für den Transit gedacht war, ist das eine Sache, die wir in Kauf nehmen konnten. Obwohl ich mir schon gern mal die Orte besehen hätte, wo „das kleine Oskarchen“ (Matzerath) sein Unwesen trieb. Auch die Westerplatte mussten wir links liegen lassen. Und die deutsche technische Meisterleistung des Oberlandkanals bei Elbing blieb auch unbeachtet.

Nur die Kilometer zählen blieb und das Rechenbeispiel, wie man mit der minimalen Anzahl an Zloty durch ganz Polen kommt. Tankstellen, an denen man hier mit EC-Karte bezahlen kann, kamen auch nicht häufig vor. Und Leute an Tankstellen, die mal ein bisschen Englisch können, auch nicht. Wer halt in der Schule nicht aufpasst wird Tankwart ... oder wie auch immer die weibliche Form von Tankwart heißt ... vielleicht: Tankwarze ...

In Elbing mussten wir uns dann aber doch für den Geldautomaten entscheiden. Die zweihundert Zloty reichten dann auch genau soweit, dass wir kurz vor der litauischen Grenze noch mal volltanken konnten, Kalle noch mal Kippen bekam und noch ein paar kleine Münzen übrig blieben, die wir als Spielgeld fürs Knack gut gebrauchen konnten. Ein kleiner Zeitvertreib, dem wir uns am Abend vorm Zelt immer noch mal gern hingaben.

Aber so weit sind wir noch nicht. Bis hinter Elbing mussten wir immer so etwas wie bei uns die Fernverkehrsstraßen fahren. Hier herrscht Krieg! Und zwar erbarmungslos. Muss man mit geklauten Autos so fahren? Jedenfalls wurde die Straße durchaus dreispurig genutzt, wenn auch nur Platz für zwei Autos war. Bei Preußisch Holland (Pastek) bogen wir dann von der AC/DC-Straße (Highway to Hell) ab, hinein in die schönsten Tourenstrecken, die ich mir vorstellen kann. Alleen vom feinsten! Gesäumt, ach was sage ich, umrahmt von Linden und Eichen. Es ist dasselbe Erlebnis für den Motorradfahrer, wie für den Surfer, der die Welle im Tunnel reitet. Nur das mein Tunnel grün ist.

Neben der Straße waren Pferde und Kühe auf den Weiden und der Duft von blühenden Gras stieg uns in die Nase. In den Laubwäldern wiederum war es die kühle frische Waldluft und in Abschnitten mit Nadelwald der Geruch von Tannen und Kiefern in der Hitze des Mittags. Dieser Landstrich heißt Masuren. Ein herrliches Hügelland, durch das sich die Straße windet und dessen Täler Teiche und Seen beherbergen. Hier freue ich mich auch das erste Mal über die Wahl meiner Reifen. 80 % Straße und 20 % Gelände gibt der Hersteller dafür an .... und genau so sind die Straßen hier. Kalle hat das nicht so gemocht. Er hat auch keine Enduro.

Zwei Dinge sind mir ganz positiv aufgefallen. Zum einen muss man in Polen nie Angst haben, jemals ohne Sprit liegen zu bleiben, denn es gibt hier in jedem Dorf eine Tankstelle. Und auch an Sonn- und Feiertagen muss man nicht an Hunger sterben, wenn man nicht vorgesorgt hat. Solange man ein paar Zloty auf Tasche hat, bekommt man in Läden, auf denen SKLEP steht, auch am Pfingstsonntag noch Lebensmittel zu kaufen. Darum kamen auch wir noch dazu, unsere Vorräte aufzufüllen und konnten so, nach einer langen Tour, einem üppigen Abendessen entgegen sehen. Es fuhr sich auch gleich viel besser. Viele Leute waren an diesem Pfingstsonntag zu Fuß unterwegs. Sicher Pilger, die zu den Kirchen hier unterwegs waren. Und richtig. In Swietka Lipka, das wir über Vorndick, Heilsberg, Bischhofstein und Reszel erreichten, strömten die Pilger zur und von der dortigen Basilika. Ein architektonisches Kleinod aus dem 17. Jahrhundert. Auch hier gab es keinen langen Aufenthalt, sie ist aber auf jeden Fall ein Ziel, wenn ich mir mal eine Tour durch Masuren vornehme. Nicht weit davon, in der Gegend zwischen Rastenburg und Lötzen, war für heute eigentlich eine Übernachtung geplant. Der „zeitliche Vorsprung“ würde uns heute aber noch den Süden Litauens erreichen lassen.

Über Treuburg und Sudauen beendeten wir unseren Transit durch Polen und fuhren unter Schmerzen, aber glücklich es geschafft zu haben, ins Baltikum ein. Leider, für uns, haben die Litauer noch keinen Euro. So mussten wir wieder Geld tauschen, bevor wir uns auf Zeltplatzsuche begeben konnten. Zum Glück gab es gleich an der Grenze eine Wechselstube. Hier konnten wir uns erst einmal mit ein paar Litas versorgen. In Simnas fragte ich dann einfach eine Frau, die vor ihrem Haus stand, nach einem Zeltplatz. Unter Mithilfe der Nachbarfamilie, in der sich dann auch eine junge weibliche Person fand, die Englisch sprach, konnten wir an einem riesengroßen See in der Nähe von Meteliai einen schönen kleinen Zeltplatz finden, auf dem sich außer uns nur noch zwei Wohnwagen befanden. Wir wurden sogar freundlich in unserer Muttersprache begrüßt und stehen jetzt mit unseren Zelten ganz einsam am grasbewachsenen Ufer des Dusio-Sees. Morgen wollen wir weiter nach Trakai, wo wir voraussichtlich zwei Nächte bleiben werden, um von dort aus auch Vilnius zu besuchen. Aber heute Nacht genießen wir das leise Zirpen der Grillen, das sanfte Schlagen der Wellen und dazwischen ganz viel RUHE .... Das mit den Weißen Nächten geht übrigens schon langsam los. Ich war gerade mal draußen. Es ist kurz vor Mitternacht und der Horizont ist immer noch hell....

Ruhe am Dusio-See
Ruhe am Dusio-See

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