Innere Medizin kk: wpw

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Die Delta Welle im EKG

Das Wichtigste[Bearbeiten]

  • Das  WPW Syndrom ist ein Krankheitsbild mit anfallsweisem Herzrasen
  • Zugrunde liegen leitenden Muskelfasern zwischen Vorhöfen und Kammern, sogenannte akzessorische Bündel, die die normale Erregungsleitung über den AV Knoten umgehen.
  • Beim Herzrasen sind Vorhof und Kammer an einen Reentrykreislauf (elektrischer Kreisverkehr) beteiligt.
  • Der Reentrykreislauf kann  orthodrom oder  antidrom laufen.
  • Das akzessorische Bündel kann zwischen rechtem Vorhof und rechter Kammer oder zwischen linkem Vorhof und linker Kammer laufen.
  • Das WPW Syndrom wird immer seltener, da es mittlerweile oft schon im Kindesalter erkannt und abladiert wird.
  • im Ruhe EKG außerhalb des Anfalls findet sich häufig eine typische  Deltawelle
  • im Anfall helfen 1C Antiarrhythmika wie  Ajmalin und  Flecainid. Auch die Gabe von  Amiodaron intravenös ist möglich.
  • Verapamil, Diltiazem und Adenosin sind kontraindiziert, da sie das Herzrasen beschleunigen können.
  • bei bedrohlichem Herzrasen ist eine  elektrische Kardioversion notwendig
  • die endgültige Therapie ist eine  EPU mit Ablation des Akzessorischen Bündels

Titel Krankheitsnummer (ICD)[Bearbeiten]

ICD10-Code: I45.6  Präexzitations-Syndrom Wolff-Parkinson-White-Syndrom

Definition, englische Bezeichnung, Abkürzungen, Stichworte[Bearbeiten]

  • Das WPW Syndrom zählt zu den Präexzitationssyndromen.

Abkürzungen[Bearbeiten]

WPW = Wolff-Parkinson-White-Syndrom 
EPU = Elektrophysiologische Untersuchung 
AB  = Akzessorisches Bündel = zusätzliches Leitungsbündel
EKV = Elektrische Kardioversion
FBI = Fast, Broad and Irregular 
VHF = Vorhofflimmern
AVRT = AV Reentry Tachykardie = kreisende Erregung unter Einbeziehung von Vorhof und Kammer
   Typische Tachykardie beim WPW
AVNRT = AV Knoten Reentry Tachykardie = kreisende Erregung im AV Knoten 
   Keine WPW Tachykardie !!!
ms = Millisekunden
AH-Zeit = Zeitraum zwischen Vorhofdepolarisation und His-Potential
HV-Zeit = Zeitraum zwischen His-Potential und Ventrikeldepolarisation
VA-Zeit = Zeitraum zwischen Ventrikeldepolarisation und Vorhofdepolarisation
PQ Zeit =  Zeitraum vom P Wellen beginn bis zur Q Zacke , normal < 200 ms

Stichworte[Bearbeiten]

  • Epu
    • Herzkatheter mit mehreren Sonden im rechten und linken Herzen
    • meist ohne Koronardarstellung,
    • meist von der Leiste ausgehend
Kent-Bündel = zusätzliches Leitungsbündel vom Vorhof zur Kammer 
Deltawelle = Welle im EKG, die die vorzeitige Erregung der Kammer anzeigt
CARTO System = Magnetisches Navigationssystem für die EPU 
orthodrom = antegrad = normaler Erregungsablauf zb über den AV Knoten 
antidrom  = retrograd = rückwärts laufende Erregung zb über den AV Knoten
präexcitation = vorzeitige Erregung

Einteilungen[Bearbeiten]

Mit und ohne Deltawelle[Bearbeiten]

rechts oder links gelegenes Akzessorisches Bündel[Bearbeiten]

mit antidromem oder orthodromem Herzrasen[Bearbeiten]

  • Orthodrom 95 %
    • antegrade Erregung der Kammer über den AV Knoten,
    • retrograde Erregung zum Vorhof über das akzessorische Bündel
  • Antidrom 5 %
    • antegrade Erregung der Kammer über das akzessorische Bündel
    • retrograde Erregung zum Vorhof über den AV Knoten

mit Vorhofflimmern, ohne Vorhofflimmern[Bearbeiten]

  • Das Vorhofflimmern kommt gehäuft bei Patienten mit WPW-Syndrom vor. Die genaue Ursache ist unbekannt.
    • Wahrscheinlich wird das Vorhofflimmern durch AVRT induziert
    • Das Vorhofflimmern kann beim WPW wiederum ein lebensgefährliches Kammerflimmern auslösen
    • tachycardia-induced tachycardia
    • Nach erfolgreicher Ablation der akzessorischen Bahn kommt es in der Regel zu keinem Vorhofflimmern mehr.

vor Ablation oder nach erfolgreicher Ablation[Bearbeiten]

Ätiologie Ursachen[Bearbeiten]

Epidemiologie Statistik Kosten[Bearbeiten]

  • Prävalenz circa 0.1% bis 0.2 %
  • Inzidenz circa 4 / 100 000 Menschen im Jahr
  • gehäuftes Auftreten
Erregungsablauf normal und bei WPW

Pathologie Pathophysiologie[Bearbeiten]

Es besteht zusätzlich zum AV-Knoten eine weitere ( akkzessorische ) muskuläre und somit leitungsfähige Verbindung zwischen Vorhöfen und Kammern . Normalerweise sind die Vorhöfe und die Kammern voneinander elektrisch isoliert. Die einzige leitende Verbindung ist der AV Knoten.

Symptome und Klinik[Bearbeiten]

  • asymptomatisch
  • Herzrasen mit Beklemmungsgefühl und Luftnot
  • Synkopen
  • Vorhofflimmern
  • Kammerflimmern
Delta Welle

Diagnostik[Bearbeiten]

Übersicht[Bearbeiten]

  • EKG
    • im Anfall
    • im Sinusrhythmus
  • Adenosin EKG
    • Demaskierung einer versteckten Deltawelle durch Adenosin iv
  • Monitoring
  • LangzeitEKG
  • Eventrecorder
  • EPU

EKG[Bearbeiten]

Delta Welle[Bearbeiten]

  • Die Deltawelle findet sich nur im Sinusrhythmus, nicht bei der Tachykardie.
  • Die Polarität der Delta-Welle erlaubt eine einfache Lokalisationsdiagnostik der akzessorischen Leitungsbahn .
    • siehe Arruda MS et al., Journal Cardiovasc Electrophysiol 9/2–12, 1998
  • Bei versteckter Deltawelle kann man diese durch Adenosin iv demaskieren.
  • Eine versteckte Deltawelle kommt zb bei einer linksseitigen akzessorischen Leitungsbahn vor.

FBI[Bearbeiten]

englisch: fast, broad and irregular = FBI Die Befunde sind typisch für eine Breitkomplextachykardie mit Vorhofflimmern beim Wolff-Parkinson-White-Syndrom.

Therapie[Bearbeiten]

Vagotone Manöver[Bearbeiten]

Antiarrhythmika[Bearbeiten]

IC oder Amiodaron[Bearbeiten]

  • im Anfall helfen IC Antiarrhythmika wie  Ajmalin und  Flecainid. Auch die Gabe von  Amiodaron intravenös ist möglich.
  • Verapamil, Diltiazem und Adenosin sind kontraindiziert, da sie das Herzrasen beschleunigen können
  • Digoxin bzw. Digitoxin sind ebenfalls kontraindiziert

elektrische Kardioversion[Bearbeiten]

  • im Anfall des Herzrasens meist gut und schnell wirksam
  • Sedierung zb mit Midazolam oder Propofol

EPU und Ablation[Bearbeiten]

  • elektives Verfahren zur Beseitigung der akzessorischen Bahn
  • Erfolgsrate nach Ablation der akzessorischen Bahn ungefähr 95%
  • Mortalitätsrate der Ablation ungefähr 0,2%

Komplikationen[Bearbeiten]

  • Herztamponade 0,13–1,1%
  • AV-Block III° 0,17– 1,0%

Quelle: Blomström-Lundqvist C, Scheinman MM, Aliot EM, Alpert JS, Calkins H, Camm AJ, et al.

  • ACC/AHA/ESC guidelines for the management of patients with supraventricular arrhythmias:
  • a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines
  • and the European Society of Cardiology Committee for Practice Guidelines
  • Writing Committee to Develop Guidelines for the Management of Patients With Supraventricular Arrhythmias, 2003.

Verlauf und Prognose[Bearbeiten]

Da beim WPW in einem gewißen Prozentsatz der Fälle Vorhofflimmern mit lebensbedrohlichem Herzrasen auftreten kann, hat das Krankheitsbild unbehandelt eine erhöhte Sterblichkeit. Nach erfolgreicher Ablation ist die Prognose gut.

Tachykardes Vorhofflimmern bei WPW- Syndrom kann durch eine 1:1-Überleitung über das schnell leitende akzessorische Bündel ein Kammerflimmern auslösen und somit zum plötzlichen Herztod führen.

Risikofaktoren für Kammerflimmern und Sekundenherztod[Bearbeiten]

  • Je kürzer die anterograde Refraktärzeit des akzessorischen Bündels, desto grösser das Gefährdungspotential.
    • RR-Werte kürzer als 250 ms zeigen ein hohes Risiko an
  • männliches Geschlecht,
  • junges Alter,
  • multiple Leitungsbahnen,
  • stattgehabte symptomatische Tachykardie,
  • Ebstein-Anomalie
  • familiäres WPW Syndrom

Prognostisch günstig[Bearbeiten]

  • intermittierendes Auftreten der Delta-Welle im Ruhe-EKG
  • Verschwinden der Delta-Welle bei höherer Herzfrequenz während eines Belastungstests
  • Verschwinden der Delta-Welle nach Applikation eines Natriumkanalblockers zb Lidocain.

Fragen[Bearbeiten]

Betablocker ?[Bearbeiten]

Sind Betablocker beim WPW kontraindiziert ?

Verschwindet die Delta Welle nach einer erfolgreichen Ablation ?[Bearbeiten]

Ja

Wie kann man eine verborgene Deltawelle nachweisen ?[Bearbeiten]

  • Mit Adensoin iv oder Gilurytmal iv
  • Nur unter Monitorkontrolle und Reanimationsmöglichkeit !

Fälle[Bearbeiten]

31 jährige Frau mit WPW[Bearbeiten]

47-jähriger Patientin mit Breitkomplextachykardie[Bearbeiten]

Eine 47-jähriger Patientin kommt mit einer Breitkomplextachykardie als Notfall in die Notaufnahme. Die Patientin wird mit einer elektrischen Kardioversion rhythmisiert. Danach zeigt sich im RuheEKG eine Deltawelle.

Ekg Beispiel vor und nach Ablation[Bearbeiten]

51 jährige Tennisspielerin mit wechselnder Schmal- und Breitkomplextachykardie[Bearbeiten]

Fall mit verstecktem WPW[Bearbeiten]

Siehe http://www.kardioforum.com/KF/index.php?id=ekg-kolumne

  • Im Ruhe-EKG findet sich kein Hinweis auf eine akzessorische Leitungsbahn.
  • Die PQ-Dauer ist normal, keine Delta-Welle erkennbar.
  • Der einzige Hinweis für ein WPW ist die Tachykardie.

Fall: junge Frau mit plötzlich einsetzendem Herzrasen und Breitkomplextachykardie bis 180 / min[Bearbeiten]

FBI = Fast, Broad and irregular Eine junge Frau wird vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht. Bislang seien keine Herzrhythmusstörungen bekannt. Sie bemerkte am Morgen ein plötzliches Herzrasen, Luftnot und Beklemmungsgefühl. Der Notarzt stellt eine unregelmäßige Tachykardie mit breiten QRS Komplexen und Herzfrequenzen bis 180 / min fest. Im Echo erkennt man eine gute LV Funktion. Die Patientin wird sediert mit 4 mg Midazolam und 40 mg Propofol. Dann elektrisch kardiovertiert. Es stellt sich ein beschleunigter Sinusrhythmus mit eine Herzfrequenz von 85 / min ein. Im abgeleiteten EKG erkennt man eine Delta Welle in den Ableitungen V2 - V5 als Zeichen des WPW Syndroms. Die Patient wird zur EPU und Ablation angemeldet. Bis dahin bleibt sie am Monitor auf der Überwachungsstation.

Fall bekanntes WPW was tun ?[Bearbeiten]

Eine 38jährige Frau mit Herzrasen, Schwindel und Atemnot kommt in die ZPA. Sie berichtet, daß bei ihr bereits ein WPW Syndrom bekannt sei. Im EKG zeigt sich Vorhofflimmern und eine Schmalkomplextachykardie von 160 bis 200 . Der Blutdruck wird mit 75/45 mmHg gemessen.

  • was wollen Sie machen ?
    • Intubation und Beatmung wegen Kreislaufschock ?
    • Metoprolol 5 mg iv geben ?
    • Adenosin 6 mg iv im Schuß geben ?
    • elektrisch kardiovertieren ?
    • Verapamil 5 mg iv geben ?
    • Digitalisieren ?
    • Amiodaron150 mg iv geben ?

Antwort : Sedierung zb mit 5 - 10 mg Midazolam, dann elektrische Kardioversion

  • Kontraindiziert sind auf jeden Fall: Adenosin, Verapamil und Digitalis
  • Ungünstig sind auch Betablocker und Amiodaron, da sie denn Blutdruck senken.

Geschichte der Krankheit[Bearbeiten]

  • 1913 Cohn und Fraser Erstbeschreibung
  • 1913 Kent beschreibt eine knotenartige Struktur zwischen Vorhof und Kammer
  • 1928 P.D. White L. Wolff J.Parkinson
    • American Heart Journal „Bundle-branch block with short PR-Interval in healthy young people prone to paroxysmal tachycardia“
    • Ausführliche Fallbeschreibung und Namensgebung
  • 1931 M. Holzmann und D. Scherf vermuten eine zusätzliche Muskelfaser, die Vorhof- und Kammermyokard unter Umgehung des AV-Knotens verbindet.
  • 1944 Öhnell histologischer Nachweis eines akzessorischen Bündels
  • Seger beschreibt die Delta Δ -Welle
  • erste EPU bei WPW
  • 1979 versehentliche erste elektrische Ablation des AV Knotens mit Gleichstrom
  • erste Ablation bei WPW

Experten und Krankenhäuser[Bearbeiten]

Chou[Bearbeiten]

Zitat von Herr Chou the presence of the WPW syndrome can be suspected from the rhythm strip alone if the atrial fibrillation is accompanied by a ventricular rate greater than 200bpm. Such a rapid ventricular response would be highly unusual if the conduction is by way of the normal AV conduction system.(Chou, 1996, p.480) Das Vorliegen eines WPW Syndromes kann schon aus dem Rhythmusstreifen alleine vermutet werden, wenn das Vorhofflimmern kombiniert ist mit einer Kammerfrequenz über 200 / min. So eine schnelle Kammerantwort wäre höchst ungewöhnlich für eine normale AV Leitung.

Dr. Stephen Smith[Bearbeiten]

Atrial fib with WPW is very recognizable: there are bizarre QRS with multiple morphologies, and very fast rhythms with short R-R intervals. If you can find any R-R interval shorter than 240 ms, then AV nodal blockers are definitely dangerous.(Smith, 2011) Vorhofflimmern bei WPW Syndrom ist leicht und wichtig zu erkennen: Es zeigen sich bizarre QRS Komplexe mit verschiedenen Morphologien und sehr schnelle Rhythmen mit kurzen R-R Intervallen. Falls man ein R-R Intervall kleiner als 240 ms finden kann, dann sind AV Blockiernde Substanzen definitiv gefährlich.

Literatur[Bearbeiten]

  • Massumi RA.
    • Familial Wolff-Parkinson-White syndrome with cardiomyopathy.
    • Am J Med. 1967;43:951–5.
  • Gollob MH, Green MS, Tang ASL, et al.
    • Identification of a gene responsible for familial Wolff-Parkinson-White syndrome.
    • N Engl J Med. 2001;344:1823–31
  • Lerman BB, Basson CT.
    • High-risk patients with ventricular preexcitation – a pendulum in motion.
      • N Engl J Med. 2003;349:1787.
  • Pappone C, et al.
    • A Randomized Study of Prophylactic Catheter Ablation in Asymptomatic Patients with Wolff-Parkinson-White Syndrome.
      • N Engl J Med. 2003;349:1803.
  • Chou, T. and Knilans, T. (1996). Electrocardiography in Clinical Practice: Adult and Paediatric, 4th Ed. W.B. Saunders Co.
  • Mattu, A. and Brady, W. (2003). ECGs for the emergency physician, V.1. BMJ Publishing Group.
  • Tijunelis, M. and Herbert, M. (2005). Myth: Intravenous amiodarone is safe in patients with atrial fibrillation and Wolff-Parkinson-White syndrome in the emergency department. Canadian Journal of Emergency Medicine. (4): No.4, p262. Retrieved from: http://www.cjem-online.ca/v7/n4/p262

Links[Bearbeiten]