Schienenfahrzeugtechnik: Bremstechnik

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Einführung[Bearbeiten]

Anforderungen an die Bremsen[Bearbeiten]

Rechtliche Anforderungen[Bearbeiten]

Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung
§ 23 Bremsen
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„(1) Die Fahrzeuge - ausgenommen Kleinlokomotiven - müssen mit durchgehender selbsttätiger Bremse ausgerüstet sein. Diese muß in beliebiger Reihung mit den Bremsbauarten derjenigen Bahnen zusammenarbeiten, auf deren Strecken die Fahrzeuge übergehen. Für eine beschränkte Anzahl von Güterwagen genügt das Ausrüsten mit Bremsleitung.
(2) Eine durchgehende Bremse ist selbsttätig, wenn sie bei jeder unbeabsichtigten Unterbrechung der Bremsleitung wirksam wird.
(3) Fahrzeuge, in denen Personen befördert werden, müssen leicht sichtbare und erreichbare Notbremsgriffe haben, durch die eine Notbremsung eingeleitet werden kann. Die Notbremseinrichtung darf so beschaffen sein, dass eine eingeleitete Notbremsung aufgehoben werden kann. Bei Stadtschnellbahnfahrzeugen ist es zulässig, das die Betätigung eines Notbremsgriffes außerhalb von Bahnsteigbereichen nur eine Anzeige im Führerraum auslöst.
(4) Triebfahrzeuge und andere führende Fahrzeuge müssen eine Handbremse oder eine sich selbst feststellende Bremse (z.B. Federspeicherbremse) haben. Bei Kleinlokomotiven genügt eine in der Bremsstellung feststellbare Fußbremse.
(5) Die Wagen müssen in genügender Anzahl mit Handbremsen ausgerüstet sein.
Quelle: Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung [1]

Aus der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) (gleiches gilt für die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für Schmalspureisenbahnen ESBO) ergeben sich zwei wichtige Forderungen an die Bremssysteme der Schienenfahrzeuge:

  • Durchgängigkeit
  • Selbsttätigkeit

Durchgängigkeit meint, dass die Bremsen der Fahrzeuge im Zugverband über eine Signalleitung gleichzeitig angesteuert werden können. Dies kann absichtlich durch den Triebfahrzeugführer geschehen, eine Fahrgastnotbremsung, eine Zugtrennung oder auch durch Zwangsbremsung verursacht von einem Zugsicherungssystem. Die Selbsttätigkeit des Bremssystems ist dann gegeben, wenn dieses im Falle der Trennung der Signalleitung automatisch eine Bremsung einleitet.

Umsetzung der Anforderungen in die Praxis[Bearbeiten]

Die Ansteuerung der Bremsen über eine Signalleitung, die sog. Bremsleitung, erfolgt in der Praxis folgendermaßen:

  • Über eine durchgehende Druckluftleitung
  • Elektropneumatisch über eine durchgehende elektrische Signalleitung
  • Eine durchgehende Vakuumleitung

Als einfache Ausführung einer durchgehenden Bremse kann man sich leicht eine Druckluftleitung vorstellen, an die in jedem Wagen ein Bremszylinder angeschlossen ist, mit dem die Breme betätigt werden kann. Gleiches wäre auch über eine elektrische Verbindung unter den Wagen machbar. Leicht erkennbar ist aber, dass eine solche Bremse nicht selbsttätig ist, so würde etwa, wenn ein Wagen vom Zug abreißt, die Druckluftleitung entlüftet und die Bremse lösen. Diese Bauart wird als direkte Bremse bezeichnet. Dieses Problem wurde mit der Entwicklung der indirekten Druckluftbremse gelöst: Die durchgehende Druckluftleitung, die hier als Hauptluftleitung (HLL) bezeichnet wird, wird, um die Bremse betriebsbereit zu machen, mit Druckluft gefüllt. Dadurch wird auch ein an jedem Fahrzeug angebrachter Vorratsluftbehälter gefüllt. Weiterhin besitzt jeder Wagen ein sog. Steuerventil, das, sobald das komplette Bremssystem mit Druckluft gefüllt ist, bei einer Absenkung des Drucks in der Hauptluftleitung den Vorratsluftbehälter mit dem Bremszylinder verbindet und so die Bremsung einleitet. Bei elektropneumatischen Bremssystemen kann die Selbsttätigkeit durch eine sog. Schnellbremsschleife erreicht werden: Eine durch den ganzen Zugverband verlegte Kabelschleife wird auf Durchgang überwacht. Sobald dieser nicht mehr gegeben ist legt die Bremse automatisch an. Die Vakuumbremse oder auch Saugluftbremse wird heute vor allem noch bei einigen Schmalspurbahnen eingesetzt, hat heute aber kaum noch praktische Relevanz.

Betriebliche Anforderungen[Bearbeiten]

Betrieblich betrachtet ist die Hauptforderung an die Bremssysteme der Eisenbahnfahrzeuge die großen bewegten Massen, im Rahmen der durch die Signalabstände vorgegebenen Wege, sicher zum stehen zu bringen. Hierfür wurden die Bremstafeln entwickelt, welche in Deutschland für Bremswege von 400, 700 und 1000 m existieren. Die Bremswege ergeben sich direkt aus den üblicherweise verwendeten Signalabständen. In den Bremstafeln wird ein Zusammenhang zwischen dem Bremsweg, der Höchstgeschwindigkeit, den Neigungsverhältnissen und dem Bremsvermögen des Zuges hergestellt. Näheres hierzu im Abschnitt Bremsbewertung.

Hieraus ergibt sich mit der stetig steigenden Höchstgeschwindigkeit im Schienenverkehr auch die Notwendigkeit für immer leistungsfähigere Bremssysteme. Maßnahmen sind beispielsweise:

  • Einführung schneller wirkender Bremsen (schnellere Steuerventile, Schnellbremsbeschleuniger, elektropneumatische Steuerung)
  • Einführung zusätzlicher Bremsen wie Magnetschienenbremse oder Wirbelstrombremse
  • Gleitschutz (Verhinderung des Gleitens der Räder auf den Schienen, dadurch volle Ausnutzung der Haftreibung und Vermeidung von Flachstellen)
  • Verbesserte Wirkung von Reibungsbremsen (Scheibenbremse, Kompositbremssohlen)

Bremskrafterzeugung[Bearbeiten]

Im Folgenden möchten wir nun die verschiedenen Möglichkeiten der Bremskrafterzeugung aufzeigen. Dieser Teil ist noch unabhängig von der eigentlichen Ansteuerung der Bremse, wird aber benötigt, um manche Eigenheiten der verschiedenen Bremsbauarten zu verstehen. Die Einteilung kann beispielsweise nach dem physikalischen Wirkprinzip der Bremse erfolgen:

  • Reibungsbremsen, Bremskrafterzeugung durch Festkörperreibung (Klotzbremse, Scheibenbremse, Magnetschienenbremse)
  • Elektrodynamische Bremsen (E-Bremse, Wirbelstrombremse)
  • Hydrodynamische Bremsen (H-Bremse)

Betrieblich ist auch die Einteilung in reibwertabhängige (oder auch radabhängige) und reibwertunabhängige (radunabhängige) Bremse gebräuchlich. Mit Reibwert ist hier der Haftreibungskoeffizient zwischen Rad und Schiene gemeint, der die über eine Radbremse auf die Schiene übertragbare Bremskraft beschränkt. Sobald das Rad stehen bleibt (Gleiten), gilt stattdessen der Gleitreibungskoeffizient. Dieser ist kleiner als der Haftreibungskoeffizient, dadurch kann nur noch eine geringere Bremskraft übertragen werden. Ein weiterer Effekt ist die Bildung von Flachstellen (Abplattungen auf der Lauffläche), die zum unruhigem und lautem Lauf, aber auch zu Schäden an den Radsätzen führen können.

Reibungsbremsen[Bearbeiten]

Kräfte am gebremsten Radsatz

Für die Reibungsbremse werden Reibelemente zur Erzeugung der Bremskraft benötigt. Der Zusammenhang zwischen Anpresskraft des Reibelements und erzeugter Bremskraft kann durch die Coulombsche Reibung beschrieben werden[2]:

Gesamte Bremskraft
Reibwert, in der Regel keine Konstante
Anpresskraft eines Reibelements
Anzahl der Reibelemente

Wenn das Reibelement nicht auf die Lauffläche direkt, sondern auf einem anderen Durchmesser wirkt, so muss die dadurch bedingte Übersetzung der Bremskraft mit berücksichtigt werden:

Radius der Reibfläche bezogen auf die Radsatzwellenmittelachse (evtl. gemittelt)
Radius der Lauffläche (Laufkreisradius)

Im Folgenden sollen nun die verschiedenen Bauformen der Reibelemente mit ihren Besonderheiten besprochen werden. Damit es nicht zum Gleiten der Räder kommt muss die Haftkraft zwischen Rad und Schiene stets größer als die Bremskraft am Radumfang sein. Die Haftkraft zwischen Rad und Schiene lässt sich errechnen zu:

Radaufstandskraft eines Radsatzes
Reibwert zwischen Rad und Schiene,

Klotzbremse[Bearbeiten]

Die Klotzbremse ist die einfachste und gleichzeitig älteste Bauart der Reibungsbremse. Sie gehört zu den reibwertabhängigen Bremsen. Die Bremskraft wird durch Bremsklötze erzeugt, die gegen die Lauffläche der Räder gedrückt werden. Neben einigen Vorteilen wie

  • geringen Konstruktionskosten
  • Gewichtsersparnis, da nur wenige Bauteile benötigt werden.
  • Reinigungswirkung auf die Lauffläche (Verbesserung des Rad-Schiene-Kraftschlusses)
  • Brems- und Lösestellung einfach zu erkennen

bringt die einfache Bauweise aber auch gewichtige Nachteile mit sich:

  • große thermische Belastung auf den Radsatz
  • Reibverschleiß der Radoberfläche

Graugußbremsklotzsohlen[Bearbeiten]

Das klassische Material für Bremsklötze ist der Grauguß (GG), der in verschiedenen Legierungen eingesetzt wird. Als Standardmaterial hat sich die Legierung P10 durchgesetzt (1% Phosphorgehalt), es werden aber auch Sohlen mit höherem Phosphorgehalt wie P14 oder P30 (sog. Samsonsohle).[3] Diese Bremsklötze haben meist einen höheren Reibwert. Kennzeichnend für die GG-Bremse ist der typische Reibwertverlauf in Abhängigkeit von Fahrtgeschwindigkeit und Klotzdruck/Klotzkraft. Dieser lässt sich beispielsweise mit der empirisch entwickelten Reibwertgleichung nach Karwatzki mathematisch ausdrücken[2]:

Klotzkraft (für einen Bremsklotz) in kN
Fahrtgeschwindigkeit in km/h
Berechnungsbeiwerte, für P10 und P14 Bremsklotzsohlen:
Die Gültigkeit ist begrenzt auf und

Eine Tabelle mit einer Übersicht über die Berechnungsbeiwerte ist im Anhang dieses Kapitels zu finden. In der Formel wird die Klotzkraft als Parameter angegeben, abhängig ist der Reibwert aber vom Klotzdruck , daher ist das Ergebnis nur für Reibelemente brauchbar, bei denen die Fläche in etwa der, der üblichen Reibelemente entspricht.

Reibwerts der Graugussbremsklotzsohle P10 über der Geschwindigkeit und bei verschiedenen Klotzkräften.

Im nebenstehenden Diagramm ist die Gleichung für verschiedene Klotzkräfte/Klotzdrücke als Graph dargestellt, es wurden die oben angegebenen Beiwerte für P10 und P14 Bremsklötze verwendet. Es ist leicht zu erkennen, dass der Reibwert mit der Geschwindigkeit stark abnimmt. Auch ein höherer Klotzdruck führt zur Abnahme des Reibwerts. Dies führt im Betrieb zu Problemen, wenn höhere Geschwindigkeiten mit GG-Bremse gefahren werden sollen. Als Abhilfe kann die Bremsklotzkraft mit der Geschwindigkeit gesteigert werden, allerdings auch nur in begrenztem Rahmen, da es sonst zu Überhitzung und "Schmieren" der Bremssohlen kommen kann. Im niedrigen Geschwindigkeitsbereich kommt es verstärkt zum Gleiten, weil der Reibwert Schnell ansteigt. Dadurch kann die Haftreibung zwischen Rad und Schiene überschritten werden, das Rad blockiert. Ein weiterer Nachteil der GG-Bremse ist die starke Aufrauung der Laufflächen durch die Bremsklötze. Dies führt zu dem typischen, lauten Abrollgeräusch von Fahrzeugen, die mit dieser Bremsbauart ausgerüstet sind.

Kompositbremsklotzsohlen[Bearbeiten]

Vergleich der Reibwertcharakteristik von Kompositbremsklotz, GG-Bremsklotz und Scheibenbremse auf Grundlage der Reibwertgleichung von Karwatzki

Als eine Weiterentwicklung der Klotzbremse ist die Einführung der Kompositbremsklotzsohlen (auch Verbundstoffbremsklotzsohlen) zu sehen. Diese bestehen aus mehreren Komponenten[4]:

  • Reibmaterialien: Eisenspäne, Messingwolle, mineralische Fasern
  • Bindemittel: Phenolharze, Melaminharze, synthetischer Kautschuk
  • Füllstoffe: Glimmer, Kreide, Talkum
  • Gleitmittel: Graphit, Sulfide, Koks
  • Reibstützer: Harze, Gummimehl
  • Hilfsstoffe: Weichmacher, Lösemittel, Vulkanisationsbeschleuniger

Die Hauptvorteile sind:

  • Deutliche Verminderung der Riffelbildung auf der Lauffläche, damit deutliche Lärmreduzierung ("Flüsterbremse")
  • "lineareres" Reibwertverhalten über den genutzten Geschwindigkeitsbereich, ähnlich dem Kraftschlussverhalten zwischen Rad und Schiene, damit gute Ausnutzung
  • Insgesamt höherer Reibwert als bei GG-Bremsklötzen möglich

Nachteile sind:

  • geringere Wärmeleitfähigkeit: stärkere thermische Beanspruchung der Radsätze, schnelleres Erweichen bei Überbeanspruchung
  • Keine einfache Tauschbarkeit mit GG-Bremssohlen wegen der unterschiedlichen Reibwertcharakteristik
  • Großer Einfluss von Feuchtigkeit, Eis, Schnee auf das Bremsverhalten
  • Größerer Reibverschleiß an der Lauffläche

Kompositsohlen werden als K-Sohlen (mit hohem Reibwert) und L-Sohlen (mit niedrigem Reibwert) bezeichnet. Um eine Tauschbarkeit mit GG-Sohlen zu ermöglichen wird zur Zeit die sog. LL-Sohle entwickelt, die das Reibwertverhalten dieser nachbilden soll. Sie befindet sich Momentan in der Betriebserprobung im Rahmen des Zulassungsverfahrens.

Scheibenbremse[Bearbeiten]

Eine weitere Bauart der radabhängigen Reibungsbremse ist die Scheibenbremse. Der Bremsbelag drückt hier auf eine eigens dafür vorgesehene Reibfläche einer auf dem Rad oder auf der Radsatzwelle montierten Scheibe. Für angetriebene Achsen werden oft Radbremsscheibenbremse verwendet, da dann in der Radsatzmitte ausreichend Platz für die Antriebsaggregate vorhanden ist. Nicht angetriebene Radsätze verfügen üblicherweise über 2-4, oft zwangsbelüftete, Wellenbremsscheiben.

Vorteile der Scheibenbremse:

  • das Rad wird thermisch entlastet
  • "lineareres" Reibwertverhalten über den genutzten Geschwindigkeitsbereich
  • kein Bremsveschleiß an den Laufflächen
  • höhere Bremsleistung wegen besserer Kühlung möglich
  • höhere Belagreibwerte möglich
  • geringe Lärmemission

Nachteile:

  • höherer Konstruktionsaufwand als bei Klotzbremse
  • Platzbedarf und Zugänglichkeit unter dem Fahrzeug sind zu beachten
  • größere unabgefederte Masse
  • Verlustleistung durch die Zwangsbelüftung der Bremsscheiben

Die Bremsscheiben werden in der Regel aus Stahlguss oder Grauguss hergestellt, die Bremsbeläge aus Sintermaterialien oder Verbundstoffen.

Magnetschienenbremse[Bearbeiten]

Reibwert der Magnetschienenbremse auf nasser und trockener Schiene in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit
Magnetschienenbremse am Drehgestell einer Straßenbahn

Die Magnetschienenbremse (kurz Mg-Bremse) ist eine radunabhängige Reibungsbremse. Zur Bremsung wird ein am Fahrzeug aufgehangener Reibschuh (auch Polschuh) auf die Schiene abgesenkt. Durch die Magnetkraft wird der Schuh an die Schiene herangezogen. Die dabei entstehende Reibung bremst das Fahrzeug ab, die entstehenden Wirbelströme spielen nur eine untergeordnete Rolle. Das Magnetfeld kann elektrisch erregt werden, oder von einem Permanentmagneten erzeugt sein, es ist quer zur Schiene gerichtet. Die typische Haftkraft des Magneten auf der Schiene liegt in der Größenordnung von 80 kN.[5]

Eingesetzt wird die Magnetschienenbremse im Hochgeschwindigkeitsverkehr, um auch bei Bremsungen aus hohen Geschwindigkeiten ein ausreichendes Bremsvermögen des Zuges erreichen zu können. In der nebenstehenden Abbildung ist die Reibwertcharakteristik der Mg-Bremse auf Basis der Reibwertgleichung von Karwatzki abgebildet. Unterhalb von etwa 50 km/h ist ein recht schneller Anstieg des Reibwerts zu beobachten. Dies ist auch der Grund, warum bei Vollbahnfahrzeugen die Mg-Bremse üblicherweise nur bei Geschwindigkeiten über 50 km/h eingesetzt wird, um einen zu starken Anstieg der Bremskraft zu verhindern.

Da bei Fahrzeugen, die auf Bahnen die nach Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) betrieben werden, eine vom Kraftschluss zwischen Rad und Schiene unabhängige Bremse gefordert wird, ist die Magnetschienenbremse bei Straßenbahnfahrzeugen sehr verbreitet. Der Bremsschuh kann entweder, wie es bei schnellfahrenden Fahrzeugen üblich ist, hoch aufgehangen sein und muss daher z.B. mit Druckluftzylindern auf die Schiene abgesenkt werden, oder niedrig aufgehangen sein, sodass sich der Schuh nur durch die Magnetkraft absenkt. Dies ist bei Straßenbahnfahrzeugen die verbreitete Variante.

Probleme ergeben sich vor allem durch die große Reibbeanspruchung auf den Bremsschuh. Er unterliegt einem großen Verschleiß und es bilden sich sog. Aufschieferungen auf dem Polschuh. Diese haben einen großen (negativen) Einfluss auf den Reibwert und damit auf die erzielbare Bremskraft.

Elektrodynamische Bremsen[Bearbeiten]

Wirbelstrombremse[Bearbeiten]

Die Wirbelstrombremse (Wb-Bremse) ist ein elektrodynamisches, verschleißfreies Bremssystem. Die lineare Wirbelstrombremse, wie sie in Europa zur Zeit nur im ICE 3 eingesetzt wird, ist zudem radunabhängig. Auf die rotierende Wirbelstrombremse, die zur Zeit nur in Versuchsfahrzeugen eingesetzt wird, trifft dies nicht zu.

Die lineare Wirbelstrombremse arbeitet mit einem längs zur Schiene wirkenden inhomogenen Magnetfeld, das Wirbelströme in dieser induziert. Diese Wirbelströme erzeugen wiederum ein Magnetfeld, das nach Lenzscher Regel dem äußeren Feld entgegen wirkt. Die hierdurch entstehende Kraft wirkt auf den Polschuh der Wirbelstrombremse und verzögert damit das Fahrzeug. Die Bremsenergie wird in der Schiene zu Wärme umgewandelt, wodurch die Schiene thermisch stark beansprucht wird. Die Wb-Bremse ist völlig unabhängig von den Reibwertverhältnissen auf der Schienenoberfläche und eignet sich aufgrund der guten Regelbarkeit auch als zweite Betriebsbremse neben den üblichen Reibungsbremsen. Die Bremskraftkennlinie (maximale Bremskraft) der im ICE 3 verwendeten Wirbelstrombremse nach Bertling und Hendrichs [2] ist im nebenstehenden Diagramm dargestellt.

In Deutschland wird die Wb-Bremse, bedingt durch die thermische Belastung auf die Schiene, nur auf dafür freigegeben Strecken eingesetzt. Als wichtiger Nachteil ist noch der hohe Energiebedarf zur Magnetfelderzeugung anzusehen.

Elektrodynamische Bremse (E-Bremse)[Bearbeiten]

Theoretische Bremskraftkennlinie der E-Bremse, Br 101 DB AG

Bei der elektrischen Bremse werden die Fahrmotoren als verschleißfreie Bremse benutzt, indem diese als Generator betrieben werden. Sie kann als fahrdrahtunabhängige oder fahrdrahtabhängige Widerstandsbremse ausgeführt werden, bei der die vom Motor abgegebene elektrische Energie am Widerstand als Wärme abgeführt wird. Die fahrdrahtabhängige Nutzbremse (generatorische Bremse) speist die aufgenommene Bremsenergie zurück in das Fahrleitungsnetz. Auch eine Kombination von beidem ist möglich. Im nebenstehenden Kennliniendiagramm sind die unterschiedlichen Entwicklungsstände der E-Bremse gut erkennbar: Die Baureihe 139 mit konventioneller Steuerung nutzt eine simple Widerstandsbremse mit einer stark von der Geschwindigkeit abhängigen Bremskraft. In der ältesten Ausführung wird die Erregung durch einen Tachogenerator an einem Radsatz über einen magnetischen Verstärker geregelt. Die maximale Dauerbremskraft wird von der größten über die Widerstände abführbaren Wärmeleistung begrenzt (graue Linie). Die Thyristorsteuerung regelt den Erregerstrom elektronisch und kann die Bremskraft weitgehend konstant halten. [6]

In der Baureihe 101 wird eine generatorische Bremse verwendet. Um die generatorische Bremse nutzen zu können muss der entsprechende Fahrleitungsabschnitt die elektrische Energie auch aufnehmen können. Die erzeugte Spannung muss etwa das 1,1-fache der Fahrleitungsspannung betragen. Der durch die als Asynchrongeneratoren betriebenen Fahrmotoren erzeugte Drehstrom, wird in den Pulswechselrichtern gleichgerichtet und über einen Zwischenkreis den Vierquadrantenstellern zugeführt. Dort wird aus dem Gleichstrom der benötigte 1-Phasen Wechselstrom erzeugt, der über den Transformator der Fahrleitung zugeführt wird. [7] Die Bremskraft bleibt über einen großen Geschwindigkeitsbereich konstant und lässt sich sehr gut regeln.

Hydrodynamische Bremsen[Bearbeiten]

Hydraulische Bremse (H-Bremse, Retarder, Turbowendegetriebe)[Bearbeiten]

Theoretische Bremskraftkennlinie, VT 611 DB AG

Triebfahrzeuge mit hydraulischer Kraftübertragung bieten sich für den Einbau einer verschleißlosen, hydraulischen Bremse an. Hierzu wird eine zusätzliche hydraulische Kupplung im Strömungsgetriebe eingebaut, deren Turbinenrad fest mit dem Gehäuse verbunden ist. Das Pumpenrad wird von den Radsätzen angetrieben (Bremskupplung, Retarder). Die Bremskraft kann durch die Füllung der Kupplung mit Öl geregelt werden. Die Kupplung wird folglich mit 100% Schlupf betrieben, wodurch eine hohe Wärmemenge über die Kühlanlage der Lokomotive abgeführt werden muss. Die Leistungsfähigkeit der Kühlanlage begrenzt daher meist auch die Maximalleistung der H-Bremse.

Eine weitere Möglichkeit bietet die Verwendung von sog. Turbowendegetrieben, die für jede Fahrtrichtung eigene hydraulische Kreisläufe verwenden. Hier können die Kreisläufe der Gegenrichtung zum Bremse verwendet werden. Nachteilig im Vergleich zur Bremskupplung ist der erhöhte Kraftstoffverbrauch, da der Motor die Bremskraft erzeugen muss.

Reibwertgleichungen[Bearbeiten]

Zusammenstellung der Berechnungsbeiwerte für die Reibwertgleichung nach Karwatzki, entnommen aus [2]. Die hier dargestellten Diagramme wurden mit diesen Werten erstellt.

Reibelement in kN in kN in km/h in km/h
P6 GG-Bremsklötze 0,024 62,5 12,5 100 20
P10/P14 GG-Bremsklötze 0,05 62,5 31,25 100 20
Verbundstoffbremsklötze 6 KB 10 0,055 200 50 150 75
Scheibenbremse Typ 5-6-60 0,385 -24,5 -27,2 39,5 33
Magnetschienenbremse trocken 0,095 0 0 9,26 4,63
Magnetschienenbremse nass 0,076 0 0 13,89 5,56

Eine bessere Näherung an den messtechnisch zu erfassenden Reibwertverlauf bietet die Reibwertgleichung nach Gralla[2]:



Bremsanfangsgeschwindigkeitsterm, Anfangsgeschwindigkeit


Klotzdruckterm P

Werte für kkl: 1 für Bg-Klotz, 1,1 für Bgu-/Bgd-Bremsklotz;

Geschwindigkeitsterm, Momentangeschwindigkeit v > 5 km/h

Klotztyp:

Reibarbeitsterm


Gefälle i, Zugmasse mZ, gebremste Leermasse mZB


Literatur[Bearbeiten]

  1. http://www.gesetze-im-internet.de/ebo/__23.html
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Wende, Dietrich: Fahrdynamik des Schienenverkehrs. Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2003.
  3. Norm UIC 832 V. Technische Lieferbedingungen für Bremsklotzsohlen aus Phosphorgusseisen für Triebfahrzeuge und Wagen. 3. Ausgabe Paris : Internationaler Eisenbahnverband, 2004
  4. http://www.ids.uni-hannover.de/fileadmin/IDS/ids_lehre/SFZ/Vortrag_Trainees_Grdl_2007.pdf
  5. http://www.dmg-berlin.info/page/downloads/Vortrag_Merkel.pdf
  6. Deutsche Bundesbahn: Beschreibung der Lokomotiven: Baureihen 110, 112, 140, und 139. München: 1975
  7. Gralla, Dietmar: Eisenbahnbremstechnik. Düsseldorf: Werner, 1999.

Fußnoten

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