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Verwaltungsrecht in der Klausur/ § 9 Einstweiliger Rechtsschutz 2: Der Antrag nach §§ 80, 80a VwGO/A. Die Statthaftigkeit des Antrags nach § 80 V VwGO

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§ 8 Einstweiliger Rechtsschutz 2: Der Antrag nach §§ 80, 80a VwGO

A. Die Statthaftigkeit des Antrags nach §§ 80, 80a VwGO

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Stefanie Weinberg

2 Wurde der Verwaltungsrechtsweg für eröffnet erkannt (s. ausführlich zur Prüfung § 1 Rn. 162 ff.) so ist im Rahmen der Zulässigkeit als nächstes die statthafte Klage- bzw. Antragsart zu untersuchen. Die Bestimmung der statthaften Klage-/Antragsart ist das zentrale Scharnier für die gesamte restliche Klausur. Nach ihr richten sich sowohl die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen als auch die Struktur der Begründetheitsprüfung. Entsprechend wichtig ist die saubere Prüfung, welche Klage- bzw. Antragsart einschlägig ist (eine erste Übersicht über die Klage- und Antragsarten der VwGO findet sich in § 1 Rn. 222 ff.).

3 Die VwGO enthält neben Regelungen zu den verwaltungsrechtlichen Klagen auch solche die gegen ein staatliches Handeln vorläufigen Rechtsschutz gewähren. Häufig vermitteln bereits Anfechtungsklage und -widerspruch durch ihre prinzipiell vom Gesetz verliehene aufschiebende Wirkung vorläufigen Rechtsschutz. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen diesen Rechtsbehelfen von Gesetz oder durch behördliche Entscheidung kein Suspensiveffekt (mehr) zukommt. Nicht nur mit Blick auf die in der Realität oft bestehende lange Verfahrensdauer der Hauptsacheverfahren sind somit weitergehende Antragsverfahren zur Wahrung des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) notwendig. Es gibt viele Konstellationen, in denen bereits der Ablauf von ein paar Wochen ohne gerichtlichen Schutz zu irreversiblen Schäden führen kann.

4 Im Rahmen der statthaften Antragsart[1] müssen die einzelnen Verfahren voneinander abgegrenzt werden, wobei der vorläufige Rechtsschutz hier durch die Regelungen der §§ 80, 80a, 80b, § 123 VwGO und § 47 VI VwGO vermittelt wird.[2] Der Schwerpunkt einer Abgrenzung in der Klausur liegt häufig zwischen §§ 80, 80a VwGO (zum Antrag nach § 80 V VwGO s. § 8) und § 123 VwGO (zum Antrag nach § 123 VwGO s. § 10).

5 Nach § 123 V VwGO sind die Verfahren der §§ 80, 80a VwGO vorrangig. Gegenstand der Verfahren nach den §§ 80, 80a VwGO ist ein Verwaltungsakt, gegen den Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfalten (s. zur Bedeutung der aufschiebenden Wirkung bereits § 8 Rn. 4 f.).

6 In Abgrenzung zum Antrag nach § 80 V VwGO ist § 80a VwGO dadurch charakterisiert, dass neben den Interessen von Behörde(n) und Adressat(en) des Verwaltungsakts noch diejenigen von mindestens einem Dritten betroffen sind. Es geht also um Verwaltungsakte mit Drittwirkung. Der Gesetzeswortlaut spricht hingegen von “Doppelwirkung”, was in der Literatur teilweise kritisch betrachtet wird.[3] Drittwirkung oder Doppelwirkung bedeuten, dass der Verwaltungsakt zwar eine Person begünstigt, eine andere aber belastet.[4] Insbesondere § 80 I 2 VwGO verdeutlicht aber, dass diese drittwirkenden Verwaltungsakte im Grundsatz ebenso von § 80 V VwGO erfasst werden. Die gegenseitige Bezugnahme und Verweisung dieser Normen aufeinander zeigen, dass in Fällen der Verwaltungsakte mit Doppelwirkung beide Normen Anwendung finden und sich gegenseitig ergänzen. § 80a VwGO enthält in diesem Fall die speziellen Sonderregelungen, was jedoch auch dazu führt, dass bei einer Lücke des § 80a VwGO auf die Anwendung von § 80 VwGO zurückgegriffen werden kann und muss.[5]

7 Klassische Doppelwirkungskonstellationen finden sich insbesondere im Baurecht.

Beispiele: Die für den Bauherrn erlassene und ihn begünstigende Baugenehmigung stellt für den Nachbarn eine Belastung dar, da die zugelassene bauliche Anlage die Aussicht des Nachbarn versperrt oder/und die Lichtverhältnisse auf seinem Grundstück verschlechtert.

Eine Abrissverfügung belastet den betroffenen Bauherrn, der diese deshalb aus der Welt schaffen möchte. Andererseits begünstigt sie den Nachbarn, der für die Beibehaltung und Vollstreckung der Verfügung streiten wird.

8 Zunächst soll die Systematik des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Verwaltungsakte mit Drittwirkung anhand der Normstruktur von § 80a VwGO verdeutlicht werden: § 80a I und II VwGO befassen sich mit dem behördlichen, § 80a III VwGO mit dem gerichtlichen Rechtsschutz. Die Regelungen unterscheiden sich des Weiteren einerseits zwischen dem Adressaten und dem Dritten, andererseits zwischen der Begünstigung und der Belastung.

Im Einzelnen bedeutet dies:

9 § 80a I VwGO behandelt den Fall, dass sich ein Dritter gegen den einen Adressaten begünstigenden Verwaltungsakt wendet. Das behördliche Einschreiten kann hierbei einerseits (nach § 80a I Nr. 1 i.V.m. § 80 II Nr. 4 VwGO) in der Anordnung der sofortigen Vollziehung – somit zugunsten des Adressaten des Verwaltungsakts –, andererseits (nach § 80a I Nr. 2 1 i.V.m. § 80 IV VwGO) in der Aussetzung der Vollziehung – somit zugunsten des Dritten –, liegen.

Darüber hinaus ist die Anordnung einstweiliger Sicherungsmaßnahmen von § 80a I Nr. 2 Alt. 2 VwGO gedeckt.[6]

Examenswissen: Fraglich ist, ob § 80a VwGO in dieser Fassung überhaupt nötig ist, um die Rechtslage derart zu gestalten oder ob diese nicht bereits in Teilen ohne § 80a VwGO gegeben wäre: Die Regelungen der behördlichen Befugnisse in § 80a I VwGO haben größtenteils nur klarstellenden Charakter. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO erwähnt bereits das Interesse eines Beteiligten und ermöglicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Bereits § 80 IV VwGO gewährt die Möglichkeit der behördlichen Aussetzung der Vollziehung. Dennoch ist die Gesamtkonzeption des § 80a VwGO zu begrüßen und trägt auch insbesondere zur Rechtsklarheit bei. Eine Diskussion in der Klausur erscheint nicht nötig.

10 Nach § 80a II VwGO kann im Interesse des Dritten die sofortige Vollziehung des (ihn begünstigenden) Verwaltungsakts angeordnet werden.

11 Durch § 80a III 1 VwGO kann das Gericht die Maßnahmen nach den ersten beiden Absätzen ändern, aufheben oder anordnen. Die gerichtlichen Befugnisse werden hiernach den behördlichen angepasst. Darüber hinaus erweitert § 80a III 2 VwGO die gerichtlichen Befugnisse indem er § 80 V – VIII VwGO in Fällen des § 80a VwGO für entsprechend anwendbar erklärt.[7]

12 Examenswissen: Der behördliche Rechtsschutz i.S.d. § 80a I und II VwGO wird in der Referendarklausur lediglich in der Konstellation Gegenstand sein, in der vom Gericht die Aufhebung, Änderung oder eigenständige Anordnung dieser behördlichen Maßnahmen nach § 80a III 1 VwGO begehrt wird.

Das bedeutet, dass dem Fall des § 80a III VwGO für die Examensvorbereitung die meiste Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Dies ist die typische Klausurkonstellation, weshalb die Fälle des § 80a I und II VwGO im Folgenden aus Sicht des gerichtlichen Rechtsschutzes nach § 80a III 1 VwGO dargestellt werden.

13 Formulierungsvorschlag: „Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn und soweit er zulässig und begründet ist.”

14 Der statthafte Antrag bestimmt sich stets nach dem Antragsbegehren, §§ 88, 122 I VwGO, welches sauber ermittelt werden sollte.

15 Nach § 123 V VwGO ist ein Verfahren nach § 80a VwGO gegenüber einem solchen nach § 123 VwGO vorrangig und ist (neben § 80 V VwGO) deshalb auch zunächst zu prüfen. § 80a VwGO setzt hierfür stets einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung, der nicht unanfechtbar (§ 80b VwGO) ist, voraus.[8]

16 Unterschieden werden muss zwischen Anträgen mit dem Ziel behördliche Maßnahmen nach den ersten beiden Absätzen zu ändern, aufzuheben oder anzuordnen (s. Rn. 20 ff.) und solchen, die die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Verwaltungsakts (s. Rn. 23 ff.) unterschieden werden.

I. § 80a III 1 VwGO

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17 § 80a III 1 VwGO eröffnet dem Beschwerten die Möglichkeit, vorläufigen Rechtsschutz neben dem behördlichen oder auch ausschließlich im gerichtlichen Verfahren zu suchen. Bereits aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass das Gericht „auch anstelle der Behörde“ tätig werden kann.[9]

18 § 80a III 1 VwGO ermöglicht es dem Gericht auf Antrag die behördlichen Maßnahmen nach den ersten beiden Absätzen zu ändern, aufzuheben oder anzuordnen. Die gerichtlichen Befugnisse werden dafür den behördlichen angepasst:

1. § 80a III 1 i.V.m. 80a I VwGO

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19 Der Antrag nach § 80a III 1 i.V.m. § 80a I VwGO ist statthaft in Fällen, in denen der Adressat des Verwaltungsakts der Begünstigte und der Dritte der Belastete ist. Diese Konstellation umfasst vier mögliche Szenarien:

a) § 80a I Nr. 1 VwGO: Anordnung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts, der den Adressaten begünstigt

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20 In dem Fall, dass der Dritte einen Rechtsbehelf gegen einen den Adressaten begünstigenden Verwaltungsakt eingelegt hat und diesem aufschiebende Wirkung zukommt, kann der Adressat des Verwaltungsakts mittels § 80a III 1, I Nr. 1 i.V.m. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO die Anordnung der sofortigen Vollziehung beantragen.

Beispiel: Der Nachbar N legt gegen die immissionsrechtliche Genehmigung des Bauherrn B einen Rechtsbehelf ein, welchem aufschiebende Wirkung i. S. d. § 80 I 2 VwGO zukommt. Durch einen Antrag nach § 80a III 1, I Nr. 1 i. V. m. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO kann die sofortige Vollziehung begehrt werden.

b) § 80 a I Nr. 1 VwGO: Aufhebung der Anordnung der Behörde auf Vollziehung
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21 In der soeben dargestellten Konstellation kann es auch dazukommen, dass die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Dritten durch behördliche Anordnung entfällt.

22 Umstritten ist der rechtliche Anknüpfungspunkt in diesem Fall. Fraglich ist, wonach der belastete Dritte nach Aufhebung des Suspensiveffekts seines Rechtsbehelfes durch behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80a I Nr. 1 i.V.m. § 80 II Nr. 4 VwGO gerichtlichen Rechtsschutz begehren kann. In Betracht kommt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80a III 2 i.V.m. § 80 V 1 VwGO[10] oder die Aufhebung der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a III 1 i.V.m. § 80a I Nr. 1 VwGO.[11] Für die Anwendung des § 80a III 2 i.V.m. § 80 V 1 VwGO wird angeführt, dass § 80a III 2 VwGO nicht zwischen Rechtsschutz im Rahmen eines zweiseitigen Verhältnisses und dem Rechtsschutz bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung differenziert.[12] Andererseits kann die Stellung des § 80a III 1 VwGO in systematischer Hinsicht für dessen vorrangige Anwendung und mithin der Aufhebung der behördlichen Anordnung nach § 80a III 1 i.V.m. I Nr. 1 VwGO angeführt werden.[13]

Beispiel: N legt wie oben gegen die immissionsrechtliche Genehmigung des B einen Rechtsbehelf ein, welchem aufschiebende Wirkung i. S. d. § 80 I 2 VwGO zukommt. Auf den Antrag des B nach § 80a I Nr. 1 i. V. m. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO ordnete die Behörde die sofortige Vollziehung der Genehmigung zugunsten des B an. Die Aufhebung dieser Anordnung kann N mit einem Antrag nach § 80a III 1 i.V.m. I Nr. 1 VwGO[14] begehren.

c) § 80a I Nr. 2 Alt. 1 VwGO: Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung oder Sicherungsmaßnahmen durch den vom Verwaltungsakt belasteten Dritten

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23 In dem Fall, dass der Dritte einen Rechtsbehelf gegen einen den Adressaten begünstigenden Verwaltungsakt eingelegt hat, diesem Rechtsbehelf des Dritten allerdings keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 II 1 Nr. 3 VwGO bspw. i.V.m. § 212a BauGB) oder diese entfallen ist (§ 80 II 1 Nr. 4 VwGO), wäre der begünstigende Verwaltungsakt durch den Adressaten vollziehbar. Durch § 80a III 1 i.V.m. I Nr. 2 Alt. 1 VwGO kann der Dritte mit seinem Antrag die Vollziehung durch Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auch von gerichtlicher Seite verhindern lassen.

Beispiel: Der Rechtsbehelf des Nachbarn gegen die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung entfaltet nach § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung. Durch einen Antrag nach § 80a III 1 i.V.m. I Nr. 2 Alt. 1 VwGO kann diese jedoch angeordnet werden.

24 Examenswissen: Der Fall, dass ein den Adressaten belastenden Verwaltungsakt der von Gesetzeswegen oder durch behördliche Anordnung sofort vollziehbar ist und der Adressat ein Interesse an der Aussetzung der Vollziehung hat, wird nicht vom Wortlaut des § 80a I Nr. 2 VwGO erfasst. Die h.M. will hier auf § 80 IV zurückgreifen und dem belasteten Adressaten somit auch bei einer Dreierkonstellation Rechtsschutz gewähren.[15]

d) § 80a I Nr. 2 Alt. 2 VwGO: Anordnung von Sicherungsmaßnahmen

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25 § 80a III 1 i.V.m. I Nr. 2 Alt. 2 VwGO ermöglicht darüber hinaus auch die Anordnung einstweiliger Sicherungsmaßnahmen zugunsten des vom Verwaltungsakt begünstigten Dritten als Folgemaßnahmen zu der Aussetzungsentscheidung. Zwar ist vom Wortlaut dieser Norm der Adressat des Verwaltungsakts nicht erfasst, allerdings wird ihm regelmäßig in analoger Anwendung von § 80a III 1 i.V.m. I Nr. 2 Alt. 2 VwGO verfahrensrechtliche Waffengleichheit verschafft.[16]

2. § 80a III 1, II VwGO

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26 § 80a III 1, II VwGO regelt im Gegensatz zu § 80a III 1, I VwGO den Fall, dass der Dritte der Begünstigte und der Adressat des Verwaltungsakts der Belastete ist. Wenn der Adressat gegen den belastenden Verwaltungsakt einen Rechtsbehelf einlegt, der aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. § 80 I 2 VwGO)[17], kann der Dritte mit dem Antrag nach § 80a III, II i.V.m. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO die Anordnung der sofortigen Vollziehung beantragen.

Beispiel: Es ergeht eine belastende Polizeiverfügung an den Störer, die dem Schutz eines Dritten (bzw. dessen Rechtsgüter) dient und diesen somit begünstigt.[18] Erhebt der Störer hiergegen Widerspruch und kommt diesem aufschiebende Wirkung zu, so kann der Dritte die begehrte Sofortvollzugsanordnung mit dem Antrag nach § 80a III, II VwGO i.V.m. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO erreichen.

3. Sonderproblem: Der (drohende) faktischer Vollzug

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27 In dem Fall, dass die Behörde die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Adressaten des Verwaltungsakts missachtet (sog. faktischer Vollzug, s. hierzu bereits § 8 Rn. 24 ff.), soll der Adressat nach §§ 80a III 2, 80 V 1 VwGO analog die Feststellung durch das Gericht, dass eine aufschiebende Wirkung besteht, begehren können.[19]

28 Ebenso bedarf es des Rechtsschutzes für den Dritten, wenn zwar die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Dritten besteht, diese vom Begünstigten des Verwaltungsakts jedoch nicht beachtet wird und mithin der faktische Vollzug droht. Die überwiegende Auffassung bejaht deshalb die Statthaftigkeit eines Feststellungsantrages (s. hierzu im einstweiligen Rechtsschutz § 10). Der Rechtsschutz zugunsten des Dritten ist geboten, da er bei einer rechtswidrigen Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung nicht schlechter stehen darf als durch den möglichen Eilrechtsschutz, der eine solche Wirkung erst herstellt bzw. anordnet. Uneinigkeit besteht jedoch im Hinblick auf die heranzuziehende gesetzliche Grundlage: In Betracht kommt einerseits der Antrag nach § 80a III 1 i.V.m. I Nr. 2 Alt. 1 VwGO analog,[20] andererseits ein Antrag nach § 80a III 2 i.V.m. § 80 V 1 VwGO analog.[21] In der Klausur wird es taktisch klug sein, sich für §§ 80a III 2, 80 V 1 VwGO zu entscheiden, da man so wieder in das gewohnte „Fahrwasser“ des § 80 V VwGO kommt.

4. Sonderproblem: Aussetzungsbegehr des belasteten Adressaten

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29 Weder der Wortlaut des § 80 II Nr. 1 VwGO noch § 80a II VwGO erfassen den Fall, dass ein den Adressaten belastender Verwaltungsakt von Gesetzeswegen oder durch behördliche Anordnung sofort vollziehbar ist und der Adressat ein Interesse an der Aussetzung der Vollziehung hat. In diesem Fall wird dem Interesse des Adressaten keine Rechnung getragen, was bei wortlautgetreuer Anwendung zu einer Schutzlücke führt. Dieser Regelungslücke wird von Teilen der Literatur mit der direkten Anwendung des § 80 IV VwGO begegnet.[22] Andererseits kommt auch die analoge Anwendung des § 80a III 1 i.V.m. I Nr. 2 Alt. 1 VwGO in Betracht.[23] In der Klausur kann die analoge Anwendung damit begründet werden, dass die Anwendung von § 80 IV VwGO an der abschließenden Ausgestaltung der Verwaltungsakte mit Drittwirkung in § 80a VwGO scheitert.[24]

II. § 80a III 2 VwGO

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30 § 80a III 2 VwGO erklärt in den Fällen des § 80a VwGO die gerichtlichen Befugnisse nach § 80 V – VIII VwGO für entsprechend anwendbar. In der Klausur geht es somit wieder zurück ins „bekannte Fahrwasser“ und die weitere Prüfung ist wie bei Fällen des § 80 V VwGO (s. § 8 Rn. 2 ff.) vorzunehmen.

1. Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80a III 2 i.V.m. § 80 V 1 VwGO

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31 Der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts kann durch § 80a III 2 i.V.m. § 80 V 1 VwGO die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begehren (s. § 8 Rn. 22 ff.).

2. Beseitigung von bereits eingetretenen Vollzugsfolgen nach § 80a III 2 i.V.m. § 80 V 3 VwGO

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32 Neben der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung von Vollzugsfolgen nach § 80 III 1 i.V.m. II Nr. 2 Alt. 2 VwGO ist auch die Beseitigung von bereits eingetretenen Vollzugsfolgen möglich.[25]

Beispiel: Der belastete Nachbar kann nach den bauordnungsrechtlichen Landesregelungen eine Abrissverfügung gegen den Bauherrn erwirken, die die Beseitigung von bereits errichteten (rechtswidrigen) Anlagen oder Anlagenteilen auferlegt. Diese Abrissverfügung wird durch Beseitigung der Anlagen oder Anlagenteile auch vollzogen.


Fußnoten

  1. Der vorläufige Rechtsschutz wird im Antrags-, nicht im Klageverfahren gewährt.
  2. Schoch, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 29 Rn. 12.
  3. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80a Rn. 1; Den Begriff der Drittwirkung aufgrund des Wortlauts für überholt halten aber Peine/Siegel, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2018, Rn. 367.
  4. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80a Rn 2; vgl. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 16. Aufl. 2019, Rn. 939.
  5. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80a Rn. 8; Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 80a Rn. 12, 25, 30.
  6. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 49. Ed., Stand: 1.7.2018, § 80a Rn. 17.
  7. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80a Rn. 14.
  8. Dieser darf auch nicht unanfechtbar sein, § 80b VwGO.
  9. BT-Drucks. 11/7030, S. 25.
  10. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80a Rn. 17.
  11. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL Februar 2019, § 80a Rn. 44; Budroweit/Wuttke, JuS 2006, 876 (878).
  12. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 16. Aufl. 2019, Rn. 989.
  13. Budroweit/Wuttke, JuS 2006, 876 (878).
  14. Nach der anderen soeben dargestellten Auffassung kann N mit einem Antrag nach nach § 80a III 2 i.V.m. § 80 V 1 VwGO die Aufhebung der Anordnung begehren.
  15. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO Großkommentar, 5. Aufl. 2018, § 80a, Rn. 11a; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80a Rn. 12; a.A. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 49. Ed., Stand: 1.4.2019, § 80a Rn. 12, 18, 30.
  16. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 49. Ed., Stand: 1.7.2018, § 80a Rn. 53.
  17. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80a Rn. 1.
  18. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80a Rn. 6.
  19. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 16. Aufl. 2019, Rn. 1015.
  20. OVG Münster, Beschl. v. 29.7.1991, Az.: 10 B 1128/91 = NVwZ 1992, 186.
  21. VGH Mannheim, Beschl. v. 30.3.1994, Az.: 8 S 769/94, juris Rn. 4 = NVwZ-RR 1995, 378; VGH München, Beschl. v. 31.3.1992, Az.: 2 CS 92.627 = BayVBl 1993, 85.
  22. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80a Rn. 11a; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80a Rn. 12; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL Februar 2019, § 80a Rn. 15.
  23. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 49. Ed., Stand: 1.7.2018, § 80a Rn. 12, 18, 30
  24. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 49. Ed., Stand: 1.7.2018, § 80a Rn. 28, 30, 49.
  25. Denkbar erscheint auch auf § 80a III S. 2 i.V.m. § 80 V 3 VwGO zurückzugreifen, wobei § 80 a III 1, I Nr. 2 Alt. 2 VwGO allerdings vorrangig anzuwenden ist, da dieser die einstweiligen Maßnahmen zur Sicherung Rechte Dritter regelt: vgl. hierzu Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 16. Aufl. 2019, Rn. 1016.