Verwaltungsrecht in der Klausur/ Die Fälle / Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

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§ 1 Die Eröffnung der gutachterlichen Prüfung[Bearbeiten]

B. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (Nikolas Eisentraut)[Bearbeiten]

Autor der Ursprungsfassung ist Nikolas Eisentraut

8 Die Prüfung der Zulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage / eines einstweiligen Rechtsschutzantrags wird mit der Frage danach eröffnet, ob der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.[1]

9 Dafür ist zuerst zu prüfen, ob eine spezielle Norm (sog. aufdrängende Spezialzuweisung) die Streitigkeit dem Verwaltungsrechtsweg zuweist. Falls eine solche aufdrängende Spezialzuweisung fehlt, ist nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO zu beurteilen, ob die Streitigkeit dem Verwaltungsrechtsweg zugewiesen ist.

10 Eine aufdrängende Spezialzuweisung ist eine spezialgesetzliche Zuweisung einer Streitigkeit zum Verwaltungsrechtsweg. Es geht also um Normen, die eine Streitigkeit ausdrücklich dem Verwaltungsrechtsweg zuweisen. In der Klausur sind aufdrängende Spezialzuweisungen stets vorrangig vor der Generalklausel zu prüfen.[2] Folgende Spezialzuweisungen sollten bekannt sein, auch wenn sie in verwaltungsrechtlichen Klausuren so gut wie nie eine Rolle spielen:

  • § 126 I BBG für Bundesbeamte und § 54 I BeamtStG für Landesbeamte
  • § 82 SoldatenG
  • § 54 BAföG
  • § 6 I UIG
  • Bei § 40 II 1 VwGO handelt es sich nach richtiger, aber umstrittener Auffassung um keine aufdrängende Spezialzuweisung für öffentlich-rechtliche Verträge.[3]

11 Findet sich keine aufdrängende Spezialzuweisung, ist für die Beurteilung, ob der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, auf die Generalklausel des § 40 I 1 VwGO abzustellen.[4] § 40 I 1 VwGO hat drei, unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm zu entnehmende Tatbestandsmerkmale: Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen

1. öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten
2. nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben,
3. soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.

12 Die Generalklausel erfordert also zunächst, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Für die Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht kommt der Sonderrechtstheorie (auch: modifizierte Subjektstheorie) zentrale Bedeutung zu.[5]

13 Nach der modifizierten Subjektstheorie handelt es sich dann um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, wenn die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht zugehören; Dies ist der Fall, wenn die streitentscheidenden Normen ausschließlich Träger öffentlicher Gewalt berechtigen und/oder verpflichten.[6] In diesem Fall liegt sog. „Sonderrecht der Verwaltung“ vor (daher auch Sonderrechtstheorie). Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Sonderrechtstheorie ist es daher, dass eine streitentscheidende Norm existiert. Dies ist im Bereich der Eingriffsverwaltung regelmäßig der Fall.[7] Im Bereich der Leistungsverwaltung stößt die Sonderrechtstheorie hingegen mitunter auf besondere Herausforderungen (s. etwa Fall 9 Rn. 6).[8]

14 Die Streitigkeit muss weiterhin nicht-verfassungsrechtlicher Art sein. Dies bestimmt sich mit der h.M. danach, ob ein Fall sog. doppelter Verfassungsunmittelbarkeit vorliegt: Nur wenn Verfassungsorgane oder unmittelbar am Verfassungsleben beteiligte Rechtsträger über Rechte und Pflichten aus der Verfassung streiten, ist die Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art.[9] Ansonsten ist die Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art.

15 Schließlich darf keine sog. abdrängende Sonderzuweisung die Streitigkeit zu einem anderen Gericht abdrängen. Obwohl eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art vorliegt, kann es also sein, dass dennoch ein anderer Gerichtszweig über die Klage/den Antrag entscheidet. In der Regel ist in Klausuren keine abdrängende Sonderzuweisung ersichtlich. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf dieser Prüfungspunkt jedoch im Polizei- und Ordnungsrecht (s. Fall 1 Rn. 9) und im Recht der staatlichen Ersatzleistungen (s. Fall 16 Rn. 5).[10]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Näher zur in Prüfungsarbeiten nicht zu diskutierenden Aufbaufrage, ob der Verwaltungsrechtsweg als Teil der Zulässigkeit geprüft werden kann Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 163.
  2. Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 166.
  3. Näher Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 166.
  4. Zur Bedeutung der Generalklausel näher Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 11. Aufl. 2019, § 11 Rn. 4.
  5. Näher auch zur Subordinations- und Interessentheorie Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 169 ff.
  6. Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2019, Rn. 4; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 11. Aufl. 2019, § 11 Rn. 17.
  7. Näher zu den streitentscheidenden Normen im Bereich der Eingriffsverwaltung Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 173 ff.
  8. Näher zu den relevanten Anspruchsgrundlagen im Verwaltungsrecht Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 182 ff.
  9. Näher Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 210 ff.
  10. Näher Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 217 ff.