Zweideutigkeit als System - Thomas Manns Forderung an die Kunst: Humor und Ironie

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Rundfunk-Diskussion September 1953

In einer Rundfunkdiskussion, zu dieser Zeit an Bekenntnissse des Hochstaplers Felix Krull schreibend, erläutert der 78jährige Thomas Mann den Stellenwert der Ironie in seinem Gesamtwerk. Ein Wort Goethes habe ihm immer tiefen Eindruck gemacht:

„Ironie ist das Körnchen Salz, durch das Aufgetischtes überhaupt erst genießbar wird. Eine sehr merkwürdige Äußerung. Man könnte aus ihr schließen, dass Goethe die Ironie fast mit dem Prinzip des Künstlerischen überhaupt übereinstimmen lässt, zusammenfallen lässt. Man könnte sagen- man könnte daraus schließen, dass er die Ironie gleichsetzt mit jener künstlerischen Objektivität, deren er sich Zeit seines Lebens befleißigt hat, daß er sie gleichsetzt mit dem Abstand, den die Kunst von ihrem Objekt nimmt, daß Ironie eben dieser Abstand ist, indem sie über den Dingen schwebt und auf sie herablächelt, so sehr sie zugleich den Lauschenden oder Lesenden in sie verwickelt, in sie einspinnt. Man könnte die Ironie gleichsetzen mit dem Kunstprinzip des Apollinischen, wie der ästhetische Terminus lautet, denn Apoll, der Fernhintreffende, ist der Gott der Ferne, der Gott der Distanz, der Objektivität, der Gott der Ironie. Objektivität ist Ironie – und der epische Kunstgeist; man könnte ihn als den Geist der Ironie ansprechen." [1] [2]

  1. Thomas Mann: Humor und Ironie. In: Nachlese. Prosa 1951 – 1955. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1956, S. 166
  2. Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung Bd. II (1844), S.99: "Die Ironie ist objektiv".


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