Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization

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Keck Array (links) und BICEP2 (rechts) in der Amundsen-Scott-Station, 2013

Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization (BICEP) ist ein Experiment zur Messung der Polarisation der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung (CMB) in der Antarktis. Die verschiedenen Stufen des Experiments bestehen jeweils aus Mikrowellenantennen mit polarisationssensitiven Bolometern. Zu dem System von Teleskopen am Südpol gehört neben BICEP auch das Keck Array.

Aufbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Dark Sector Lab“, links davon das South Pole Telescope
Keck Array im MAPO 2011

Zum Experiment gehörten BICEP1, Januar 2006 bis Dezember 2008,[1] mit 98 Detektoren und BICEP2,Januar 2010 bis Dezember 2012,[2] mit 512 Detektoren. Seit 2015 arbeitet BICEP3 2560 Detektoren.[3] Dazu kommt das Keck Array, das seit 2011 mit drei und seit 2012 mit fünf Empfängereinheiten läuft.[4] Das BICEP-Teleskop befindet sich unweit der Amundsen-Scott-Südpolstation im Dark Sector Laboratory, wo auch das South Pole Telescope untergebracht ist. Das Keck Array befindet sich auf dem benachbarten Martin A. Pomerantz Observatory (MAPO).[5] Beobachtet wird bei Frequenzen von 95 (BICEP3) bzw. 95, 150 und 220 GHz (Keck Array) ein Gebiet um den Himmelssüdpol.[6]

Beteiligt sind das Caltech und das Jet Propulsion Laboratory, die Cardiff University, die University of Chicago, das Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, das CEA Grenoble (Frankreich), die University of Minnesota, die Stanford University, die University of California, San Diego (BICEP1, BICEP2), das National Institute of Standards and Technology (NIST), die University of British Columbia und die University of Toronto (Kanada, BICEP2, BICEP3, Keck Array) und die Case Western Reserve University (Keck Array).

Leitende Wissenschaftler von BICEP und Keck Array sind John Kovac (Harvard Smithsonian Center), Jamie Bock (Caltech, Jet Propulsion Laboratory), Clem Pryke (University of Minnesota) und Chao-Lin Kuo (Stanford/SLAC).

Meldung über die Bestätigung von kosmologischer Inflation und Gravitationswellen durch BICEP[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Anlagen wurden speziell dafür ausgelegt, die sogenannte B-Mode in der CMB zu entdecken, den „Nachhall“ von Gravitationswellen-Signalen im Cosmic Gravitational Wave Background (CGB) aus der frühen inflationären Phase des Universums, die ihre Spuren im Verteilungsmuster der Polarisation der CMB als spezielle „Verwirbelungskomponente“ hinterließen.[A 1][A 2] Die Kollaboration von BICEP2 gab im März 2014 die Entdeckung der B-Mode im CMB bekannt.[7][8][9] Die B-Mode ist eine Signatur für Geschehnisse im Universum, die noch in der Inflationsperiode bis etwa 10−31 Sekunden nach dem Urknall stattfanden und damit der früheste Blick ins Universum. Der CMB selbst stammte aus der Zeit der Rekombination von Elektronen und Protonen etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall, als Strahlung und Materie entkoppelten. Die Entdeckung der primordialen B-Moden war eines der Hauptziele kosmologischer Forschung. Sie liefern sowohl erste Bilder von Gravitationswellen als auch der inflationären Phase des Universums und wurden populärwissenschaftlich als Geburtsschrei des Universums[10] umschrieben. Das Signal fiel stärker aus als von den Theoretikern erwartet mit einem Parameter r=0,2, wobei r das Verhältnis von Tensor- zu Skalaramplituden angibt (die Tensoramplitude stammt von Gravitationswellen, die Skalaramplitude von Dichtefluktuationen). Vor Bekanntgabe der Entdeckung eines B-Moden-Signals wurden die Daten drei Jahre lang genau analysiert, um Fehler und deren Herkunft aus späteren Verzerrungen etwa durch die Staubmassen oder Synchrotronstrahlung in unserer Galaxie auszuschließen. Atmosphärische Störungen der Messung zu vermeiden war ein Hauptgrund, die Teleskope am Südpol zu installieren. BICEP konnte dort während der mehrmonatigen Polarnacht rund um die Uhr[A 3] einen besonders störungsfreien Bereich des Südhimmels (Southern Hole) beobachten, der allerdings nur rund 2 Grad Ausdehnung hatte. Nach der Bekanntgabe der Resultate wurde auf unabhängige Bestätigung der Ergebnisse zum Beispiel durch das Planck-Weltraumteleskop gewartet, das zudem auch im Gegensatz zu BICEP den gesamten Himmelsbereich abdeckt und bei unterschiedlichen Frequenzen misst. Das Planck-Teleskop liefert zudem genauere Aussagen zum Beispiel über den Gravitationslinsen-Hintergrund, der von den Messungen abzuziehen ist.

Im September 2014 veröffentlichte die Planck Collaboration (Planck-Teleskop) eine Zwischenanalyse ihrer Daten,[11] nach der die fraglichen BICEP2-Daten durch polarisierte Wärmestrahlung von interstellarem Staub in der Milchstraße verursacht worden sein könnten, der durch das Magnetfeld der Milchstraße und dessen Fluktuationen beeinflusst wird.[12] David Spergel (Princeton) und andere hatten zuvor schon an der Interpretation der BICEP-Kollaboration Kritik geübt,[13] da sie im Gegensatz zu letzterer die Vorabinformationen des Planck-Teleskops zu Verzerrungen durch kosmischen Staub nicht vollständig berücksichtigt hatten.[14] Nach der späteren Veröffentlichung der Planck-Daten ist der konkurrierende Einfluss des Staubs aber größer, als die Autoren der BICEP2-Kollaboration aufgrund der Vorabinformation angenommen hatten.

Supraleitende Detektoren des BICEP2 unter dem Mikroskop

Die Analyse der Planck-Daten extrapolierte Beobachtungsergebnisse des Planck-Satelliten bei 353 GHz, einem Frequenzbereich, in dem der Beitrag des Staubs dominiert, hinunter auf die Frequenz von 150 GHz und den Himmelsausschnitt, in dem BICEP2 operierte. Sie zeigte, dass der ausgesuchte Himmelsabschnitt keineswegs zu den am wenigsten von kosmischem Staub beeinflussten Regionen gehörte und dort möglicherweise sogar alle beobachteten B-Moden-Signale durch kosmischen Staub verursacht sein könnten, mit einer positiven oder negativen relativen Unsicherheit von rund einem Drittel des Ergebnisses. Die ursprünglich von BICEP2 favorisierten Werte von r = 0,2, die Large Field-Inflationsmodellen entsprechen, mussten aufgrund der Analyse der Planckwerte reduziert werden. Eine Nachanalyse der oberen Grenze für r ist im Gang (November 2014). Experimente, die B-Moden-Signale mit r < 0,1 bis in den Bereich von r = 0,01 detektieren können, sind in der Entwicklung (Atacama Cosmology Telescope, South Pole Telescope, BICEP/Keck Array, das Ballonexperiment Spider). Außerdem werden vorzugsweise Himmelsregionen untersucht, die relativ frei von Störungen durch kosmischen Staub sind, und es wird ein breiteres Spektrum von Frequenzen benutzt. BICEP2 arbeitete bei 150 GHz, nicht zuletzt aus messtechnischen Gründen; die Beobachtung des Spektrums bei mehreren Frequenzen erlaubt aber bessere Rückschlüsse auf den Ursprung des beobachteten Signals. Würden dann auch keine Hinweise auf primordiale B-Moden gesehen, wären dadurch zwar Inflationsmodelle nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber zum Beispiel bestimmte aus der Stringtheorie abgeleitete kosmologische Modelle (Eva Silverstein, mit vorhergesagtem r=0,07).[15][16]

Im Januar 2015 wurde die Entdeckung nach einem abschließenden Vergleich mit Daten des Planck-Satelliten von den Forschern offiziell zurückgezogen.[17]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • D. Barkats u. a.: Degree-Scale CMB Polarization Measurements from Three Years of BICEP1 Data. Astrophysical Journal, Arxiv 2013 (Ergebnisse von BICEP1)
  • P. A. R. Ade u. a.: BICEP2 I: Detection Of B-mode Polarization at Degree Angular Scales. Phys. Rev. Lett., Band 112, 2014, S. 241101, Arxiv 2014 (Entdeckung der B-Mode)
  • P. A. R. Ade u. a.: BICEP2 II: Experiment and Three-Year Data Set, Astroph. J., Band 792, 2014, 62, Arxiv
  • Brian Keating: Losing the Nobel Prize, Norton 2018

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das B stammt aus der Analogie zum magnetischen Feld, da es im Gegensatz zu den E-Feldkonfigurationen stets quellenfrei ist und folglich ein „Wirbelfeld“ darstellt, mathematisch also mit dem Rotations-Operator der Vektoranalysis gebildet wird (im Englischen daher auch curl-mode genannt). Die E-Mode ist das Analogon zum elektrischen Feld, das in der Elektrostatik sowie im Nahbereich elektrischer Dipolstrahlung stets wirbelfrei ist und somit über den Gradienten definiert werden kann. Die E-Mode aus der Zeit kurz vor der Rekombination (Zeit der letzten Streuung vor der Entkopplung von Strahlung und Materie) hatte bereits das DASI-Experiment (Degree Angular Scale Interferometer) 2002 nachgewiesen, der Vorgänger von BICEP. Die E-Mode gibt Hinweise auf den Gradienten der Geschwindigkeit des Plasmas vor der Entkopplung und damit auf die Dichtefluktuationen. Die B-Mode wurde schon 2013 vom konkurrierenden South Pole Telescope entdeckt, allerdings stammten die damals entdeckten B-Moden aus Gravitationslinseneffekten und waren somit nicht primordialen Ursprungs wie die von BICEP nachgewiesenen B-Moden, die aber ebenfalls von Gravitationslinsen-Beiträgen und anderen Effekten überlagert sind.
  2. Für eine anschauliche Darstellung von E- und B-Moden siehe z. B. Shari Balouchi: Seeking the cosmic dawn Sky and Telescope, 31. Juli 2013.
  3. Wegen der Beobachtungen am Himmelssüdpol vom Südpol aus gingen die Sterne dort nie unter.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. BICEP1. Auf cfa.harvard.edu, abgerufen am 26. März 2018
  2. BICEP2. Auf cfa.harvard.edu, abgerufen am 26. März 2018
  3. BICEP3 Overview. Auf cfa.harvard.edu, abgerufen am 26. März 2018
  4. Keck Array Overview. Auf cfa.harvard.edu, abgerufen am 26. März 2018
  5. Kate Alexander: MAPO Open House. Am 14. Dezember 2014 auf kateinantarctica.wordpress.com, abgerufen am 22. März 2018
  6. Ahmed Zeeshan: Updates from the BICEP/Keck Array Collaboration, S. 24 ff. Am 8. Juni 2015 auf workshops.ift.uam-csic.es, abgerufen am 26. März 2018 (PDF, ca. 16,72 MB)
  7. Stuart Clark: Gravitational waves: have US scientists heard echoes of the big bang?. Am 14. März 2014 auf theguardian.com, abgerufen am 26. März 2018
  8. First Direct Evidence of Cosmic Inflation. Am 17. März 2014 auf cfa.harvard.edu, abgerufen am 26. März 2018
  9. Felicitas Mokler: Fingerabdruck der Inflation gemessen (Memento vom 25. Juni 2017 im Internet Archive). Am 18. März 2014 auf pro-physik.de, abgerufen am 26. März 2018
  10. Max Rauner, Ulrich Schnabel: Urknall: Der Geburtsschrei des Universums erreicht die Erde. Am 17. März 2014 auf zeit.de, abgerufen am 26. März 2018
  11. R. Adam et al.: Planck intermediate results. XXX. The angular power spectrum of polarized dust emission at intermediate and high Galactic latitudes. Am 8. Dezember 2014 auf arxiv.org, abgerufen am 26. März 2018
  12. Natalie Wolchover: ‘Big Bang Signal’ Could All Be Dust. In: Quanta Magazine. simonsfoundation.org, 22. September 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. September 2014; abgerufen am 26. März 2018.
  13. Peter Byrne: A Bold Critic of the Big Bang’s ‘Smoking Gun’ Am 3. Juli 2014 auf quantamagazine.org, abgerufen am 26. März 2018
  14. Panne am Südpol. Der Spiegel, Nr. 41, 2014, 122–124
  15. Liam McAllister, Eva Silverstein, Alexander Westphal: Gravity Waves and Linear Inflation from Axion Monodromy. Am 5. August 2008 auf arxiv.org, abgerufen am 26. März 2018
  16. Daniel Baumann et al.: CMBPol Mission Concept Study: Probing Inflation with CMB Polarization. Am 14. März 2009 auf arxiv.org, abgerufen am 26. März 2018
  17. Ron Cowen: Gravitational waves discovery now officially dead. Am 30. Januar 2015 auf nature.com, abgerufen am 26. März 2018