Lehren, Lernen und Bildung metaphorisch verstehen/ Denkwerkzeuge/ Bildungstheorien/ Kategoriale Bildung.

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Vorbemerkung[Bearbeiten]

Das Modell der kategorialen Bildung wurde maßgeblich durch Wolfgang Klafkis Überlegungen zur kritisch-konstruktiven Didaktik geprägt. Es entstand zwischen den 1960er- und den 1980er Jahren aus dem Versuch Klafkis, eine Verzahnung zwischen den kontroversen Bildungstheorien der materialen und der formalen Bildung zu schaffen (vgl. Jank/Meyer 2005, S. 216). Dieser Vorgang ist jedoch "auf halber Strecke stehen [geblieben]" (Jank/Meyer 2005, S. 218). Martin Wagenschein trug durch seine Auseinandersetzungen mit dem „exemplarischen Prinzip“ (Jank/Meyer 2005, S. 219) entscheidend zur Weiterentwicklung bei (Jank/Meyer 2005, S. 219). Obwohl die kategoriale Bildung in den 1970er Jahren stark durch die damaligen Gesellschafts- und Bildungstheoretiker kritisiert wurde, gelang es ihr, bis in die heutige Zeit ihren aktuellen Charakter zu bewahren.

Kategoriale Bildung bedeutet, dass sich der Mensch seine Wirklichkeit kategorial erschließt und dabei zugleich für die Wirklichkeit erschlossen wird. Diesen wechselseitigen Erschließungsprozess nennt Klafki "kategorial". Kategoriale Bildung bedeutet eine grundlegende Bildung, d.h. der Mensch bildet in diesem Prozess grundlegende Formen und Inhalte der Erkenntnis bzw. des Verstehens heraus (vgl. Kron 1994, S. 73). Des Weiteren erzeugt die kategoriale Bildung Kategorien im Menschen, "mit deren Hilfe der Mensch sich selbst und die Welt sowie sein Verhältnis zu sich selbst und der Welt interpretieren und damit auch ein begründetes Handeln entwickeln kann." (Kron 1994).

Gegenstandsbereich[Bearbeiten]

Klafki entwarf sein Konzept der kategorialen Bildung für den Einsatz in der Schule, genauer als „Reflexions- und Problematisierungshilfe“ (Jank/Meyer 2005, S. 206) für die Lehrenden. Der Lehrer soll, durch seine didaktischen und methodischen Fähigkeiten, aus den durch den Lehrplan vorgegebenen "Bildungsinhalten" (Jank/Meyer) einen "Bildungsgehalt" (Jank/Meyer) für die konkrete Umsetzung des Bildungsinhalts kreieren. Metaphorisch dargestellt hieße dies, dass ein Bildhauer (der Lehrer) einen großen Stein vorgesetzt bekommt (den Bildungsinhalt) und daraus eine bestimmte Figur (den Bildungsgehalt) freilegt (Vgl. Jank/Meyer 2005, S. 218). Sein Bildungsbegriff entspricht dem neuhumanistischen Ansatz und greift damit den klassischen Mündigkeitsbegriff (Bildung soll zur vernünftigen Selbstbestimmung führen, wird im Rahmen einer historisch gesellschaftlich-kulturellen Gegebenheit erworben, kann jeder Einzelne nur für sich selbst durch Interaktion in der Gemeinschaft erwerben) jener Zeit auf; seine Bildung soll der Allgemeinbildung dienen.

Analytische Dimension[Bearbeiten]

Struktur von Unterrichtsinhalten für eine Sachanalyse nach Wolfgang Klafki (Abbildung nach Jank und Meyer (2008): "Didaktische Modelle", S. 224).
Didaktische Prinzipien für Wolfgang Klafki (nach Jank und Meyer 2008, "Didaktische Modelle").

Um den Bildungsinhalt freilegen zu können (Jank/Meyer 2005, S. 209), gibt Klafki fünf Kriterien an, welche bei der Unterrichtsvorbereitung berücksichtigt werden sollen (vgl. Jank/Meyer 2005, S. 205):

  • Die Gegenwartsbedeutung, also inwiefern die Thematik aktuelle Relevanz für die Schüler in subjektiver und objektiver Weise hat.
  • Die Zukunftsbedeutung, die Frage nach der zukünftigen Relevanz für die Schüler.
  • Die Struktur des Inhalts, resultierend aus den Überlegungen der ersten beiden Kriterien. Dabei handelt es sich nicht um eine Sachanalyse im Sinne einer fachwissenschaftlichen oder didaktischen Dominanz gegenüber den methodischen Aspekten, sondern eine gegenseitige Abhängigkeit und Bedingbarkeit zwischen didaktischer Analyse und methodischer Vorbereitung. Die Struktur des Inhalts zu analysieren, meint didaktisch relevante und fruchtbare Fragen an das Thema zu stellen.
  • Die exemplarische Bedeutung befasst sich mit dem dahinterliegenden allgemeinen Prinzip. Welche universellen Schlüsse lassen sich daraus ableiten, wie wird der Wahrnehmungshorizont dadurch erweitert, welche Regeln lassen sich daraus abstrahieren? Klafki beschreibt diese Frage als Wechselwirkung zwischen dem Elementaren (welches am Konkreten das Allgemeine erkennen lässt), dem Fundamentalen (das Zugänglichwerden großer Grundrichtungen der Mensch-Wirklichkeits-Beziehung) und dem Exemplarischen (die Konkretisierung anhand eines Beispiels).
  • Die Zugänglichkeit des Phänomens für die Schüler. Anhand welcher Methodik lassen sich die Inhalte abhängig von der individuellen Berücksichtigung der aktuellen Situation am besten vermitteln?

Normative Dimension[Bearbeiten]

Didaktische Zielstellungen nach Wolfgang Klafki (nach Jank und Meyer, 2008, "Didaktische Modelle", S. 229).

Kategoriale Bildung ist dadurch gekennzeichnet, dass sich das Individuum einen Sachverhalt "'kategorial' erschlossen" hat und sich durch diese 'kategorialen' Einsichten für diese "Wirklichkeit erschlossen" hat (Klafki, nach Jank/Meyer, S. 217 f., Hervorhebung im Original). Klafkis Theorie erfuhr starke Kritik (vgl. Jank/Meyer, S. 228). Bedeutendste Schwäche ist die Tatsache, dass Klafkis Überlegungen lediglich dem Lehrer dabei helfen sollten, die bereits definierten Lehrinhalte konkret zu gestalten, jedoch nicht, diese zu definieren (Jank/Meyer, S. 230 f.). Daher entwickelte er seine Theorien weiter zur kritisch-konstruktiven Didaktik. Kritisch, da konkrete Zielsetzungen im Kontext einer humanistisch-aufklärerischen Haltung formuliert werden sollen. Dabei treten die Selbstbestimmungs-, die Mitbestimmungs- und die Solidaritätsfähigkeit in gegenseitige Wechselwirkung, wie folgende Grafik veranschaulicht.

Konstruktiv ist seine neue Kritik, da Klafki beschloss, Kriterien für die Konzeption sowie die Umsetzung eines sinnvollen Lehrplans zu formulieren. Dabei half Martin Wagenschein durch seine Unterrichtsentwürfe zum Exemplarischen maßgeblich. Die Bemühungen Wolfgang Kramps zur Konkretisierung der Unterrichtsmethode und Unterrichtsorganisation blieben weitgehend unberücksichtigt. „Die kritisch konstruktive Didaktik versteht sich als ein politisches Programm zur Demokratisierung von Bildung und Schule“ (Jank/Meyer 2005, S. 231), unter dem Maßstab der Selbst-/Mitbestimmung und der Solidaritätsfähigkeit.

Literatur[Bearbeiten]

  1. Werner Jank und Hilbert Meyer. Didaktische Modelle. 7. Auflage 2005. ISBN 978-3-589-21566-9.
  2. Friedrich Wilhelm Kron. Grundwissen Pädagogik. 4., verbesserte Auflage 1994.