Lehren, Lernen und Bildung metaphorisch verstehen/ Denkwerkzeuge/ Didaktische Modelle/ Lehr-/Lerntheoretische Didaktik – Hamburger Modell

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Vorbemerkung[Bearbeiten]

Die Modelle der lehr-/lerntheoretischen Didaktik und somit in erster Linie, das Berliner und das Hamburger Modell, entwickelten sich aus der Kritik gegenüber der allgemeinen bildungstheoretischen Didaktik (Heimann, Otto, & Schulz, 1979). Die Kritiker, zu denen mitunter Paul Heimann gehörte, warfen der bildungstheoretischen Didaktik ein „Stratosphärendenken“ (Heimann, Otto, & Schulz, 1979) vor, welches den Bezug zur Unterrichtspraxis verliere. Aus dieser Kritik heraus entwickelte Paul Heimann das Berliner Modell, welches als Ziel die Weiterentwicklung der didaktischen Kompetenzen der Lehrenden hatte. (Heimann, Otto, & Schulz, 1979) Dieses wurde dann 1980 von Wolfgang Schulz (1929–1993) im Hamburger Modell weiterentwickelt.

In dieser Ausarbeitung wird das Hamburger Modell betrachtet. Einführend wird das Modell im Gegenstandsbereich kurz dargestellt, woraufhin in der analytischen Dimension die Modellskizze von Schulz ausführlich aufgezeigt wird.

Gegenstandsbereich[Bearbeiten]

„Unterricht und Schule – dieser vielschichtige, widerspruchsvolle, unter unterschiedlichsten Perspektiven interpretierbare Bereich unseres gesellschaftlichen Lebens strukturiert sich für uns, [...] als Handlungsfeld, als Feld unseres didaktischen Handelns.“ (Schulz, 1986, S. 35) Dieses Handlungsfeld versucht Schulz im Hamburger Modell aufzugreifen. Im Gegensatz zum Berliner Modell, welches das Handlungsfeld der Lehrperson umfasst, werden im Hamburger Modell die Lernenden in den Handlungsprozess mit eingebunden und durch diesen sollten sie emanzipiert werden. Somit beschreibt Schulz sie als „Wissenschaft vom emanzipatorisch relevanten, professionell pädagogischen Handeln in Unterricht und Schule.“ (Peterßen, 2001, S. 59)

Das Modell beschäftigt sich mit drei Fragekomplexen:

  1. Was soll unter Emanzipation verstanden werden?
  2. Welchen Beitrag kann Unterricht zu so verstandener Emanzipation überhaupt leisten?
  3. Wie kann Unterricht seinen derart eingeschätzten Beitrag erbringen? (Peterßen, 2001, S. 61)

Zu 1) Der Mensch verfüge stets über sich selbst, wobei die Förderung dieser Verfügung eine große Rolle spiele. Dadurch solle die Befreiung überflüssiger Herrschaften erreicht werden. Dies alles sei notwendig, weil die ökonomische, kulturelle und politische Art der Benachteiligung vorhanden sei. (Peterßen, 2001, S. 61) Zu 2) Schulz ist der Meinung, dass Unterricht Emanzipation nicht herbeiführen könne, denn die eben erwähnten Benachteiligungen seien nicht in der Schule entstanden und somit auch nicht durch sie lösbar. Schule sei kein Instrument zur Veränderung von Gesellschaft. (Peterßen, 2001, S. 61) Zu 3) Schule könne nur dazu befähigen die bestehenden Verhältnisse zu hinterfragen. Sie könne sie aber nicht auflösen. Sozialisationsprozesse, die benachteiligend wirken, müssen aufgedeckt und beseitigt werden können. Diese Fähigkeit solle den Schülern im Unterricht beigebracht werden. Wie die Gesellschaft auszusehen habe, würden die Bürger entscheiden, deshalb emanzipiere Schule nicht, sondern sei nur emanzipatorisch relevant und sei an eine demokratische Gesellschaftsordnung gebunden. (Peterßen, 2001, S. 62 f.)

Analytische Dimension[Bearbeiten]

Das Hamburger Modell bezeichnet ein didaktisches Modell zur Strukturierung der Unterrichtsplanung, welches aus dem Berliner Modell in den späten 70er Jahren von Wolfgang Schulz weiterentwickelt wurde, wobei die Emanzipation der Lernenden gemäß Schulz im Mittelpunkt dieses Modells stehe.

Zentral ist für Schulz, dass er „keine unrealisierbaren Forderungen an Schule und Unterricht […] stell[t], aber auch nicht bloß technisches Blendwerk in Unterricht und Schule zulassen [wolle]“. (Peterßen, 2001, S. 60)

Hamburger Modell – Handlungsmodell[Bearbeiten]

Dieses Modell zeichne sich -so Peterßen (2001, S.63)- dadurch aus, dass Lehrende und Lernende gleichermaßen als Bezugspunkte in die Theorie eingearbeitet worden seien. Lehrende und Lernende würden durch ihr Handeln verbunden werden. (Peterßen, 2001, S.63) Schulz versucht die Handlungsaufgabe „so zu begreifen, dass wir besser eingreifen können, verantwortbarer, effizienter, aufgeklärter über die Bedingungen dieses Handelns und handelnd Stellung nehmen“. (Peterßen, 2001, S. 63)

Das didaktische Handeln zwischen Lehrenden und Lernenden teilt Schulz in vier Felder ein, die sich untereinander beeinflussen würden und somit ein Interdependenzverhältnis bilden würden:

Die Unterrichtsziele (UZ), die Vermittlungsvariablen (VV), die Ausgangslage (AL) und die Erfolgskontrolle (EK) werden im Folgenden beschrieben und in Verbindung mit den Begriffen aus dem Berliner Modell gebracht.

Unterrichtsziele (UZ):
Unter den Unterrichtszielen sind die Intentionen und Themen zusammengefasst, „die zur individuellen und gesellschaftlichen Reproduktion erforderlich erachteten Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen […] [nur im Zusammenhang mit] Autonomie, Selbstbestimmung [zu fördern].“ (Schulz, 1986, S. 41)

Vermittlungsvariablen (VV):
Methoden, Medien und schulorganisatorische Hilfsmittel werden in den Vermittlungsvariablen zusammengefasst.

Ausgangslage (AL):
Die Ausgangslage der Lehrenden und Lernenden ist ebenfalls wichtig für den Unterricht und ist vergleichbar mit den “Anthropologisch-psychologischen Voraussetzungen“ des Berliner Modells.

Erfolgskontrolle (EK):
Unter der Erfolgskontrolle, ist die Selbstkontrolle der Lernenden und Lehrenden zusammengefasst. Dieses Strukturmoment, erweitert nun das Berliner Modell.

Diese Felder werden durch die folgenden Bereiche ergänzt.

Lehrende (L) und Lernende (S):
Im Unterrichtsplanungsprozess werden die Lehrenden (L) und die Lernenden (S) als Partner dargestellt, die jeweils den Planungsprozess, auf den später noch eingegangen wird, beeinflussen.

Institutionelle Bedingungen:
Umrahmt wird dieses didaktische Handeln von den institutionellen Bedingungen, “die Lehrenden wie Lernenden einerseits einen gewissen Handlungsspielraum eröffnen, andererseits aber auch Handlungsmöglichkeiten ausschließen, hemmen oder uminterpretieren können.” (Schulz, 1986, S. 39) Zu solchen Bedingungen würden politische, gesellschaftliche und ökonomische Faktoren, wie beispielsweise Lehrpläne oder auch Gesetze, sowie die Schulverfassung gehören. Diese Bedingungen seien somit den “sozial-kulturellen Voraussetzungen” des Berliner Modells gleichzusetzen.

Produktions- und Herrschaftsverhältnisse und Selbst- und Weltverständnis schulbezogen Handelnder:
Durch den Bezug von Schule zur “Arbeit, Herrschaft und Kultur der Gesellschaft” (Schulz, 1986, S. 35), stünden diese Felder jeweils unter dem Einfluss der anderen Felder. Somit würde das gesamte didaktische Handeln, welches durch spezielle institutionelle Bedingungen begrenzt oder auch erweitert würde, von einem weiteren gesellschaftlichen Einfluss umrahmt werden.

Hamburger Modell – Planungsebenen[Bearbeiten]

Im Planungsprozess definiert Schulz vier unterschiedliche Planungsebenen. Die Perspektivplanung, die Umrissplanung, die Prozessplanung und die Planungskorrektur. Bei der Perspektivplanung gehe es darum, den Unterricht langfristig zu planen, etwa für ein Jahr oder ein Halbjahr. Die Planung solle zu Lehrgängen und Unterrichtseinheiten zugeordnet werden. Für den Lehrenden sei es eine Art Orientierungsrahmen für sein weiteres didaktisches Vorgehen in der entsprechenden Zeiteinheit. In der anschließenden Umrissplanung sollten die ausgewählten Unterrichtseinheiten zu Sinneinheiten geordnet werden. Dabei würden Unterrichtsziele festgelegt werden. Es solle bestimmt werden, welche Methoden und Medien zum Einsatz kommen und auf welche Weise ein Lernerfolg realisiert werden könne. (Jank & Meyer, 2014, S. 282)

Im Gegensatz zum Berliner Modell entscheidet Schulz sich dafür, die Unterrichtsziele und Inhalte zusammenzuführen und nicht zu trennen. (Peterßen, 2001, S. 65)

Schulz gliedert die Inhalte in Erfahrungsbereiche (Peterßen, 2001, S. 65):

  1. Sacherfahrung
  2. Sozialerfahrung
  3. Gefühlserfahrung

Erläuternd hierzu sagt Schulz, dass „ […] [man] Sacherfahrungen in Verbindung mit Sozialerfahrung [erwirbt], und die Gefühlserfahrung, die man dabei erwirbt, determiniert die Fähigkeit, Sachkenntnis und soziale Beziehungen zu differenzieren“. (Peterßen, 2001, S. 66)

Die Prozessplanung beschäftige sich mit dem konkreten Unterricht einzelner Stunden. Grundlage sei die bereits erstellte Umrissplanung. Anschließend folge die Planungskorrektur. Hier ist sehr wichtig, dass nicht vorhergesehene Faktoren aufgegriffen werden würden, die bei der Umsetzung der Prozessplanung aufgetreten seien. (Jank & Meyer, 2014, S. 283)

Normative Dimension[Bearbeiten]

Das Hamburger Modell ziele auf die partnerschaftliche Gestaltung des Lehr- und Lernprozesses durch die Lehrkraft und die Lernenden, wobei der Personen-, der Sach- und der Gruppenbezug im Unterricht ausbalanciert werden solle (Jank & Meyer, 2014, S. 282). Des Weiteren sei es Ziel des Modelles, Lehrer zu befähigen, emanzipatorisch relevanten Unterricht zu halten, der die Schüler befähige sich von überflüssiger Herrschaft zu befreien und möglichst weitgehende Verfügung über sich selbst zu ermöglichen. (Peterßen, 2001, S. 64f.)

Das erste Unterrichtsziel ist die Vermittlung von Kompetenzen, die die Individuen darauf vorbereite, was sie gemäß ihrer Lebensbedingungen zu erfüllen haben. Allerdings sei es nicht möglich, durch reine Kompetenzfähigkeit seine Lebensbedingungen zu ändern. (Peterßen, 2001, S. 65) Hier komme das zweite Ziel von Unterricht zum Tragen. Autonomie solle es dem Menschen ermöglichen, sich von denjenigen Lebensbedingungen zu befreien, die ihm nicht das höchst mögliche Maß an Autonomie verleihen. (Peterßen, 2001, S. 65) Das dritte Unterrichtsziel ist Solidarität. Sie habe die Aufgabe, Autonomie insoweit zu begrenzen, dass man durch ihren Erwerb niemanden in seiner eigenen Freiheit begrenze. Denn ihr Erwerb dürfe nur in Verantwortung gegenüber allen anderen stattfinden, ansonsten könne in einer Gesellschaft nicht jeder frei sein. (Peterßen, 2001, S. 65)

Aus unserer persönlichen Sicht, lässt sich sagen, dass die in Schulz Modell dargelegte “Balance zwischen dem Einzelnen, der Gruppe und dem Thema” positiv zu bewerten ist. Auf diese Weise schafft Schulz einen teilnehmerorientierten Unterricht, der aktiv durch die Lernenden mitbestimmt werden kann und somit zu deren Emanzipation beiträgt.

Literaturverzeichnis[Bearbeiten]

  • Heimann, Paul/ Otto, Gunter/ Schulz , Wolfgang: Unterricht: Analyse und Planung. Hannover: Schroedel Schulbuchverlag 10. Aufl. 1979.
  • Jank, Werner/ Meyer, Hilbert: Didaktische Modelle. Berlin: Cornelsen Scriptor 11. Aufl. 2014.
  • Peterßen, Wilhelm H.: Lehrbuch Allgemeine Didaktik. München: Oldenbourg-Schulbuchverlag 6. Aufl. 2001.
  • Schulz, Wolfgang: Die Lehrtheoretische Didaktik Oder: Didaktisches Handeln im Schulfeld. Modellskizze einer professionellen Tätigkeit (S. 35–56). In: Gudjons, Herbert (Hrsg.)/ Winkel, Rainer (Hrsg.): Didaktische Theorien. Hamburg: Bergmann + Helbig Verlag 8. Aufl. 1995.