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Lehren, Lernen und Bildung metaphorisch verstehen/ Denkwerkzeuge/ Lerntheorien/ Neurowissenschaften

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Vorbemerkung/ Einleitung

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Die Neurowissenschaft ist noch eine recht junge Disziplin, die seit ca. zwei Dekaden einen Boom erlebt. Vor allem als George Bush Senior 1990 das Jahrzehnt des Gehirns ausrief, erhielt sie einen enormen Aufschwung. Zahlreiche Erfindungen wie z.B. die des Elektronenmikroskops bringen großen Wissenszuwachs auf der Mikroebene. Auch als 1972 die Computertomographie entwickelt wurde, wurde ein Grundstein für die bildgebenden Verfahren gelegt. In den 1950er Jahren kam es zu einem Boom in der Invertebratenforschung. Diese beschäftigt sich mit den relativ einfacheren Nervensystemen von Wirbellosen (wie z.B. dem Regenwurm), um Aussagen über die prinzipielle Mikrostruktur des Gehirns (auch des menschlichen) zu machen und trägt dabei auch zu den Erkenntnissen in der Neurowissenschaft bei (vgl. Künkler 2011). Wie bei Künkler (2011) nachzulesen und auffallend nach einigen weiteren Recherchen ist, dass es in den Neurowissenschaften nicht den Vertreter gibt. Vielmehr gibt es Forscher aus verschiedenen Bereichen, die gemeinsam die Erkenntnisse der Neurowissenschaften prägen. Hierzu zählen z.B. der Hirnforscher Changeux, der Neurobiologe Hüther, aber auch viele weitere Psychologen und Neurodidaktiker.

Gegenstandsbereich

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Die Neurowissenschaft ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, dessen Untersuchungsgegenstand das Gehirn im Allgemeinen, dessen Aufbau und Funktionen ist. Disziplinen wie die Informatik, Medizin, Biologie, Psychologie und Philosophie sind maßgeblich an den Prozessen dieser Wissenschaft beteiligt. Neurone und Gliazellen bilden in ihrer Gesamtheit ein komplexes und verworrenes Netz - das Nervensystem. Die Kommunikation dieses Netzes bildet unsere Persönlichkeit, steuert uns, macht uns zu dem was wir sind. Das ist der Gegenstand der Neurowissenschaft und auch der Untersuchungen hinsichtlich Pädagogik und Didaktik in Verbindung mit Prozessen des Gehirns. Lern- und Bildungsprozesse finden in diesen komplexen Netzen der Kommunikation statt und das Bewusstsein und unser Gedächtnis finden in ihnen ihren Ursprung. Die Neurowissenschaft arbeitet daran, aufzuschlüsseln, wie diese neuronalen Verbindungen (und damit auch das Lernen) funktionieren und wie man aufklären kann, wie eben dieses Bewusstsein und unser Gedächtnis arbeiten.

Analytische Dimension

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In der analytischen Dimension geht es darum, wie das Lernen funktioniert. Die Grundlage des menschlichen Lernens bietet das Gehirn. Das mit Milliarden von Nervenzellen (auch: Neuronen genannt) ausgestattete Gehirn ist Teil des sogenannten Zentralnervensystems und befindet sich im Kopf der Wirbeltiere. Jedes menschliche Gehirn besitzt die Eigenschaft, sich an seine Umwelt und deren Anforderungen anpassen zu können. Diese Anpassungen des Gehirnes entwickeln sich im Laufe der Zeit in einem unbewussten Prozess. Eine Anpassung dahingehend stellt z. B. das Spielen eines Instrumentes dar. Kinder, die in frühen Jahren das Spielen eines Instrumentes erlernen, haben für die Repräsentation der Finger der linken Hand (Instrument: Gitarre) mehr Platz im Gehirn, sodass diese schneller und präziser bewegt werden können. Gehirne sind daher plastisch, sodass man von Neuroplastizität spricht. Diese stellt die Grundlage für die Anpassungsvorgänge des Gehirns dar. Das Modell der Neuroplastizität beschreibt also die Form- oder Veränderbarkeit von neuronalem Gewebe in Abhängigkeit von Reifeprozessen oder Umwelteinwirkungen. Bildgebende Verfahren (CT, MRT) suggerieren, sodass man dem Gehirn beim Denken und Lernen zuschauen kann. Durch diese nähert man sich dem Versuch an, Lernzusammenhänge, wie bspw. Lernen vor sich geht und wie der Lernprozess aussieht, zu erklären. Wie jedoch dasjenige, was wir unter Lernen verstehen in den Hirnzellen, sowie ihren Verknüpfungen funktioniert, wissen wir nicht, lediglich dass und wann es geschieht (vgl. Blawat 2012). Ebenso ist unbekannt, wie Informationen abrufbar gespeichert werden, ebenso der Prozess der Verknüpfung dieser zu „Sinnesstrukturen“. Es ist jedoch in Ansätzen experimentell überprüft worden, wie die Informationsaufnahme und –verarbeitung erfolgt, sowie wodurch sie durch bestimmte Umstände unterbunden, erschwert und begünstigt werden kann. Durch das Bilden neuer Verknüpfungen lernen wir. Es gibt aber auch den umgekehrten Weg. Die Organisation des Gehirns führt dazu, dass Details ohne Bedeutungskontexte rasch, abgesehen von Einmalereignissen, die deshalb auch „unvergesslich“ genannt werden, vergessen werden. Sogenannte Einmalereignisse sind bspw.: eine besondere Überraschung, „das erste Mal“ oder eine Verletzung. Muster und Bilder speichert es hingegen sehr lange, weil sie für die Erkennung und Bewertung neuer Informationen unerlässlich sind. Das unterrichtlich organisierte Lernen geht wie das natürliche Lernen langsam vor sich und ist in ihrer Bedeutungsgenerierung hinsichtlich einer normierten Zielerreichung höchst störanfällig.

Wie schon erwähnt, besteht das Gehirn aus zahlreichen Nervenzellen oder Neuronen, die auf die Vorgänge der Erregungsleitung und Erregungsübertragung spezialisiert sind. Die Gesamtheit aller Nervenzellen bilden zusammen mit den Gliazellen (Stützzellen für Nervenzellen) das Nervensystem. Eine typische Säugertier-Nervenzelle besteht aus einem Zellkörper und Zellfortsätzen, den Dendriten und dem Axon. Über die Dendriten werden die Erregungen von anderen Zellen aufgenommen, am Zellkörper gesammelt und über das Axon (Zellfortsatz) an benachbarte Synapsen weitergeleitet. Diese Entstehung oder Bildung von Synapsen an einer Nervenzelle versteht man unter dem Begriff der Synaptogenese. Erfahrungen sind fest im Gehirn verankert und bestimmen unsere Erwartungen und unser jeweiliges Handeln. Jedes Gehirn besitzt eine individuelle Erfahrungsgeschichte, die sich im Laufe unseres Lebens immer mehr erweitert. Darunter versteht man jedoch nicht, dass das Gehirn ein Datenspeicher ist, sondern lediglich als Datengenerator durch die autonome Organisation der Speicherung und Verknüpfung von Informationen, sowie deren Bedeutung, verstanden werden kann. Wissen kann also nicht übertragen werden; es muss im Gehirn eines jeden Lernenden neu geschaffen werden (vgl. Herrmann 2006, S. 49). Der Lernvorgang verändert die Struktur des Gehirns; das Gehirn ist aus diesem Grund ein „soziales Organ“ (Frith 2009). Das natürliche Lernen, insbesondere die Nachahmung, geht sehr langsam, in der Regel aber auch sehr erfolgreich vor sich. Das Gelernte wird erst nach einigen Wiederholungen im Langzeitgedächtnis dauerhaft verfügbar gehalten. Fazit ist, dass das Gehirn die Voraussetzung aller psychischen und geistigen Leistung darstellt.

Normative Dimension

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In der normativen Dimension geht es darum, wie Lehren und Lernen optimaler Weise aussehen sollte.

Wenn sich das Gehirn in Abhängigkeit von Erfahrungen und Benutzung strukturiert, muss es schulisch-unterrichtlich erst einmal um vielfältige Erfahrungs- und Nutzungsangebote gehen und erst dann um "Fordern und Fördern". Daher ist es wichtig, dass man die Schülerinnen und Schüler Erfahrungen machen lässt. Jedes Gehirn hat als Organ seine individuelle erfahrungsgeschichtliche Prägung. Daher schreibt jedes Gehirn neuen Informationen (Erfahrungen) zunächst einmal seine lebensgeschichtlich individuellen Bedeutungen zu. Wenn die Bewertung einer ankommenden Information negativ ausfällt, können keine neuromodulatorisch gestützten zellulären Prozesse angestoßen werden, die Lernen ermöglichen. Jede Art von Verunsicherung, von Angst und Druck erzeugt im Gehirn eine sich ausbreitende Unruhe und Erregung. Unter diesen Bedingungen können die dort über die Sinneskanäle eintreffenden Informationen/Wahrnehmungsmuster nicht mit den bereits abgespeicherten Erinnerungen abgeglichen werden. Es kann so nichts Neues hinzugelernt und im Gehirn verankert werden (vgl. Herrmann 2006, S. 45).

Wenn jemand etwas lernen soll, muss ihm ermöglicht werden, mit dieser Anforderung positive Bewertungen zu verbinden (vgl. Becker 2006, S. 138 f.). Daher ist Motivation sehr wichtig für das Lernen. Deswegen ist es als Lehrer wichtig die Schüler zu motivieren und neugierig zu machen. Beispielsweise durch eine überraschende Neuigkeit, einen erklärungsbedürftigen Sachverhalt oder ein unerwartetes Ereignis etc. (Vgl. Herrmann 2006, S. 123) Die ankommenden Reize müssen Bedeutung für den Organismus haben, dann funktioniert Lernen optimal, ohne Bedeutung jedoch vergisst das Gehirn schnell wieder (abgesehen von Einmalereignissen). Für das Lernen ist es wichtig, dass häufig geübt und wiederholt wird und ein sogenanntes "vernetztes Lernen" stattfindet. Das bedeutet, dass die neuen Informationen an bereits Bekanntes angeknüpft werden und auch auf andere Themengebiete transferiert werden sollten. Nachhaltige Informationsverarbeitung ist auf Überprüfungs- und Sicherungszeiten angewiesen, d.h. auf einen zeitlichen Wechsel von Informationsaufnahme (Anspannung) und Informationssicherung (Entspannung, Konsolidierung) im Kontext bisheriger Informationsbestände. Sicheres abrufbares Vorwissen ist die wohl wichtigste Voraussetzung z.B.: für Problemlösen unter Stressbedingungen (Tests).

Am besten gelernt wird unter leichter Anspannung, leichtem Stress, aber das Arbeitsergebnis muss etwas besser sein als erwartet. Zu hoher Stress bzw. Versagensangst blockiert oder mindert die erwünschten Gehirnleistungen (vgl. Herrmann 2006, S. 56). "Leistung unter Druck" erbringt nur das in diesem Moment unter dieser Bedingung mögliche Ergebnis, sagt aber nichts über die dieser Leistung zugrunde liegenden "Kompetenzen".

Der Faktor "Beziehung" ist kein vordergründiger "Wohlfühlfaktor", sondern neurowissenschaftlich gesehen der Motivationsmotor. Denn das Gehirn ist ein "soziales Organ" und sucht beständig nach Kooperationen: Daher ist eine gute Beziehung zum Lehrer und eine freundliche Arbeitsatmosphäre sehr förderlich beim Lernen.

Literaturverzeichnis

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  • Becker, Nicole (2006): Die neurowissenschaftliche Herausforderung der Pädagogik. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt Verlag
  • Blawat, K. (2012). Ein Fisch schaut in die Röhre. In: Süddeutsche Zeitung unter http://www.sueddeutsche.de/wissen/neuronenforschung-ein-fisch-schaut-in-die-roehre-1.36460 (abgerufen am 18.06.2015)
  • Herrmann,Ulrich (Hrsg.) (2006): Neurodidaktik: Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. Weinheim und Basel: Beltz Verlag
  • Künkler, T. (2011). Lernen in Beziehung. Zum Verhältnis von Subjektivität und Rationalität in Lernprozessen. Bielefeld: Transcript Verlag