Meisterhaft – Musterhaft Georg Bötticher/ Tapetenmuster für den europäischen Markt/ Bürgerliche Wohnkultur im Wandel

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Bürgerliche Wohnkultur im Wandel


Bis weit ins 19. Jahrhundert bestanden die Tapeten vor allem aus Stoff und waren entsprechend teuer. Mittels der Druckerschnellpresse setzten sich die Papiertapeten durch und fanden rasch Eingang auch in die bürgerliche Wohnkultur.

Zunehmender Wohlstand in den späten Gründerjahren – nie zuvor wurden in Deutschland so viele Häuser gebaut – hatten einen Boom ausgelöst. In der Beletage ihrer herrschaftlichen Wohnungen richteten sich Fabrikanten, Geschäftsleute und die höheren Beamten neu ein. An die Stelle der Wandbemalungen traten Tapeten.

Im Zentrum eines Wohnzimmers, ob bürgerlich oder feudal, stand nun jeweils ein Sofa mit Tisch und Fauteuil oder Stühlen, deren Bezüge ein Ensemble entstehen ließen, weiße duftige Gardinen mit Schabracken, üppige Übergardinen und ein kontrastierender Teppich. Auf den Böden lagen nicht selten Perserteppiche aus sächsischen Textilfabriken. Auf die Frau als Kundin wurde die Industrie erst ganzallmählich aufmerksam.

In den Jahren 1868–1869 vollzog sich, so Bötticher, ein Geschmackswandel im Kunstgewerbebereich Deutschlands: Zierde wich stilisierten Verzierungen. Man wollte nicht mehr nur auf beispielsweise einer Jagdszene ›sitzen‹ oder einen endlosen Blumenrapport an den Wänden haben.

Friedrich Fischbach begann sein Sammelwerk alter Gewebe herauszugeben. In Wien, München, Karlsruhe und Stuttgart waren Künstler, oft auch Architekten, bemüht, dem lange vergessenen Flachmuster zu neuem Ansehen zu verhelfen. Zwar hatte Bötticher das ›Alte‹, den Naturalismus, noch studiert, aber er eroberte sich die weit älteren Grundlagen peu à peu zurück. So hatte u. a. beispielsweise bereits der Berliner Baumeister Friedrich Schinkel Flachmuster besonders gewürdigt.

Verwandtschaftliche Beziehungen Böttichers in Berlin lieferten ihm eine Brücke zur Idee dieser besonderen Musterausprägung.