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Softwareprojekte in Asien/ Softwareprojekte

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Das Softwareprodukt in Asien – Charakteristika und Unterschiede

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Dieses Kapitel soll die signifikanten Unterschiede und Charakteristika von Softwareprodukten in Asien und der westlichen Welt aufzeigen. Die meisten Unterschiede sind in der Wahrnehmung, der Sprache, genauso wie in der Darstellung der Benutzerschnittstelle, der Dokumentation und des Zeichensatzes zu finden.

Benutzerschnittstelle und Wahrnehmung

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Die Wahl der richtigen Farben und Symbole, genauso wie die Anordnung und Masse der Informationen auf dem Computerbildschirm ist für ein intuitives Verständnis der Anwendung essentiell. Die beschriebenen kulturellen Unterschiede und Besonderheiten der asiatischen Kultur führen zu der Vermutung, dass es bei der Wahrnehmung der grafischen Benutzerschnittstelle ebenfalls Unterschiede geben muss.

Zu Beginn der 90'er Jahre entwickelten Russo und Boor eine Richtlinie für den Entwurf grafischer Benutzerschnittstellen in internationalen Anwendungen.[1]

Bei der Entwicklung internationaler Benutzeroberflächen sollten die Unterschiede innerhalb folgender Kategorien beachtet werden.

  • Text
  • Datums- und Zeitformat
  • Bilder
  • Symbole
  • Farben
  • Leserichtung
  • Funktionalität

Russo und Boor streichen bewusst den Unterschied zwischen Akzeptanz und Verständlichkeit heraus. Nicht alles was für eine Kultur verständlich ist, ist gleichzeitig akzeptiert. Asiatische Anwender würden auch ein amerikanisches Datumsformat verstehen, aber eher nicht akzeptieren.

Die Lebensanschauung und das Weltbild ostasiatischer Kulturen, beispielsweise Japan, auf der einen Seite und die individuelle Weltanschauung westlicher Kulturen auf der anderen Seite spiegelt sich in der Wahrnehmungsdimension wieder.[2] Die Studien von Masuda und Nisbett konzentrieren sich auf die kognitiven Prozesse bei der Reizverarbeitung. Sie zeigten amerikanischen und asiatischen Probanden kurz ein Aquarium mit unterschiedlich großen Fischen auf einem Bildschirm. Die asiatischen Probanden hatten keine Probleme das Gesamtbild und die Größenverhältnisse wiederzugeben. Die amerikanischen Testpersonen hatten größtenteils Probleme das Gesamtbild wieder abzurufen, konnten sich aber an einzelne Elemente, wie den größten Fisch im Aquarium erinnern. Die Aufmerksamkeit und die Erinnerungsfähigkeit hängen also direkt mit der kulturellen Orientierung, also beispielsweise dem Individualismus, bzw. dem Kollektivismus zusammen. Die Studie zeigt das kognitive Prozesse durch kulturelle Rahmenbedingungen beeinflusst werden.[2]

In einer Studie des Psychologen Shinobu Kitayama sollten amerikanische und japanische Testpersonen aus der Erinnerung eine Linie in ein Quadrat zeichnen. Das Ergebnis der Studie bestätigte andere Studien. Die Japaner konnte das Verhältnis der Linie zum Quadrat besser darstellen als die Amerikaner, wobei diese die absolute Länge der Linie besser trafen.[2]

In Bezug auf den Entwurf von Benutzerschnittstellen kann man folgende Schlussfolgerung ziehen. Ein Mitglied einer kollektiven Gesellschaft, wie der Asiatischen, wird zuallererst die Zusammenhänge einer Benutzerschnittstelle erkennen. Während sein amerikanisches Pendant, als Mitglied einer individuellen Gesellschaft, schneller einzelne Objekte wahrnimmt.

Des Weiteren hat die kulturelle Zugehörigkeit einen großen Einfluss auf die Bedeutung von Farben. Nicht nur die Semantik von Farben hat kulturelle Eigenarten, auch die Assoziation der Farben unterscheidet sich. Deshalb müssen die kulturellen Unterschiede in der Wahrnehmung von Farben unbedingt Beachtung finden, vor allem bei der Darstellung von Informationen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die verschiedenen Assoziationen von Farben in Japan und Deutschland.


Schwarz Weiß Rot Grün Blau Gelb
Deutschland Tod
Trauer
Unschuld
Reinheit
Feuer
Liebe
Gefahr
Hoffnung
Sicherheit
Kälte
Autorität
Loyalität
Missgunst
Vorsicht
Japan Neutral Tod
Trauer
Gefahr
Wut
Zukunft
Jugend
Kraft
Schurke Adel
Gnade

[3]


Die Farbauswahl ist für die Ergonomie und die Akzeptanz eine Benutzerschnittstelle essentiell. In so alten Kulturen, wie den Asiatischen, sind Traditionen viel mehr verbreitet als in westlichen Kulturen. Deshalb ist der Farbeinfluss auf den Anwender viel stärker als in der westlichen Welt. Beim Entwurf von Benutzerschnittstellen sollten daher negative Farben wie Weiß und Blau vermieden werden. Weiterhin ist es wichtiger als in westlichen Gesellschaften, Informationen durch eine Übersicht darzustellen. Eine klar strukturierte Präsentation ist verständlicher als einzelne Elemente. Die Verwendung mehrerer Elemente oder Gruppen ist dann wieder für Asiaten verständlicher als für westliche Anwender.

Sogar die Gesten und Symbole asiatischer Kulturen werden in User Interfaces integriert. So ist üblicherweise auf dem Schirm einer Ticketmaschine ein sich verbeugendes Männchen zu sehen. Die Verwendung solcher Animationen aus dem Alltag sind sehr populär. Dies steigert die Motivation zur Nutzung des Gerätes und führt sogar zu einer besseren Ergonomie.

Asiatische Benutzerschnittstellen weisen aber ebenso Unterschiede in Bezug auf die Sprache aus. Die wichtigsten Punkte werden im folgenden Kapitel beschrieben.

Einflüsse der Sprache

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Das Thema „asiatischen Sprachen“ in der Softwareentwicklung stellt für die meisten ausländischen Programmierer ein größeres Problem dar. Da Asiaten oft fremde Schriften, wie Chinesische Symbole, Hiragana, Katagana und Romaji verwenden, gehören diese Sprachen zu den schwersten der Welt. Deshalb sprechen die meisten Asiaten auch keine Fremdsprache. Die Leserichtung, also der logische Fluss der Information, ist oft nicht konstant. In einigen Ländern wird von Links nach Rechts gelesen, in anderen von Rechts nach Links und dann gibt es Länder in denen man von unten nach oben liest. In Japan liest man zum Beispiel vertikal von oben Rechts spaltenweise nach Links.

Datei:Japan zeitung.JPG

Bei der Entwicklung von Benutzerschnittstellen sollten also die unterschiedlichen Leserichtungen der verschiedenen Kulturen berücksichtigt werden. Wo immer es notwendig ist, muss die Position und der Fluss der Information angepasst werden. Aber auch die Eingabeelemente sollten sich der Leserichtung anpassen. Wird von rechts nach links gelesen, sollte auch die Eingabe in einem Textfeld entsprechend möglich sein, bzw. die Aktionen einer Auswahlbox nach rechts ausgerichtet sein. Die optimale Lösung für Japanische Bildschirme wäre beispielsweise eine Kombination aus einem horizontalen und vertikalen Informationsfluss.[4] Die meisten asiatischen Zeichensätze können aufgrund ihrer Masse an Schriftzeichen nicht mit 8 Bit (ASCII) abgebildet werden. Die japanische Sprache wird beispielsweise durch verschiedene Zeichensätze dargestellt, die alle mit dem Code ‚JIS’ beginnen, was für „Japanese Industrial Standard“ steht. Der populärste Zeichensatz (JIS X 0208-1990) beschreibt fast 6000 Schriftzeichen, die technisch gesehen niemals durch ein einzelnes Byte dargestellt werden könnten. Aufgrund dessen benutzt dieser Standard Kodierungsschemata, die jedes Zeichen durch zwei Bytes repräsentieren. Beispielsweise:

  • ISO-2022.JP (JIS) encoding
  • UC encoding
  • Shift-JIS encoding

Aufgrund der marktbeherrschenden Position von Microsoft hat sich der „Shift-JIS encoding“ Standard durchgesetzt. Dieser wurde von Microsoft entwickelt. Aber auch Unicode (UTF-8) unterstützt asiatische Symbole. Um asiatische Schriftzeichen auf westlichen Computersystemen verarbeiten zu können, sind spezielle Textverarbeitungsprogramme notwendig. Hier helfen Tools von Microsoft (IME) oder NJStar weiter. Während der Eingabe eines asiatischen Wortes über eine landestypische Tastatur sind die entsprechenden Symbole auswählbar.

Datei:Ime.JPG

Für die Lokalisierung, des für den Anwender sichtbaren Outputs, wie Dialoge, Fehlermeldungen oder die Hilfe sollte unbedingt ein professioneller Übersetzer eingesetzt werden.

Dokumentation des Produktes

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Bei der Übersetzung von Benutzerhandbüchern und anderer Dokumentation sollte man ebenfalls auf einen professionellen Übersetzter zurückgreifen. Allerdings haben die meisten Übersetzter wenig Erfahrung mit der eigentlichen Materie. Aus diesem Grund sind diese Dokumentationen oft schwer verständlich. Meist werden Fachbegriffe einfach wortwörtlich, bzw. unpassend übersetzt. Es ist üblich, dass z.B. Groupware als „Hilfsmittel für eine Menge“ bezeichnet wird, obwohl es sich um einen Fachbegriff handelt, der gar keine Übersetzung erfordert. Groupware gibt es auch in der japanischen Sprache, beschrieben durch Katagana Zeichen. Dabei handelt es sich um einen Zeichensatz der meist für die Umschreibung westlicher Begriffe benutzt wird.

Ein typischer Absatz reduziert sich nach der Übersetzung um 20 bis 30 Prozent gegenüber der englischen Sprache. Weiterhin unterscheidet sich die Art und Weise gedruckte Medien weiterzublättern. Die letzte Seite einer amerikanischen Dokumentation muss also die erste Seite in der japanischen Übersetzung sein.

Einflüsse asiatischer Kulturen auf den Softwareentwicklungsprozess

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Allgemeine Einflüsse auf das Geschäftsleben

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Für Geschäftsleute, die aus einem anderen Kulturkreis nach Asien kommen, ist es zunächst sehr schwer, Kontakte mit asiatischen Partnern zu knüpfen und Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Im Gegensatz zum europäischen oder amerikanischen Raum wird in Asien sehr vorsichtig und zurückhaltend gehandelt. Um eine vertrauensvolle Basis für Geschäfte zu erreichen, muss viel Zeit und Geduld investiert werden.

Vermittler helfen ausländischen Geschäftsleuten, Fuß im asiatischen Markt zu fassen. Sie treten neutral zwischen den beiden Parteien auf. Es ist wichtig, dass der Vermittler über eine ausreichende Reputation verfügt, um eine Empfehlung für den ausländischen Geschäftspartner aussprechen zu können. Ein unabhängiger Vermittler, der selber bei dem Geschäft keine Gewinnerzielungsabsichten verfolgen sollte, kann beispielsweise in Japan bei der Japan External Trade Organization (JETRO) gefunden werden.

Große Bedeutung kommt bei Vertragsverhandlungen und -abschlüssen im asiatischen Sprachraum auch einem professionellen Übersetzer zu, der neben einer perfekten Sprachkenntnis auch mit den kulturellen Gegebenheiten vor Ort vertraut ist. Neben der korrekten Übersetzung und Interpretation mehrdeutiger Phrasen muss der Übersetzer auch die nonverbalen Bestandteile der Kommunikation (Körpersprache) zu deuten wissen. Da die asiatischen Kulturen sehr harmonieorientiert sind, werden Ausländer dort mit Verwunderung feststellen, dass die Asiaten sehr häufig während des Gesprächs nicken und zustimmende Worte verwenden. Dies muss jedoch nicht unbedingt Zustimmung bedeuten. So lässt sich die einzelne Nennung des japanischen Wortes für "Ja" ("hai") lediglich mit "Ich habe [es akustisch] gehört" übersetzen. "Hai hai" bedeutet "Ich habe verstanden" und erst die dreifache Verwendung ("hai hai hai") signalisiert die Zustimmung, die ein Europäer oder Amerikaner bei dieser Wortwahl und Körpersprache erwartet hätte.

Asiaten verhalten sich gegenüber Ihren Gesprächspartnern äußerst höflich und respektvoll und zeigen keine offene ablehnende Haltung oder gar Kritik[5]. Vorschläge werden nie klar zurückgewiesen werden. Die Verhandlungstaktik wird dadurch sehr stark geprägt. Entscheidungen werden nicht von Einzelnen sondern von einer Gruppe im Konsens getroffen und es ist wichtig, dass zum Schluss der Verhandlungen eine "Win-win-Situation" entsteht, mit der beide Parteien einverstanden sind.

Im Gespräch mit einem Mitglied der Führungsebene einer asiatischen Firma werden im Allgemeinen nur generelle Verhandlungspunkte angesprochen. Die detaillierten Angaben, beispielsweise zur Umsetzung von Geschäftsprozessen, werden mit Angestellten bzw. Führungskräften des mittleren Managements diskutiert. Die Teams umfassen in asiatischen Firmen üblicherweise vier bis acht Personen. Die Entscheidungsstrukturen sind sehr stark hierarchisch geprägt. Aus diesem Grund ist es wichtig, auf den unterschiedlichen Ebenen des Konzerns Ansprechpartner zu haben.

Service- und Qualitätsaspekte im Softwareentwicklungsprozess

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Die Prioritäten der unterschiedlichen Qualitätsaspekte unterscheiden sich in den verschiedenen Kulturkreisen. Während sie in Europa und Asien recht ähnlich sind, unterscheiden sie sich doch deutlich von der Gewichtung der einzelnen Punkte im Amerikanischen.

Zuverlässigkeit Funktionalität Service Aktualität Preis
Asien
(Japan/China)
hoch hoch niedrig hoch niedrig
Europa
(Deutschland)
hoch hoch mittel mittel mittel
Amerika
(USA)
mittel hoch hoch hoch hoch

[1]

Neben diesen unterschiedlichen Prioritäten ist in Asien besonders die qualitativ hochwertige Entwicklung von Produkten sehr wichtig. Beispielsweise ist das Total Quality Management (TQM) in vielen Bereichen stark ausgeprägt und wird daher auch in der Softwareentwicklung entsprechend berücksichtigt. Die Eigenschaften von Qualität im TQM lassen sich anhand folgender Merkmale beschreiben:

  • Qualität orientiert sich am Kunden
  • Qualität wird mit Mitarbeitern aller Hierarchiestufen erreicht
  • Qualität ist kein Ziel, sondern ein niemals endender Prozess
  • Qualität ist eng mit Produkten und Dienstleistungen verzahnt
* Qualität erfordert Handeln

Analyse der Phasen des Softwareentwicklungsprozess in Verbindung mit einer asiatischen Geschäftsumgebung

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Die einzelnen Phasen in Softwareprojekten sind auf der ganzen Welt sehr ähnlich. Dennoch gibt es besonders für den asiatischen Markt einige spezifische Unterschiede, auf die nachfolgend eingegangen wird. Jedes Softwareprojekt beginnt mit einer Definition des Projektes, in welcher der Inhalt des Projektes festgelegt wird und zusammen mit dem Kunden in der Analysephase untersucht wird. In Projekten mit asiatischer Beteiligung ist es bereits an dieser Stelle sehr wichtig, auch festzuhalten, was nicht umgesetzt wird um späteren Missverständnissen vorzubeugen.

Definition des Projektziels und Analyse

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Zu Beginn eines Softwareprojekts im asiatischen Raum wird es in den seltensten Fällen ein exakt definiertes Projektziel geben, oftmals wird in der Projektdefinition mehr eine Vision denn ein konkretes Ziel vorgegeben und es ist die Aufgabe der Mitarbeiter, diese Vision mit ihren eigenen Ideen zu füllen und in die Tat umzusetzen. Dies kann für einen Projektleiter, den diese Vorgehensweise bis dato unbekannt war, durchaus verwirrend sein und als störend bzw. unprofessionell empfunden werden. Es ist durchaus hilfreich, wenn sich die Geschäftspartner aus der westlichen Welt bereits vorab mit den geschäftlichen Begebenheiten im asiatischen Raum vertraut gemacht haben. Dies wird die weitere Zusammenarbeit und den Verlauf des Projekts positiv beeinflussen. Es mag ungewohnt scheinen, dass Absprachen oftmals nicht schriftlich getroffen werden (sie scheinen gar überflüssig), denn innerhalb des Vertrauensverhältnisses, das die Geschäftspartner aufgebaut haben, reicht das gesprochene Wort vollkommen aus.

Während der Analysephase werden zahlreiche Meetings abgehalten, die auf den ersten Blick nicht immer den gewünschten Erfolg erzielen. Ein westlicher Beobachter kann manchmal den Eindruck gewinnen, dass das Projekt festgefahren ist, da in mehreren Meetings immer und immer wieder dasselbe Thema besprochen wird. Der Hintergrund dabei ist die kontinuierliche Verbesserung, die mit dem Kaizen-Ansatz verfolgt wird. Die Abwicklung eines Projektes „in time and budget“ zählt in asiatischen Firmen nicht so hoch wie in Europa oder Nordamerika. Es ist viel wichtiger, zusammen zu einem gemeinsamen Konsens zu gelangen und durch kontinuierliche Weiterentwicklungen am Ende ein zufrieden stellendes Produkt entwickelt zu haben.

Auswahl eines geeigneten Prozessmodells

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Eine weitere Aufgabe innerhalb der Analysephase ist die Entscheidung für ein bestimmtes Prozessmodell. Die hohe Erwartungshaltung an Qualität und Sicherheit in asiatischen Projekten spiegelt sich auch in der Auswahl der Prozessmodelle wider. Das hohe Ansehen der amerikanischen Kultur führt besonders in Japan dazu, dass sehr oft das Capability Maturity Model bzw. der Nachfolger Capability Maturity Model Integration (CMMI) als Modell eingesetzt.

Das "Zen" im Wort "Kaizen" betont das Learning-by-doing bei der Prozessverbesserung. Die Kaizen-Methode beinhaltet die Durchführung von Veränderungen und das Evaluieren der Ergebnisse, um darauf aufbauend schrittweise weitere Verbesserungen durchführen zu können. Diese werden in kleinen Schritten durchgeführt, dabei können sich die äußeren Umstände allerdings sehr schnell und gravierend aufgrund der häufigen Anpassungen ändern.

Teambildung

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Die Zusammensetzung der Projektteams mit qualifizierten Softwareentwicklern setzt voraus, dass das Ziel des Projekts und die einzelnen Arbeitspakete entsprechend genau definiert sind. So können während des Projekts anfallende Zusatzkosten (z.B. für Fortbildungen oder Schulungen) und Verzögerungen minimiert werden. Idealerweise bestehen die Projektteams aus einer Mischung von westlichen und asiatischen Mitarbeitern. Letztere müssen nicht unbedingt technisch qualifiziert für die jeweilige Entwicklungsaufgabe sein, sie werden vom Management des asiatischen Partners aufgrund ihres Ranges innerhalb des Unternehmens ausgewählt. Aus Gründen der Harmonie sollte diese Entscheidung respektiert werden, auch wenn dies vielleicht unprofessionell oder gar verzögernd scheint. Die Anwesenheit dieser Mitarbeiter zeigt, dass sich das asiatische Unternehmen in hohem Maße an dem Projekt beteiligt und zeugt von dessen Wichtigkeit. Da die asiatischen (wie auch die arabischen) Kulturen sehr männlich orientiert sind, ist es schwierig, Frauen in Führungspositionen unterzubringen. Diese werden in den seltensten Fällen respektiert werden.

Der Bildung von gegenseitigem Vertrauen und das Kennenlernen wird ein deutlich höherer Stellenwert als in anderen Kulturkreisen eingeräumt. Das Vertrauen ist die Basis des harmonischen Umgangs miteinander. Es braucht einige Zeit, um es aufzubauen, daher dauert diese Projektphase im Vergleich länger als in westlichen Projekten. Dennoch bewährt sich der Aufwand, denn die Fortschritte, die hierbei gemacht werden, wirken sich positiv auf den gesamten weiteren Verlauf des Projekts aus.

Anforderungsermittlung

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Wenn man die Regeln der nonverbalen Kommunikation (vor allem die Tatsache, dass ein "Nein" nicht ausgesprochen wird) kennt, wird es deutlich leichter und schneller, die für das Anforderungskonzept erforderlichen Informationen zu beschaffen. Persönlich geführte Interviews werden dabei eher zum Ziel führen als beispielsweise die Erfassung von Antworten mit Hilfe von Fragebögen. Der Termin für die Interviews sollte einige Tage im Voraus bekannt gegeben werden, sie werden mit mehreren Personen abgehalten. Dies berücksichtigt die Gruppendynamik und Hierarchiestufen, da Einzelpersonen oft nicht ausreichend Informationen bereitstellen können und dies auf keinen Fall ohne Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten werden. Dieser muss daher immer ebenfalls an dem Interview teilnehmen.

Änderungs- und Risikomanagement

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Die Änderungen während der Projektlaufzeit werden ebenfalls nach dem Kaizen-Ansatz durchgeführt. Die Lösungen werden Schritt für Schritt entwickelt, im Gegensatz zu dem in der westlichen Geschäftswelt üblichen Ansatz, dass das Problem zunächst beschrieben und analysiert und anschließend ein genauer Plan zur Beschreitung des Wegs zum Ziel festgelegt wird. Der iterative Ansatz wird in der Softwareentwicklung z.B. durch das Spiralmodell oder den Rational Unified Process[6] unterstützt. Für einen erfolgreichen Projektverlauf sind übereinstimmende Meinungen aller Beteiligten ein Muss. Daher ist es wichtig, dass dieser Konsens (wie zuvor beschrieben) in der Gruppe erreicht und nicht von einzelnen diktiert wird.

Möglicherweise auftretende Risiken im Projekt sollten sofort nach Erkennen angesprochen werden. Im Allgemeinen sind sich asiatische Unternehmen und ihre Mitarbeiter durchaus Sicherheitsrisiken bewusst und werden versuchen, diese bestmöglich zu vermeiden, auch wenn die dabei nötigen Maßnahmen zu einer Verzögerung des gesamten Projektes führen können.

Bei der Analyse und der Modellierung von Geschäftsprozessen muss berücksichtigt werden, dass abrupte Veränderungen der Prozesse in den langzeitorientierten asiatischen Kulturen durchaus als akzeptabel eingestuft werden. Das Langzeitziel wird auch bei den unproduktivsten Arbeitsschritten nicht aus dem Hinterkopf verloren.

Dokumentation und Schulung

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Die Projektdokumentation wie auch die Benutzerhandbücher sollte in zwei Sprachen (üblicherweise eine asiatische und eine westliche, meist Englisch) erstellt werden. Ein professioneller Übersetzer erweist sich hierbei als hilfreich. Dem im europäischen und amerikanischen Raum übliche Softwaretest gegen Ende des Projekts wird in Asien kein so hoher Stellenwert eingeräumt. Da der Kunde während des gesamten Projekts an der Entwicklung beteiligt war, kennt er bereits das Produkt und evtl. enthaltene Probleme -- auch hier wird dem Geschäftspartner entsprechendes Vertrauen entgegen gebracht, oftmals werden nicht einmal schriftliche Stellungnahmen gefordert (vgl. mündliche Vertragsgestaltung).

Zum Abschluss des Projekts gehört schließlich noch die Benutzerschulung. Aufgrund der bereits frühzeitig vorgenommenen Einbindung der Benutzer in die Entwicklung fällt dieser Punkt im Vergleich zu Schulungen in europäischen bzw. amerikanischen Softwareprojekten wesentlich einfacher. Die Schulungen werden üblicherweise in großen Gruppen durchgeführt, wobei der Schwerpunkt mehr bei der Einweisung der Benutzer in ihre spezielle Aufgabe als in das Gesamtsystem liegt. Die zuvor erstellten Benutzerhandbücher sollten den Teilnehmern bereits einige Tage zuvor zur Vorbereitung zur Verfügung gestellt worden sein.

Bewertung der Phasen

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Die Analyse ist im Hinblick auf die kulturellen Besonderheiten und Differenzen die wichtigste Phase des gesamten Softwareprojekts. Das Ziel dieser Phase ist das Aufbauen eines Vertrauensverhältnisses zu den asiatischen Geschäftspartnern als Grundlage für eine weitergehende harmonische Zusammenarbeit. Diese Punkte sind sehr wichtig für den Projektstart und beeinflussen seinen weiteren Verlauf; sie lassen sich auch nicht von heute auf morgen umsetzen sondern benötigen eine lange Zeit.

In der Analysephase werden die Projektteams gebildet, wobei hier besondere Rücksicht auf die Einbindung der asiatischen Partner genommen werden muss. Üblicherweise würde ebenfalls ein Projektplan erstellt, dem jedoch aufgrund der kontinuierlichen Veränderungen gemäß der Kaizen-Philosophie kaum Beachtung geschenkt werden wird.

Die zweite Phase des Softwareentwicklungszyklus, das Anforderungskonzept, erfordert ebenfalls viel Zeit. Es wird beständige Verbesserungsvorschläge geben und eine Nichtbeachtung dieser führen zwangsläufig zu einem gefühlten Vertrauensbruch. Beide Phasen erfordern besondere Beachtung, da sie sich deutlich von den üblichen Gepflogenheiten in westlichen Kultur- bzw. Geschäftskreisen unterscheiden. Das Vorgehen während der übrigen Phasen des Prozesses ähneln jedoch sehr den Projektphasen in der westlichen Welt, so dass hier eine besondere Berücksichtigung der kulturellen Unterschiede nicht notwendig ist.

Strategien und Empfehlungen für den Softwareentwicklungsprozess in Asien

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Dieses Kapitel beschreibt die Strategien und Anforderungen an den Softwareentwicklungsprozess in Asien. Weiterhin werden Themen behandelt die einer besonderen Berücksichtigung bedürfen.

Der Faktor Zeit

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Grundsätzlich kann man sagen, dass internationale Projekte ungefähr 50 Prozent mehr Zeit als lokale Projekte benötigen.[1] Aufgrund der vielen Teilnehmer und der langen Zeit um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, benötigen Projekte in Asien sogar noch mehr Zeit. Aber auch das Fehlen definierter Projektziele oder die verbreitete Kaizen-Philosophie mit dem niemals endenden Verbesserungsdrang verlängern die Projektlaufzeit. Internationale Projektteams sollten das berücksichtigen.

kulturelle Vorbereitung

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Wie beschrieben gibt es grundlegende Unterschiede zwischen asiatischen und westlichen Kulturen. Darum ist es unerlässlich westliche Projekt Manager und Mitglieder intensiv zu schulen. Aber auch grundlegende Kenntnisse der jeweiligen Sprache sollten erlernt werden. Ein paar Worte in der Landessprache erleichtern den Aufbau einer vertrauensvollen Geschäftsbeziehung ungemein. Westliche Projektmitglieder sollten sich der kulturellen Dimensionen und ihrer Effekte bewusst sein. Das macht es leichter die asiatische Kultur zu verstehen. Weiterhin sollten die Projektmitglieder diese Dimensionen leben, um ein harmonisches Umfeld zu schaffen.

Für die gesamte Projektlaufzeit sollte ein professioneller Übersetzer beschäftigt werden, um die Schwierigkeiten der asiatischen Sprachen zu meistern. Die Aufgabe dieses Mitarbeiters ist nicht nur die Übersetzung des gesprochenen Wortes, sondern auch die Hilfe bei kulturellen Sonderheiten und der Körpersprache.

Personalmanagement

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Die Personalabteilung westlicher Softwarehäuser muss während der gesamten Projektlaufzeit einbezogen werden. Für mehrere Monate in einer völlig fremden Kultur zu leben, wie es im asiatischen Raum oft nötig ist, macht vielen Menschen Probleme. Es wird Unterstützung von daheim benötigt. Der Aufbau dezentral organisierter Teams sollte unbedingt vermieden werden. Ein harmonisches und vertrauensvolles Klima im asiatischen Sinne kann so nicht hergestellt werden.

Für eine erfolgreiche Personalakquisition und einen optimalen Teamaufbau sind so viele Informationen wie möglich über das Projekt einzuholen. Internationale Teams sollten sich vor Projektstart über das Projektziel einig sein. Ein professioneller Teamcoach kann das interkulturelle Verständnis fördern. In kritischen Situationen wird er schlichtend eingreifen können. Nach dem erfolgreichen Zusammenwachsen des Teams kann auf seine Dienste verzichtet werden.

Führungsstil

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Die Projektleitung ist ebenso stark von den jeweiligen kulturellen Dimensionen abhängig. Kollektivität, Maskulinität, Unsicherheitsvermeidung, Langzeitorientierung und Machtdistanz sollten besondere Beachtung finden und sich an asiatischen Werten orientieren. Der Projektleiter sollte Erfahrung im internationalen Projektumfeld aufweisen, nach Möglichkeit im asiatischen Umfeld.

Risikomanagement

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Risikomanagement ist mit Hofstedes Dimension der Unsicherheitsvermeidung direkt verbunden. Der asiatische Index ist im Vergleich mit westlichen Ländern sehr hoch. Eine frühe Risikobetrachtung ist zur Vermeidung der Unsicherheit unerlässlich. Eine Risikobewertung, wie es in westlichen Projekten Gang und Gäbe ist, wird eher als Zeitverschwendung gesehen. Ein Risiko sollte einfach vermieden werden.

Risikomanagement muss als Teil des Softwareentwicklungsprozess angesehen werden. Alternativen zur Risikovermeidung oder Problembehebungen im Produkt oder Prozess sollten in der Gruppe sorgfältig diskutiert werden. Deshalb kann das Risikomanagement auch nicht von einer Person durchgeführt werden, sondern sollte immer eine Gruppenaufgabe sein.

Change Management

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Anforderungen werden aufgrund von Kaizen oft angepasst. Eine kontinuierliche Prozessverbesserung und schlecht definierte Projektziele machen eine strategische Projektplanung eher schwer. Es ist wichtig diese Änderungen nach einem Diskussionsprozess auch zu akzeptieren. In Asien ist Kaizen nicht nur eine Unternehmensstrategie. Die gesamte Kultur hat Kaizen als eine Art Lebensweise angenommen. Akzeptiert man dies nicht, ist der Aufbau von Vertrauen und Harmonie eher schwierig.

Aufgrund des hohen Index in der Dimension der langfristigen Orientierung sind die Anforderungen oft stufenweise organisiert und können daher in das laufende Projekt leicht integriert werden. Risiken werden im Kontext von Anforderungsänderungen diskutiert. Deshalb geht das Change Management Hand in Hand mit dem Risikomanagement.

Qualität

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Wie schon beschrieben ist Total Quality Management in der asiatischen Kultur tief verwurzelt. Die Idee hinter dem Konzept sollte von westlichen Softwarefirmen akzeptiert und gelebt werden. Der gesamte Softwareentwicklungsprozess sollte sich an dieser Qualitätsstrategie orientieren. Das amerikanische Prozessmodell CMMI genießt in Asien ein hohes Ansehen und sollte unbedingt angewandt werden.

soziale Aspekte

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In Asien wird nicht wie in westlichen Kulturen zwischen Arbeits- und Freizeit unterschieden. Das gesamte Leben orientiert sich oft am Arbeitgeber und den Kollegen. Selbst am Wochenende ist es üblich am Arbeitsplatz zu sein. Freizeitaktivitäten wie Baseball oder Golf werden durch die Firma organisiert. Nach der eigentlichen Arbeitszeit verbringen Asiaten oft noch viel Zeit mit Kollegen in Restaurants oder Bars. Aufgrund der Notwendigkeit einer harmonischen Beziehung sollten ausländische Projektmitglieder an diesen Events teilnehmen.

Allgemein können diese Regeln als eine Richtlinie für Projektleiter und Mitglieder angesehen werden. Weiterhin ist es aber sinnvoll auf die Strategien erfolgreicher Unternehmen in Asien zu schauen.

Strategien führender Softwarehersteller in Asien

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Die großen Softwarehäuser besitzen mittlerweile fast alle Filialen in Asien. Dies ist mit langfristig orientierten Geschäftskulturen am besten vereinbar. Die Gründung einer Filiale ist der beste Beweis für ein ernsthaftes Geschäftsinteresse. Die Filialen sind nicht unbedingt groß. Kleine Softwarehersteller führen meist nur ein einzelnes Büro. Unternehmen wie Computer Associates, SAP und Oracle haben diesen Weg gewählt. Es gibt aber auch Firmen die den Einstieg in den asiatischen Softwaremarkt fördern. So stellt die Japan Entry Cooperation eine Beziehung zwischen westlichen Firmen und japanischen Kunden her. Diese Aktivitäten machen aber nur Sinn wenn ein langfristiges Engagement im asiatischen Raum geplant ist. Die Vorteile einer Filiale sind die enge Bindung zum Kunden, ein schnellerer und besserer Support nach der Auslieferung des Produkts und mehr Möglichkeiten die jeweilige asiatische Kultur zu leben. Ein Nachteil sind vor allem die hohen Kosten während der Startphase.

Den höchsten Titel, den ein ausländisches Unternehmen in Japan erreichen kann ist “Kakujitsu na Kaisha”, ein zuverlässiges Unternehmen. Dieser Titel setzt eine Filiale in Japan voraus.

Literatur

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  1. 1,0 1,1 1,2 Fitzsimos, Hoffman, Schopper (2004): Internationales Projektmanagement – Interkulturelle Zusammenarbeit in der Praxis. München: Beck Juristischer Verlag
  2. 2,0 2,1 2,2 Kuehnen,U. (2003): Denken auf Asiatisch. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag
  3. Morton: Colormatters http://www.colormatters.com, aufgerufen am: 21. Januar 2007
  4. Fernandes,T. (1995): Global Interface Design. Reading: Morgan Kaufmann Pub
  5. Bortfeldt, H. (2004): Interkulturelle Kommunikation. Berlin: FHTW Berlin
  6. Forbrig,P. (2006): Objektorientierte Softwareentwicklung mit UML. München: Hanser Fachbuchverlag