Zum Inhalt springen

Soziologische Klassiker/ Das soziologische Dorf/ Symbolischer Interaktionismus

Aus Wikibooks


Symbolischer Interaktionismus

[Bearbeiten]

Die Theorie des symbolischen Interaktionismus wurde maßgeblich von George Herbert Mead geprägt und insbesondere von Herbert Blumer ausformuliert. Letzterem ist auch die Namensgebung zu verdanken, deren Verwendung nicht von ihm selbst angestoßen wurde.
Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass Menschen in zweierlei Umwelten leben, der natürlichen und der symbolisch vermittelten. Diese Symbole wie Zeichen, Laute, aber auch Verhaltensweisen, sind innerhalb von Kulturen allgemein bekannt und werden in der Regel gleich verstanden. Der Vorteil, der sich daraus ergibt, ist eine Orientierung und die Möglichkeit, soziale Situationen richtig zu deuten. Gleichzeitig ergeben sich mit dieser Bildung von Symbolen auch idealtypische Vorstellungen die die Welt begreifbar machen und Menschen Rollen und soziale Positionen zuweisen. Dieses Erlernen betrifft vor allem die Phase der primären Sozialisation. Eine soziale Interaktion, in der man im Begriffe ist einzutreten, wird von allen Teilnehmer identifiziert. Es folgt eine Wahl der angemessenen Handlung entsprechend der Rolle eines selbst, aber auch in Bezug auf die Rollen der anderen. In der Regel entsprechen Verhaltensweisen den Rollen, die die Personen innehaben oder zumindest geben sie zu erkennen, welche Absichten sie haben. In Bezug auf beiderlei lässt sich die eigene Handlung orientieren. Die Konfrontation mit Bezugspersonen, aber auch abstrakteren Erwartungen und Vorgaben an den Einzelnen, in der Sprache Meads der signifikante Andere und der generalisierte Andere, führen nicht nur zu einer Rollenübernahme, sondern auch zur Ausbildung einer eigenen, ganz persönlichen Identität. Da ich in einer Umgebung der Intersubjektivität in etwa das Verhalten der anderen abschätzen kann, gelingt es in einem weiteren Schritt auch, mich in den anderen hineinzuversetzen und mich selbst zu betrachten [1].

Die hier beschriebenen sozialen Beziehungen sind nicht solche, in denen Handeln als eine durch Normen vorgeschriebene Umsetzungspflicht ist, sondern vielmehr solche die in einer bestimmten einmaligen Situation wechselseitigen Beziehungsdefinitionen unterliegt. Damit grenzt sich der Symbolische Interaktionismus vor allem gegenüber dem normativen Paradigma ab. Vorgeworfen wurde dem Symbolischen Interaktionismus, dass er außer Acht ließe, wie auch unbeabsichtigte Handlungen und sich verselbstständigte Phänomene Strukturen in der Gesellschaft konstituieren. Dem ist entgegenzuhalten, dass durchaus beschrieben ist, wie störanfällig und voraussetzungsreich Interaktionen sind. Aus dem lässt sich schlussfolgern, dass nicht alle Interaktionen trotz zahlreicher Bedingungen wie gewünscht verlaufen [2].

Symbolic Interactionism

[Bearbeiten]

Herbert Blumer formulierte in seinem Hauptwerk drei Prämissen:

1. Menschen handeln Dingen gegenüber aufgrund der Bedeutung, die diese Dinge für sie besitzen.

2. Die Bedeutung solcher Dinge ist aus der sozialen Interaktion, die man mit seinen Mitmenschen eingeht, abgeleitet, oder entsteht aus ihr.

3. Diese Bedeutungen werden in einem interpretativen Prozess gehandhabt und geändert.

Blumer wollte damit vor allem zeigen, dass sich menschliches Handeln nicht auf Reiz und Reaktion und damit sichtbares Verhalten reduzieren lässt. Ähnlich wie Schütz sieht er die Moderne. Die Strukturen sozialer Organisationen verlieren an Bedeutung und mit ihnen nimmt das Maß an Statik und Stabilität ab, womit die Unsicherheit in Handlungssituationen steigt [3].

Mind, Self and Society

[Bearbeiten]

Dieses Werk von George Herbert Mead ist das Skript seiner Vorlesung Sozialpsychologie, die er zu Beginn des letzten Jahrhunderts an der Chicagoer Universität abhielt.
Kommunikation findet durch Symbole statt, die an mögliche Reaktionen des Partners ausgerichtet werden. So entsteht die Basis zu kollektivem Handeln nach bestimmten Mustern,
die sich manifestieren und zu Verhaltenserwartungen in kommenden Situationen werden.
In weiterer Folge beschreibt Mead, wie die Vorwegnahme der möglichen Reaktionen des Partners sozialisiert wird und wie man die doppelte Empathie schafft, sich in den anderen hineinzuversetzen und sich selbst zu sehen. Mead bezeichnet es als me (von dem es je nach Bezugsgruppen mehrere Ausprägungen geben kann) im Gegensatz zum I, dass eher den selbstständigen Teil der Persönlichkeit bezeichnet, welcher auch für Spontaneität und Kreativität zuständig ist. Das Erlernen der Erwartungen auch an sich selbst, formt die Rolle, die wiederum der Erwartungssicherheit dient. Diese Erwartungssicherheit führt auch zur Gewohnheit und wirkt entlastend [4].

Weitere Werke

[Bearbeiten]

Nicht unmittelbar dem Symbolischen Interaktionismus zugerechnet wird die Arbeit von William I. Thomas und Florian Znaniecki, die in the polish peasant die Definitionsprozesse der Lebenssituation der polnischen Auswanderer untersuchten. Dieses Werk, bereits 1918 erschienen, ließe sich thematisch aber auch hier einordnen.

Rezeption und Wirkung

[Bearbeiten]

Der Symbolische Interaktionismus wurde zu einer reinen Mikrosoziologie, während Mead durchaus Überlegungen angestellt hatte, die zwar nicht eine Makrotheorie miteinschlossen, doch aber eine Verbindung bzw. eine Syntheseversuch zum Bereich der Makrosoziologie anstrebte. Hans Joas stellte in seiner ausführlichen Rezeption fest, dass der symbolische Interaktionismus hinter Mead zurückgefallen sei. Meads Einfluss beschränkte sich zuerst auf Dewey, seine Schüler und den unmittelbaren Wirkungskreis der Chicagoer School. Ein Bezug in der neueren soziologisch-philosophischen Theoriebildung auf Mead lässt sich bei Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns finden, bei der er auch auf Joas’ Dissertation über Mead zurückgriff. Joel Charon hob den Symbolischen Interaktionismus als jene Theorie hervor, die als einzige den Menschen nicht vorbestimmt-maschinell, sondern aktiv und dynamisch sieht [5]. Eine Beschreibung, die sich aber auch auf das gesamte interpretative Paradigma ausweiten ließe. Empirisch schlug sich der Symbolische Interaktionismus vor allem in der Ethnomethodologie Harold Garfinkels nieder.

Literatur

[Bearbeiten]
  • Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (1973):
    "Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit. Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie"
    Hamburg
  • Hillman, Karl-Heinz (1994):
    "Wörterbuch der Soziologie"
    Stuttgart
  • Joas, Hans (2000):
    "Symbolischer Interaktionismus. Von der Philosophie des Pragmatismus zu einer soziologischen Forschungstradition. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Nr. 40, 1988, S. 417-446"
  • Joas, Hans (2000):
    "Mind, Self and Society. In: Kaesler, Dirk / Vogt, Ludgera: Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart
  • Treibel, Anette (2000):
    "Einführung in die soziologische Theorie der Gegenwart"
    Opladen
  • Wenzel, Harald (2000):
    "Symbolic Interactionism. In: Kaesler, Dirk / Vogt, Ludgera: Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart

Einzelnachweise

[Bearbeiten]
  1. Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen 1973, 60f; Hillman 1994, S,855
  2. Treibel 1993, S.108
  3. Treibel 1993, S.114f; Wenzel 2000, 50f
  4. Joas 2000
  5. Joas 1998