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Soziologische Klassiker/ Geschlechterforschung/ Georg Simmel

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Georg Simmel

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Das Relative und das Absolute im Geschlechter - Problem

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Nach Simmel erfährt jedes menschliche Verständnis erst dann Sinn und Wert, wenn es als Verhältnis zu einem anderen Element gesehen wird. Simmel vergleicht Mann und Frau mit großen Relationspaaren des Geistes wie zum Beispiel “Ich und Welt” oder “Subjektivität und Objektivität”. Um Männlichkeit und Weiblichkeit bestimmen zu können, orientieren wir uns an vorhandenen Normen, diese sind jedoch nicht neutral gerichtet sondern besitzen nach Simmel männlichen Charakter. “ Die künstlerischen Forderungen und der Patriotismus, die allgemeine Sittlichkeit und die besonderen sozialen Ideen, die Gerechtigkeit des praktischen Urteils und die Objektivität des praktischem Urteils und die Objektivität des theoretischen Erkennens, die Kraft und die Vertiefung des Lebens - all diese Kategorien sind zwar gleichsam ihrer Form und ihrem Anspruch nach allgemein menschlich, aber in ihrer tatsächlichen historischen Gestaltung durchaus männlich.” [1]

Dass die Geschlechtlichkeit als polarer Begriff verstanden wird und dass eine Geschlecht mehr und das andere weniger hervortritt, hat eine akzeptierte Grundrelation als Nährboden der historischen Entwicklung kreiert. Simmel bringt den Vergleich von ‚Herr und Sklave’, um das Geschlechterverhältnis zu verdeutlichen. Der Herr genießt das Privileg des Stärkeren und ist sich nicht immer bewusst, welche mächtige Position er inne hat, der Sklave hingegen nimmt seine Position als Unterlegner allgegenwärtig war.

Diese Aufteilung überträgt Simmel auf die differenzierte Wahrnehmung der Geschlechter, womit auch die Relation zum anderen Geschlecht auf unterschiedliche Weise empfunden wird. Simmel nennt eine weitere Tendenz, die dem männlichen Geschlecht gegenüber dem weiblichen Überlegenheit verschafft und zwar die Umwandlung und Verknüpfung von Macht in Recht. Dieser Zuspruch findet sich in vielen Beispielen der Geschichte, aber nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern besonders in Machtaufteilung in Familien (im Patriarchat). Das Männliche wird dabei zum übergeschlechtlich - absoluten, wobei die Frau nicht nur in den Hintergrund gedrängt, sondern gleichzeitig herabgesetzt wird. “Denn der Mann fordert von der Frau doch auch, was ihm, nun gleichsam als einseitiger Partei, in seiner polaren Beziehung zu ihr wünschenswert ist, dass im traditionellen Sinne Weibliche, dass aber nicht eine selbstgenügsame, in sich zentrierende Eigenart bedeute, sondern das auf den Mann orientierte, das ihm gefallen, ihm dienen, ihn ergänzen soll. “[2] Eine neutrale Wertung des spezifisch Weiblichen ist aus dieser ungleichen Situation und diesem ungleichen Verständnis heraus nicht möglich.

Männliche Differenziertheit und weibliche Einheitlichkeit

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Wie kein anderer Klassiker der Soziologie beschäftigt sich Simmel ausführlich mit der zentralen Bedeutung der Geschlechterthematik, besonders auf die neue Frauen- und Geschlechterforschung wird des öfteren Bezug auf seine Arbeiten genommen. Das prinzipielle Konzept der Geschlechtersoziologie erfährt durch das genaue Beleuchten der Wechselwirkungen beider Geschlechter Erweiterung. Nach Simmel erhält der differenzierte Mann als Wesen seine Geschlechtlichkeit erst durch die Relation zur einheitlichen Frau seine Geschlechtsidentität.(Deutlichkeit und Schemata im 1911 herausgebrachten Aufsatz: “ Das Relative und das Absolute im Geschlechter - Problem”) Simmel fragt nach der sozialen Konstitution der geschlechtlichen Ungleichheit. “Indem Simmel genau danach fragt und indem er auf die Perspektivität des Allgemeinen, Objektiven, Sachlichen hinweist, trägt er zu einer soziologischen Entzauberung des Fraglosen bei.” [3] Dabei zeigt er aber auch auf, dass nicht nur der Mann seine eigene überlegene Funktion wahrnimmt, sondern auch auf Seiten der Frau Akzeptanz besteht, diese als allgemein gültig hinzunehmen. Simmel zeigt einen doppelten Maßstab des Mannes an die Frau auf. “ Zum einen werden die Frauen den allgemeingültigen (sprich: männlichen) Kriterien unterworfen, zum anderen sind sie mit Erwartungen an das spezifisch Weibliche konfrontiert. Dem einen können sie nur ungenügend gerecht werden, das andere wird, sobald es `geliefert` wird, abgewertet, ist keine der männlich vergleichbaren Leistung. Weder die eine noch die andere Strategie verhilft der Frau zu einer Anerkennung der Person (Schicksal der Sklaven)” [4]

Nach Simmel ist der Mann für Differenziertheit und individuelle Entfaltung prädestiniert und wird im Geschlechterverhältnis damit stets in Verbindung gebracht. Das daraus resultierende Bedürfnis nach Einheitlichkeit, welches der Mann selbst nicht stillen kann, lässt die Suche, Erwartung und Forderung beim weiblichen Geschlecht entstehen. Dabei ist ein Bezug zur Entwicklung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zu erkennen.

Sexualität

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Da bei der Frau nicht unterschieden wird zwischen dem eigentlichen Sein und dem Geschlechtersein, rückt bei ihr die „Sexualität“ auf die sekundäre Ebene. [5]

Während beim Mann Verhalten und Handlungen objektiv betrachtet werden, werden diese bei Frauen immer als „weiblich“ empfunden. Dadurch ist es viel schwieriger „Männlichkeit“ zu definieren, als Weiblichkeit“. Sie kann nur durch die Abgrenzung zu den „weiblichen“ Eigenschaften skizziert werden.

Andererseits kann der Mann besser beschrieben werden, da auch als Synonym für „Mensch“ steht und somit ein viel größerer Begriffsfundus zur Definierung besteht.

Letztendlich ist jeder Mann mehr als „männlich“ und jede Frau mehr als „weiblich“ Simmel erkennt im Mann das übergeschlechtliche Objektive und in der Frau das übergeschlechtliche Fundament, da sie in ihrer Rolle als Mutter, die Grundlage für beide Geschlechter darstellt. Diese Rolle versinnbildlicht das Symbol des absoluten „Weiblichen“. Das heißt die Tatsache, dass Frauen die Kinder gebären und aufziehen macht sie zu Frauen.

Simmel erläutert, dass Frauen „mehr als der Mann aus ihrem eigene Grund herausleben, wäre bedeutungslos, wenn dieser Grund nicht zugleich irgendwie der Grund der Dinge wäre.“ (218). Frauen machen auf ihn den Eindruck eine innerliche Geschlossenheit zu bilden, im Gegenzug zu den Männern, die viel mehr aus sich heraus gehen. Simmel analysiert, dass die Frau das Gewöhnliche viel persönlicher und selbstbezogener erlebt, als der Mann. Der Geschlechtsakt der zu den gewöhnlichen Interaktionen gehört und von den Männer auch oft so empfunden wird, erhält bei der Frau eine höheren Stellenwert der eigenen Produktivität.

Macht und Herrschaft

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Die Tragik der Männlichkeit sieht Simmel dort, wo die eigene Wesensbestimmung Einheit verlangt, diese ihm jedoch lebenslang verwehrt bleibt. Der Mann ist demnach verflucht, durch die innere Zerrissenheit als Folge von Objektivierung, das Selbst als Einheit nie zu erleben. Hieraus zieht er den Schluss der vorherrschenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse zwischen Mann und Frau begründet.

Simmel verbindet die Geschlechtlichkeit der Frau mit dem einfachen Sein und die des Mannes mit dem Tun und Handeln. Das Wesen beider Geschlechter und die damit verbundene Identität ist beim Mann leichter zu fassen, da die Zuordnung männlichen Handelns = menschliches Handeln mehr Raum für die Entfaltung von Identität bietet. Sein Handeln wird nicht als Zuweisung eines geschlechtsspezifisch zu ort baren Handeln verstanden, sondern als allgemein menschliches Tun, was dazu führt dass das männliche Handeln außerhalb der Geschlechtzugehörigkeit bestimmt wird. “Obwohl beide Geschlechter mithin etwas Absolutes ausdrücken, das männliche “als übergeschlechtlich Objektives”, das weibliche “als übergeschlechtlich Fundamentales” (Seite 217), resultiert daraus keine soziale Gleichheit.” [6]

Der daraus entstehende Machtvorteil kommt dem Mann zu, die Frau wird somit zum Objekt männlichen Herrschaftsmechanismen und erfährt hierbei ihre Prädestination. Das männliche Handeln hebt sich somit über das weibliche, welches durch das ursprüngliche Sein gekennzeichnet ist. Dabei entsteht eine Paradoxie, bei dem das weibliche Geschlecht zwar ersichtlich, jedoch nicht im Begriff Ausdruck findet. Das männliche Geschlecht findet zwar Einlauf in das System der Differenziertheit, kann jedoch nicht durch geschlechtliche Zugehörigkeit bestimmt werden. Die natürlichen Bedingungen, die die Frau durch die Mutterschaft definiert, lassen dem Mann zum Träger der Arbeitsteilung werden, demzufolge entsteht auch die Dichotomie (wie bei Tönnies) von der weiblichen Natur und der männlichen Kultur. Die Anstöße die Simmel hierbei liefert, sind teilweise Grundlage für aktuelle Diskussionen. Die Geschlechterdifferenz ist ein Konstrukt der sozialen Gesellschaft, aber dennoch nicht neutral zu bewerten, vielmehr in das Verhältnis von Macht und Herrschaft zu unterteilen. Das Herrschaftsverhältnis erfährt durch die männliche = allgemein Perspektive Stabilität und entzieht sich somit der Wahrnehmung. Das Geschlecht findet auch Ausdruck in der sozialen Praxis.

Literatur

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  • Michael Meuser (1998)
    Geschlecht und Männlichkeit: Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsmuster'
    Leske + Budrich, Opladen
  • Heinz-Jürgen Dahme und Klaus Christian Köhnke [Hrsg.] (1985)
    Georg Simmel Schriften zur Philosophie und Soziologie der Geschlechter
    Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main

Einzelnachweise

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  1. Dahme,Heinz-jürgen,Köhnke Klaus Christian (1985): Schriften zur Philosophie und Soziologie der Geschlechter,erste Auflage,Suhrkamp Verlag,Frankfurt am Main, Seite 200
  2. Dahme,Heinz-jürgen,Köhnke Klaus Christian (1985): Schriften zur Philosophie und Soziologie der Geschlechter,erste Auflage,Suhrkamp Verlag,Frankfurt am Main, Seite 203
  3. Meuser, 1998 Seite 34
  4. Meuser, 1998 Seite 35
  5. Vgl.Dahme und Köhnke, 1985, S. 193
  6. Vgl. Meuser, 1998 Seite 38