Soziologische Klassiker/ Michels, Robert

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Grundstruktur des Kapitels:

Biographie in Daten[Bearbeiten]

Roberto Michels

  • geboren am 9. Jänner 1876 in Köln
  • gestorben am 2. Mai 1936 in Rom


  • Eltern:

Vater: Julius Michels Mutter: Anna Michels (geborene Schnitzler)


  • Ehe:

1900: mit Gisela Lindner

  • Kinder:

Mario Michels (geb. 1901) Manon Michels (geb. 1904) Daisy Michels (geb. 1906)


Biographie

  • 1885-1889: Besuch des Collège Français in Berlin (davor: Privatunterricht)
  • 1889–1894: Besuch des Carl Friedrich-Gymnasiums in Eisenach, Thüringen (1894 Abitur)
  • 1895–1896: Militärdienst an der Kriegsschule in Hannover und in Weimar
  • 1896–1900: Studium der Geschichte und Nationalökonomie an den Universitäten Paris, München, Leipzig und Halle.
  • 1900: Dr. phil. (Geschichte) an der Universität Halle-Wittenberg in Halle an der Saale; Dissertation: Zur Vorgeschichte von Ludwig XIV (Einfall in Holland). Eintritt in die „Partitio Socialista Italiano“ und in die Camera del Lavoro (Arbeiterkammer) von Mailand. (Seit 1903 in der syndikalistischen Strömung innerhalb der sozialistischen Bewegung aktiv.)
  • 1900–1901: Fortsetzung der Studien and der Universität Turin
  • 1901–1907: Wohnhaft in Marburg an der Lahn, Hessen (mit Unterbrechungen). Trotz des öffentlichen Einsatzes von Max Weber (1864–1920) wird ihm als Mitglied der „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ die Habilitation an den Universitäten Marburg, Hessen und Jena, Thüringen verweigert
  • 1903–1905: Lehrbeauftragter an der Université Nouvelle in Brüssel
  • 1905: Lehrbeauftragter (Chargé d’Enseignement) am Collège Libre des Sciences Sociales in Paris
  • 1906: Mitglied des Organisationsausschusses des Internationalen Instituts für Sozialbibliographie in Berlin.
  • 1907–1914: Wohnhaft in Turin
  • 1907: Habilitation für Economia Política an der Università degli Studi di Torino in Turin bei Achille Loria (1857-1943). Italienischer Delegierter am Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart; danach Abkehr von seinen ursprünglichen sozialistischen und syndikalistischen Ideen.
  • 1913: Annahme der italienischen Staatsbürgerschaft
  • 1907–1928: Dozent der Politischen Ökonomie (Docente d’Economia política) mit dem Titel eines außerordentlichen Professors (Professore Straordinario) an der Universität in Turin.
  • 1913–1914: Mitherausgeber des „Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ in Tübingen
  • 1914–1928: Wohnhaft in Basel. Ordentlicher Professor der Nationalökonomie und Statistik sowie Lehrbeauftragter für Soziologie an der Universität Basel (unter Beibehaltung der außerordentlichen Professur in Turin); Enge Beziehung zu Vilfredo Pareto (1848-1923).
  • 1923: Eintritt in die italienische „Partito Nazionale Fascista“
  • 1926: Gastvorlesungen an den Universitäten in Messina und in Rom
  • 1927: Gastprofessor an der University of Chicago und im Williams College in Williamstown, Massachusetts
  • 1928–1936: Wohnhaft in Perugia, Umbria und Rom; Ordentlicher Professor der Allgemeinen und korporativen Ökonomie an einem eigens für ihn eingerichteten Lehrstuhl sowie 1928-1933 Lehrbeauftragter für Geschichte der Wirtschaftstheorie an der Fakultät der politischen Wissenschaften in Perugia. Michels wurde von Benito Mussolini (1883-1945) persönlich gefördert, als dessen Propagandist er bis zu seinem Tod wirkte.
  • 1929–1931: Lehrer am Istituto Superiore di Scienze Sociali Cesare Alfieri in Florenz

Historischer Kontext[Bearbeiten]

Durch den Versuch der nationalistischen Bewegung, die Bevölkerungsklasse, welche durch neue Produktionstechniken sozial am meisten benachteiligt wurde, zu mobilisieren, entstand in Italien eine neue Art des Sozialismus, die weder marxistisch noch internationalistisch war. Diese wurde später vom Faschismus abgelöst, welcher eine Art Synthese aus dem politischen Autoritätsdenken der Nationalisten und aus bestimmten Formen des Sozialismus war.

Michels gehörte vorerst dem revolutionären Teil der deutschen Sozialisten an und war Gegner der deutschen sozialdemokratischen Partei. Dieser Flügel hatte eine sehr große Ähnlichkeit mit dem Syndikalismus in Italien und Frankreich (Syndikalismus: griechische Bezeichnung für sozialrevolutionäre Bestrebungen mit dem Ziel der Übernahme der Produktionsmittel durch autonome Gewerkschaften). Durch seine Kritik an der sozialdemokratischen Partei Deutschlands blieb Michels eine erfolgreiche Karriere verwehrt, sodass er nach Italien zog, wo er schließlich Faschist und ein guter Freund Mussolinis wurde.

Als Libyen im italienisch – osmanischen Krieg (1911-12) erobert wurde, beschleunigte dies Michels’ politische Entwicklung. Zu dieser Zeit spaltete sich die sozialistische Partei in zwei Teile. Erstmals tauchte in Italien ein radikal linker Flügel auf (mit Benito Mussolini als Anführer), der sich gegen den Parlamentarismus und die Demokratie aussprach und revolutionäre Gewalt predigte. (1911 veröffentlichte er sein Hauptwerk zur Soziologie des Parteiwesens.)

Zur Zeit des ersten Weltkriegs hielt sich Michels in Basel in der neutralen Schweiz auf, wo er an der dortigen Universität Nationalökonomie und Statistik lehrte.


Theoriegeschichtlicher Kontext[Bearbeiten]

Max Weber nahm Michels in seinen „Salon des refusés“ in Heidelberg auf und setzte sich öffentlich für seine akademische Karriere in Deutschland ein (leider ohne Erfolg). 1913/14 war Michels neben Max Weber, Werner Sombart und Edgar Jaffé Mitherausgeber der wichtigsten sozialwissenschaftlichen Zeitschrift im deutschen Raum, dem „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“.

Mit Hilfe seines Kollegen Gaetano Mosca verarbeitete Michels die Elitentheorie von Vilfredo Pareto, zu dem er eine enge freundschaftliche Beziehung pflegte, weiter.


Werke[Bearbeiten]

  • Die Brautstandsmoral. Eine kritische Betrachtung. (Leipzig, 1904)
  • Storia del Marxismo in Italia: Compendio critico con annessa bibliografia. (Rom, 1909)
  • Die Grenzen der Geschlechtsmoral: Prolegomena Gedanken und Untersuchungen. (München, 1911)
  • Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie. Untersuchungen für die oligarischen Tendenzen des Gruppenlebens. (Leipzig, 1911)
  • Saggi economico-statistici sulle classi popular. (Mailand, 1913)
  • Probleme der Sozialphilosphie (Leipzig, 1914)
  • Amour et chasteté : essais sociologiques. (Paris, 1914)
  • Problemi di sociologia applicata. (Turin, 1919)
  • Lavoro e razza. (Mailand, 1924)
  • Sozialismus und Faschismus als politische Strömungen in Italien. (München, 1925)
  • Corso di sociologia politica. (Mailand, 1927)
  • Bedeutende Männer. Charakterologische Studien. (Leipzig, 1927)
  • Italien von heute. Politik-Kultur-Wirtschaft. (Zürich, 1928)
  • Die Verelendungstheorie. Studien und Untersuchungen zur internationalen Dogmengeschichte der Volkswirtschaft. (Leipzig, 1928)
  • Sittlichkeit in Ziffern: Kritik der Moralstatistik. (München, 1928)
  • Der Patriotismus. Prolegomena zu seiner soziologischen Analyse. (München, 1929)
  • Das psychologische Moment im Welthandel. (Leipzig, 1931)
  • Umschichtungen in den herrschenden Klassen nach dem Kriege. (Stuttgart, 1934)


Das Werk in Themen und Thesen[Bearbeiten]

Das eherne Gesetz der Oligarchie:

Oligarchie ist die Herrschaft einer kleinen Gruppe. Die Führungsgruppe ist dabei mehr an den eigenen Interessen (Privilegien, etc.) als an den Zielen und Wünschen der Gruppe orientiert (Verselbstständigung der Führung). Sie wollen die soziale Basis, die Masse beherrschen. Oligarchie ist laut Michels eine Form menschlichen Zusammenlebens in größeren Gruppen/Verbänden, die vorherbestimmt ist. In der „Soziologie des Parteiwesens“ werden drei verschiedene Entstehungsursachen für Oligarchisierung unterschieden:

  • 1. Technisch – administrative Ursachenkomplexe
  • 2. Psychologische Ursachenkomplexe
  • 3. Intellektuelle Ursachenkomplexe

Ohne Organisation durch einen Führer bzw. mit hierarchischer Gliederung sind Demokratien handlungsunfähig. Da die breite Masse zu träge ist, „alles selbst in die Hand zu nehmen“, fällt es der herrschenden Minderheit relativ leicht, ihren Einfluss auf die Bevölkerung zu stabilisieren und beizubehalten. Da bei der Oligarchie jeder Einzelne ersetzbar ist, bedarf ist eines starken Durchsetzungsvermögens gegenüber der Konkurrenz. Diese „aktive Minderheit“ entspricht Paretos „Elite“ und Moscas „herrschender Klasse“. Michels lässt seine Oligarchientheorie auch in die Elitenthesen einfließen. Michels Meinung nach zirkulieren die Eliten nicht in demselben Sinne, wie bei Paretos Theorien. Er ist eher der Ansicht, dass Eliten miteinander fusionieren und somit den Gesamtcharakter einer Organisation verändern.


Fusion der Eliten:

Michels hat die Elitentheorie von Pareto weiter differenziert. Während Pareto ständig wechselnde Eliten sah, blieb die herrschende Klasse bei Michels erhalten. Stattdessen werden in seinen Theorien die Führungspersonen aus Volksbewegungen in die Elite aufgenommen, die sich dadurch immer wieder verjüngen und revitalisieren lässt.


Rezeption und Wirkung[Bearbeiten]

Michels’ Soziologie des Parteiwesens wurde ausgiebig diskutiert. Studien von McKenzie, Duverger, und Bryce beschäftigten sich mit dessen Fragestellungen und reflektieren seine Hypothesen.


Literatur[Bearbeiten]

  • Stölting, Erhard, Robert, Michels, in: Kaesler, Dirk [Hrsg.] (1999):
    "Klassiker der Soziologie Band 1: von Auguste Comte bis Norbert Elias"
    München
  • Detjen, Joachim, Michels, Robert in: Oesterdiekhoff, Georg W. [Hrsg.] (2001):
    "Lexikon der Soziologischen Werke. 1. Auflage"
    Wiesbaden
  • Stölting, Erhard, Robert Michels, in: Kaesler, Dirk; Vogt, Ludgera [Hrsg.] (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart
  • Ferrarotti, Franco, Michels, Robert, in: Bernstorf, Willhelm; Knospe, Horst [Hrsg.] (1980):
    "Internationales Soziologenlexikon, 2., neubearbeitete Auflage"
    Stuttgart