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Soziologische Klassiker/ Soziale Ordnung/ Tönnies, Ferdinand

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Ferdinand Tönnies

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Tönnies war einer der Mitbegründer der Soziologie als eigenständige Wissenschaft in Deutschland. Er unterscheidet zwischen der „reinen Soziologie“, die sich begrifflich mit den „sozialen Wesenheiten“ befasst und frei von Konflikten und Streit ist, und der angewandten oder „historischer Soziologie“, die sich bemüht, die gesellschaftliche Entwicklung auf deduktivem Wege zu erklären.

Soziale Wesenheiten

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Aus dem menschlichen „Wollen“ bzw. dem „Zusammenwollen“ resultieren die sozialen Wesenheiten (beispielsweise Normen, Werte, Institutionen,...). Diese „Wesenheiten“ werden von den verbundenen Individuen als Gebilde des Wollens verstanden und als „Tatsachen“ empfunden.

Die gesamte soziale Wirklichkeit lässt sich demnach auf Willens und Bewusstseinsakte rückschließen. Tönnies unterteilt diese gewollten sozialen Gebilde nach wachsendem Organisationsgrad in Verhältnisse, Samtschaften (Bsp.: das Volk) und Verbände (höchster Verband ist der Staat).

Im sprachlichen Gebrauch werden diese Gebilde wie Personen gehandelt, diese sprachliche Konstruktion besteht aber nur im gemeinsamen Denken und wird als Kollektivperson bezeichnet (Bsp.: die Kirche, die Firma, die Gesellschaft).
In der Definition einer „Kollektivperson“ darf man sich aber nicht nur auf die Sichtweise beschränken, sie als „jede Art von sozialem Gebilde“ zu sehen, man sollte sich auch darauf konzentrieren, jenes zusammenwirken des Kollektivs und dieses an sich, was das soziale Gebilde am Ende ausmacht, zu erfassen.

Gemeinschaft und Gesellschaft

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Die beiden wichtigsten Grundbegriffe der reinen Soziologie von Tönnies sind „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“. Er setzte sich als Ziel „Gemeinschaft“ auf demselben wissenschaftlichen Niveau darzustellen wie es zuvor bereits mit dem Begriff der „Gesellschaft“ mit Hilfe der rationalen Naturrechtslehre der Aufklärungszeit geschah.

Gemeinschaft beruht darauf, dass die Individuen aus ihrem eigenen Willen heraus Bestandteil dieser sind und sie als Selbstzweck auffassen. Sie wird von gefühlsmäßigen und innigen sozialen Beziehungen gekennzeichnet.
Menschen die in Gemeinschaften leben, betrachten ihre Umwelt so, als ob sie ein Eigenleben hätte. Die Vernunft ist in diesem Fall im Willen integriert, diese Willensform bezeichnet Tönnies als Wesenswillen der meist stark emotionsgeladen ist und nicht immer dem „Zweck-Mittel-Denken“ unterliegt.
Beispiele für Gemeinschaften sind: Familien, Freundschaften und Nachbarschaften. Die Gemeinschaft ist eine "organische" Einheit, sie entsteht von Natur aus und wird nicht absichtlich konstruiert.

Gesellschaft beruht mehr als Gemeinschaft auf einem „Zweck-Mittel-Denken“, die Menschen schließen sich des eigenen Vorteils wegen zusammen. Die Vernunft beeinflusst den Willen sozusagen „von außen“ und wirkt stark auf diesen ein. Die Gesellschaft dient der Erreichung bestimmter Zwecke und beinhalten den sogenannten Kürwillen der entsteht, wenn rationales Denken von Einzelmenschen zum Ausdruck kommt.
Im Gegensatz zur Gemeinschaft entsteht Gesellschaft nicht von Natur aus, sie wurde konstruiert und entstand "mechanisch". Als Beispiel für Gesellschaft dient: die Großstadt, die Nation und der Staat.

Tönnies betont dass Gemeinschaft und Gesellschaft zwar aus unterschiedlichen Motiven entstehen, beiden aber die wechselseitige Zusage von Individuen zugrunde liegt.
Dieser Gesamtwille (vergleichbar mit Kollektivbewusstsein und/oder sozialen Strukturen) ist wiederum ein sozialer Wille der die verschiedenen Individuen durch Rechte und Pflichten verbindet. Er entsteht wenn mehrere Menschen das gleiche wollen beziehungsweise nach dem gleichen streben.
Der Gesamtwille kann den Willen des Einzelnen beeinflussen wodurch auch Gruppendruck entstehen kann. Der eigene individuelle Wille ist ein Teil des Gesamtwillens. Das einzelne Individuum ist von der dem Gesamtwillen abhängig, trägt mit seinem Handeln aber auch dem Gesamtwillen bei.


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Hauptartikel zu Ferdinand Tönnies in diesem Wikibook

Ferdinand Tönnies in der deutschsprachigen Wikipedia

Literaturverzeichnis

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  • Bickel, Cornelius (1999):
    "Ferdinand Tönnies. In: Kaesseler, Dirk (Hrsg.)(2006): Klassiker der Soziologie, Band 1, Von Auguste Comte bis Alfred Schütz. 5. Auflage"
    München: C.H.Beck, S. 114-125.
  • Gabriel, Manfred (2008):
    "Kurs - Soziologisches Denken, Klassische Theorie. Sommersemester 2008"
    Paris-Lodron-Universität Salzburg
  • Hillmann, Karl-Heinz (1994):
    "Tönnies, Ferdinand. In: Wörterbuch der Soziologie. 5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage"
    Stuttgart: Kröner Verlag (2007), S. 900-901.