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A. Einstein: Kommentare und Erläuterungen: Zur Elektrodynamik bewegter Körper: Kinematischer Teil: §3

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  § 3. Theorie der Koordinaten- und Zeittransformation

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Damit ist die Ausgangssituation der beiden Bezugssysteme beschrieben, auf die nun immer wieder zurückgegriffen wird. Ort und Zeit eines beliebigen Ereignisses werden im System K durch die drei Ortskoordinaten x, y, z und durch die Zeitkoordinate t beschrieben, im System k durch die Ortskoordinaten ξ, η ζ und die Zeitkoordinate τ.


Nun stellt sich die Aufgabe, ein System von Gleichungen zu finden, mit denen aus den Koordinaten eines Ereignisses im System K seine Koordinaten im System k berechnet werden können und umgekehrt.

Im 1. Absatz stellt Einstein zunächst fest, dass die gesuchten Transformationsgleichungen wegen der Homogenität von Raum und Zeit linear sein müssen.

Dass Raum und Zeit als homogen gelten, bedeutet, dass alle Punkte des Raumes und alle »Zeitpunkte« als je gleichwertig angesehen werden. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass ein Kreis den Umfang 2rπ und die Fläche r2 π hat, einerlei ob sich sein Mittelpunkt in Washington oder in Bagdad befindet und dass ein physikalischer Vorgang unter sonst gleichen Bedingungen morgen in Moskau genau so abläuft wie heute in Berlin. Beim Übergang in ein anderes Bezugssystem würden diese Eigenschaften verloren gehen, wenn die Transformationsgleichungen nicht linear wären.

Dann führt Einstein eine Hilfskoordinate ein, x'. Dies ist bequem für die weitere Herleitung, weil x' sich nicht mit der Zeit t ändert für alle Punkte, die sich mit Geschwindigkeit v bewegen, also für alle Punkte, die im System k ruhen. Hier besteht Verwechslungsgefahr, weil heutzutage das Symbol x' meist für die Ortskoordinate eines Punktes im System k verwendet wird. Diese heißt hier ξ, und ihre Abhängigkeit von x und t muss erst noch ermittelt werden.


Damit können wir uns folgendes Bild machen:



Einstein führt hier gleichsam eine neue, in k ruhende X-Achse (eine X'-Achse) ein, deren Nullpunkt in O' liegt, auf der die Strecken (z. B. O'P) jedoch vom System K aus gemessen werden und mit x' bezeichnet werden. Mit Hilfe dieser im System k ruhenden Achse will Einstein zunächst den Ablauf der Zeit τ in der nächsten Umgebung von O' berechnen. Dazu fasst er τ als Funktion der Koordinaten x', y, z und t auf



und betrachtet drei Ereignisse E0, E1 und E2, die folgende Bedeutung haben:

E0: Start eines Lichtimpulses in O' zur Zeit τ0 nach rechts. Es ist



wobei t die zum Ereignis E0 gehörige Zeit in K ist.

E1: Ankunft und Reflexion des Lichtimpulses in einem Punkt P mit der Koordinate x' P = x'  zur Zeit τ1, mit



E2: Ankunft des Lichtimpulses in O'  zur Zeit τ2, mit



Wegen der Laufzeiten siehe S. 896 und 897.



Da der Lichtimpuls im System k für den Hin- und den Rückweg die gleiche Zeitspanne benötigt, ist




Setzt man die Werte von τ0, τ1 und τ2 in die Gleichung (A) ein, so erhält man



 




Wie kommt man zu diesem Ergebnis?

Der zweite und dritte der in der Gleichung (B) auftretenden Funktionswerte werden in Taylor-Reihen entwickelt, in denen die höheren Potenzen von x' / (V – v) und x' / (V + v) wegen der Linearität der gesuchten Gleichungen wegfallen. Auf diese Weise erhält man



und



wobei die partiellen Ableitungen an der Stelle (0,0,0, t) zu bilden sind. Durch Einsetzen in Gleichung (A) erhält man:



woraus folgt



woraus sich x' kürzen lässt.


Schließlich ergibt sich daraus



Diese Differentialgleichung gilt erst mal nur für den Punkt O. Da man obige Betrachtung jedoch in jedem beliebigen Punkt des Raumes anstellen kann, gilt sie überall.



Diesen Ergebnissen liegt wiederum ein Gedankenexperiment zugrunde.



Zur Zeit τ = τ0 = 0 starte in O' ein Lichtimpuls in Richtung der Y-Achse (in k die Η-Achse), der in P nach O' reflektiert wird. Vom System K aus sieht der Lichtweg wie in obiger Abbildung aus, da sich das System k mit der Geschwindigkeit v nach rechts bewegt. Der Abstand O'P sei – in K gemessen – gleich y' . In K bewegt sich der Lichtimpuls mit der Geschwindigkeit V zunächst von O' nach P1, wobei die Strecke O'P1 = V t ist (t = Laufzeit des Lichtimpulses von O' nach P1.)

Im rechtwinkligen Dreieck O'P1O'1 ist



(Einstein drückt dies so aus: »... dass sich das Licht längs dieser Achsen vom ruhenden System aus betrachtet stets mit der Geschwindigkeit



fortpflanzt.«)

Wir definieren nun wieder drei Ereignisse:

E0: Start des Lichtimpulses in O = O' zur Zeit t = t0 = 0. Für die Zeit in k gilt: τ0 = τ(0, 0, 0, 0).

E1: Ankunft und Reflexion des Impulses in P1. Hier ist x = v t, y = y' , z = 0, t = t und daher τ1 = τ(v t, y' , 0, t).

E2: Ankunft des Impulses in O'2. Hier ist x = 2 v t, y = 0, z = 0, t = 2 t und daher τ2 = τ(2 v t, 0, 0, 2 t).

Setzen wir t den oben angegebenen Wert ein, so wird



Durch Entwicklung in eine Taylor-Reihe erhalten wir analog zu oben




Auch hier ist τ1 der Mittelwert von τ0 und τ2 ist, also



Setzen wir die oben erhaltenen Werte ein, ergibt sich schließlich




Analog findet man





"Linear" heißt, τ ist proportional zu x' und auch zu t. Man findet die Lösung also mit dem Ansatz:



wobei a und b Funktionen von v sein können.

Aus dem Ansatz folgt



In die erste Differentialgleichung eingesetzt ergibt



und somit





Ich stelle die Ergebnisse noch einmal zusammen und kürze durch V2 bzw. durch V:





1. Der für x' eingesetzte Wert ist x' = x – v t.

2. Einstein führt eine neue Funktion ein, die mit der auf Seite 899 genannten Funktion φ(v) = a nicht identisch ist. Vielmehr ist:



3. Schließlich klammert er überall den Faktor



aus. Damit ergeben sich dann die Transformationsgleichungen für die vier Koordinaten.


Hier wäre es sicher sinnvoll gewesen, zunächst einmal die Transformationsgleichungen zu vervollständigen. Etwa so:

Wegen der Gleichberechtigung der Systeme K und k ergibt sich durch Vertauschung der einander entsprechenden Koordinaten und indem man v durch –v ersetzt (k bewegt sich relativ zu K mit der Geschwindigkeit v) erhält man aus den obigen Transformationsgleichungen sofort die »inversen« Gleichungen:



Nebenbei bemerkt: Aus



erhält man sofort



wofür Einstein (siehe unten) viel größere Mühe aufwendet.


Dieser »Beweis« allerdings wäre ein Zirkelschluss, denn auf Seite 899 (im letzten vollständigen Absatz) hat Einstein zur Herleitung der Transformationsgleichungen für alle drei Achsen des Systems k ausdrücklich die gleiche Lichtgeschwindigkeit V vorausgesetzt, worauf er sich im darauf Folgenden auch stützt. Es handelt sich hier also nicht um einen Beweis, sondern lediglich um eine Verifizierung, d. h. um die Bestätigung, dass die hergeleiteten Gleichungen der Voraussetzung nicht widersprechen.



Hier bleibt es wohl Einsteins Geheimnis, wie er von der ersten Gleichung »nach einfacher Rechnung« zur zweiten gelangt, ohne zuvor die inversen Transformationsgleichungen abgeleitet zu haben. Mit diesen allerdings ist es wirklich ganz einfach.


Anschließend wird die noch nicht ganz vollständige Herleitung der Transformationsgleichungen vollendet:



Zur vollständigen Begründung der Identität von K und K' fehlt noch der Hinweis darauf, dass für x = y = z = 0 auch x' = y' = z' = 0 ist. Wenn das nicht der Fall wäre, könnten die Systeme gegeneinander parallel verschoben sein.

Nun fehlt noch eine zweite Bestimmungsgleichung für φ(v) und φ(-v). Einstein drückt das wie folgt aus und findet einen sehr einfachen Weg:



Damit hat Einstein mit beträchtlichem Aufwand ein System – eine Gruppe – von Gleichungen hergeleitet, aus denen sich alle anderen Resultate der Speziellen Relativitätstheorie ergeben.

Historisches:
Die Transformation wurde erstmals vollständig von Joseph Larmor 1897 und in identischer Form von Lorentz 1899 und 1904 veröffentlicht. Dadurch sollen die negativen Ätherdrift-Experimente erklärt werden (wo x*=x-vt).

Poincaré (1905) vereinfachte dann die Gleichungen und schrieb sie noch vor Einstein in der heute üblichen Form und prägte den Namen "Lorentz-Transformation". Dabei erkannte er unter Berücksichtigung des Relativitätsprinzips ihre Gruppeneigenschaft und nannte dies die "Lorentz-Gruppe". (Im Gegensatz zu Einstein setzte Poincaré die Lichtgeschwindigkeit gleich 1).

Für Quellen siehe Einleitung.