Examensrepetitorium Jura: Strafprozessrecht: Ermittlungsverfahren

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Das Ermittlungsverfahren[1] ist in den §§ 160-177 StPO geregelt und wegen der zahlreichen Fehler die in diesem Verfahrensstadium unterlaufen können, extrem klausurrelevant.

Ablauf[Bearbeiten]

Einleitung[Bearbeiten]

Es wird von der Staatsanwaltschaft eingeleitet, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erhält, die den Verdacht einer verfolgbare Straftat begründen, der sog. Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 in Verbindung mit § 160 StPO). Verfolgbar ist die Tat nur, wenn keine Verfahrenshindernisse bstehen und die Verfahrensvoraussetzungen entweder vorliegen, oder noch herbeigeführt werden können. Die Kenntnis entsprechender Tatsachen kann entweder über eine Anzeige (§ 158 StPO) oder durch eigene Wahrnehmung erlangt werden. Außerdienstlich erlangtes Wissen verpflichtet die StA nur dann zur Strafverfolgung, wenn sich Anhaltspunkte für eine Straftat ergeben, die nach Art und Umfang "die Belange der Öffentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem Maße berühren".[2]

Bei der Entscheidung, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, muss der Staatsanwalt alle dafür wesentlichen be- und entlastenden Umstände (§ 160 Abs. 2) in einer Gesamtschau abwägen. An den Anfangsverdacht werden aber keine engen Ansprüche gestellt, dem einzelnen Staatsanwalt steht ein Beurteilungsspielraum zu. Nicht genügend sind aber bloße Vermutungen oder kriminalistische Hypothesen, der Verdacht muss immer an konkrete Tatsachen anknüpfen.

Die StA darf zur Feststellung, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, formlos informatorische Befragungen durchführen. Besteht hingegen bereits ein Anfangsverdacht unterliegt die Befragung den jeweiligen Voraussetzungen der StPO (so darf z.B. ein Tatverdächtiger nicht formlos "informatorisch" befragt werden, sondern muss als Beschuldigter vernommen werden). Auch die Einsicht in allgemein zugängliche Akten und Unterlagen ist zulässig, nicht hingegen die Anwendung von Zwangsmitteln jedweder Art.

Gegen die Einleitung eines Ermittlungsverfahren gibt es keinen Rechtsbehelf. Verfassungsrechtlich ist das nicht zu beantstanden.[3]

Ermittlungsmaßnahmen[Bearbeiten]

Die StA ist berechtigt und verpflichtet, von sich aus den Sachverhalt zu erforschen und alle unaufschiebbaren Ermittlungshandlungen vorzunehmen, um die Verdunkelung der Sache zu vermeiden (§ 163 StPO).

Die Staatsanwaltschaft ist dabei "Herrin" des Ermittlungsverfahrens und bedient sich dabei der Polizei, § 161 Abs. 1 StPO. Besondere Befugnisse haben die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft nach § 152 GVG, die beispielsweise bei Gefahr im Verzug die körperliche Untersuchung nach § 81a Abs. 2 StPO anordnen dürfen.

Ermittlungsrichter[Bearbeiten]

Einige Zwangsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren greifen tief in Grundrechte ein und unterstehen daher einem Richtervorbehalt. Dazu zählen u.a. die Durchsuchung und die Anordnung von Untersuchungshaft. Bei den Amtsgerichten, Oberlandesgerichten und dem BGH existieren dafür Ermittlungsrichter. Diese prüfen auf Antrag der Staatsanwaltschaft Maßnahmen auf ihre rechtliche Zulässigkeit (§ 162 Abs. 2), nicht aber auf ihre Zweckmäßigkeit. Von sich aus, also ohne Antrag der StA darf der Ermittlungsrichter nur tätig werden, wenn Gefahr im Verzug vorliegt und kein Staatsanwalt erreichbar ist, § 165.[4]

Liegt Gefahr im Verzug vor und ist kein Ermittlungsrichter erreichbar, darf häufig die Staatsanwaltschaft selbst oder eine ihrer Ermittlungspersonen die Anordnung selbst treffen. Gefahr im Verzug bedeutet dabei, dass eine richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet würde.

Rechtsschutz[Bearbeiten]

Die Zulässigkeit einer Beschlagnahme, die StA oder Polizei angeordnet haben, kann der Betroffene nach § 98 Abs. 2 nachträglich vom Ermittlungsrichter prüfen lassen. Über den Wortlaut der Norm hinaus besteht diese Möglichkeit wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG für alle Zwangsmaßnahmen, die von StA oder Polizei angeordnet wurden.

Abschluss[Bearbeiten]

Am Ende des Ermittlungsverfahrens muss sich die Staatsanwaltschaft ein Bild darüber machen, ob hinreichender Tatverdacht besteht, um Anklage nach § 170 Abs. 1 StPO zu erheben. Das ist der Fall, wenn die StA eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sieht. Ist die Verurteilungsprognose negativ, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Abs. 2 ein.

Die dritte Option ist eine Einstellung nach dem Opportunitätsprinzip gem. den §§ 153 ff. StPO.

Aktenführung[Bearbeiten]

In der Praxis werden die Akten solange gegen einen Unbekannten ermittelt wird, unter dem Geschätszeichen "UJs" geführt, sobald ein Beschuldigter ermittelt wurde, wechselt das Geschäftszeichen auf "Js".

Strafbefehl und Klageerhebung[Bearbeiten]

Strafbefehl[Bearbeiten]

Hält die StA eine Hauptverhandlung für unnötig, beantragt sie einen Strafbefehl, § 407 StPO. Gibt das Gericht dem Antrag statt, erlässt es den Strafbefehl und lässt ihn dem Beschuldigten zustellen. Diesem steht dann frei, den Strafbefehl zu akzeptieren, oder innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen, woraufhin eine normale Hauptverhandlung anberaumt wird.

Anklage[Bearbeiten]

Mit der Anklage wird das Zwischenverfahren eingeleitet. Zu ihrem Aufbau siehe hier.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. auch "Vorverfahren"
  2. vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 160 Rn. 10 mit Nachweisen und ablehnender eigener Ansicht.
  3. BVerfG NStZ 2004, 447
  4. Achtung: Das gilt nur bis Anklageerhebung! Ab dem Zwischenverfahren ist das Gericht vor dem Anklage erhoben wurde, für alle weiteren Maßnahmen zuständig.