Gitarre: verminderte (diminished-) Akkorde
Verminderte Akkorde (engl.: "diminished chords") werden häufig als Durchgangsakkorde oder als Ersatz für eine Sekundärdominante eingesetzt. Sie ergeben sich dadurch, dass man bei einem Moll-Akkord noch die Quinte um einen Halbton erniedrigt
- Beispiel
- Cm = C-Es-G
- Cdim = C-Es-Ges
Wesentlich einleuchtender jedoch ist die Ableitung eines Dim-Akkordes von einem Dominant-Sept-Akkord, bei dem einfach der Grundton weggelassen wurde.
- Beispiel
- G7 = G H D F
- Hdim = H D F
- Hm = H D F#
Ein Dur-Akkord besteht (ausgehend vom Grundton) aus einer großen Terz, gefolgt von einer kleinen Terz. Ein Moll-Akkord besteht aus einer kleinen Terz gefolgt von einer großen Terz. Der Tonabstand von einer kleinen und einer großen Terz zusammen ergibt (unabhängig welche dabei zuerst kommt) eine reine Quinte.
Da man beim verminderten Akkord gegenüber dem Moll-Akkord die Quinte um einen Halben Ton vermindert hat, entstehen zwei übereinander liegende kleine Terzen. Das Intervall einer verminderten Quinte nennt man auch Tritonus. Er hört sich recht dissonant an, und er hat ein starkes Auflösungsbestreben. Ein verminderter Akkord verhält sich genau so wie ein Dominantsept-Akkord, der ja, wie wir gesehen haben das gleiche Intervall enthält. Das Akkordgebilde ist enorm labil, und es hört sich alleine wirklich grausam schief an. Verwendet man es jedoch nur als Durchgangsakkord, so kann es durch die Abwechslung von Spannung und Auflösung durchaus sehr reizvoll klingen. Es ist aber auch empfehlenswert die Skalen für verminderte Akkorde zu üben, da diese häufig in Solos verwendet werden.
Dim-Akkorde in der klassischen Literatur
[Bearbeiten]Der Dim-Akkord kommt (wie wir als Beispiel mit dem verkürzten G7-Akkord gesehen haben) ganz "natürlich" in einer Dur-Tonleiter vor. Er ist der Dreiklang auf der 7. Stufe der Dur-Tonleiter. Von der C-Dur-Tonleiter wäre es der Hdim. Dort taucht er, wie schon erwähnt, oft als ein verkürzter Dominant-Septakkord auf. Demnach wird er sehr oft als ein G7/H umgedeutet, und kann sehr oft sogar durch den Dominantsept-Akkord G7 ausgetauscht werden. Dadurch hat er auch den Namen "verkürzter Dominantsept-Akkord" erhalten.
Dim-Sept-Akkorde im Jazz (m7b5)
[Bearbeiten]Im Jazz jedoch ist der Dim-Akkord oft die 2. Stufe einer II-V-I-Verbindung in Moll. Meist wird hier noch die kleine Septime ergänzt. Daher ergibt sich eine Akkordfolge wie: Hm7b5 E(m)7 Am(7). Innerhalb einer Quintfall-Kette ist der Dim-Akkord die 7. Stufe in Dur.
- I-IV-VII-III-VI-II-V-I
- 1 4 7 3 6 2 5 1
- Cj7 Fj7 Hm7b5 E(m)7 Am7 Dm7 G7 Cj7
Eine beliebte Akkordfolge ist der Quintfall in Moll. Die Besonderheit die hier zu beachten gilt, ist dass die 5. Stufe in Moll häufig zu einem Dur7-Akkord wird. Dementsprechend wird nach einem Hm7b5 sehr oft ein E7 folgen und kein Em.
- Am7 Dm7 G7 Cj7 - Fj7 Hm7b5 Esus4 E7
Wird der verminderte Dreiklang um eine Septime (d. h. kleine Septime) ergänzt, wird er als "halbverminderter" Akkord bezeichnet. Das kommt daher, weil in diesem Akkord 2 Töne vorkommen, die vermindert werden könnten (die Quinte und die kleine Septime), aber nur einer wurde tatsächlich vermindert (die Quinte). Wie man sieht, kann hier der Hdim7 auch als Hm7b5 umschrieben werden. Jedoch vermeidet man es den Akkord ohne die kleine Septime als Hb5 zu bezeichnen. Bei einem Eb5 könnte es beispielsweise zu Verwechslungen kommen, ob es sich um ein Edim oder dem Powerchord Eb(5) oder um Eb-Dur mit noch einer zusätzlichen Quinte (als alternative zum Standard-Akkord) gemeint ist.
Auch als halbverminderter Akkord (Vierklang) kann man ihn als Fragment eines Dominantseptakkords ohne Grundton interpretieren. Der Grundton wäre wieder - bezogen auf das Beispiel - das G und der neu hinzugekommene Ton (das A) wäre dann die None dieses Dominatseptakkordes. Dominant-Septnonenakkorde oder kürzer Septnonenakkorde bzw. noch kürzer Nonenakkorde treten im Jazz und Blues oft auf, beispielsweise als Subdominante. Tatsächlich wird der halbverminderte Akkord gern einmal als Substitution eines Nonenakkords verwendet. Die Beziehung zwischen einem halbverminderten und einem Septnonenakkord wird deutlich, wenn man ihn mit dem vollverminderten Akkord vergleicht.
Vollverminderter-Sept-Akkord oder auch Doppeltverminderter-Sept-Akkord (bm7b5)
[Bearbeiten]Oftmals wird zu einem verminderten Dreiklang anstelle der kleinen Septime die (tonartfremde) "verminderte" kleine Septime hinzugefügt. Man kann diesen Ton enharmonisch verwechseln und als große Sext des Grundtons bezeichnen. Das erleichtert das Benennen der Töne, verwischt aber die Struktur des Akkords. Der Akkord Cmb7b5 besteht damit - in internationaler Schreibweise - aus den Tönen C-Es-Ges-Heses bzw. enharmonisch verwechselt C-Es-Ges-A anstelle des (halb-)verminderten Dim-Septakkordes Cm7b5 (C-Es-Ges-B). Daher auch die Bezeichnung "vollvermindert", die sich auf die zusätzlich verminderte kleine Septime bezieht. Meist wird der Akkord aber einfach als verminderter Septakkord oder noch einfacher als verminderter Akkord bezeichnet. Wie in einigen anderen Fällen haben sich unterschiedliche Schreibweisen eingebürgert, die das Schreiben und Lesen des Symbols vereinfachen sollen. Die Darstellung C° für den (voll-)verminderten Septakkord ist sehr anschaulich, weil sie zum Ausdruck bringt, dass die Akkordtöne wie auf einem Kreis in identischem Abstand einer kleinen Terz angeordnet sind. Wegen der Ähnlichkeit des Kreises mit einer kleinen Null, wird dieser Akkord gern auch "Null"-Akkord genannt. Leider wird dieses Symbol auch oft für den verminderten "Dreiklang" verwendet, was nicht recht passt, da dort der Kreis noch nicht "geschlossen" ist. Um den Unterschied auszugleichen gibt es auch die Schreibweise als C°7. Außerdem findet man die Schreibweise Cdim, die wiederum eigentlich nur für den verminderten "Dreiklang" korrekt ist, da hier tatsächlich nur ein Ton vermindert werden kann, die Quinte. Bei einem Vierklang lässt die Bezeichnung offen, ob damit ein halb- oder vollverminderter Akkord gemeint ist. Wieder gibt es zur Klarstellung auch die Schreibweise Cdim7. Allerdings tritt der verminderte "Dreiklang" in der Praxis selten für sich genommen auf. Entweder kommt er als Fragmennt eines Dominantseptakkords vor (dann wird er mit einem anderen Symbol benannt) oder eben als verminderter Septakkord. Der halbverminderte Akkord wird dagegen immer mit c7b5 oder cm∅ gekennzeichnet (der Kreis ist durchgestrichen, weil die Töne nicht ganz gleichmäßg verteilt sind).
Der vollverminderte Akkord klingt für sich alleine äußerst "schräg".
Er unterscheidet sich aber nur in einem Ton (der "verminderten" kleinen Septime) vom halbverminderten Akkord und auch die "verminderte" kleine Septime ist ein leitereigener Ton der (harmonischen) Moll-Skala. Dieser feine Unterschied verleiht dem vollverminderten Akkord jedoch ein besonderes ausgeprägtes Auflösungsbestreben zum einen Halbton höheren Dur-Akkord oder zum einen Ganzton tieferen Moll-Akkord aus. Das rührt daher, dass er quasi einen dritten "Leittonschritt" (zur Quinte der Tonika) enthält. Darum kann man den ihn wie einen Dominantseptakkord verwenden. Harmonisch handelt es sich dabei im Grunde um ein Fragment der Dominante (Sept-Nonen-Akkord mit verminderter None) - ohne Grundton. In dem Beispiel für den halbverminderten Akkord weiter oben kann die Dominante am Ende sehr gut durch einen vollverminderten Akkord ersetzt werden:
- Cj7 Fj7 Hm7b5 E(m)7 Am7 Dm7 G7b9 Cj7 → Cj7 Fj7 Hm7b5 E(m)7 Am7 Dm7 H° Cj7
Die Schreibweise G7b9 wird gegenüber der Darstellung als H° bevorzugt, weil der Charakter als Dominante deutlich wird. Klanglich sind beide weitestgehend identisch. Beim H° fehlt zwar der Grundton, der aber sozusagen "mitgehört" oder von einem anderen Instrument übernommen wird. Tatsächlich findet man oft den vollverminderten Akkord als Dominante, wenn auch der halbverminderte Akkord auftritt, weil er durch die Verminderung der kleinen Septime aus dem reinen Moll des halbverminderten ein harmonisches Moll macht. Dieser Akkord kann das Klangbild einer Akkordfolge stark bereichern.
Die so entstandene Schichtung von drei kleinen Terzen führt dazu, dass das Verschieben des gesamten Akkordes um eine kleine Terz lediglich eine Akkordumkehr bewirkt. Das Hinzufügen einer weiteren kleinen Terz ergäbe nur wieder den Grundton. Jeder einzelne Ton des vollverminderten Septakkordes kann daher als dessen Grundton fungieren. Der Akkord ist völlig symmetrisch (wie ein übermäßiger Akkord C+), was ihn sehr flexibel einsetzbar macht. Er löst in 2 Richtungen auf - nach Dur oder nach Moll. Weil jeder der 4 Akkordtöne Grundton sein kann gibt es 2 x 4 = 8 Auflösungsmöglichkeiten für ein und denselben Akkord. Damit ist er prädestiniert als Angelpunkt für Modulationen in eine andere Tonart.
Betrachtet man jeden einzelnen Ton des vollverminderten Akkords C° als Grundton, ergeben sich daraus folgende Auflösungsmöglichkeiten:
- c … … … … C° → Db / bm
- eb … … . … C° → E / dbm
- gb … … . … C° → G / em
- a (heses) … C° → Bb / gm
Streng genommen müsste man für jede Auflösungsvariante einen anderen Grundton angeben (C°, Eb°, Gb°, A°), da aber alle Töne gleichberechtigt Grundton sein können, wird in der Praxis oft eines der anderen Symbole geschrieben (z. B. A° oder C° wo es in E-Dur eigentlich Eb° lauten müsstte). Für das praktische Spiel ist das eher unerheblich und insofern legitim, dass der Klang identisch ist. Es verschleiert nur etwas die harmonischen Beziehungen.
Auf der Gitarre wiederholen sich so die Griffbilder der vollverminderten Akkorde alle drei Bünde. Der (voll-)verminderte Akkord X° ist auf der Gitarre einfacher zu greifen und an mehr Stellen auf dem Griffbrett verfügbar als die exakte Form eines Dominantseptakkords mit verminderter None X7b9 und wird deshalb gern bevorzugt, sofern der Bass an anderer Stelle erklingt. Der Gitarrist merkt sich als Eselsbrücke am einfachsten: Der X° liegt immer einen Halbton über dem X7b9, (bezogen auf denselben Grundton). Er löst immer in einen Akkord auf, der einen Halbton über einem der Akkordtöne liegt - sowohl nach Dur wie nach Moll.
Seine Arpeggien finden sich darüber hinaus häufig in Soli aus dem (Zigeuner) Jazz-Bereich. Außerdem kann auf diesen Akkord die Ganzton-Halbton-Skala (WTHT, whole-tone-half-tone) oder Halbton-Ganzton-Skala (HTWT, half-tone-whole-tone) gespielt werden.