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Mittelhochdeutsch: Teil 2

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Ablaut und Umlaut

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Für das Verständnis vieler Wortformen der deutschen Sprache (und auch der anderen germ. Sprachen, wie Englisch) sind Kenntnisse zweier bereits älterer Erscheinungen, des Ablauts und der Umlaute, nützlich.

Ablaut

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Der Ablaut ist ein Wortbildungsmittel der idg. Sprachen, das darin besteht, daß durch die Veränderung eines Vokals die Bedeutung eines sprachlichen Elementes verändert wird. Z. B. lautet das Perfekt zu lat. capio (‚ich fange’) cepi, zu lat. ago egi. Der Wechsel a : e hat also eine bestimmte Funktion: in beiden Wörtern drückt das a aus, dass es sich um das Präs. handelt, das e das Perfekt. In Wörtern wie lat. turris (‚Turm’), Pl. turres signalisiert das i der Endung, daß es sich um den Singular, das e, dass es sich um den Plural handelt. Der Ablaut ist also ein geregelter Vokalwechsel zum Zwecke der Wortbildung. Wie an den Beispielen ersichtlich, gibt es ihn sowohl in Stammsilben als auch in Suffixen (Bindevokalen und Endungen).

Der Stammsilbenablaut wurde in den germ. Sprachen stark systematisiert und spielt sowohl in der Wortbildung als auch bei der Bildung der Zeitstufen der starken Verben eine große Rolle: biegen - bog - gebogen, sowie beugen - der Bug - die Biegung - der Bogen gehören offensichtlich zusammen und sind von verschiedenen Ablautstufen gebildet.

Im Germ. gibt es sechs Ablautreihen (AR), die auf zwei verschiedene idg. Ablautsysteme zurückgehen (ein Ablautsystem bilden die ersten fünf Reihen, die 6. AR das zweite), sowie eine neue, 7. AR, die nicht auf idg. Ablaut zurückgeht. Da im Dt. die auffälligste Funktion des Ablauts der Stammsilbenablaut der starken Verben ist, behandeln wir die Details der AR bei diesen.

Umlaute

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Während der Ablaut für uns von Anfang an Wortbildungsmittel ist, sind die Umlauterscheinungen zunächst Folgen von Lautwandel und werden nur, wo sie zufälligerweise so aussehen als wären sie Wortbildungsmittel, sekundär als solche genutzt. Umlaute sind sogenannte ‚kombinatorische’ Lautwandel, das heißt, es handelt sich um Laute, die sich nicht ‚spontan’ veränderten, sondern durch den Einfluß einer benachbarten, meist der folgenden, Silbe verändert wurden. Dass die folgende Silbe bzw. folgende Laute die vorhergehenden meist stärker beeinflussen als umgekehrt, hat seinen Grund darin, dass, während wir eine Silbe aussprechen, bereits die beteiligten Nerven die Artikulation der nächsten vorbereiten. Z. B. lautete der ahd. Pl. von gast zunächst gasti. Vermutlich zu dem Zeitpunkt, als die Endsilbenvokale angeschwächt wurden und daher aus dem i der Endung ein unbetontes e wurde, führte die nun nötige genaue Vorbereitung der Feinartikulation der Schwachtonsilbe dazu, dass die Zungenstellung des Stammsilbenvokals der des Endsilbenvokals angenähert wurde: a ist Tiefzungenvokal, i Hochzungenvokal, das Resultat im genannten Beispiel ist der i-Umlaut von a zu e (welches ein Mittelzungenvokal ist): geste. Zum Verstehen der Umlaute ist es gut, sich die Stellungen der Zunge bewusst zu machen: bei a liegt sie tief, bei e und o ist sie halbhoch, bei i und u ist sie hoch. Ähnliche Erscheinungen gab es in verschiedenen Epochen. Eine Hebung des Stammsilbenvokals durch folgende Laute (durch i der Folgesilbe oder unmittelbar folgenden Nasal + Konsonant) gab es schon im Urgerm.: keltisch Sego- (‚Sieg’) in Personennamen entspricht germ. Namen mit Sigi- (zu germ. *sigis ‚Sieg’), in der Wortbildung erkennt man das lautliche Verhältnis von dt. Gift zu geben, wenn man die ahd. Formen kennt: gifti : geban. Das i der Endung bewirkte i-Umlaut, das a natürlich nicht. Kulturhistorisch interessant wird die Sprachgeschichte dann, wenn man auch die Bedeutungsentwicklung kennt, dass ahd. gifti ‚Gabe, Geschenk’ heißt, das was (ein)gegeben wird also neutral bis positiv gesehen ist, während nhd. Gift auch eine Gabe bedeutet, aber nur mehr eine schädliche (außer in Mitgift).

Während der i-Umlaut von e zu i schon sehr alt ist, ist der von a zu e erst ahd. Da ziemlich viele m. Substantive wie gast - geste im Sg. umlautslos sind und im Pl. Umlaut zeigen (bach - beche, darm - derme, slac - slege und viele andere), wird dieser sekundär als Wortbildungsmittel aufgefaßt.

Das Gegenteil der Hebung von e zu i bzw. a zu e (in den allerspätesten Umlautphasen von a zu ä) ist die Absenkung von i zu e oder von u zu o durch a der Folgesilbe. Dieser ‚a-Umlaut’ trat nur in einer frühen Phase ein (schätzungsweise im 4. Jh. n. Chr., wir haben gerade aus dieser Zeit kaum Belege).

Interessant wird die Formengestaltung von stV, die je nach Endung dem i- oder a-Umlaut unterliegen konnten: in germ. *beugan - *beugit (‚biegen, biegt’) musste zunächst das u der Folgesilbe zu o werden: Zwischenresultat *beogan - *beugit. Dann hob das u von eu als Hochzungenvokal das e zu i, Resultat: biugit. So, beogan - biugit, lauten die ahd. Formen. Zum Mhd. wurden alle Nebentonvokale zu schwachtonigem e abgeschwächt, also auch das o von eo, da in den Diphthongen der erste Teil betont wird (béogan): beogan > biegen (zur Erinnerung: das ie wird immer diphthongisch gesprochen!). Aus dem ahd Diphthong iu (i + u) wird dagegen ein Langvokal, normalisiert geschrieben weiterhin iu, gesprochen aber als langes ü. Resultat: mhd. biegen - biuget. Zum Nhd. wurde das mhd. ie zu (in der Aussprache), iu > eu. Das Resultat in der Gegenwartssprache sollte sein: biegen - beugt. Wie ist das Resultat tatsächlich? Man verstand nicht mehr, dass es sich um Formen des selben Verbs handeln muß, sondern vermischte die eu-Formen mit dem swV beugen - beugte - gebeugt und bildete zu biegen die neue Form biegt.

Hier sind nur einige Umlaute angeführt, um Verständnis für den Reichtum an Variationen der Stammvokale im Dt. zu schaffen; eine vollständige Darstellung gehört in ein Lehrwerk über Sprachgeschichte.

Konsonantismus (Vom Mhd. zum Nhd.)

Rückgängigmachung der mhd. Auslautverhärtung in der Orthographie:

Im Mhd. werden die Verschlußlaute b d g im Auslaut stimmlos gesprochen und meist als p t k (c) geschrieben. Im Nhd. haben wir zwar die stimmlose Aussprache beibehalten, schreiben aber, analog zu den Formen der betreffenden Wörter, in denen noch ein Vokal folgt, immer b d g:

Mhd. (Nhd.)
tac - tages (Tag - Tages)
lant - landes (Land - Landes)
loup - loubes (Laub - Laubes)

Wenn es sich um einen auch im Inlaut stimmlosen, ‚harten’ Konsonanten handelt, gibt es zwischen Mhd. und Nhd. keinen Unterschied:

Mhd. (Nhd.)
stric - strickes (Strick - Strickes)
wort - wortes (Wort - Wortes)

Reste älterer Lautwechsel

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Teilweise wurde schon im Mhd. Formenausgleich durchgeführt, wo grammatischer Wechsel stattgefunden hatte, aber noch viel mehr im Nhd. Im Mhd. zeigen sich noch starke Reste des Grammatischen Wechsels, dessen Verständnis für die mhd. Formen daher nötig ist:

Die germanischen Reibelaute (also sowohl die in der 1. LV neu entstandenen f, þ, χ als auch der altererbte idg. Reibelaut s) erscheinen im Germanischen stimmhaft (also als  đ  und [z]) in stimmhafter Umgebung, wenn der ursprüngliche idg. Wortakzent nicht unmittelbar vorausging; in allen anderen Stellungen (stimmlose Umgebung – Anlaut zählt als stimmlose Umgebung – oder unmittelbar nach dem Hauptton) erscheinen sie stimmlos (f, þ, χ und s). Später ist der aus altem s entstandene stimmhafte Reibelaut zu r geworden.

In der Wortbildung hatte das die Folge, daß Formen eines Wortes, in denen die Endsilbe betont wurde, einen anderen stammschließenden Konsonanten bekamen als die, in denen die Stammsilbe betont war. In der Konjugation waren die Präsensformen stammbetont, im Prät. dagegen nur die 1. 3. Sg. Ind., alle anderen Prät.formen waren ursprünglich endungsbetont. Wir haben daher Verben, die einen geregelten Wechsel des stammschließenden Konsonanten aufweisen:

germ. f/ þ/ð χ/ s/r
dt. f/b d/t h/g s/r

Diesen Buchstabenwechsel nennt man ‚grammatischen Wechsel’. Im Dt. sind viele dieser lautgesetzlich entstandenen Wechselformen durch Analogiebildungen ersetzt worden, insbesondere zur Zeit der Entstehung des Nhd.; d. h., man bildete neue, als regelmäßiger empfundene Formen. Alle germ. Sprachen führten ähnliche Vereinfachungen durch; ein Fall, in dem das Englische noch den gramm. Wechsel erhalten hat, wo er im Dt. vom Mhd. zum Nhd. beseitigt wurde, ist:

Mhd. ich was dû wære
Engl. I was you were
Nhd. ich war du warst

Die Kombination von gramm. Wechsel und Auslautverhärtung ergibt bei manchen Verben drei verschiedene stammschließende Konsonanten. Im Nhd. ist das oft ausgeglichen:

Mhd. Nhd.
heven - huop - huoben heben - hob - hoben
slahen - sluoc - sluogen schlagen - schlug - schlugen

Nhd. nur teilweise ausgeglichen ist der gramm. Wechsel z. B. in:

Mhd. Nhd.
ziehen - zôch - zugen - gezogen ziehen - zog - zogen - gezogen
Nasalschwund mit ‚Ersatzdehnung’

Ein schon urgerm. Lautwandel, der Nasalschwund vor h bei gleichzeitiger Dehnung des davor stehenden Vokals (‚Ersatzdehnung’), hatte starken Einfluss auf das Formensystem. Zunächst sieht er harmlos aus:

anh > âh, enh > êh, inh > îh, unh > ûh

Wenn aber das h nicht in allen Formen des betreffenden Wortes steht, sondern z. B. in starken Verben durch gramm. Wechsel -ang- neben -anh- stand, resultieren Wörter, in denen -ang- mit -âh- wechselt, bzw. bei unterschiedlichen Ablautstufen: vâhen - vienc - viengen - gevangen. Auch wenn aus anderen Gründen (nicht nur gramm. Wechsel) g und h nach n wechselten, trat diese Wirkung ein; s. u. zu bringen - brâhte - gebrâht.

Gelegentliche Kontraktionen

Mhd. werden gelegentlich zwei Silben zu einer zusammengezogen, wenn zwischen zwei kurzen Vokalen ein Verschlußlaut steht. Besonders häufig ist die Kontraktion age > ei.

Beispiele: meit = maget ‚Mädchen’, seit = saget, kleit = klaget usw.

Etwas weniger häufig: ege > ei, ige > î, ibe > î

Beispiele: eislîch = egeslîch, lît = liget, gît = gibet.
Achtung! Zu vielen dieser kontrahierten Formen gibt es Homonyme: meit ‚vermied’, kleit ‚Kleidung’, lît ‚Glied’ usw.

Wortarten

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Verbum

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Einführung

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Die Verben besitzen sowohl eigentliche Verbalformen, die Personen zugeordnet sind (der sprechenden, angesprochenen und besprochenen, jeweils in Sg. und Pl.); diese so „bestimmten“ Verbalformen nennt man finite (lat. finire). Dazu treten nicht finite (d.h. nicht Personen zugeordnete) Formen, die eigentlich keine Verbalformen sind, sondern ein Verbalsubstantiv, der Infinitiv (bzw. wenn man ihn tatsächlich dekliniert, das Gehen, des Gehens usw., nennt man ihn ‚Gerundium’), und Verbaladjektive, die Partizipien. Von den letztgenannten gibt es zwei:

  • ein aktives für das Präs. mit dem charakteristischen Suffix -nd- (wizzende, tuonde usw.), das immer vom Präsensstamm gebildet wird und die drei Deklinationen des Adjektivs annimmt (also z. B. wizzender, wizzende, wizzend für Nom. Sg. m.). Daher ist es nicht nötig, es in den Tabellen anzuführen;
  • das PPP, das wegen der unterschiedlichen Stammbildung immer als eine der wichtigsten Stammformen angegeben wird.

Wir sind gewohnt, die Kategorien der Verbalformen als „Genus“ (= „Verhaltensrichtung“ oder anderer Verlegenheitsterminus) (Aktiv / Passiv), „Modus“ (= „Aussageweise“) (Ind./ Konj./ Imperat.), und „Tempus“ = „Zeit“ zu bezeichnen. Abgesehen davon, dass weder die lat. noch die dt. Namen die Begriffsinhalte beschreiben, sondern wie ein Schildchen „Marillenkonfitüre“ auf einem Glas zu verstehen sind, das 50% Rübenzucker, 30% Kürbis und weniger als 20% Marillen (Rest: fragen Sie einen Chemiker) enthält, ist speziell „Zeit“ irreführend: der Aspekt, unter dem wir die Wahrnehmung der Tätigkeiten gliedern, ist nur in geringem Ausmaß mit Zeitstufen wie ‚Gegenwart’, ‚Vergangenheit’ oder ‚Zukunft’ identisch; engl. I have come heißt meistens etwa ‚Ich bin da’; das heißt, ‚Perfekt’ bedeutet, dass etwas jetzt fertig ist (lat. perfectum ‚vollendet’ ist daher viel besser als dt. ‚Vergangenheit’). Eine große Rolle spielt dagegen, ob wir eine Tätigkeit als lang andauernd („durativ“, „imperfektiv“) oder kurz („punktuell“) oder beginnend („inchoativ“ lat. inchoare ‚beginnen’) oder fertiggestellt („perfektiv“) wahrnehmen.

Am deutlichsten ist die Aspektfunktion als grammatische Kategorie beim Perfekt, wo sich im Mhd. deutlicher als im Nhd. bei der Bildung des PPP zwei Sonderfälle ergeben: es wird von den meisten Verben mit einer perfektivierenden Partikel ge- gebildet. Außer:

  1. die Aktionsart des Verbs verträgt sich nicht mit perfektivem Aspekt des Satzes: das er- in erfinden bezeichnet den Beginn einer Handlung; diese Verben sind von ihrer Aktionsart her inchoativ. Da diese Partikel perfektivierende Funktion hat, erfinden aber nicht, wird das PPP dieses Wortes ohne die Partikel ge- gebildet: erfunden. So auch nhd.
  2. das Verb hat ohnehin schon perfektive Aktionsart, es ist also für eine Form mit perfektivem Aspekt nicht notwendig, es zusätzlich zu perfektivieren. Z. B. finden allein, ohne er-, bedeutet ‚Suchen erfolgreich beenden’, ist also schon an sich perfektiv. Hier verhalten sich Mhd. und Nhd. unterschiedlich: mhd. funden, nhd. – unnötigerweise – gefunden.
  3. auch andere Formen des Verbs kann man perfektivieren, nicht nur das PPP: daz ich ez ie geredete ‚dass ich es je ausgesprochen habe’; getuon ‚vollbringen’ oder dergleichen; die Übersetzung solcher Bildungen ist so ziemlich unmöglich, sie machen aber einen beträchtlichen Teil des Stilwertes einer Dichtung aus.
  4. Der Aspekt einer Handlung kann auf verschiedene Weise ausgedrückt werden; oft geschieht es durch Zuhilfenahme eines Verbs, das diesen Aspekt hervorhebt. Das hat unübersetzbare Neben-Stilwerte:
dô begunde im Sîvrit dâ von diu rehten mære sagen
'da begann Siegfried ihm davon die richtigen Nachrichten zu sagen’ = ‚da begann S. es ihm genau zu erklären’
‚beginnen’ kennzeichnet den Anfang einer Aktion; was hier dadurch indirekt ausgedrückt wird, ist, dass Siegfried länger redete ‚genau erklärte’ sonst hieße es nur sagete. Auf diese Weise kann man die Sprechweise einzelner Figuren liebevoll-humorvoll kennzeichnen, während die Übersetzung es entweder wegbügelt und uns eines leichten Schmunzelns, das der Autor intendiert hat, beraubt oder die Sache vergröbert und den Eindruck erweckt, Siegfried sei ein Dauerredner. Während im Beispielsatz eine Übersetzung noch am erträglichsten wirkt, wenn man das ‚beginnen’ wegläßt, gibt es Fälle, in denen wir zusätzliche Verben zur Umschreibung brauchen, wo das Mhd. ein Präfix einsetzt:
er ertobete ‚er versetzte sich in Wut’; er ersmielte ‚er begann zu lächeln’; das er- drückt aus, daß die Aktion inchoativ ist, während wir beginnen, sich in ... versetzen usw. wählen.

Zeitformen

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Von Verben gebe ich, sofern nötig, im Wörterbuch folgende Formen an, gleich ob sie im Nibelungenlied selbst belegt sind:

Inf., nhd. Bedeutung; Präs. Ind.: 1. 2. 3. Sg., 3. Pl.; Präteritum Ind.: 1. (= 3.) Sg., 2. Sg., 3. Pl., PPP.

Wo die Angabe von Pluralformen erfolgt, wähle ich die 3. Pers., wegen der Endung (n oder nt). Weitere Formen (Konjunktive, Imperative) werden fallweise angegeben. Im Mhd. ist außer den heute noch lebenden Verbalformen auch noch das Gerundium üblich, der deklinierte Infinitiv (s. o.), z. B. weinens si gezam ‚sie hatte Grund zu weinen’; auch bei Präpositionen steht der Infinitiv in dem Kasus, den die Präposition verlangt, z. B. zu + Dat.: ze weinene.

In den folgenden Tabellen wird für den Imperat. nur die 2. Pers. Sg. angegeben, da sich die anderen Imperative (1. Pl.: ‚setzen wir uns!’, 2. Pl.: ‚setzt euch!’) in der Form normalerweise nicht vom Ind. unterscheiden, die 3. Pers. (‚er gehe!’) nicht vom Konj. Ausnahmen wie z. B. lâze wir ‚lassen wir!’, gê wir ‚gehen wir!’, rûme ouch wir ‚räumen auch wir’ sind im Zeilenkommentar zur jeweiligen Stelle angemerkt.

Eine regelmäßige Vereinfachung ist: den Dichtern missfielen anscheinend Silbendopplungen wie -­enen-, z. B. gebundenen, wofür sie gern gebunden setzen; ähnlich -et für ­-etet; auch z. B. but für butet.

In den Grammatiken ist es üblich, die Konjunktive auch dort anzugeben bzw. Konjunktiv zu nennen, wo sie mit den Indikativen gleich lauten, und ich halte mich gern an alte Bräuche (frei nach Chrestien de Troyes, Erec). Eigentlich ist dieser aber nicht sprachadäquat, denn es ist so, dass der Indikativ als Normalform empfunden wird, und bei manchen Verbalformen hat man die Möglichkeit, den abweichenden Modus in der Konjugation auszudrücken, bei anderen nicht, und muß andere sprachliche Mittel ergreifen, wenn man eine bestimmte Modalität ausdrücken will. Man sollte daher bei diesen Formen die Spalte ‚Konjunktiv’ besser leer lassen; ich setze einen Pfeil Richtung Indikativ.

Starke Verben

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Die starken Verben (stV) bilden ihr Zeitensystem durch Ablaut. Das ursprüngliche System scheint für das erste Ablautsystem, die Ablautreihen (AR) 1-5, folgendes gewesen zu sein:

Als Stammvokal wurde in den Wortstamm eingefügt:
Für den Präsensstamm: e („Grundstufe“, „e-Stufe“)
Für den Stamm der ‚Zeit’ (bzw. Aktionsart), die im Dt. in der 1. und 3. Pers. Sg. Prät. Ind. weiterlebt: o („Abtönungsstufe“, „o-Stufe“)
Für den Stamm der ‚Zeit’ (bzw. des Aspekts), die in allen übrigen Prät.-Formen, d.i. im Dt. im Prät. in der 2. Pers. Sg. Ind., im Plur. Ind. und im ganzen Konj., weiterlebt:
a) wenn möglich, d.h. wenn das Wort mit einem Halbvokal (j, w; = i bzw. u als zweiter Teil eines Diphthongs wie ei, oi, eu, ou) oder ‚Liquid oder Nasal + Konsonant’ weiterging, die silbentragende Funktion übernehmen konnten:
gar nichts: 0 (‚Null’; „Nullstufe“, schlecht: „Schwundstufe“, da vielleicht hier nichts geschwunden ist, sondern man hat nie einen Vokal eingesetzt)
b) wenn die Nullstufe nicht möglich war, weil das Wort mit einem Laut weiterging, der keinesfalls silbentragend sein konnte , wählte man ihr Gegenteil:
ê („Dehnstufe“, „ê-Stufe“; auch „Dehnstufe“ ist nicht unbedingt so zu verstehen, dass ein ursprünglich kurzer Vokal gedehnt wurde, sondern vielleicht hat man von Anfang an hier einen langen Vokal eingesetzt).
Für das PPP:
Da das PPP aller Verben ursprünglich endbetont war, die Stammsilbe also immer unbetont, ist die Nullstufe die günstigste für diese Form, die Dehnstufe wäre die ungünstigste. Einen unbetonten Langvokal zu sprechen, wäre vor allem in Sprachen mit stark dynamischem Akzent, wie den germ., sehr schwer. Daher benutzte man für Wörter wie geben, wo die Nullstufe und die Dehnstufe für das PPP gleicherweise ungeeignet waren, für dieses einfach die Grundstufe: gegeben.

Nun die AR im Einzelnen:

1. AR
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Beispiel: rîten ‚reiten’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
rîten rîte reit riten geriten
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich rîte reit rite
dû rîtest rite ritest rît
er/si/ez rîtet rîte reit rite
wir rîten riten
ir rîtet ritet
si rîtent rîten riten

Lautgesetzliche Ausnahmen: Stammvokal ê statt ei bei folgendem w, (c)h oder Wortende: schrê zu schrîen, lêch zu lîhen.

Häufige Verben der 1. AR sind: bîten ‚warten’, bîzen ‚beißen’, grîfen ‚greifen’, belîben ‚bleiben’, nîgen ‚sich verneigen (bes. beim Gruß)’, schînen ‚scheinen’, strîten ‚streiten’, swîgen ‚schweigen’, wîchen ‚weichen, entweichen’.

Mit gramm. Wechsel (die ‚harten’ Konsonanten der 1. 3. Sg. Prät. sind hier Folge der Auslautverhärtung, nicht des gramm. Wechsels):

den ‚meiden’ - meit - miten
lîden ‚leiden’ - leit - liten
nîden ‚beneiden, missgönnen’ - neit - niten
sen ‚fallen’ - reis - rirn ‚fallen’, dazu das Kausativ rêren ‚fallen lassen’ (heute noch mundartlich in der Bedeutung ‚Tränen fallen lassen’ = ‚weinen’)
snîden ‚schneiden’ - sneit - sniten
hen ‚zeihen’ (jemanden einer Sache: ihm etwas vorwerfen) - zêch - zigen
2. AR
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Beispiel: biegen
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
biegen biuge bouc bugen gebogen
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich biuge biege bouc büge
dû biugest biegest büge bügest biuc
er/si/ez biuget biege bouc büge
wir biegen bugen bügen
ir bieget buget büget
si biegent biegen bugen bügen

Lautgesetzliche Ausnahmen:

  1. Stammvokal iu im ganzen Präsens bei folgendem w: bliuwen, riuwen.
  2. Stammvokal ô in der 1.3. Prät. bei folgendem t, z, s, ch: z. B. bôt zu bieten, verlôs zu verliesen ,verlieren', schôz zu schiezen, zôch zu ziehen.

Eine Untergruppe zeigt û (sûfen ‚saufen’ - souf - suffen - gesoffen, sûgen ‚saugen’ - souc - sugen - gesogen).

Grammatischen Wechsel zeigen:

kiesen ‚wählen, auswählen, erwählen’ - kôs - 2. Sg. re - kuren (kurn) - erkorn
verliesen ‚verlieren’ - verlôs - verlüre - verluren - verlorn
sieden - sôt - suten - gesoten
ziehen - zôch - züge - zugen - gezogen
3. AR
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Die 3. AR enthält 2 große Untergruppen. In der ersten folgt ein Nasal + Konsonant auf den Stammvokal, in der zweiten ein Liquid + Konsonant.

1. Gruppe

Nasal + Konsonant (der Konsonant kann auch ein zweiter Nasal sein, z. B. rinnen, swimmen): jedes e wurde vor Nasal + Konsonant zu i umgelautet, daher findet sich nie der Stammvokal e.

Beispiel: vinden ‚finden’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
viden vinde vant vunden (ge)funden
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich vinde vant fünde
dû vindest fünde fündest vint
er/si/ez vindet vinde vant fünde
wir vinden funden fünden
ir vindet fundet fündet
si vindent vinden funden fünden

Wie vinden ‚finden’ konjugieren z. B.: binden, bringen, dringen, grimmen, klingen, krimmen ‚mit den Klauen packen’, gelingen, ringen, rinnen, sinken, springen, swimmen, trinken, twingen, winden, gewinnen.

2. Gruppe

Liquid (l oder r) + Konsonant. Liquid + Konsonant bewirkte keinen i-Umlaut, daher findet sich e > i nur in den Formen, die ursprünglich einen Hochzungenvokal in der Endung hatten. Beide Untergruppen konjugieren gleich; ich gebe der Deutlichkeit halber für jede ein Beispiel:

Beispiel: helfen
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
helfen hilfe half hulfen geholfen
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich hilfe helfe half hülfe
dû hilfest helfest hülfe hülfest hilf
er/si/ez hilfet helfe half hülfe
wir helfen hulfen hülfen
ir helfet hulfet hülfet
si helfent helfen hulfen hülfen

Hierher gehören z. B.: belgen ‚aufschwellen’ (meist vor Zorn, daher übertragen: ‚zürnen’), bellen, gellen ‚laut (hoch) tönen, schreien’, gelten, hellen ‚hallen’, schelten, bevelhen ‚befolgen’.

Beispiel: werden
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
werden wirde wart wurden worden
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich wirde werde wart würde
dû wirdest werdest würde würdest ---
er/si/ez wirdet/wirt werde wart würde
wir werden wurden würden
ir werdet wurdet würdet
si werdent werden wurden würden

Hierher gehören z. B.: bergen, verderben, sterben, werben und werfen.

4. AR
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Die 4. AR enthält Verben, bei denen meist ein einzelner Nasal oder Liquid auf den Stammvokal folgt.

Beispiel: nemen ‚nehmen’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
nemen nime nam nâmen genomen
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich nime neme nam næme
dû nimest nemest næme næmest nim
er/si/ez nimet neme nam næme
wir nemen nemen nâmen næmen
ir nemet nemet nâmet næmet
si nement nemen nâmen næmen

Hierher gehören z. B.: bern ‚tragen’ (nhd. nur mehr gebären ‚dem Tragen ein Ende machen’), heln ‚verhehlen, verbergen’, queln ‚quälen’, steln ‚stehlen’, zemen ‚ziemen’. Einige Verben, die in diese Reihe gehören, obwohl kein Nasal oder Liquid auf den Stammvokal folgt: brechen, rechen ‚rächen’, sprechen, treffen, stechen, vehten.

Wegen des vor dem Stammvokal stehenden alten qu-, das zu ko- wurde, gestaltet sich der Vokalismus von komen etwas anders, und zwar sind unterschiedliche Vokalisierungen möglich; die unterschiedlichen Vokale in Reimwörtern beweisen, dass schon die Dichter variierten, nicht erst die Schreiber der Hss.:

Beispiel: komen ‚kommen’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
komen (kumen) kum kam kâmen (be-)komen
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich kum (kume) kome kom (quam) kœme
dû kumst (kümest) kumest kæme (quæme) kœmest kum
er/si/ez kumt (kumet, komet, kümet) kome kom (quam) kœme
wir komen kômen (quâmen) kœmen
ir komet kômet kœmet kumt
si koment komen (kumen) kômen (quâmen) kœmen
5. AR
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Die 5. AR enthält Verben, bei denen ein Verschlußlaut oder stimmloser Reibelaut auf den Stammvokal folgt.

Beispiel: geben ‚geben’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
geben gibe gab gâben gegeben
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich gibe gebe gap gæbe
dû gibest gebest gæbe gæbest gip
er/si/ez gibet gebe gap gæbe
wir geben gâben gæben
ir gebet gâbet gæbet
si gebent geben gâben gæben

Hierher gehören: ezzen - az - æze - âzen - gegezzen, pflegen - pflige - pflac - pflæge - pflâgen - gepflegen, sehen - sihe - sach - sæhe - sâhen - gesehen, wegen - wige - wac - wâgen - gewegen ‚bewegen, etwas abwägend in der Hand halten’.

Mit nur teilweise erhaltenem gramm. Wechsel:

wesen ‚sein, verweilen’ - was - wære - wâren - gewesen
lesen - las - læse - lâren (lâsen) - gelesen
genesen - genise - genas - genæse (genære) - genâren - genesen

Von den synonymen Verben wesen und sîn sind im Mhd. noch einige Formen nebeneinander gebräuchlich, so der Inf. wesen neben sîn und der Imperativ wis neben ; nhd. hat sich sein allein durchgesetzt.

Eine Untergruppe der 5. AR hatte im Germanischen im Präsens ein j-hältiges Suffix; dieses bewirkte in allen Präsensformen i-Umlaut von e zu i in der Stammsilbe sowie in einigen Formen auch Verdopplung des stammschließenden Konsonanten (schon im Mhd. ist meist nicht die lautgesetzliche Verteilung gewahrt sondern die eine oder andere Form verallgemeinert oder die Formen werden durcheinander gebraucht: ich bitte neben ich bite).

Beispiel: sitzen
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
sitzen sitze saz sâzen gesezzen
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich sitze saz sæze
dû sitzest sitzest sæze sæzest sitz
er/si/ez sitzet sitze saz sæze
wir sitzen sâzen sæzen
ir sitzet sâzet sæzet
si sitzent sitzen sâzen sæzen

Zu dieser Gruppe gehören: bitten - bat - gebeten, sitzen - saz - gesezzen, ligen - lac - gelegen.

6. AR
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Die 6. AR hat im Sg. und Plur. Prät. den selben Ablautvokal, einen Langvokal (bzw. mhd.: Diphthong). Im Präsens und im PPP hat sie dagegen einen Kurzvokal.

Beispiel: graben
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
graben grabe gruop gruoben gegraben
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich grabe gruop grüebe
dû grebest grabest grüebe grüebest grap
er/si/ez grebet grabe gruop grüebe
wir graben gruoben grüeben
ir grabet gruobet grüebet
si grabent graben gruoben grüeben

Hierher gehören: laden ‚eine Last aufladen’ (laden ‚einladen’, ist swV - ladete - geladet - tatsächlich wurden schon mhd. die Formen oft verwechselt; es findet sich luoden - geladen statt ladeten - geladet und umgekehrt), wahsen ‚wachsen’ (Prät. Ind. 2. Sg., Konj. 1. 3. Sg.: wüehse).

Wenn der Endungsvokal synkopiert wird (besonders häufig nach r), sieht es so aus:

Beispiel: varn ‚fahren’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
varn var vuor vuorn gevarn
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich var vuor vüere
dû varst varst vüere vüerest var
er/si/ez vert var vuor vüere
wir varn vuoren vüeren
ir vart vuoret vüeret
si varnt varn vuoren vüeren

Hierher gehören auch Verben mit gramm. Wechsel, z. B. slahen ‚schlagen’:

Beispiel: slahen ‚schlagen’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
slahen slahe sluoc sluogen geslagen
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich slahe sluoc slüege
dû slehst slahest slüege slüegest slac
er/si/ez sleht slahe sluoc slüege
wir slahen sluogen slüegen
ir slahet sluoget slüeget
si slahent slahen sluogen slüegen

Wie bei der 5. AR gibt es auch bei der 6. einige Verben, die im Germ. ein j im Präs. hatten. Bei ihnen wirkt sich daher der i-Umlaut von a zu e in allen Präsensformen aus: schepfe - schepfest - schepfet - schepfent

Beispiel: schepfen ‚schaffen’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
schepfen schepfe schuof schuofen geschaffen
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich schepfe schuof schüefe
dû schepfest schüefe schüefest schepf
er/si/ez schepft schepfe schuof schüefe
wir schepfen schuofen schüefen
ir schepfet schuofet schüefet
si schepfent schepfen schuofen schüefen

Wie schepfen konjugiert auch swern ‚schwören’; nur im PPP gibt es neben geswarn auch die Form gesworn. Außerdem ist bei swern die Synkope des e zu beachten, wie in varn.

Auch in dieser Untergruppe gibt es Verben mit gramm. Wechsel; es sollte heißen heven - huof - huoben ‚heben’. Im Präs. gibt es mhd. noch Formen mit v, sie sind aber meist schon zu Gunsten der Form mit b ausgeglichen; es heißt meist heben:

Beispiel: heben/heven ‚heben’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
heb(v)en hebe huop huopen erhaben
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich heb(v)e huop hüebe
dû heb(v)est hüebe hüebest hep
er/si/ez heb(v)et hev(b)e huop hüebe
wir heb(v)en huoben hüeben
ir heb(v)et huobet hüebet
si heb(v)ent hev(b)en huoben hüeben

Nicht gramm. Wechsel, sondern Wirkung eines n-Infixes im Präsens ist die seltsame Konsonantenverteilung in backen - buoch - buochen - gebachen (nhd. backen - buk - gebacken, aber z. B. Kärntner Mundart noch gebachen).

7. AR
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In der 7. AR gibt es nur zwei Stammvokale: einen für das Präsens und das PPP sowie einen für alle finiten Prät.-Formen. In den finiten Prät.-Formen lautet er immer ie, im Präsens und PPP gibt es sechs Möglichkeiten für den Stammvokal:

a + Doppelkonsonanz (Liquid oder Nasal + Konsonant), â, ei, ou, ô, uo
Beispiele
1a. a - ie - ie - a halten - hielt - hielten - gehalten, walten - wielt - wielten - gewalten, bannen - bien - bienen - gebannen ‚jemanden mit dem Bann belegen’; spannen - spien - spienen - gespannen
1b. â - ie - ie - a
mit gramm. Wechsel und Ersatzdehnung des Vokals in den Formen mit h:
hâhen - hienc - hiengen - gehangen ‚hängen’, vâhen - vienc - viengen - gevangen ‚fangen’ (Imperat.: vâch); bei beiden gibt es in der 1.3. Sg. Prät. auch Kurzformen: hie, vie.
2. â - ie - ie - â bâgen - biec - biegen - gebâgen ‚zanken, streiten’, blâsen - blies - bliesen - geblâsen, brâten - briet - brieten - gebrâten, lâzen - liez - liezen - gelâzen ‚lassen’, râten - riet - rieten - gerâten, slâfen - slief - sliefen - geslâfen
3. ei - ie - ie - ei heizen - hiez - hiezen - geheizen ‚heißen’, scheiden - schiet - schieden - gescheiden
4. ou - ie - ie - ou loufen - lief - liefen - geloufen, houwen - hiu - hiuwen - gehouwen
5. ô - ie - ie - ô stôzen - stiez - stiezen - gestôzen, bôzen - biez - biezen - gebôzen ‚stoßen, klopfen’ (oder schwach: bôzete - bôzeten)
6. uo - ie - ie - uo ruofen - rief - riefen - geruofen, wuofen - wief - wiefen - gewuofen‚wehklagen’


Beispiel: halten ‚halten’
Infinitiv 1.Sg.Präs.Ind. 1.Sg.Prät.Ind. 1.Pl.Prät.Ind. PPP
halten halte hielt hielten gehalten
Präs. Ind. Präs. Konj. Prät. Ind. Prät. Konj. Imperat.
ich halte hielt hielte
dû haltest hielte hieltest halt
er/si/ez haltet halte hielt hielte
wir halten hielten
ir haltet hieltet
si haltent halten hielten

In der 2.3. Sg. Präs. Ind. sollte Umlaut möglich sein, doch findet er sich nur selten: rætest, rætet; stœzest, stœzet.

Merkhilfe

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Ein guter alter Merkspruch für die AR:

Der Reiter ritt, (rîten 1.AR)
bog um die Eck, (biegen 2. AR)
bands Rößlein an, (binden 3. AR)
nahm Futter weg, (nemen 4. AR)
und gab es ihm, (geben 5. AR)
fuhr heim geschwind, (varn 6. AR)
und hieß es eilen wie der Wind. (heizen 7. AR)
Wie leicht die Ablautreihen sind!