Teilchenphysik: Erhaltungssätze

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Die Erhaltungssätze[Bearbeiten]

Wir haben jetzt die Größen zur Beschreibung der Teilchen kennen gelernt - doch welche von diesen sind Erhaltungsgrößen? Erhaltungsgrößen sind Eigenschaften, welche sich grundsätzlich nie ändern dürfen - auch nicht bei Zerfällen oder Wechselwirkungen - dort müssen die Gesamtgrößen links und rechts des Reaktionspfeils gleich bleiben. Bei den meisten Erhaltungsgrößen ist die Gesamtgröße die Summe aller Einzelgrößen, bei manchen ist Sie jedoch das Produkt aller Einzelgrößen.

Die bekannteste Erhaltungsgröße ist mit Sicherheit die Energieerhaltung, sie ist schon in der klassischen Physik bestens bekannt. Und auch in der modernen Teilchenphysik ist die Energieerhaltung weiterhin genauso gültig - jedoch mit einer Ausnahme: man muss die Masse als eine Art von Energie betrachten, denn sie können sich ineinander umwandeln. Die Summe von Energie und Masse muss jedoch immer erhalten bleiben. Lassen sie uns ein Beispiel ansehen. Beim Beta-Zerfall findet im Atomkern folgende Reaktion statt: . Lasst uns nun die Energien betrachten - da wir die Ruheenergien der Quarks nicht exakt wissen, nehmen wir einfach Mittelwerte von 3 MeV für das Up-Quark und 6 MeV für das Down-Quark an. Auf der linken Seite des Zerfalls existiert nur ein Down-Quark - die gesamte Energie auf der linken Seite ist also 6 MeV + Ekd, wobei Ekd die kinetische Energie des Down-Quarks ist. Auf der rechten Seite finden wir drei Teilchen: ihre gemeinsame Ruheenergie ist 3 MeV + 0,51 MeV + 0 MeV = 3,51 MeV. Wenn wir annehmen, dass die komplette Bewegungsenergie des Down-Quarks auf das Up-Quark übergeht (was nahe liegt, da beide in einem Nukleon gebunden sind), so sind immer noch 2.49 MeV "übrig". Sie müssen sich also folglich auf das Elektron und das Neutrino, in Form von Bewegungsenergie, aufteilen. Also ist Eke + Ekυ = 2.49 MeV.

Der Spin ist nach der Masse wohl die wichtigste Eigenschaft eines Teilchens und auch er ist eine Erhaltungsgröße. Genauer gesagt ist sein Betrag eine Erhaltungsgröße nicht jedoch seine Ausrichtung, diese kann sich nämlich beliebig ändern. Wir wollen die Spinerhaltung wieder an obiger Reaktion nachvollziehen. Alle in ihr beteiligten Reaktionen haben einen Spinbetrag von 1/2. Um die Spinerhaltung zu erfüllen, müssen die Spinausrichtungen der Produkte so sein, dass sich auf der rechten Seite zwei der Spinbeträge aufheben. So müssen zwei der Produkte die Spins -1/2, +1/2 haben, denn (-1/2) + (+1/2) + (±1/2) = ±1/2.

Eine weitere Erhaltungsgröße ist die elektrische Ladung. Die Gesamtladung vor und nach einer Wechselwirkung muss immer identisch sein. Auch die Baryonenzahl und die Leptonenzahlen bleiben immer erhalten. Im Normalfall bleibt jede Leptonenzahl einzeln für sich erhalten. Eine inzwischen beobachtete Ausnahme ist die Neutrino-Oszillation. Genaugenommen wird also nur die Summe aller Leptonenzahlen erhalten - aus praktischen Gründen werden wir jedoch weiterhin alle Leptonenzahlen einzeln als Erhaltungsgrößen betrachten. Auch diese drei Erhaltungsgrößen wollen wir im Folgenden mit obigem Zerfall demonstrieren.

Ladung:
Baryonenzahl:
Leptonenzahl:

Die Erhaltung der Baryonenzahl hat eine wichtige Folge. Denn wenn die Baryonenzahl immer erhalten bleiben muss, so folgt daraus, dass ein Baryon immer nur in genau ein anderes Baryon und beliebige Leptonen zerfallen kann. Betrachten wir nun das Proton, wie könnte es denn theoretisch zerfallen? Die Antwort des Standardmodells: gar nicht! Denn das Proton ist das leichteste aller Baryonen und da die Energieerhaltung vorschreibt, dass das die entstandenen Produkte alle zusammen dieselbe Masse wie das Proton haben, gibt es folglich keinen einzigen möglichen Zerfall. Somit ist das Proton stabil.

Auch bei vielen der anderen Größen war man sich bis vor kurzem sicher, sie würden erhalten bleiben. Jedoch hat man festgestellt, dass diese Größen nur bei ein oder zwei der drei Wechselwirkungen erhalten bleiben.

Erhaltungsgröße Starke WW Elektromagnetische WW Schwache WW
Energie Ja Ja Ja
Gesamtdrehimpuls Ja Ja Ja
Ladung Ja Ja Ja
Baryonenzahl Ja Ja Ja
Leptonenzahl Ja Ja Ja
Isospin Ja Nein Nein
Dritte Komponente des Isospins Ja Ja Nein
Strangeness, Charm, Topness, Bottomness Ja Ja Nein
Parität Ja Ja Nein
CP Ja Ja Nein
CPT Ja Ja Ja


Wie man in der Tabelle sieht, wird die Strangeness bei der schwachen Wechselwirkung nicht erhalten. Dies hat den folgenden Grund: die Strangeness ist keine eigentliche Erhaltungsgröße, vielmehr wird die Erhaltung der Strangeness durch die Erhaltung der Farbladung bedingt. Diese verbietet alle physikalischen Vorgänge, welche die Strangeness verletzen würden. Dies bedeutet, die Erhaltung der Strangeness ist kein unabänderliches Grundprinzip der Physik - wie etwa die Erhaltungssätze der Energie oder des Spins - sondern eine Konsequenz der Theorie der starken Wechselwirkung und der dazugehörenden Farberhaltung. Da die Farbladung jedoch nur der Überträger der starken Wechselwirkung ist, gilt dies nur für diese Kraft.

Die Spiegel der Teilchenphysik[Bearbeiten]

Es ist davon auszugehen, dass von jedem in der Natur auftretendem Objekt auch das dazugehörende Spiegelbild vorkommen kann und dass auch das Spiegelbild eines Experiments oder einer Wechselwirkung hervorrufbar ist. Die Natur unterscheidet nicht zwischen links und rechts – dies nennt man die Raumspieglungssymmetrie oder Parität (P). Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Spiegel, dreht die Raumspiegelung der Teilchenphysik nicht nur eine, sondern alle drei Raumachsen um. Seit 1956 wissen wir jedoch, dass dies bei der schwachen Wechselwirkung nicht der Fall ist: Die Natur unterscheidet durchaus zwischen links und rechts. Vorgeschlagen wurde dies von T.D. Lee und C.N. Yang, um sonst unerklärliche Eigenschaften von K-Mesonen zu erklären; beide bekamen dafür den Physiknobelpreis. C.S. Wu bewies dies endgültig: Der Kern von Kobalt-60 (60Co) zerfällt bekannterweise gemäß dem β--Zerfall zu 60Ni. Dabei entsendet es ein Neutrino und ein Elektron. Da auch Atomkerne sich also um ihre virtuelle Achse drehen, können wir ihn uns als eine rotierende Kugel vorstellen. Wu richtete die Drehrichtung einer großen Menge an Kobaltkernen mit einem Magnetfeld bei sehr tiefen Temperaturen alle in dieselbe Richtung aus. Wu stellte damit fest, dass die Elektronen immer in die Richtung wegfliegen, in die gesehen die Drehrichtung linksherum ist. Würden wir dieses Experiment im Spiegel ansehen, so würden die Elektronen jedoch in die Richtung fliegen, in die die Kerne rechtsherum rotieren. Dies kann jedoch in der Natur nicht auftreten, da die Gesetze der schwachen Wechselwirkung dies verbieten. Somit war klar, dass die Raumspieglungssymmetrie gebrochen werden kann. Neben dieser räumlichen Vertauschung gibt es in der Physik noch zwei weitere wichtige Vertauschungen: Die Zeit- (T) und die Ladungskonjugation (C). Hinter dem zweiten Begriff versteht man den Austausch sämtlicher Teilchen durch Antiteilchen und umgekehrt. Aus diesen drei Spiegelungen lassen sich insgesamt sieben Kombinationen dieser Vertauschung zusammensetzten: C, P, T, CP, CT, PT und CPT.

Zur Überprüfung der C-Symmetrie schaute man sich das μ- an. Auf den ersten Blick scheint die C-Symmetrie hier zu stimmen, denn das Myon zerfällt in ein Elektron und zwei Neutrinos – das Antimyon zerfällt hingegen in ein Positron (und zwei entsprechende Neutrinos):

.

Doch auch beim Myon gilt ähnliches wie bei den Kaonen aus Wus Experiment: Die Drehrichtung des (Anti-)Myons steht in Korrelation zur Flugrichtung des Elektrons bzw. Positrons. Jedoch die Korrelation beim μ+ entspricht nicht der des μ-, sondern stimmt mit dessen Spiegelbild überein. Somit ist der Myonen-Zerfall nicht C-, sondern CP-symmetrisch. Die Entdeckung, dass die C- und P-Symmetrien gebrochen werden können, hat die meisten Physiker geschockt. Da jedoch alle Naturgesetze CP-symmetrisch zu sein schienen, kamen viele Physiker zu dem Schluss, die CP sei die „wahre“ Raumspiegelung. Diese Interpretation wurde haltlos, als 1956 entdeckt wurde, dass auch die CP nicht allgemeingültig ist, sondern gebrochen werden kann. Nun zur T-Symmetrie, der Zeitvertauschung. Sie kehrt die Reihenfolge aller Ereignisse um und damit auch die Bewegungsrichtung. In makroskopischen Verhältnissen verbietet der zweite Hauptsatz der Thermodynamik eine Zeitumkehr, da dieser festlegt, dass die Entropie stetig ansteigen muss. Für mikroskopische Phänomene, wie sie in der Teilchenphysik interessant sind, ist die Frage nach der T-Symmetrie nicht so einfach zu beantworten. Aus Gründen, welche wir gleich erörtern werden, geht man davon aus, dass sie genauso wie die CP-Symmetrie zwar existiert, jedoch von bestimmten schwachen Wechselwirkungen gebrochen werden kann. So bleibt schließlich noch die CPT-Symmetrie. Die heutige Teilchenphysik ist sich sicher, dass sie eine grundsätzliche Symmetrie der Natur ist, welche allgemein gültig ist. Um das noch einmal zu verdeutlichen: Eine CPT-Spiegelung bedeutet, dass in einer Wechselwirkung jedes Teilchen durch sein Antiteilchen getauscht wird, der Umkehrung aller drei Raumachsen und der Umkehrung der Zeit. Sie ist also auch das Resultat aus CP- und T-Spiegelung. Da wir wissen, dass die CP verletzt werden kann, die CPT jedoch nicht, folgt daraus, dass die T-Symmetrie ebenfalls verletzt werden kann – denn nur dadurch lässt sich die Verletzung der CP aufheben. Würde man feststellen, dass auch die CPT-Symmetrie verletzt werden kann, so würden die lokalen Feldtheorien – welche experimentell sehr gut bestätigt sind – zusammenbrechen.