Examensrepetitorium Jura: StGB AT: Irrtumslehre

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Tatbestandsirrtum[Bearbeiten]

Kennt der Täter bei der Tat einen Umstand nicht, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt er gemäß § 16 Abs. 1 StGB vorsatzlos.


Verbotsirrtum[Bearbeiten]

Fehlt dem Täter bei der Tat die Kenntnis, dass er illegal handelt, unterliegt er einem Verbotsirrtum. Unterfälle sind die Unkenntnis vom Verbotsgesetz, die Annahme, es sei ungültig, oder die falsche Auslegung der Norm. Anders als beim Tatbestandsirrtum wird hier nach § 17 StGB differenziert: Nur wenn der Verbotsirrtum unvermeidbar war, der Täter also auch bei Einsatz seiner gesamten Erkenntniskräfte und sittlichen Vorstellungen nicht zur Einsicht hätte gelanden können, Unrecht zu tun, entfällt die Schuld. Wenn der Täter hingegen unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse Anlass gehabt haben müsste, an der Rechtmäßigkeit seines Handelns zu zweifeln und sich zu erkundigen, liegt ein vermeidbarer Verbotsirrtum vor. In diesem Fall kann der Richter nur fakultativ die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, die Schuld entfällt hingegen nicht.

Eine Variante des Verbotsirrtums ist der indirekte Verbotsirrtum, bei dem der Täter die rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (z.B. Notwehr) verkennt oder glaubt, es existiere ein Rechtfertigungsgrund, den die Rechtsordnung nicht anerkennt. Auch dabei handelt es sich um einen Rechtsirrtum weswegen § 17 StGB Anwendung findet.


Erlaubnistatbestandsirrtum[Bearbeiten]

Ein Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Täter irrtümlich tatsächliche Umstände für gegeben hält, durch die seine Tat gerechtfertigt wäre, würden sie vorliegen.

Rechtsfolgen[Bearbeiten]

Es gibt fünf Theorien zu den Rechtsfolgen des Erlaubnistatbestandsirrtum, von denen nur die strenge Schuldtheorie zu abweichenden Ergebnissen kommt. Alle anderen Theorien schließen die Strafbarkeit des irrenden Täters aus.

Vorsatztheorie[Bearbeiten]

Nach der Vorsatztheorie ist das Unrechtsbewusstsein Bestandteil des Vorsatzes. Weil es beim Erlaubnistatbestandsirrtum am Unrechtsbewusstsei mangelt, entfällt der Vorsatz. Eine Bestrafung kommt nur wegen fahrlässiger Begehung infrage.

Wie § 17 StGB zeigt, sieht der Gesetzgeber das Unrechtsbewusstsein allerdings als Merkmal der Schuld, nicht des Vorsatzes.

Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen[Bearbeiten]

Nach der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen ist das Fehlen von Rechtfertigungsgründen impliziter Teil des Tatbestandes jeder Verbotsnorm. Wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, ist demnach der Tatbestand nicht erfüllt. Nachdem sich der Vorsatz auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands beziehen muss, fehlt es dem Täter im Erlaubnistatbestandsirrtum damit insgesamt am Vorsatz. § 16 Abs. 1 StGB ist damit direkt anwendbar. Eine Bestrafung wegen fahrlässiger Begehung ist nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB möglich.

Gegenargument ist die im Gesetz angelegte Aufspaltung von Tatbestand und Rechtswidrigkeit.

Strenge Schuldtheorie[Bearbeiten]

Eingeschränkte Schuldtheorie[Bearbeiten]

Lösung der Rechtsprechung[Bearbeiten]

Der BGH wendet in ständiger Rechtsprechung auf den Erlaubnistatbestandsirrtum § 16 Abs. 1 S. 1 StGB analog an. Eine Bestrafung wegen einer vorsätzlichen Tat ist damit ausgeschlossen, bei vermeidbarem Irrtum kommt aber eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht.