Schilddrüse: Geschichte
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Übersicht
[Bearbeiten]Das Verständnis für die Funktion der Schilddrüse entwickelte sich erst langsam. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde sie als „Nebendrüse der Atemwege“ betrachtet, deren Funktion unklar war.[1]
Der Dubliner Arzt Robert Graves beschrieb 1835 in seiner Arbeit „Palpitation of the heart with enlargement of the thyroid gland“ als erster die Symptomkonstellation der später im englischsprachigen Raum nach ihm benannten Krankheit (Graves’ disease): Palpitationen, Struma und Exophthalmus. Als Ursache dieser Symptomatik nahm Graves eine Herzerkrankung an.
Unabhängig hiervon beschrieb Carl Adolf von Basedow 1840 in Merseburg in seiner Publikation „Exophthalmus durch Hypertrophie des Zellgewebes in der Augenhöhle“ ebenso die Symptomtrias von Struma, Exophthalmus, und Tachykardie (auch als Merseburger Trias bezeichnet). Zur Therapie empfahl er die Einnahme von jodidhaltigem Mineralwasser. Im deutschsprachigen Raum setzte sich die Bezeichnung Basedowsche Krankheit durch.
Die Bestimmung der Basedowschen Krankheit als einer Krankheit der Schilddrüse erfolgte allerdings erst 1886 durch den Leipziger Neurologen Paul Julius Möbius. [2][3]
George R. Murray führte 1891 die erste erfolgreiche Therapie des Myxödems mit Schilddrüsenextrakten durch.[2]
1896 isolierte Eugen Baumann eine unlösliche, nicht aus Proteinen bestehende Substanz, in der sich fast das gesamte in der Schilddrüse vorhandene Jod wiederfand – das sogenannte Jodothyrin (oder auch Thyreojodin) – und charakterisierte es als den wirksamen Bestandteil der Schilddrüse. [4]
1899 fand Adolph Oswald das Thyreoglobulin. [5]
Robert Hutchison stellte 1898 in seiner Arbeit über die Physiologie der Schilddrüse das Wissen seiner Zeit dar. Man wusste den Jodgehalt des Kolloids der Follikel abzuschätzen und stellte ausschließlich die jodhaltigen Bestandteile als aktiv dar. Damalige Versuche hatten gezeigt, dass die intravenöse Gabe des Kolloides keinerlei Wirkung auf Blutdruck oder Herztätigkeit ausübte. Man hatte jedoch nach Injektion von Schilddrüsenextrakten Blutdruckabfälle festgestellt. Tierversuche ergaben, dass das Blut nach Injektion des Kolloides in den Gefäßen nicht verklumpte, dass ein Warmhalten nach operativer Schilddrüsenentfernung keine Verzögerung des Auftretens oder Änderung des Verlaufes aktuer Symptome erbrachte, obwohl man keine Giftstoffe in Galle oder ZNS ausmachen konnte, jedoch die orale Gabe von Schilddrüsengewebe den Mortalitätsrate senkte. Darüber hinaus stellte man bei den Versuchen fest, dass weder die operative Entfernung von Hoden bzw. Eierstöcken, noch die orale Gabe von Nebenschilddrüse einen kurativen Einfluss auf das Myxödem hatten. [6]
Jodothyrin diente Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu Versuchzwecken.[7] Aus der gegensätzlichen Wirkung unterschiedlicher Schilddrüsenextrakte auf den Kreislauf entwickelte sich um die Jahrhundertwende ein damals als polemisch bezeichneter Disput.[8] 1909 konnte John H. King feststellen, dass Jodothyrin einen eigenständigen, dem Extrakt der gesamten Schilddrüse überlegenen, verzögernden Effekt auf den Kohlenhydratstoffwechsel hat.[9]
1911 beschrieb Harry E. Alderson die gegensätzlichen Auswirkungen von Unter- und Überfunktion der Schilddrüse auf die Haut, sowie Möglichkeiten der Behandlung. Als wirksam im Sinne einer Schilddrüsenstimulation beschrieb er Extrakte der ganzen Schilddrüse, Jod und jodhaltige Substanzen, Arsen, Salicylate, Phosphor, Alkohol, Pilocarpin, Tee, Kaffee, Fleisch, sexuelle Betätigung, Gebärmutterleiden, Schwangerschaft und große emotionale Aufregungen. Als wirksam im Sinne einer Minderung der Schilddrüsenfunktion beschrieb er Opioide, Bromide, Hypnotika im Allgemeinen, Glycerophosphate aus der Linde, Calcium, Milch, getreidereiche Ernährung und sexuelle Enthaltung. [10]
Lewellys F. Barker bezeichnete Jodothyrin 1913 als das Hormon der Schilddrüse und rechnete es zu den sympathikotrophen Substanzen endokrinen Ursprungs. Als Wirkungen beschrieb er eine Beschleunigung der Herzfrequenz, eine Erweiterung der Lidspalte, den Exophthalmus sowie eine vermehrtes Ansprechen der Pupille auf Adrenalin. [11]
Die Entdeckung des Schilddrüsenhormones Thyroxin wird Edward Calvin Kendall zugeschrieben. Er hatte aus Jodothyrin einen aktiven Anteil herauskristallisiert und ihn Thyroxin genannt. [12]
Zur Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung im Blut wurden in dieser Zeit indirekte Parameter wie Blutgerinnung und Differentialblutbild verwendet.[13]
1922 beschrieb Henry Stanley Plummer einen mittels der Lugolschen Lösung erreichten Rückgang von Hyperthyreosezeichen bei Patienten mit Morbus Basedow, das sogenannte „Plummern“. [14]
Emil Abderhalden und Ernst Wertheimer zeigten 1929, dass Muskelgewebe eine Thyroxinlösung in weit größerem Ausmaß aufnahm als Lebergewebe, konnten jedoch nicht feststellen, „was aus dem von den Geweben aufgenommenen Thyroxin wird.“ [15]
Noch 1930 wurde über die Entstehung des Thyroxins im Organismus vermutet, dass es sich aus zwei Molekülen Dijodtyrosin zusammensetzen könnte. [16]
1933 beschrieben I. Abelin und A. Florin, dass Schilddrüsenhormone den Grundumsatz stark erhöhen, einen Glykogen- und Fettschwund veranlassen sowie Herz- und Atemfrequenz beschleunigen. [17]
Die künstliche Herstellung des Thyroxins wurde erstmals 1927 von Charles Robert Harington in London durchgeführt.[2]
Im Jahre 1952 wurde erkannt, dass Thyroxin-bindendes Globulin das Haupttransportprotein für Schilddrüsenhormone im Blut ist. (Robbins, Rall 1952).
1965 meldete Beverley E. P. Murphy sein Patent zur direkten Messung von Thyroxin in Körperflüssigkeiten an, das am 3. Dezember 1968 von der Patentbehörde angenommen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt waren nur indirekte Schilddrüsenfunktionstestungen, wie etwa die Messung des absoluten Jodgehaltes oder des proteingebundenen Jodes im Blut durchgeführt worden. [18]
1986: Reaktorunfall in Tschernobyl. Dieser führte zu einem starken Anstieg des Schilddrüsenkrebses in der Region Gomel. ( siehe http://leifi.physik.uni-muenchen.de/web_ph09_g8/geschichte/09tschernobyl/gesundheit.htm )
Stoffsammlung chronologisch
[Bearbeiten]Paracelsus war der erste, der die Kropferkrankung auf Mineralien im Trinkwasser zurückführte. Allerdings meinte er, daß dabei das Blei den entscheidenden Einfluß habe.
Geschichte der Chirurgie der Schilddrüse
[Bearbeiten]1614 | Felix | Platter | (1536-1614) | Basel | Erste Beschreibung einer malignen Struma |
1791 | Pierre-Joseph | Desault | (1744-1795) | Erste erfolgreiche Entfernung eines Strumalappens | |
1800 | J.A.W. | Hedenus (sen) | 8.10.1800 wird die erste 'Totalextirpation des Kropfes' durchgeführt | ||
1885 | J.v. | Mikulicz | (1850-1905) | Beschreibung der subtotalen Schilddrüsenresektion | |
1909 | Theodor | Kocher | (1841-1917) | Bern | Pionier der modernen Schilddrüsenchirurgie, erhält den Nobelpreis für seine Arbeiten über "Physiologie, Pathologie und Chirurgie der Schilddrüse" |
Quellen
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- Veröffentlichungen der Schweiz. Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften SGGMN 1-40
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- Wegbereiter neuer internationaler Beziehungen in der Wissenschaft der Zwischenkriegszeit.
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- Springer-Lehrbuch ISSN 0937-7433 Verlag Springer Berlin Heidelberg Copyright 2007
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- The History of Clinical Endocrinology: A Comprehensive Account of ... Von Victor Cornelius Medvei
- Veröffentlicht 1993 Taylor & Francis 551 Seiten ISBN 1850704279
- Sanitätsrat Dr. Karl Adolf von Basedow : (28. 3. 1799 - 14. 4. 1854) ; Kreisphysikus von Merseburg / Herbert Broghammer
- Broghammer, Herbert Verleger: Herbolzheim : Centaurus-Verl.-Ges. Erscheinungsjahr: 2000
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Adolf Oswald
[Bearbeiten]- Oswald Adolph
- geb 1870 Sulz (Elsass) 26.02.1870, Zof.1892 (Nr.1770),
- stud.auch in Berlin u.Würz- burg, Staatsexamen 1895 in Basel,
- Basel (Akad.kat.: imm.14.10.89 - 25.04.92, iterum als Dr.phil.24.04.94-1896) ab mit Zgn. 30.09.1893; (prom. 17.10.1893, StAZ U 110 e.4)
- Dr.med. (Diss.1897 üb.den Jodgehalt der Schilddrüsen)) und Dr.phil.II, Diss. "Der Rüsselapparat der Prosobranchier" (VZU 1558),
- 1900 PD in Zürich f. innere Medizin, Habil.schr. "Über die chemische Beschaffenheit u.die Funktion der Schilddrüse" (J´verz.1900/01 Nr.12),
- 1919 Tit.prof., Hormonforscher, Kunstmaler u.Alpinist,
- gestorben Zürich 22.07.1956: UFS 1983 S.692 ; V´j.schr.Naturf.Ges.Zch.1956 S.226 f.; Amodio 158 f.
- geb 1870 Sulz (Elsass) 26.02.1870, Zof.1892 (Nr.1770),
verheiratet mit Amalie Honegger (1880- 1958), E: Fr. A. O´, Gartenstr.107, Basel (Vater Seidenindustrieller)
- Habiltationsschrift:
- Ueber die chemische Beschaffenheit und die Function der Schilddrüse / Adolph Oswald
- Verfasser: Oswald, Adolf Daniel *1870-1956*
- Erschienen: Strassburg : Trübner, 1900 Umfang: 61 S. ; 8"
- Hochschulschrift: Zürich, Univ., Diss., 1900
- Anmerkung: 4 in: Zürich, Habilitations-Schriften. 1900-O1
- Ueber die chemische Beschaffenheit und die Function der Schilddrüse / Adolph Oswald
- Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf II. Mitteilung
- Zeitschrift Pflügers Archiv European Journal of Physiology Verlag Springer Berlin / Heidelberg
- ISSN 0031-6768 (Print) 1432-2013 (Online) Heft Volume 166, Numbers 3-4 / Dezember 1916
- Seiten 169-200
- Adolf Oswald Pharmakologischen Institut der Universität Zürich, Schweiz
- Zeitschrift Pflügers Archiv European Journal of Physiology Verlag Springer Berlin / Heidelberg
- Die Beziehungen Zwischen Schilddrüse und Nervensystem
- Zeitschrift Journal of Molecular Medicine Verlag Springer Berlin / Heidelberg
- ISSN 0946-2716 (Print) 1432-1440 (Online) Heft Volume 4, Number 22 / Mai 1925 Seiten 1053-1055
- A. Oswald Zürich
- Physiological Action of Substances from the Thyroid. By E. VON CYON and AD. OSWALD (Pflüger’s Archiv, 1901, 83, 199-206).
- The Combination of Iodine in Iodothyreoglobulin, and some Observations on Iodothyrin.
- ADOLF OSWALD (Arch. exp.Path. Pharm., 1908, 60, 115-130).
- The degradation of iodothyreoglobulin by pancreatin and barium hydroxide solution was studied. By means of the former, a small amount of a substance was obtained, which deposited from the digest, and was goluble in alkalis, but insoluble in acids ; it contained 3-4*5% iodine, and was in many respects similar to Baumann's iodothyrin ; the greater part of the iodine found in the digest was not in combination with organic substances. By scission with barium hydroxide, also, only a small amount of an organic iodine compound was obtained, which was soluble in acids, and was probably unchanged thyreoglobulin.
- ADOLF OSWALD (Arch. exp.Path. Pharm., 1908, 60, 115-130).
- Oswald, Adolf:
Titel: Chemische Konstitution und pharmakologische Wirkung, ihre Beziehungen zu einander bei den Kohlenstoffverbindungen. Eine Pharmakologie der Kohlenstoffverbindungen bekannter Konstitutionen. EA. Verlag: Berlin, Borntraeger, 1924. Beschreibung: X, 892 S., 2 Bll. Lex.-8°, OHLederband. Gewicht in [g]: 3000
- Oswald, Adolf:
Titel: Lehrbuch der chemischen Pathologie. Verlag: Leipzig. Verlag von Veit & Comp. 1907 Beschreibung: OHldr., gr.8°, 614 Seiten. Zustand: Bibliotheksexemplar, etw. berieben, bestossen, innen tadellos. Gewicht in [g]: 600
- Oswald, Adolf.
Titel: Die Schilddrüse in Physiologie und Pathologie. Leipzig, Veit & Comp. Verlag: 1916 Beschreibung: . Mit 10 Abb. 3 Bll., 88 S., 1 Bl. Gr.-8°. OBroschur. - Umschlag etwasfleckig und angerändert, Stempel auf Titel; unaufgeschnittenes, breitrandiges Exemplar. Bemerkung: [Medizin, Pharmazie, Psychologie; 1916; Pathologie; Physiologie; Schilddrüse;]
- Cyon, Elie & Oswald, Adolf:
- Ueber die physiologischen Wirkungen einiger aus der Schilddrüse gewonnener Producte.
- Pflüger's Arch., 83. - Bonn, E.Strauss, 1901, 8°, pp.199-206, 1 Tafel, OBrosch.
- First edition - author's off-print from the "Archiv for die gesamte Physiologie".
- Oswald, Adolf:
- Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweißes.
- Beitr. chem. Phys. Path., 3/9-10. - Braunschweig, Fr.Vieweg & Sohn, 1903, 8°, pp.391-416, OBrosch; mit eigenhändiger **Widmung "Herrn Prof.Dr. v.Bunge,
- Aus dem chemischen Laboratorium der medizinischen Klinik Zürich.
Elias von Cyon
[Bearbeiten]Cyon, Elias von. 1898. Physiologische Beziehungen zwischen den Herznerven und der Schilddrüse. Centralblatt für Physiologie 11: 279-280, 357-361
Cyon, Elias von. 1898. Beiträge zur Physiologie der Schilddrüse und des Herzens. Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere 70: 126-280
Cyon, Elias von. 1898. Jodothyrin und Atropin: Vorläufige Mittheilung. Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere 70: 511-512
Robert Hutchison
[Bearbeiten]Chemical Assistant to.thc Professor of Physiology, University of Edinburgh.
- Robert Hutchison
- Br Med J. 1896 March 21; 1(1838): 722–723. PMCID: PMC2406478
- Preliminary Note on the Active Substance in the Thyroid
- Br Med J. 1896 March 21; 1(1838): 722–723. PMCID: PMC2406478
- Robert Hutchison
- Br Med J. 1898 July 16; 2(1959): 142–145. PMCID: PMC2434086
- The Pharmacological Action of the Thyroid Gland
- Br Med J. 1898 July 16; 2(1959): 142–145. PMCID: PMC2434086
Links
[Bearbeiten]- Klassische Beschreibung der Basedowschen Erkrankung
- Die Hashimoto Erkrankung und Dr. Hakaru Hashimoto
- Einiges zum Thema Geschichte der Schilddrüsenmedizin
- Das Kropfspital in Wien
- Emil Theodor Kocher Begründer der Schilddrüsenchirurgie
- Eine historische Recherche zur Ord-Thyreoiditis
- Geschichte der Schilddrüsenhormon -Therapie
- Julius Wagner-Jauregg 1857 - 1940
- "Myxödem und Kretinismus" (im Handb.d. Psych., Spez. T, 2, l), Leipzig und Wien 1912,
- Leben und Wirken des Carl Adolph von Basedow,
- Die Kranheiten der Schilddrüse ein Lehrbuch von 1901
- Eiselsberg, Anton Freiherr von