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Öffentliches Recht im 2. Staatsexamen: Vollstreckung von Verwaltungsakten

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Die Bundesverwaltung vollstreckt VAs nach den Vorschriften des VwVG und des UZwG. Landesbehörden vollstrecken nach den Vollstreckungsgesetzen des jeweiligen Landes, es sei denn sie vollstrecken nach Bundesrecht (z.B. bei Abschiebungen nach dem AufenthG). In Berlin ist über den dynamischen Verweis in § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Berlin das VwVG anwendbar. Alle folgenden Ausführungen beziehen sich auf diese Rechtslage.

Vollstreckung im gestreckten Verfahren

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Im gestreckten Verfahren wird ein tatsächlich erlassener VA, die Grundverfügung, vollstreckt. Das Verfahren hat insgesamt vier Stufen: Den Erlass des Grundverfügung, die Androhung eines Zwangsmittels gem. § 13 Abs. 1 S. 1 VwVG, die Festsetzung gem. § 14 S. 1 VwVG und die Anwendung des Zwangsmittels nach § 15 VwVG.

Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen

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Materielle Vollstreckbarkeit der Grundverfügung

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Vollstreckbar sind nach § 6 Abs. 1 VwVG nur VAs, die auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet sind. Ausgenommen sind damit rechtsgestaltende VAs wie z.B. der Widerruf der Gaststättenerlaubnis nach § 15 GastG. Hier ist erst die darauf folgende Verfügung nach § 31 GastG iVm § 15 Abs. 2 GewO vollstreckbar. Ausgenommen sind auch feststellende und vorbereitende VAs.

Formelle Vollstreckbarkeit der Grundverfügung

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Gem. § 6 Abs. 1 VwVG muss die Grundverfügung zudem entweder unanfechtbar sein, weil wegen Fristablauf kein förmlicher Rechtsbehelf mehr zulässig ist oder gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet sein.

Die Grundverfügung muss außerdem wirksam, also nach § 43 VwVfG ordnungsgemäß bekannt gegeben sein. Auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung kommt es hingegen nicht an. Das ist unumstritten, wenn die Grundverfügung bereits bestandskräftig ist. Nach herrschender Meinung gilt dasselbe aber auch vor Eintritt der Bestandskraft, wenn der Grund-VA sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 S. 1 VwGO). Zugunsten einer effektiven Gefahrenabwehr soll auch dann keine Rechtmäßigkeitsprüfung der Grundverfügung erfolgen. Härten durch den Vollzug rechtswidriger Verwaltungsakte werden dann bei der Kostenlast behoben (§ 19 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 346 Abs. 1 AO).

Ordnungsgemäßes Vollstreckungsverfahren

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Ermessensausübung

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Der Behörde hat Ermessen sowohl hinsichtlich der Frage, ob überhaupt die Vollstreckung eingeleitet werden soll (Entschließungsermessen), als auch bei der Auswahl der Zwangsmittel (Auswahlermessen). Dementsprechend ist die pflichtgemäße Ausübung dieses Ermessens zu prüfen. An dieser Stelle erfolgt auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Ordnungsgemäße Durchführung

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Androhung
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Die Behörde muss nach § 13 Abs. 1 S. 1 VwVG das Zwangsmittel zunächst androhen. Wird die Androhung mit der Grundverfügung verbunden, ist das auch möglich, wenn diese nicht unanfechtbar oder sofort vollziehbar ist, § 7 Abs. 2 S. 1 VwVG. Die Zuständigkeit für die Androhung folgt aus § 7 Abs. 1 VwVG, eine Anhörung ist nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG entbehrlich, formal muss die Androhung schriftlich ergehen.

Nach § 13 Abs. 1 S. 2 VwVG muss die Behörde zudem eine billigerweise zumutbare Frist setzen. Die Frist hat Doppelfunktion: Zum einen ist dem Verpflichteten Zeit zu geben, seiner Pflicht auch tatsächlich nachzukommen, zum anderen muss sie ihm eine Chance einräumen, Rechtsschutz zu suchen.[1]

Eine Androhung mehrerer Zwangsmittel "auf Vorrat" ist unzulässig, § 13 Abs. 3 S. 2 VwVG. Das gilt auch für die Androhung von Zwangsmitteln "für jeden Fall der Zuwiderhandlung", da eine erneute Androhung nach § 13 Abs. 6 S. 2 VwVG nur zulässig ist, wenn das zunächst angedrohte Zwangsmittel erfolglos ist.[2]

Gegen die Androhung kann nach dem - wegen der VA-Qualität der Androhung deklaratorischen - § 18 Abs. 1 S. 1 VwVG mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO angegriffen werden. Nur wenn der Vollzug nicht wieder rückgängig zu machende Zustände geschaffen hat, kann die Androhung durch den Vollzug erledigt sein, in disem Fall ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthafter Rechtsbehelf. Im vorläufigen Rechtsschutz ist der Antrag auf Anordnung der asufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO einschlägig, da Rechtsbehelfe gegen die Androhung als Teil des Vollstreckungsverfahrens nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO iVm § 4 Abs. 1 S. 1 AGVwGO Berlin keine aufschiebende Wirkung haben.

Festsetzung
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Auch die Festsetzung nach § 14 S. 1 VwVG ist ein Verwaltungsakt. Die Regelungswirkung besteht beim Zwangsgeld in der Verpflichtung zur Zahlung, bei der Ersatzvornahme in der Feststellung der Zulässigkeit der Zwangsanwendung und der Bestimmung der Ersatzvornahme als deren Form, beim unmittelbaren Zwang in der Feststellung, dass seine Anwendung jetzt möglich ist.[3]

Im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Festsetzung kann die Rechtswidrigkeit der Androhung nicht geltend gemacht werden,[4] erst recht nicht die bloße Rechtswidrigkeit der Grundverfügung,[5] allerdings ihre Nichtigkeit.[6]

Anwendung

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Im gestreckten Verfahren ist die Anwendung der Zwangsmittel Realakt. Die Behörde ist dabei durch die Bestimmung in der Festsetzung begrenzt, im Übrigen ist vor allem die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Rechtsbehelf ist die Leistungsklage bzw. nach Erledigung die Feststellungsklage.

Keine Vollstreckungshindernisse

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Die zwangsweise Durchsetzung von Verwaltungsakten kann trotz ordnungsgemäßem Verfahren unzulässig sein oder nachträglich werden, wenn ein Vollzugshindernis vorliegt.

Fallgruppen:[7]

  • Es besteht ein Weigerungsrecht des Betroffenen, zum Beispiel aus § 52 Abs. 5 BImSchG
  • Verpflichtung nach Erlass des VA bereits erfüllt, auch wenn der ursprüngliche Zustand anschließend wieder eintritt (die Behörde muss dann einen neuen VA erlassen)
  • Neue Rechtslage mit Rückwirkung
  • Bestandsschutz

Vollstreckung im abgekürzten Verfahren (Sofortvollzug)

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Eine Vollstreckung im Sofortvollzug liegt vor, wenn keine Grundverfügung ergangen ist. Sie richtet sich nach § 6 Abs. 2 VwVG.[8] Im Erst-recht-Schluss gilt die Norm auch, wenn zwar eine Grundverfügung erlassen wurde, das Vollstreckungsverfahren mit Androhung und Festsetzung nicht durchgeführt wurde.

Materielle Vollstreckungsvoraussetzungen

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Handeln innerhalb der gesetzlichen Befugnisse der Behörde

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Innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt die Behörde, wenn sie berechtigt wäre, die Grundverfügung gerichtet auf das zwangsweise durchgesetzte Handeln oder Unterlassen zu erlassen. An dieser Stelle wird damit inzident die formelle und materielle Rechtmäßigkeit eines fiktiven, bzw. des tatsächlich erlassenen Grund-VA geprüft.

Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr

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Zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat
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Es genügt die drohende objektive Tatbestandsverwirklichung. Ob dem Handelnden ein Schuldvorwurf gemacht werden kann, ist irrelevant.

Zur Abwendung einer drohenden Gefahr
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Es muss eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehen. Die Gefahr muss unmittelbar sein, da sonst keine Notwendigkeit besteht, nicht das gestreckte Verfahren zu verwenden. Die Behörde ist nicht verpflichtet, vorrangig zum Sofortvollzug Nichtstörer im regulären Verfahren in Anspruch zu nehmen, der Nachrang der Inanspruchnahme von Nichtstörern überwiegt.[9]

Notwendigkeit des Sofortvollzugs

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Die dem Sofortvollzug inhärente Rechtsschutzverkürzung ist nur gerechtfertigt, wenn ein sofortiges behördliches Eingreifen notwendig ist. Es muss also die überwiegende Wahrscheinlichkeit (mindestens eine Anscheinsgefahr) bestehen, dass der Zweck der Maßnahme durch Erlass eines für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsaktes unter Androhung der Ersatzvornahme nicht erreicht werden könnte.[10]. Die Behörde hat keinen Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der Notwendigkeit.

Ordnungsgemäßes Vollstreckungsverfahren

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Ermessensfehlerfreie Auswahl des Zwangsmittels

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Obwohl § 6 Abs. 2 VwVG kein Zwangsmittel explizit ausschließt kommen nur Ersatzvornahme (§ 10 VwVG) und unmittelbarer Zwang (§ 12 VwVG) infrage. Ein Zwangsgeld wirkt über den psychologischen Einfluss auf den Ordnungspflichtigen, den es ohne die beim Sofortvollzug entfallende Androhung nicht ausüben kann und ist damit ungeeignet.

Ordnungsgemäße Anwendung des Zwangsmittels

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Grundsätzlich entfällt die Androhung nach § 13 Abs. 1 VwVG. Das UZwG schreibt aber als spezielleres Gesetz die Androhung der Anwendung von Schusswaffen (§ 13 Abs. 1 UZwG), Explosivmitteln (§ 14 UZwG iVm § 13 Abs. 1 UZwG) und dem Einsatz von Wasserwerfern und Dienstfahrzeugen gegen eine Menschenmenge (§ 13 Abs. 2 UZwG) vor.

Keine Vollstreckungshindernisse

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Fußnoten

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  1. str., vgl. Hanns Engelhardt/Michael App/Arne Schlatmann/Jürgen Glotzbach, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2011, § 13 VwVG Rn. 3
  2. BVerwG NVwZ 1998, 393
  3. Hanns Engelhardt/Michael App/Arne Schlatmann/Jürgen Glotzbach, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2011, § 14 VwVG Rn. 2-4
  4. VGH Kassel, NVwZ-RR 1996, 715
  5. BVerwG, NVwZ 2005, 819, dort war die Grundverfügung bereits bestandskräftig.
  6. Hanns Engelhardt/Michael App/Arne Schlatmann/Jürgen Glotzbach, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2011, § 14 VwVG Rn. 1
  7. Engelhardt/App, VwVG VwZG, 9. Auflage 2011, § 6 Rn. 14 ff.
  8. Im Polizei- und Sicherheitsrecht gegebenenfalls auch nach § 15 Abs. 1 ASOG, die Berliner Rechtsprechung behandelt beide Rechtsgrundlagen als austauschbar.
  9. Hanns Engelhardt/Michael App/Arne Schlatmann/Jürgen Glotzbach, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2011, § 6 VwVG Rn. 26
  10. OVG Münster NVwZ-RR 2008, 437