A. Einstein: Kommentare und Erläuterungen: Zur Elektrodynamik bewegter Körper: Kinematischer Teil: §4
§ 4. Physikalische Bedeutung der erhaltenen Gleichungen ...
[Bearbeiten]Historisches:
1889 leitete Oliver Heaviside aus den Maxwell-Gleichungen ab, dass das elektrostatische Feld um einen bewegten, kugelförmigen Körper in Bewegungsrichtung um den Faktor verkürzt sei (der sogenannte Heaviside-Ellipsoid). Und 1889 schlugen George Francis FitzGerald (allerdings nur qualitativ) und unabhängig von ihm Lorentz 1892 (bereits quantitativ ausgearbeitet) vor, dass die molekularen Kräfte während der Bewegung durch den Äther auf allerdings unbekannte Weise derart beeinflusst werden, dass die in Bewegungsrichtung liegende Interferometeranordnung um den angenäherten Faktor kürzer ist als der senkrecht dazu stehende Teil. Obwohl selbst Lorentz diese Hypothese zu Beginn als seltsam bezeichnete, wies er bereits 1895 auf die Übereinstimmung mit anderen elektrischen Vorgängen wie der Verkürzung bei elektrostatischen Feldern hin. Die Lorentzkontraktion der im Äther gemessenen Länge l0 in Bewegungsrichtung (ohne Expansion senkrecht dazu) mit dem präzisen Faktor unter Berücksichtigung der Lorentztransformation gemäß wurde von Larmor (1897) und Lorentz (1904) angegeben: Ein mit der Erde mitbewegter Beobachter würde von dieser Kontraktion, welche im Falle der Bewegung der Erde um die Sonne nur 1/200.000.000 beträgt, nichts bemerken, da alle Maßstäbe ebenso von diesem Effekt betroffen sind. Für Quellen siehe Einleitung.
Die vor dem letzten Absatz genannten Größen sind nicht die Achsen, sondern die Halbachsen des Ellipsoids.
»Für Überlichtgeschwindigkeit werden die Überlegungen sinnlos;« - dies gilt schon für die Transformationsgleichungen, weil dann die auftretende Wurzel imaginär wird.
» ... dass die Lichtgschwindigkeit in unserer Theorie physikalisch die Rolle der unendlich großen Geschwindigkeiten spielt.« Das bedeutet konkret Folgendes:
1. Die Lichtgeschwindigkeit ist anscheinend eine nicht zu übertreffende, ja nicht einmal erreichbare Grenzgeschwindigkeit.
2. Für V gegen unendlich gehen die Transformationsgleichungen der Relativitätstheorie in die Galilei-Transformationen der klassischen Physik über. Von der relativistischen Physik aus beurteilt, besteht der Mangel der klassischen Physik darin, dass die Lichtgeschwindigkeit als unendlich groß angesetzt wird.
Hier ist alles wunderbar klar und einfach. - Einstein beschreibt schon hier im Prinzip einen Gedankenversuch, der später "Zwillingsparadoxon" genannt wurde, obwohl es sich nicht um ein Paradoxon handelt, d. h. um eine in sich widersprüchliche Erscheinung, die daher nicht existieren kann. Für den so genannten gesunden Menschenverstand allerdings ist dieser Effekt so absurd wie die ganze Spezielle Relativitätstheorie, nur wird diese "Absurdität" hier besonders deutlich und gleichsam handgreiflich. Wirklich verständlich und einleuchtend aber wird dieser Effekt allerdings erst durch die pseudoeuklidische Struktur (oder Metrik) des vierdimensionalen Raumes (siehe dazu WIKIBOOK Spezielle Relativitätstheorie). Diese Metrik begründet folgenden, hier ganz allgemein beschriebenen Effekt: Wenn zwei Personen auf unterschiedlichen Wegen von A nach B reisen (wobei B auch identisch mit A sein kann, es sich also um eine Rundreise handelt), wobei sie zur selben Zeit in A starten und im gleichen Moment in B ankommen, dann hat diejenige Person die kürzeste Zeit gebraucht, die den größten Umweg gemacht hat.
Historisches:
Dass aus der Lorentztransformation die Zeitdilatation folgt, wurde von Larmor 1897 erkannt, als er durch Kombination der Ortszeit mit dem Faktor feststellte, dass periodische Vorgänge von bewegten Objekten im Äther langsamer als bei ruhenden Objekten abliefen. Das ergab sich dann auch aus der Arbeit von Lorentz 1899, der erkannte, dass die Vibrationen eines oszillierenden Elektrons, welches sich relativ zum Äther bewegt, langsamer verlaufen. Jedoch war Einstein der Erste, der die Reziprozität der Zeitdilatation erkannte und auch die Konsequenzen, welche im Uhrenparadoxon und Zwillingsparadoxon mündeten. Für Quellen siehe Einleitung.
Interessant und aufschlussreich ist es auch, nicht nur die Uhr in O' zu betrachten, sondern eine Momentaufnahme aller Uhren auf Ξ-Achse z. B. zur Zeit t = 0 zu machen. Dann ist
Offenbar gehen die (in k synchronisierten) Uhren – von K aus betrachtet – nicht synchron. Rechts von O' gehen sie mehr und mehr nach, links von O' mehr und mehr vor, je weiter sie von O' entfernt sind. Hierin zeigt sich die »Relativität der Gleichzeitigkeit«, die ursächlich ist für die »Relativität der Längen«.