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Astronomische Berechnungen für Amateure/ Himmelsmechanik/ Newtonsche Mechanik

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Isaac Newton

Bereits Kepler hatte vermutet, dass eine von der Sonne auf die Planeten ausgeübte Kraft für deren Bewegung verantwortlich und so letztlich Ursache der von ihm gefundenen Gesetzmässigkeiten sei. Es war jedoch dem Engländer Sir Isaac Newton (1642[jul.] – 1727[greg.]) vorbehalten, eine geschlossene Theorie der Mechanik zu entwickeln, die auch die Planetenbewegungen umfassten. In seinem 1687 erstmals veröffentlichten Hauptwerk »Philosophiae Naturalis Principia Mathematica« (Mathematische Grundlagen der Naturwissenschaften) formulierte er vier Gesetze, die für alle Bewegungen auf der Erde und im Weltall gelten. Damals war es ein revolutionärer Gedanke, dass die Bewegungen im Weltall den gleichen Gesetzen folgen sollten wie die Bewegungen auf der Erde. Newtons Ansatz hat sich aber bewährt. Ergänzend zu den Bewegungsgesetzen formulierte er das Gravitationsgesetz als Anziehung zwischen beliebigen Körpern.


Erstes Gesetz oder Trägheitsprinzip:

Ein Körper, auf den keine Kraft einwirkt, oder für den die einwirkenden Kräfte sich aufheben, verharrt im Zustand der Ruhe oder der geradlinig-gleichförmigen Bewegung.


Zweites Gesetz oder Aktionsprinzip:

Ursache für die Bewegungsänderung eines Körpers ist eine Kraft. Die durch die Kraft F hervorgerufene Änderung der Bewegungsgrösse p ist zu dieser proportional, und beide Vektoren haben die gleiche Richtung. Mathematisch[1]:



In dieser Gleichung bedeuten: F die Kraft („Force“); p = m∙v die Bewegungsgrösse oder der Impuls; m die Masse des bewegten Körpers; v die Geschwindigkeit („velocity“); a die Beschleunigung („acceleration“); t die Zeit („time“); Δ steht als Symbol für die Änderung der dahinter stehenden Grösse[2]. Dabei haben wir vorausgesetzt, dass die Masse des bewegten Körpers unveränderlich sei. In den meisten Fällen stimmt das auch, sofern wir im Rahmen der klassischen Physik bleiben. Zwei bekannte Ausnahmen sind die Raketen und die Kometen, die beide Masse ausstossen, wodurch sich ihre Gesamtmasse ändert.


Drittes Gesetz oder Reaktionsprinzip:

Kräfte treten immer in Paaren auf: übt ein erster Körper auf einen zweiten Körper die Kraft F12 aus, so übt der zweite auf den ersten die Kraft F21 = –F12 aus.

Die beiden Kräfte sind gleich gross, aber entgegen gesetzt gerichtet, und wirken auf verschiedene Körper. Die offensichtlichste Bestätigung dieses Gesetzes sieht man beim Zusammenstoss zweier Billardkugeln oder am Rückstoss eines feuernden Geschützes.


Viertes Gesetz oder Superpositionsprinzip:

Vektoraddition in der Ebene

Wirken auf einen Körper n verschiedene Einzelkräfte F1, F2, F3, …, Fn, so addieren sie sich in ihrer Wirkung vektoriell zu einer Gesamtkraft F = F1 + F2 + F3 + … + Fn.

Man bezeichnet dieses Gesetz auch etwa als Prinzip der ungestörten Überlagerung: es besagt, dass sich Kräfte gegenseitig nicht beeinflussen, sondern dass sie (vektoriell!) zu einer Gesamtkraft addiert werden.


Das Gravitationsgesetz:

Zwei Körper mit den Massen m1 und m2 im Abstand r üben aufeinander eine anziehende Kraft aus, die ihren Massen direkt und dem Quadrat ihres Abstandes indirekt proportional ist. Dabei wirkt die Kraft in der Richtung der Verbindungslinie der beiden Schwerpunkte. Ihr Betrag berechnet sich nach der Formel:



G ist die sog. Gravitationskonstante:


Gauss hat das Gravitationsgesetz für die Himmelsmechanik in anderen Einheiten formuliert. Im Sonnensystem ist m1 = M (Einheit für die Massenbestimmung im Sonnensystem ist die Sonnenmasse), und m2 als Masse des Planeten kann als Bruchteil μ der Sonnenmasse geschrieben werden: m2 = μ ∙ M. Der Abstand r kann als Vielfaches ρ der Einheitsdistanz A (1 AE = 149.6 ∙ 109 m) geschrieben werden: r = ρ ∙ A. Für die Zeit benutzte er die Zeiteinheit Sonnentag zu 86 400 s. Damit erhält das Gravitationsgesetz für Körper im Sonnensystem folgende Gestalt:



Diese Fassung hat den Vorteil, unabhängig von den konkreten Werten der Sonnenmasse, der astronomischen Einheit und der Gravitationskonstanten zu sein. Mehr noch: die Konstante k bzw. k2 ist eine Konstante des Sonnensystems. Die Konstante k bzw. k2 heisst Gauss'sche Gravitationskonstante. Es gilt:



Da man in der Regel nicht am Absolutwert der Kraft interessiert ist, sondern an der Wirkung, ist diese Einheitenumrechnung nicht nachteilig. Heute wird die Gauss'sche Gravitationskonstante benutzt, um den Wert der astronomischen Einheit zu definieren – die Definition hat sich also in der Zwischenzeit von ihrem direkten Zusammenhang mit der Erdbahn gelöst.

Üblicherweise macht man noch folgende Vereinfachungen: die Gravitationskraft eines ausgedehnten Körpers wie z.B. der Erde auf einen ausserhalb befindlichen Körper wirkt so, als wäre seine ganze Masse im Schwerpunkt konzentriert. Dies ist die Idee des sogenannten Massenpunktes.


Ein Körper der Masse m, der auf einer Kreisbahn vom Radius r ein Zentrum mit konstanter Geschwindigkeit v umrundet, vollführt eine beschleunigte Bewegung: die Bewegungsrichtung muss dauernd geändert werden. Dazu ist nach den ersten beiden Gesetzen eine Kraft nötig, die mit dem Impuls dauernd einen rechten Winkel bilden muss (sonst würde sie auch den Betrag der Geschwindigkeit ändern). Benötigt der Körper für einen vollen Umlauf die Zeit T, dh. vollführt er die mittlere Bewegung pro Zeiteinheit n (gemessen im Bogenmass), dann berechnet sich diese Zentralkraft nach der Formel


Illustration zur nebenstehenden Ableitung der Formel für die Zentralkraft

Zur Herleitung dieser Formel: der Vergleich mit dem Aktionsprinzip zeigt, dass bei der gleichmässigen Kreisbewegung offensichtlich gelten muss:


Betrachten wir die Positionen P1, P2, P3 eines gleichmässig auf einem Kreis mit Radius r umlaufenden Körpers. Der zeitliche Abstand zwischen den Positionen betrage Δt. Die Geschwindigkeit in den drei Punkten sei v1, v2, v3. „Gleichmässige Kreisbewegung“ heisst: die Beträge der drei Vektoren – geometrisch ihre Länge – sind gleich, aber die Richtungen sind verschieden. Das zwischen zwei Punkten liegende Bogenstück hat die Länge v ∙ Δt. Wir verschieben die drei Vektoren parallel, so dass ihre Anfangspunkte in Z zu liegen kommen, und tragen die Geschwindigkeitsänderungen Δv1 = v2v1 und Δv2 ein. Offensichtlich gilt auch bei diesen Vektoren, dass die Beträge, dh. die Längen, gleich sind, aber die Richtungen sich unterscheiden. Lassen wir nun die Zeit Δt immer kürzer werden, so wird der Winkel α immer kleiner und die Bogenstücke zwischen den Punkten immer kürzer. Ist α genügend klein, wird aus dem Bogenstück eine gerade Strecke, aus dem Sektor wird ein schmales Dreieck. Diese Dreiecke sind ähnlich zu den Dreiecken, die von den Geschwindigkeitsvektoren aufgespannt werden:



Setzen wir in diese Gleichung die folgenden Beziehungen ein, entstehen die beiden anderen Fassungen:




Übungen:

  • Ein Auto von 750 kg Masse soll in 10 s von 0 auf 30 m/s (entspricht 108 km/h) beschleunigt werden. Welche mittlere Kraft muss der Motor dafür entwickeln?
  • Ein Mensch steht am Äquator auf Meereshöhe an der Oberfläche der Erde. Welche Kraft ist nötig, ihn bei der täglichen Rotation der Erde um ihre eigene Achse auf der Erdoberfläche zu halten?
  • Zwei Menschen von je 75 kg stehen sich im Abstand 1 m gegenüber (Schwerpunkt zu Schwerpunkt). Mit welcher Kraft ziehen sie sich an?
  • Ein Mensch von 80 kg Masse steht am Erdäquator bzw. am Pol auf Meereshöhe an der Erdoberfläche. Mit welcher Kraft wird er von der Erde in den beiden Fällen angezogen? Betrachten Sie beide beteiligten Körper als Massenpunkte, die einen Erdradius Abstand voneinander haben.
  • Ein Auto von 600 kg soll eine Kurve von 50 m | 100 m | 200 m Radius mit der Geschwindigkeit 10 m/s | 15 m/s | 20 m/s | 30 m/s durchfahren. Berechnen Sie die in diesen Fällen nötige Zentralkraft! Um welche Kraft handelt es sich, die diese Kurvenfahrten ermöglicht?
  • Nehmen Sie zur Vereinfachung an, die Erde umrunde die Sonne auf einer Kreisbahn vom Radius 150 Millionen km. Welche Zentralkraft ist nötig, damit die Erde auf dieser Bahn bleibt?
  • Berechnen Sie die Gravitationskraft, die die Sonne auf die Erde ausübt, und vergleichen Sie das Ergebnis mit der Lösung zur voranstehenden Übung.



Nachweise:

  1. Ob Vektoren mit fett gedruckten Formelsymbolen oder mit einem Pfeil über dem Formelsymbol dargestellt werden, spielt keine Rolle.
  2. Streng genommen gilt dieses Gesetz nur für beliebig kleine Zeiteinheiten Δt, oder wie der Mathematiker sagt: im Grenzfall, dass Δt gegen Null strebt.