BWL in NPC: BRH sagt "BGS-eigene Tankstellen sind unwirtschaftlich"

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Frage: Arbeitet öffentliche Verwaltung wirtschaftlich?

Antwort. Eher nein!


Aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes für das Jahr 2000:

Keine Argumente für BGS-eigene Tankstellen

(Auszüge aus den Prüfungsbemerkungen BRH 2000; Link siehe am Ende der Seite)


Hinweis der Autoren: Eine Dokumentation, die beweist, wie lernunwillig deutsche Verwaltung sein kann!


Ausgangslage[Bearbeiten]

► Der Bundesgrenzschutz betreibt für neun seiner elf Einsatzabteilungen eigene Tankstellen. Die beiden übrigen Einsatzabteilungen versorgen sich an gewerblichen Tankstellen mit Kraftstoffen.

► Das Bundesministerium hat den Neubau und die Sanierung von Tankstellen des Bundesgrenzschutzes in den Standorten der Einsatzabteilungen geplant oder ausführen lassen, ohne die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen zu untersuchen.

► Der Bundesrechnungshof hält die Versorgung von Dienstfahrzeugen des Bundesgrenzschutzes über eigene Tankstellen grundsätzlich für unwirtschaftlich. Auch bei polizeilichen Großlagen, Lieferschwierigkeiten und in Krisen kann die Kraftstoffversorgung anderweitig sichergestellt werden.


So sieht der Bundesrechnungshof die generelle Situation[Bearbeiten]

Das ist die Praxis[Bearbeiten]

Um die Dienstfahrzeuge des Bundesgrenzschutzes (BGS) stets einsatzbereit zu halten, ist es notwendig, die Versorgung mit Kraftstoff jederzeit und an jedem Ort sicherzustellen. Der polizeiliche Einzeldienst, dem rd. 65 % der insgesamt rd. 30 000 Kräfte des BGS zugeordnet sind, betankt seine Fahrzeuge grundsätzlich an gewerblichen Tankstellen oder nutzt in geringem Umfang Tankstellen benachbarter BGS-Einsatzabteilungen sowie anderer öffentlicher Stellen mit.

Das gewerbliche Tankstellennetz im Bundesgebiet umfasst derzeit rund 16 000 Tankstellen. Allein die Nutzung der Tankkarten zweier flächendeckend vertretener Mineralölgesellschaften ermöglicht das Tanken an 2 482 Stationen, davon 1 123 mit 24-Stunden-Service. Verschärfte Bestimmungen zum Schutz der Umwelt, höhere Anforderungen an die Sicherheitstechnik sowie der allgemeine bauliche Zustand machten in den letzten Jahren erhebliche Investitionen für den Weiterbetrieb der Tankstellen des BGS erforderlich. So beliefen sich in den Haushaltsjahren von 1994 bis 1998 die Ausgaben für den Neubau einer Tankstelle auf rd. 1,8 Mio. DM und für die Sanierung von zwei Tankstellen auf rd. 580 000 DM.

Für die notwendige Sanierung einer weiteren Tankstelle sind Ausgaben in Höhe von 950 000 DM (ca. 490.000 Euro) geplant. Ferner beabsichtigt der BGS, für die Einsatzabteilungen ohne eigene Kraftstoffversorgung zwei neue Tankstellen mit Baukosten von jeweils rd. 1,6 Mio. (!) DM zu errichten (ca. 820.000 Euro).

Für keines dieser Bauvorhaben führte der BGS eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durch.

Keine Einsparungen sondern erhebliche Mehrkosten[Bearbeiten]

Das Prüfungsamt des Bundes (Prüfungsamt) Magdeburg untersuchte im Auftrag des Bundesrechnungshofes die Wirtschaftlichkeit des Betriebs eigener Tankstellen bei vier Einsatzabteilungen. Dabei zeigte sich, dass trotz des Preisvorteils beim Kraftstoffeinkauf infolge der Abnahme größerer Mengen (rd. 0,20DM pro Liter) nur bei einer Tankstelle die einmaligen und laufenden Kosten des Eigenbetriebs aufgefangen wurden. Bei den übrigen ergaben sich Mehrkosten (!) zwischen rd. 19 000 DM und 159 000 DM jährlich (ca. 9.700 und 81.600 Euro).


Obwohl vorgeschrieben: keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt[Bearbeiten]

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass der BGS in den letzten Jahren erhebliche Beträge in die Sanierung und den Neubau eigener Tankstellen investierte, ohne die in § 7 Abs. 2 BHO vorgeschriebenen angemessenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Er hat die Auffassung vertreten, dass die vom Prüfungsamt durchgeführten Berechnungen deutliche Hinweise auf die Unwirtschaftlichkeit des Tankstellennetzes des BGS geben, denen das Bundesministerium nachgehen sollte.

Der Bundesrechnungshof hat darauf verwiesen, dass aufgrund des dichten gewerblichen Tankstellennetzes grundsätzlich alle Fahrzeuge des BGS an gewerblichen Tankstellen mittels Tankkarten betankt werden können. Er hat ferner vorgeschlagen, einen „Tankatlas" zu erarbeiten, in dem alle Tankstellen der öffentlichen Hand (Bund, Länder, Kommunen) verzeichnet sind, die vom BGS mitgenutzt werden können.

Der Bundesrechnungshof hat gefordert, keine zusätzlichen Tankstellen zu bauen und in bestehende Anlagen nur noch zu investieren, wenn die Wirtschaftlichkeit durch angemessene Untersuchungen belegt ist.

Das Bundesministerium hat eingeräumt, der Betrieb von Tankstellen bei den Einsatzabteilungen des BGS sei unwirtschaftlich und unter normalen Umständen sei die Kraftstoffversorgung durch das gewerbliche Tankstellennetz gesichert und ausreichend.


Zweifelhafte Argumente![Bearbeiten]

Wie verzweifelt nach Pseudogründungen gesucht wird, verdeutlicht folgender Passus aus dem BRH-Bericht:

Es (das Innenministerium, die Autoren) hat jedoch eingewandt, bei polizeilichen Groß- und Einsatzlagen könnten Versorgungsengpässe auftreten, die nicht durch gewerbliche Tankstellen aufgefangen werden könnten. Außerdem gebe es nicht selten Einsatzlagen, in denen die Einsatzkräfte unter größtmöglicher Geheimhaltung zusammengezogen werden müssten. Die Betriebsstoffversorgung über private Tankstellen würde den angestrebten Überraschungseffekt fraglich machen. Ferner seien das Betanken geschlossener Verbände und die mobile Kraftstoffversorgung ohne ein eigenes Tankstellennetz praktisch nicht organisierbar.

Das Bundesministerium (des Innern, die Autoren) hat weiter darauf hingewiesen, dass es bei weltpolitischen (!) Krisen zu Lieferengpässen kommen könne. Der BGS müsse, falls das Bundesleistungsgesetz oder die Mineralölbewirtschaftungs-Verordnung angewendet würden, größere Kraftstoffmengen in eigenen Tanks aufnehmen können. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Einsatzabteilungen logistische Zentren für die Dienststellen des Einzeldienstes im Einzugsbereich seien.

Eigenartiges Verständnis von Wirtschaftlichkeit[Bearbeiten]

Die mangelnde Wirtschaftlichkeit des Tankstellenbetriebes sei hinzunehmen, dennoch sei man bemüht, die Tankstellen möglichst wirtschaftlich zu führen.

Das Bundesministerium hat die Ansicht vertreten, ein Tankatlas sei nur bei Versorgungsengpässen von Bedeutung. Dennoch habe es gegenüber den Ländern angeregt, alle polizeieigenen Tankstellen zu erfassen. Es beabsichtige, nach Vorliegen der Ergebnisse seinen Standpunkt zu überprüfen.

Das Bundesministerium hat weiter mitgeteilt, die Planung einer neuen Tankstelle sei vorerst zurückgestellt.


Bundesrechnungshof zeigt notwendige Konsequenzen auf[Bearbeiten]

Der Bundesrechnungshof hält die vom Bundesministerium vorgebrachten Argumente nicht für überzeugend. Der Einwand des Bundesministeriums, bei polizeilichen Groß- und Einsatzlagen könnten Versorgungsengpässe auftreten, ist nicht stichhaltig. Durch das dichte gewerbliche Tankstellennetz, die technische Ausrüstung der Fahrzeuge mit einer Reichweite von ca. 500 km und die mobile Kraftstoffversorgung auf entsprechend ausgerüsteten Lkw sind Versorgungsengpässe nicht zu erwarten.

Auch das vom Bundesministerium angeführte Bedürfnis nach größtmöglicher Geheimhaltung bei einem bundesweiten Zusammenziehen von Einsatzkräften macht keine eigenen Tankstellen erforderlich. Da Einsatzfahrzeuge stets vollgetankt abgestellt werden, sind sie jederzeit einsatzbereit. Wenn die Fahrzeuge auf dem Weg zum Einsatzort nach Fahrstrecken von ca. 500 km betankt werden müssen, sind sie nicht aufgrund des Tankens an gewerblichen Tankstellen, sondern aufgrund der Fahrzeugbewegungen auf den öffentlichen Straßen erkennbar.

Der Bundesrechnungshof teilt nicht die Auffassung des Bundesministeriums, für Zeiten krisenhafter Zuspitzungen sei vorsorglich das eigene Tankstellennetz weiter vorzuhalten. National werden Kraftstoffe für 90 Tage vorgehalten und die Versorgung ist bei Bedarf auch staatenübergreifend sichergestellt.

Die besonderen Maßnahmen nach dem Bundesleistungsgesetz, der Mineralölbewirtschaftungs-Verordnung sowie die Vereinbarung zur logistischen Unterstützung durch die Bundeswehr gestatten eine Kraftstoffversorgung des BGS auch ohne eigene Tanks. Im Übrigen hat das Bundesministerium aufgrund der Veränderungen im Ost-West-Verhältnis im Bereich des Zivilschutzes die Betriebsstoffmittelbevorratung für die Kraftfahrzeuge des Technischen Hilfswerks und die Fahrzeuge des erweiterten Katastrophenschutzes aufgegeben.

Der Hinweis des Bundesministeriums auf die Einsatzabteilungen als logistische Zentren für den Einzeldienst vermag ebenfalls nicht zu überzeugen, da die Fahrzeuge des polizeilichen Einzeldienstes grundsätzlich ohnehin an gewerblichen Tankstellen des Einsatzraumes tanken.


Fazit:

Der Bundesrechnungshof hält insgesamt eine unverzügliche Überarbeitung des Konzepts zur Kraftstoffversorgung des BGS für erforderlich. Das Bundesministerium sollte auf Tankstellenneubauten verzichten und sonstige Investitionen in die Tankstellen nur noch vornehmen, wenn sie nach dem Ergebnis angemessener Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gerechtfertigt sind.


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