Benutzer:4tilden/Vandalisch

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Geschichtlicher Hintergrund[Bearbeiten]

Siedlungsgebiet der Vandalen um 50 n. Chr.
Wanderung der Vandalen
1. Jh.: Nach Plinius dem Älteren und Tacitus siedelten Vandalen in den ersten Jahrhunderten nach Beginn der christlichen Zeitrechnung östlich der Oder.
2. Jh.: Die Einteilung in die Teilstämme Silingen (Schlesien) und (H)asdingen (Ungarn, Rumänien) ist nachweisbar.
ab 400: Völkerwanderung der Vandalen mit den Sueben (Germanen) und Alanen (Skythen) nach Westen
406: Rheinüberquerung/Einfall in Gallien
409: Spanien mit Aufspaltung des Völkerverbandes (Beginn der Verfolgung durch Römer):
Die Sueben zogen nach Galicien
Die Silingen wurden in Baetica vernichtend geschlagen
Die Asdingen und Alanen vereinigten sich
425: Unter Führung von Gunderich erobern die Vandalen und Alanen die Balearen.
426: Asdingen und Alanen unter Führung von Geiserich zogen nach Afrika. Beginn der Plünderung und Belagerung römischer Städte. Anschluss von einigen Berber- und Maurenstämmen, sowie von Donatisten.
435: In einem Vertrag mit Rom erhielten die Vandalen Teile Mauretaniens und Numidien.
439: Die Vandalen erobern Karthago und Sizilien; Gründung des vandalischen Königreichs (442 von Rom anerkannt)
455: Eroberung von Sardinien und Plünderung Roms
469: Eroberung von Korsika
477: Rom kauft Sizilien zurück.
534: Ende des Vandalenreichs

Für die Sprachgeschichte wichtig ist deren ursprüngliche Heimat, die von den Griechen als östlich von der Oder und südlich der Burgunden lokalisiert wird, sowie deren Wanderung. Die Lokalisation östlich der Oder lässt bereits eine ostgermanische Sprache vermuten. Archäologisch werden sie den "Oder-Warthe-Germanen" gerechnet, die die sog. "Przeworsk-Kultur" trugen. Dass die Vandalen über mehrere Jahrzehnten mit den westgermanischen Sueben und den skythischen (iranischen) Alanen in näherem Kontakt stand, lässt sprachbündische Entwicklungen erwarten.

Überlieferung[Bearbeiten]

Das Vandalische ist nur durch zwei Sätze und einigen Namen belegt. Daneben gibt es noch Textabschnitte, wie das Gießener Bibelfragment, deren Zugehörigkeit umstritten ist, allerdings eher dem Gotischen zugerechnet wird. Diese werden von Nicoletta Francovich-Onesti in ihrem Buch "I Vandali. Lingua e storia.", Roma 2002, ebenfalls verarbeitet. Ihre Monografie setzt an das Werk "Über die Sprache der Wandalen.", Straßburg 1886, von Ferdinand Wrede an. Er kommt zum Ergebnis, dass das Vandalische in dem Lautbestand "in den Hauptpunkten ganz gotisch" ist, sonst ergibt sich in Morphologie und Wortschatz keine erkennbaren Unterschiede. Er vermutete den Erhalt der Diphthonge, setzte die Monophthonierung allerdings erst im Ostgotischen des 5. Jh. an. Neue Erkenntnisse gab es seither nur durch neue Inschriften aus der Wandalenzeit, Münzen und Neubewertungen. Die Neuentdeckungen sind wenig bedeutend, da die Inschriften fast nur Namen (meist bereits bekannter König) enthalten. Außerdem vermutet man, dass die Vandalen die Wulfila-Bibel verwendete.

Anthologia Latino[Bearbeiten]

Das Gedicht Nr. 285 "De conviviis barbaris" stammt aus dem Gedichteband "Anthologia Latino", das in Karthago zw. 523-535 entstand (Daten umstritten). Die Vandalen besiedelten zw. 429 und 534 den nordafrikanischen Kontinent. Das Gedicht beginnt wiefolgt:

Inter ‚eils‘ Goticum ‚scapia matzia ia drincan‘
non audet quisquam dignos educere versus.
"Zwischen dem gotischen "Heil! Schaffen wir uns zu essen und zu trinken!"
wagt man nicht, würdige Verse zu zitieren."

Die Zuordung des Gedichts zum Vandalischen ist durchaus umstritten. Der Dichter selbst schreibt den Satz den "Goten" zu, was bereits viele Interpretationen zulässt. So ist es möglich, dass das Gedicht seinen Ursprung an einem anderen Ort (und zu einem anderen Zeitpunkt) hat und somit die Vandalen gar nicht gemeint wurden. Auch könnte der Urheber, wie Prokop, die Vandalen als ein Gotenvolk betrachten. Ebenso denkbar wäre, dass der Begriff "Goticum" sich allgemein auf Barbaren bezieht. Das alte italienische gotico für "barbarisch" gab im Übrigen der Gotik, einem Bau- und Kunststil, seinen Namen.

Der Hauptgrund warum man den Text nicht als zuverlässig bewerten kann, ist der, dass der Verfasser selbst kein Vandale war. So ist auch nicht bekannt, ob er tatsächlich Vandalisch sprach oder ob es sich bei dem Satz lediglich um eine Verballhornung handelt. Auf Wulfila-Gotisch würde der Satz wiefolgt lauten:

"Hails! Skapjam matja jah drigkan!" Heil! Schaffen wir uns Essen und Trinken oder
"Hails! Skap jah matjan jah drigkan!" Heil! Schaff sowohl Essen als auch Trinken
"Eils! Scapiamatziaiadrincan!" (Original)

Das Original besitzt keine Trennzeichen, so sind zwei Varianten möglich. Wählt man erste, so gibt es nur drei Unterschiede zum Bibelgotischen: "Eils", "matzia" und dessen fehlendes -n. Die restlichen Unterschiede sind auf die Orthografie zurückzuführen. Die Schreibung "Eils" spricht für den Erhalt des Diphthongs "ái", im Ggs. zur gotischen Monophthongisierung. Umstritten bleibt "matzia", das an die 2. Lautverschiebung erinnert. Gegen einen Nasalschwund spricht dessen Erhalt in "drigkan".

Die Anthologia Latino enthält weitere Wörter, die vandalischen Ursprungs sein können:

Nr. 215: Vandalirice potens, gemini diadematis heres, / [...] Vandalenkönig; hier: Hildiricus 523-530
Nr. 307: [...] Baudus, dum misero gemat dolore/[...] Herr, Meister; als germ. Name Baudo belegt, von germ. *bautan "schlagen" oder von germ. "bold" stark

Vandalirice bedeutet Vandalenkönig (vgl. got. reiks) und meint hier Hilderich (von 523 bis 530 König). Baudus bedeutet "Herr, Meister". Er ist auch als germanischer Name Baudo belegt und leitet sich von germ. *bautan "schlagen" oder von *bold "stark" ab. Nicoletta Francovich-Onesti nennt ebenso die Wörter abra, troulous und gardingos als potentiell vandalisch.

Collatio beati Augustini cum Pascentio Ariano[Bearbeiten]

Dieses theologische Werk war eine spätantike Augustinus-Fälschung, die an den vandalischen Arianismus gerichtet war. Dort heißt es:

"Si enim licet dicere non solum Barbaris lingua sua, sed etiam Romanis Sihora armen, quod interpretatur Domine miserere, cur non liccret ..."
"... auch Römer dürfen "Sihora armen" sagen, dass Domine miserere ["Herr, erbarme dich"] bedeutet, ..."

Das Werk ist, wie die meisten Werke jener Zeit, nur durch Abschriften (Codizes) erhalten. Diese Codizes geben das "Sihora armen" allerdings unterschiedlich wieder. So sind auch die Formen "fhrota armes" (Codex von Rigaltius), "froa armi" (Codex 19 A. Montecassino), "kuroia armos" und zahlreiche ähnliche Formen bekannt. So wundern auch die zahlreichen Interpretationen nicht. Da bereits die Übersetzung bekannt ist, weiß man, dass Sihora/Fhrota/... "Herr" bedeutet und arm... der Optativ oder der Imperativ der 2. P. S. für "sich erbarmen" ist. Sihora ist im Ostgermanischen nicht belegt. Man könnte es aber vom Angelsächsischen "sigora" für "Sieger" ableiten. Ebenso wird auch ein si hora arme "Sei, Herr, gnädig" in Betracht gezogen. Auf Wulfila-Gotisch würde der Satz "Frauja armes" (Opt.) bzw. "Frauja armai"(Imp.) lauten. Aus diesem Grund sind eher die Formen mit f- anzunehmen. Meist wird ein "froja arme(s)" interpretiert, dass für eine Monophthongisierung spräche.

Allerdings ist auch hier die Zuordnung zum Vandalischen nicht gesichert. Ebenfalls muss man beachten, dass es sich bei diesem Satz um keine Alltagssprache handelt und die Vandalen (wahrscheinlich) die Wulfilabibel verwendeten.

Personennamen[Bearbeiten]

Neben den drei Völkernamen (Vandalen, Hasdingen, Silingen) sind zw. 90 und 140 Personennamen überliefert. Die Zahl schwankt, da die Herkunft des Namens oder des Namensträgers nicht eindeutig bestimmbar ist oder es sich bei einigen um möglicherweise unterschiedliche Schreibweisen desselben Namens handelt (z. B. Namen auf -rix und -rit(h)). Von diesen Namen sind die Mehrheit Namen von Adligen, die nicht unbedingt einen typisch vandalischen Namen tragen müssen. Der Germanist Hermann Reichert nennt drei Namen Nicht-Adliger, die sowohl im Vandalischen, als auch im Ostgotischen bezeugt sind (Andvit, Tanca, Vitarit) und argumentiert so für die Gleichheit beider Sprachen. Ebenso finden sich "Mischnamen", die aus einem vandalischen und einem nicht-germanischen Namensteil bestehen, wie z. B. Cyrila (griech-germ.), Svartifan (germ-berber.), Maioricus (lat.-germ.).

Die Personennamen sind nur bedingt geeignet phonologische Eigenarten des Vandalischen zu benennen, da die römische und griechische Lautwiedergabe (bes. im Bezug auf die Vokale) nicht als zuverlässig und einheitlich gelten. So sind allein für die erste Silbe des Namens Geiserich die Formen Gais-, Geis-, Ges-, Gis-, Gens- und Gins- überliefert. Dabei werden die Formen Geisericus und Gaisericus als die ursprünglichen vermutet, während die anderen Schreibweisen oft als fehlerhafte Wiedergabe des Diphthongs interpretiert werden. Dies spräche gegen eine Monophthongisierung wie im Gotischen.

Phonologie[Bearbeiten]

Da die Textüberlieferung zu gering für eine morphologische Auswertung ist, ist lediglich der Lautbestand mit dem des Gotischen vergleichbar. Dieser ist allerdings, wie im Abschnitt "Personennamen" beschrieben, nicht zuverlässig rekonstruierbar, so dass die Meinungen der Linguisten auseinander gehen. Hier beschränken wir uns auf die Angaben von Nicoletta Francovich-Onesti (2002):

Vokale[Bearbeiten]

Germanisch Vandalisch Beispiel
/a/ /a/ arme
/e/ /e/ vor /h, r, w/, sonst /i/ Beremut, Gibamundos
/i/ meist /i/ drincan
/u/ meist /u/ Gundericus
/e:/ /e:/ oder /i:/ ?
/i:/ /i:/ Gaisericus
/o:/ meist /u:/ Vilimut
/u:/ /u:/ Guiliaruna
/au/ /o:/, selten /u:/ froja, Ustriut
/ai/ urspr. /ai/, später /ei/ oder /e/ Gaisericus, eils, Gelimer
/eu/ /eu/ Theudoricus

Konsonanten[Bearbeiten]

Nach Francovich sind /g/, /l/, /m/, /p/, /r/, /s/, /j/, /z/, /b/, /k/ und /d/ unverändert geblieben.

Germanisch Vandalisch Beispiel
/f/, /-ft-/ /f/, /-pt/ in griech. Wörtern Raptos
/h/ /h/ oder // Hasding, eils
/n/ /n/, ? selten // scapia ?
/t/, /tj/ /t/, ? /tz/ matzia ?
/þ/ /t/, /d/, /þ/ tanca, Gunda, Thrasamundus
/ð/ ? Innenlaut /d/, Auslaut /t/, selten þ Beremuda, Beremut, Gamuth
/w/, /wu-/ mögl. /v/, /u-/ Usclu

Synkope von s nach Dental und vand. u (entspr. got. o) Gamuth = got *Gamoths und nach r (-mer = -mers)

nach Francovich, pp.195-200