Benutzer:Rho/ Gehirn und Sprache: Von Philolaos zu Luhmann
Folgender Text kann gern bei mir stehen bleiben, stammt aber nicht von mir. Benutzer:rho
Kennen Sie Philolaos? Nein, den muß man nicht kennen, Philolaus war ein griechischer Philosoph zur Zeit des Sokrates (470-399v.C.), aber einer aus der dritten Reihe, aus der Schule des Pythagoras.
Kennen Sie Niklas Luhmann? Ja, den Mann sollte man heute kennen, dessen
„Systemtheorie“ ist zur Zeit bei klugen Leuten mächtig im Gerede. Zehn Jahre nach dem Tod des Kommunikationstheoretikers entdecken die Soziologen in Luhmanns Werk eine brauchbare Nachfolge für das „Kapital“ von K.Marx (ihr theoretisches Rüstzeug seit 1968).
Luhmanns Systemtheorie ist eine Theorie der Kommunikation, und somit paßt sie perfekt in den Trend der Zeit, zu den Handys mit Internetzugang und dem permanenten „on-line“ – Status der Zeitgenossen.
Da ist es schön zu wissen, daß auch Luhmanns Theorie von Grundlagen ausgeht, die bereits in der Antike von einem orginellen Kopf vorgedacht wurden.
Über Philolaos aus Kroton erfährt man googelnd Folgendes:
Sein philosophisches Denken kreiste um den Gegensatz zwischen den unbegrenzten Dingen (ápeira) und den grenzbildenden Dingen (peraínonta). Dieser Gegensatz war für ihn die primäre Gegebenheit. Aus der Verbindung von unbegrenzten und begrenzenden Dingen bzw. Faktoren geht für ihn die gesamte Wirklichkeit hervor, sowohl der Kosmos als Ganzes als auch dessen einzelne Bestandteile. Das Grenzenlos-Ewige und die Natur an sich hielt Philolaos für unerkennbar. Alles Erkennbare ist begrenzt und mit Zahlen darstellbar, sonst könnte es nicht erkannt werden.
Begrenzende und unbegrenzte Dinge sind von Natur aus verschiedenartig; dass sie dennoch zusammentreffen und sich miteinander verbinden und dadurch die Welt entsteht, wird durch das Hinzutreten eines dritten Faktors möglich, den Philolaos in der Harmonie sieht. Die Harmonie hält die Welt zusammen und verschafft ihr eine sinnvolle Struktur (nicht jede beliebige Begrenzung eines an sich grenzenlosen Kontinuums ist harmonisch-sinnvoll). Als Pythagoräer war Philolaos auch stark an Musik ineressiert und beschäftigte sich mit Harmonienlehre.
Da die Objekte der Erkenntnis nur Grenzen mit endlicher Größe sind, sind sie mathematisch ausdrückbar. Durch die ihnen zugeordneten Zahlen erschließen sie sich menschlichem Verständnis, so schrieb Philolaos in Anlehnung an seinen Lehrer Pythagoras.
Daß die ganze Welt nur aus Begrenztem und Unbegrenztem besteht war eine sehr ungewöhnliche Ansicht in einer Zeit, als die 4-Elemente-Lehre des Empedokles Feuer, Wasser, Luft und Erde für die Grundbestandteile der Welt erklärte.
Philolaos behauptete sogar die damals völlig ungewöhnliche Meinung, daß die Erde nicht im Zentrum der Welt steht, sondern sich mit den Planeten und der Sonne um ein zentrales Feuer dreht. Ähnliche Ansichten wurden erst im Mittelalter wieder aktuell (Kopernikus, Keppler, G.Bruno,).
Was verbindet nun diesen antiken griechischen Philosophen mit dem Kommunikationstheoretiker Niklas Luhmann, und weshalb sollte man Philolaos als Urahn der Luhmannschen Systemtheorie betrachten?
Luhmanns theoretischer Angelpunkt ist der Begriff „System“. Unter einem System versteht er einen Funktionszusammenhang, welcher sich durch seine eigene Abgrenzung von der Umwelt selbst im Zustand einer bestimmten Ordnung hält. Ein System muß demnach primär zur aktiven Erzeugung und Gestaltung seiner eigenen Grenzen fähig sein.
Grenzen in Form von Unterscheidungen und Entscheidungen sind für Luhmann dann auch die Grundlage jeder geistigen Tätigkeit und Sprache, Grenzen bzw. Unterscheidungen erzeugen auch Sinnzusammenhänge.
So gesehen gibt es in der Systemtheorie wie auch im Weltbild des Philolaos im Grunde nichts als Grenzen. Die Harmonie, die nach Philolaos bei der Gestaltung der Begrenzungen mitwirkt, wird bei Luhmann durch eine genau definierte Vorstellung von „Sinn“ ersetzt.
Mit der Definition von Sinn gelangt Lumann zu seinem soziologischen Credo: Alles ist Kommunikation, das heißt: Die gegenseitige Aktualisierung von möglichen (Sinn-)Grenzen!
Was die beiden Theoretiker über zwei Jahrtausende verbindet ist kurz gesagt: „Die Erkenntnis der Grenze ist die Grenze der Erkenntnis.“
Der Pythagoräer sah auch die Zahlen ihrem Wesen nach als als Grenze: Jede Zahl wirkt als eine exakte Grenze, sie trennt haargenau von allem Größerem als auch von Kleinerem. Für Luhmann sind alle Wörter Sinn-Grenzen, die aus Unterscheidungen entstehen.
Inzwischen wird der Leser hoffentlich erinnert haben, was hier bereits im Kapitel „Grenzbildung“ ausführlich beschrieben wurde. Ein Rückblick darauf zeigt diese Betrachtungen völlig im Einklang mit dem Grundgedanken des Philolaos und der Systemtheorie von Niklas Luhmann.