Benutzer:TinoWegener/ Einführung und allgemeine Lehren

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Einführung und allgemeine Lehren[Bearbeiten]

Vertragliche Schuldverhältnisse[Bearbeiten]

Rn. 1

Gegenstand des Buches ist ein „Besonderer Teil“ des „Schuldrechts“. Gesetzespositivistisch betrachtet wird das „Schuldrecht“ maßgeblich durch die Normen des 2. Buches des BGB (§§ 241 bis 853 – Recht der Schuldverhältnisse) gebildet. Der „Besondere Teil“ dieses Rechts der Schuldverhältnisse wird wiederum durch die Normen des 8. Abschnitts des 2. Buches des BGB (§§ 433 bis 853) gebildet.

Rn. 2

Aufgrund der sog. Klammertechnik (= Gesetzesregelungstechnik des “Vor-die-Klammer-Ziehens“ allgemeiner Normen vor besondere Normen) stehen die Normen des „Besonderen Teils“ des Rechts der Schuldverhältnisse in “besonderer“ Beziehung zu den Normen des „Allgemeinen Teils“ des Rechts der Schuldverhältnisse (§§ 241 bis 432). Bei der Gesetzesanwendung ist daher u.a. der sog. Lex-specialis-Grundsatz zu beachten; nach diesem Grundsatz setzt das besondere Gesetz das allgemeine Gesetz außer Kraft (lex specialis derogat legi generali). Eine Auseinandersetzung mit dem „Besonderen Teil“ des Rechts der Schuldverhältnisse setzt insofern voraus, dass zuvor eine Auseinandersetzung mit dem „Allgemeinen Teil“ des Rechts der Schuldverhältnisse und dem Allgemeinen Teil des BGB – zumindest in Grundzügen – stattgefunden hat.

Rn. 3

Gemäß § 311 Abs. 1 können Schuldverhältnisse durch Rechtsgeschäft begründet werden (rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse). Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse erfordern gemäß § 311 Abs. 1 grds. einen Vertrag zwischen den Beteiligten (= mehrseitige rechtsge-schäftliche Schuldverhältnisse), soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt (= einseitige rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse, bspw. Auslobung nach § 657). Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse, die durch einen Vertrag (§§ 145 ff.) zwischen den Beteiligten begründet werden, werden vertragliche Schuldverhältnisse genannt.

Rn. 4

Aus der Logik des § 311 Abs. 1 darf zugleich geschlussfolgert werden, dass Schuldverhältnisse auch anders, als durch Rechtsgeschäft begründet werden können. Neben der Begründung durch Rechtsgeschäft können Schuldverhältnisse auch – salopp formuliert – “durch Gesetz begründet“ werden (sog. gesetzliche Schuldverhältnisse).

Rn. 5

Auf Grundlage dieser gesetzespositivistischen Betrachtungsweise ist der Rahmen der hier geführten Auseinandersetzung zu ziehen: Unter „Schuldrecht Besonderen Teil I“ sind alle vertraglichen Schuldverhältnisse im Sinne des BGB zu verstehen.

BILD

Privatautonomie, Vertragsfreiheit: Typische Verträge, atypische Verträge, gemischte Verträge[Bearbeiten]

Rn. 6

Im 8. Abschnitt des 2. Buches des BGB (§§ 433 bis 853) sind u.a. bestimmte Typen vertraglicher Schuldverhältnisse normiert (sog. typische Verträge). Jedoch ist diese gesetzliche Aufzählung vertraglicher Schuldverhältnisse nicht abschließend; es besteht weder ein numerus clausus der vertraglichen Schuldverhältnisse, noch ein Typenzwang. Nicht zuletzt wegen des Grundsatzes der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG), welcher den in § 311 Abs. 1 zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Vertragsfreiheit (Vertragsabschluss-, Vertragsinhalts- und Vertragsformfreiheit) mitumfasst, steht es den Rechtssubjekten frei auch nicht-typische vertragliche Schuldverhältnisse (sog. atypische Verträge) abzuschließen oder verschiedene vertragliche Schuldverhältnisse miteinander zu “mischen“ (sog. gemischte Verträge).

Rn. 7

Welches vertragliche Schuldverhältnis die Rechtssubjekte im Einzelfall abschließen wollten, ist durch Auslegung ihrer Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 zu ermitteln. Dabei ist zuvorderst maßgeblich, über welche Hauptleistungspflicht/en sich die Rechtssubjekte geeinigt haben; die Hauptleistungspflicht zählt zu den wesentlichen Vertragsbedingungen (essentialia negotii). Liegt keine Einigung hierüber vor, haben die Rechtssubjekte keinen Vertrag abgeschlossen; die Lücke des von den Rechtssubjekten jeweils gewollten Vertrages ist so wesentlich, dass sie – wegen des Grundsatzes der Privatautonomie – nur von den Rechtssubjekten selbst geschlossen werden kann. Liegt eine Einigung über die Hauptleistungspflicht – und über alle weiteren essentialia negotii – vor, wurde ein (Schuld-)Vertrag abgeschlossen (§§ 145 ff.).

Eigentliche und ergänzende Vertragsauslegung, dispositives Recht[Bearbeiten]

Rn. 8

Welchen Inhalt ein Vertrag über die essentialia negotii hinaus hat, ist zuvorderst durch („eigentliche“ bzw. „einfache“) Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 zu ermitteln. Den Vertragsparteien steht es grds. frei den Inhalt ihres Vertrages nach ihren Vorstellungen zu regeln (Vertragsinhaltsfreiheit). Dies gilt insb. auch für Vertragsbedingungen, die nicht wesentlich sind (accidentalia negotii). Dementsprechend erlaubt die Vertragsinhaltsfreiheit den Vertragsparteien grds. durch vertragliche Vereinbarungen von denjenigen Rechtsnormen abzuweichen, die vertragliche Inhalte anordnen (sog. ius dispositivum; abdingbares Recht).

Rn. 9

Die Vertragsfreiheit wird ausnahmsweise eingeschränkt durch Normen, die zwingendes Recht sind (sog. ius cogens). Ius cogens findet sich überall im BGB. Im 1. Buch des BGB zählen hierzu insb. §§ 134, 138. Um im 2. Buch des BGB ius cogens zu finden, kann folgende Unterscheidung hilfreich sein:

  • Verträge mit individuell ausgehandelten Vertragsbedingungen; hier sind bspw. §§ 248 Abs. 1, 276 Abs. 3, sowie grds. Formvorschriften (bspw. §§ 311 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; 518 Abs. 1; 766 S. 1 und 2) zu beachten;
  • Verträge mit sog. allgemeinen Vertragsbedingungen (legaldefiniert in § 305 Abs. 1 S. 1); hier sind über das eben aufgezählte ius cogens hinaus die Vorschriften des 2. Abschnitts (§§ 305 ff.) zu beachten;
  • Verträge, bei denen eine Vertragspartei „schutzwürdiger“ ist als die andere Vertragspartei. Ob eine Vertragspartei schutzwürdig ist, ist im Wege einer wertenden (normativen) Betrachtungsweise festzustellen. Ausgangspunkt für eine solche normative Feststellung ist der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Diesem liegt der Gedanke zugrunde, dass „gleichstarke“ Vertragsparteien zusammen an einem Strang ziehen (kontrahieren; deswegen wird ein Vertrag auch als Kontrakt bezeichnet). Ist es jedoch einer Vertragspartei nicht möglich beim Aushandeln der Vertragsbedingungen ihre eigenen Interessen in dem Maße durchzusetzen, wie es die andere Vertragspartei vermag, eröffnet dies die Möglichkeit die „schwächere“ Vertragspartei als schutzwürdig zu bewerten. Für bestimmte Konstellationen dieser Art hat der Gesetzgeber Schutzvorschriften erlassen. Schutzvorschriften finden sich im 8. Abschnitt insb. im Wohnraum-mietrecht (bspw. §§ 536 Abs. 4, 547 Abs. 2) und im Dienst- oder Arbeitsvertragsrecht (bspw. § 617 ff.). Daneben sind – aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben – immer häufiger Verbraucherschutzvorschriften zu beachten. Verbraucherschutzvorschriften setzen stets voraus, dass ein Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer abgeschlossen wurde (Verbraucherverträge, legaldefiniert in § 310 Abs. 3); wichtige Verbraucherschutzvorschriften sind bspw. §§ 312 ff. (siehe insb. § 312i), §§ 475, 491 ff.

Rn. 10

Haben die Vertragsparteien über die essentialia negotii hinaus keine weiteren vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich der accidentalia negotii getroffen, und weist der Vertrag infolgedessen Lücken auf, können diese durch Rückgriff auf das ius dispositivum geschlossen werden; da die Parteien es unterlassen haben – jenseits der essentialia negotii – ihr vertragliches Schuldverhältnis selbst zu regeln (Privatautonomie), erfolgt eine Regelung von außen (Heteronomie). Im BGB finden sich zum einen im allgemeinen Teil des Rechts der Schuldverhältnisse Regelungen, die auf alle Schuldverhältnisse angewendet werden können; bspw. hinsichtlich der Leistungszeit (§ 269), des Zahlungsortes (§ 271), der Zahlungszeit (§ 272) sowie – die besonders klausurrelevanten – Regelungen für den Fall einer Pflichtverletzung (insb. §§ 280 ff.). Zum anderen finden sich im besonderen Teil des Rechts der Schuldverhältnisse Regelungen, die nur auf bestimmte vertragliche Schuldverhältnisse – vorzugsweise typische Verträge – angewendet werden können; bspw. bei einem Kauf die §§ 433 ff., bei einem Mietvertrag die §§ 535 ff., bei einem Werkvertrag die §§ 631 ff.

Rn. 11

Mit dem ius dispositivum (Rn. 8) hat der Gesetzgeber seine Vorstellung von einer gerechten Ausgestaltung der Vertragsbedingungen umgesetzt. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem dispositiven Recht den Zweck, dass keine Vertragspartei unangemessen Benachteiligt wird (Vertragsgerechtigkeit). Folgerichtig hat der Gesetzgeber in § 307 Abs. 2 Nr. 1 – für allgemeine Geschäftsbedingungen – normiert, dass eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Vertragsbedingung „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist“. Es wird in diesem Zusammenhang oft vom sog. Leitbildcharakter des dispositiven Rechts gesprochen. Wann eine Vertragsbedingung im Einzelfall nicht mehr dem Leitbild des dispositiven Rechts entspricht, ist eine Frage der Billigkeit (= Gerechtigkeit im Einzelfall). Problematisch wird es jedoch immer dann, wenn zwischen den Vertragsparteien ein atypischer oder gemischter Vertrag abgeschlossen wurde. Hier stellt sich für den Rechtsanwender die Frage, ob und wenn ja welches ius dispositivum auf einen solchen Schuldvertrag anzuwenden ist (siehe dazu Rn. 13 f.).

Rn. 12

Kann hinsichtlich der accidentalia negotii weder auf eine Willenserklärung der Vertragsparteien, noch auf ius dispositivum zurückgegriffen werden, ist der Schuldner gemäß § 242 verpflichtet die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 242 ist der – methodisch zweckmäßige – Anknüpfungspunkt dessen, was gemeinhin als „ergänzende Vertragsauslegung“ bezeichnet wird. Hierunter wird das Füllen einer Vertragslücke verstanden, indem die Vertragslücke entsprechend dem sog. hypothetischen Parteiwillen “ergänzt“ – d.h. ausgefüllt – wird. Teilweise wird als Anknüpfungspunkt auch § 157 genannt. Jedoch ist sowohl dieser Anknüpfungspunkt, als auch der Begriff „ergänzende Vertragsauslegung“ irreführend. Denn haben die Vertragsparteien keine Willenserklärungen hinsichtlich der accidentalia negotii abgegeben, weist der Vertrag auch keinen Ansatzpunkt für eine Auslegung in dieser Hinsicht auf. Ein Parteiwille, der hypothetisch (vom griechischen Wort hypóthesis = Unterstellung) ist, entspricht nicht notwendigerweise dem wirklichen Willen der Parteien; es ist vielmehr ein vom jeweiligen Rechtsanwender unterstellter Parteiwille. Insofern handelt es sich in Wirklichkeit also nicht um eine Vertragsauslegung nach § 157, sondern um eine Vertragsrechtsfortbildung nach § 242; diese erfolgt nach dem billigen Ermessen (Billigkeit, Rn. 11) des Rechtsanwenders.

Hinweis

Im Ergebnis spielt es keine Rolle, welche Norm Sie als Anknüpfungspunkt für die „ergänzende Vertragsauslegung“ nutzen. Sowohl § 242 als auch § 157 verweisen den Rechtsanwender für die Bewertung des Sachverhaltes auf Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte.

Typisierung und Systematisierung von (Schuld-)Verträgen[Bearbeiten]

Rn. 13

Schuldverträge können u.a. auf Grundlage der zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Hauptleistungspflicht/en typisiert werden. Entspricht bzw. entsprechen die vertraglich vereinbarte/n Hauptleistungspflicht/en der/den Hauptleistungspflicht/en eines typischen Vertrages, gelangt grds. das Normenprogramm dieses typischen Vertrages zur Anwendung (vgl. Rn. 10).

Rn. 14

Probleme bei der Rechtsanwendung ergeben sich jedoch insb., wenn eine solche Entsprechung nicht festgestellt werden kann. Es stellt sich dann die Frage, ob und wenn ja welche Normen des BGB auf den zwischen den Vertragsparteien geschlossenen atypischen oder gemischten Schuldvertrag anzuwenden sind. Die wohl h.M. verlangt, dass im konkreten Einzelfall eine Zuordnung im Wege einer wertenden typologischen Gesamtbetrachtung erfolgen soll (sog. Methode der typologischen Zuordnung). Im Zusammenhang mit gemischten Verträgen werden hierbei oft zwei gegensätzliche Theorien der Zuordnung genannt:

Rn. 15

  • Nach der Absorptionstheorie sei in einem ersten Schritt festzustellen, welcher Vertragsbestandteil oder welche Vertragsbestandteile den Schuldvertrag dominiert bzw. dominieren (Schwerpunktbetrachtung) – es wird/werden dies zumeist die vereinbarte/n Hauptleistungspflicht/en sein. Hieran anschließend sei in einem zweiten Schritt festzustellen, welches Normenprogramm diesem/n Vertragsbestandteil/en am ehesten entspreche. Dieses Normenprogramm solle dann auf den gesamten Schuldvertrag angewendet werden. Im Ergebnis „saugt“ (absorbiert) nach dieser Theorie das Normenprogramm des/der dominierenden Vertragsbestandteils/Vertragsbestandteile die nicht dominierenden Vertragsbestandteile in seinen Bewertungsrahmen auf.

Rn. 16

  • Hingegen sei nach der Kombinationstheorie festzustellen, ob sich der Schuldvertrag in einzelne (Vertragsbestand-)Teile zerlegen lasse, auf welche sodann diejenigen Normenprogramme anzuwenden seien, die dem jeweiligen Vertragsbestandteil am ehesten entsprechen. Im Ergebnis sollen nach dieser Theorie also verschiedene Normenprogramme bei der Bewertung des gemischten Vertrages zusammengebracht (kombiniert) werden.

Rn. 17

Die Methode der typologischen Zuordnung im Allgemeinen, sowie die Kombinations- und Absorptionstheorie im Besonderen sind aus mehreren Gründen zu kritisieren. Die Absorptionstheorie versagt bei der Beurteilung von atypischen Verträgen. Das gesamte Normenprogramm eines typischen Vertrages ist zweckmäßigerweise nicht auf einen atypischen, sondern lediglich auf den entsprechenden typischen Vertrag anzuwenden. Denn bei der Schaffung eines Normenprogramms für einen typischen Vertrag bezweckte der Gesetzgeber auch nur die rechtliche Bewertung des entsprechenden Vertragstypen. Ähnliches gilt bei gemischten Verträgen. Die Anwendung des gesamten Normenprogramms eines typischen Vertrages auf einen Vertrag, bei dem mehrere typische Verträge oder ein typischer Vertrag und ein atypischer Vertrag miteinander gemischt wurden, kann der rechtlichen Bewertung des gemischten Vertrags nie vollständig gerecht werden. Zwar vermag die Kombinationstheorie zumeist eine gerechtere Bewertung von gemischten Verträgen zu leisten. Indes besteht bei dieser Methode – wie bei jeder anderen Methode der typologischen Zuordnung – die Gefahr, dass der Weg und die Kriterien der Rechtserkenntnis nicht offengelegt werden. Die Kombinationstheorie – sowie jede andere Methode der typologischen Rechtsfindung – beruht letztlich auf einem Ähnlichkeitsschluss (Analogie). Hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Voraussetzungen einer Analogie besteht, im Gegensatz zur typologischen Rechtsfindung, in der juristischen Methodenlehre weitestgehend Einigkeit. Eine Analogie setzt 1. eine planwidrige Regelungslücke, und 2. eine vergleichbare Interessenlage zwischen normierten und nicht-normierten Sachverhalt voraus. Nach der hier vertretenen Auffassung hat also der Rechtsanwender bei jeder Norm gesondert zu prüfen, ob sie im Einzelfall analog auf den atypischen bzw. gemischten Vertrag angewendet werden kann.

Rn. 18

Fall "Internet-System-Vertrag – Abwandlung von BGH NJW 2010, 1449

H und P schließen einen Vertrag mit u.a. folgendem Inhalt:

H erhält Speicherplatz für seine Homepage auf einem Server des P; P trägt dafür Sorge, dass die Homepage des H im Internet abrufbar ist. Ferner erstellt P nach dem Vorgaben des H eine Homepage; die Homepage wird von P gewartet. Im Gegenzug erhält P von H eine monatliche Pauschale für alle erbrauchten Leistungen i.H.v. 120 €. Die Vertragslaufzeit beträgt drei Jahre“.

Nach welchen Normen des BGB ist der Vertrag zu beurteilen? .


Lösung, unter Einbeziehung der Rspr. des BGH:

I. Der Vertrag zwischen H und P ist nach denjenigen Normen des BGB zu beurteilen, in deren – sachlichen – Anwendungsbereich er fällt.

1. Zwischen H und P liegt ein Schuldverhältnis vor, dass durch Vertrag begründet wurde (vertragliches Schuldverhältnis). Dementsprechend sind, neben den Normen des BGB-AT (insb. Abschnitt 3 des 1. Buches des BGB; v.a. §§ 145 ff.), grds. die allgemeinen schuldrechtlichen Normen anwendbar (§§ 241 ff.).

2. Fraglich ist jedoch, nach welchen besonderen schuldrechtlichen Normen das Vertragsverhältnis zu beurteilen ist. Grds. findet dasjenige Normenprogramm eines typischen Vertrages Anwendung, dessen Hauptleistungspflichten mit den im konkreten Vertrag vereinbarten Hauptleistungspflichten übereinstimmen. Insofern ist in einem ersten Schritt zu untersuchen, welche Hauptleistungspflichten die Parteien vereinbart haben (Vertragsauslegung nach §§ 133, 157). Sodann ist in einem zweiten Schritt zu erforschen, ob diese mit den Hauptleistungspflichten eines typischen Vertrages übereinstimmen. H und P vereinbarten insb. folgende Pflichten: Bereitstellen von Speicherplatz auf einem Server des P; Erstellen einer Homepage; Abrufbarkeit der Homepage im Internet; Wartung der Homepage; Zahlung einer monatlichen Pauschale.

a) Ein Vertrag, der allein das Bereitstellen von Speicherplatz auf einem Server zum Inhalt hat, sei laut BGH (a.a.O. Rn. 20) als ein sog. Web-Hosting-Vertrag zu qualifizieren. Dieser Vertrag weise dienst-, miet- und werkvertragliche Aspekte auf; finde der Vertragszweck jedoch seinen Schwerpunkt in der Gewährleistung der Abrufbarkeit der Website im Internet, so liege es nahe, insgesamt einen Werkvertrag anzunehmen. Diese Ausführungen des BGH lassen erkennen, dass schon die Bewertung der Verpflichtung zur Bereitstellung von Speicherplatz grds. nicht eindeutig einem Vertragstyp zugeordnet werden kann.

b) Ein Vertrag, der allein das Erstellen einer Homepage zum Inhalt hat, sei nach Ansicht des BGH (a.a.O. Rn. 21) als ein sog. Webdesign-Vertrag zu qualifizieren. Ein solcher Vertrag dürfe regelmäßig als Werkvertrag, unter Umständen auch als Werklieferungsvertrag i.S. von § 651 BGB, anzusehen sein.

c) Ein Vertrag, der die Abrufbarkeit einer Homepage im Internet zum Inhalt hat, sei dem BGH (a.a.O. Rn 26) zufolge als Werkvertrag einzuordnen; denn diese Verpflichtung sei nicht als schlichtes Tätigwerden, sondern als Herbeiführung eines Erfolgs und damit als Ergebnis der Tätigkeit zu werten.

d) Ein Vertrag, der allein die Wartung einer Website zum Inhalt hat, sei laut BGH (a.a.O. Rn. 23) als Werkvertrag einzuordnen, soweit die Wartung auf die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und die Beseitigung von Störungen (und somit: auf einen Tätigkeitserfolg) gerichtet sei; hingegen liege die Qualifizierung als Dienstvertrag nahe, wenn es an einer solchen Erfolgsausrichtung fehle und die laufende Serviceleistung (Tätigkeit) als solche geschuldet sei. Somit kann auch die rechtliche Beurteilung der vertraglichen Wartungsvereinbarung nicht eindeutig einem Vertragstyp zugeordnet werden.

e) Die Vereinbarung zur Zahlung einer monatlichen Pauschale kann jedenfalls die Annahme eines Dienst- oder Mietvertrages rechtfertigen. Fraglich ist, ob sie auch die Annahme eines Werkvertrages rechtfertigen kann. Laut BGH (a.a.O. Rn. 27) stehe es der Einordnung als Werkvertrag nicht entgegen, dass der Kunde ein monatliches pauschales Entgelt zu entrichten habe – ebenso unschädlich sei es, dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt sei und somit Züge eines „Dauerschuldverhältnisses” aufweise. Er begründet seine Aussage – wenig überzeugend – damit, dass diesen Umständen im vorliegenden Fall kein entscheidendes Gewicht zukomme, da der Vertragszweck auf einen Erfolg bezogen sei (a.a.O. Rn. 27). Überzeugender ist es, eine historische Auslegung vorzunehmen. Der historische Gesetzgeber (Mugdan Band 2, S. 263) hielt es für selbstverständlich, dass bei einem Werkvertrag – wie im vorliegenden Fall – die Vergütung nach Zeitabschnitten entrichtet werden könne.

f) Da die zwischen H und P vereinbarten Hauptleistungspflichten mit verschiedenen typischen Verträgen übereinstimmen können, handelt es sich bei dem zwischen H und P geschlossenen Vertrag um einen sog. gemischten Vertrag; in der Rspr. des BGH (a.a.O. Rn. 16 ff.) hat sich für einen derartigen gemischten Vertrag, dessen Leistungspflichten einen Bezug zum Internet aufweisen, der – wenig erhellende – Begriff „Internet-System-Vertrag“ etabliert. Welche Vorschriften bei einem gemischten Vertrag zur Anwendung gelangen, ist umstritten:


Mängelgewährleistung und Leistungsstörung[Bearbeiten]