Die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung: Der Tunneleffekt

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Tunneleffekt in der Theorie[Bearbeiten]

Lösung der Schöringer-Gleichung für einen endlich hohen Potentialtopf

Das bemerkenswerte an der Theorie von Schrödinger (die auch heute noch als Teil des Theoriengebäudes der Quantenmechanik gültig ist) ist, dass das Elektron außerhalb des Topfes noch eine gewisse Aufenthaltswahrscheinlichkeit größer null hat – dies widerspricht klassischen Vorstellungen. Denn eigentlich ist die Energie des Elektrons zu gering, um in diesen Bereich einzudringen. Man sagt, das Elektron tunnelt ein wenig in die klassisch verbotenen Bereiche hinein.

Potentialwall

Man denke sich nun einen Potentialverlauf, der zunächst einen Topf zwischen und ausbildet, dann aber an einer Stelle wieder null wird; seine rechte Wand ist ein Potentialwall der Breite . Die Lösung der Schrödinger-Gleichung gilt für alle , also auch hinter dem Potentialwall. Dort gilt wieder , das bedeutet, die Funktion oszilliert wieder. Sperrt man ein Elektron also in einen solchen Topf, besteht eine endliche Wahrscheinlichkeit, dass es aus dem Topf tunnelt, obwohl seine kinetische Energie viel zu gering ist, um den Wall zu überqueren.

Je höher der Wall, desto größer ist die potentielle Energie im Exponenten der Exponentialfunktion im Bereich des Walles; desto schneller fällt diese Funktion daher ab. Je breiter der Wall, desto weiter kann die Exponentialfunktion abfallen. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Elektron durchtunnelt, bei schmäleren und niedrigeren Wällen höher.

Man muss hierbei beachten, dass es mit zunehmender Zeit wahrscheinlicher wird, dass das Elektron bereits rausgetunnelt ist – je länger man wartet, desto „mehr Möglichkeiten“ hatte das Elektron, rauszutunneln. Um das exakte Ergebnis zu bekommen, müsste man an dieser Stelle mit der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung rechnen. Diese würde ergeben, dass die -Funktion innerhalb des Topfes mit zunehmender Zeit abnimmt.

Tunneleffekt in der Praxis[Bearbeiten]

Der Tunneleffekt, der vor Schrödinger unbekannt war, erklärte viele zuvor rätselhafte Phänomene. Zwei Beispiele sollen hier genannt werden.

In der Sonne findet ständig Kernfusion statt; dabei verschmelzen zunächst zwei Protonen (Wasserstoffkerne), woraus über mehrere Zwischenschritte Heliumkerne entstehen. Bei diesem Prozess wird die Energie frei, die die Sonne als Strahlung zur Erde emittiert.

Schritte der stellaren Kernfusion

Wenn zwei Protonen fusionieren wollen, müssen sie sich auf annähern, denn in diesem Radius wirkt die starke Kernkraft, die die Protonen aneinander bindet. Sie ist in diesem Bereich stärker als die elektrische Abstoßung der beiden positiven Ladungen, nimmt aber eben mit größerer Entfernung sehr schnell ab, sodass sich zwei Protonen ab einer Entfernen von eben jenen stärker abstoßen, als anziehen.

Die Coulumb-Kraft gilt auch für zwei sich abstoßende Protonen. Da es hier um Abstoßung geht, nimmt die potentielle Energie für geringere Radien bis zum Wirkungsbereich der starken Kernkraft zu. Die kinetische Energie der Protonen müsste nun klassisch gesehen so groß sein, dass ein Proton eben diesen Potentialwall, der vom anderen hervorgerufen wird, überwinden kann, um zu fusionieren.

Potentialverlauf bezüglich zweier Protonen

Im Inneren der Sonne herrschen etwa und man könnte meinen, dies sei mehr als genug, um den Protonen die nötige Energie zuzuschreiben. Nun lässt sich allerdings berechnen, dass in der Sonne hunderte Millionen oder sogar Milliarden Kelvin herrschen müssten, damit alleine die kinetische Energie ausreichte, um diesen Potentialwall zu überwinden.

Aufgrund des Tunneleffekts ist es nun möglich, dass die Protonen auf eigentlich zu niedrigem Energieniveau durch den Potentialwall durchtunneln. Der Effekt ist ziemlich gering; nur bei jedem -ten Stoß kommt es zum Tunneleffekt und zur Fusion. Ein gegebenes Proton muss im Schnitt Jahre warten, bis ihm der Tunneleffekt „gelingt“. Aufgrund der großen Anzahl an Protonen in der Sonne, ist der Effekt jedoch groß genug, sodass er uns tagtäglich mit Energie versorgen kann.

Vor der Entdeckung des Tunneleffekts gab es auch das umgekehrte Problem: Beim -Zerfall verlassen Helium-Kerne einen schweren Atomkern, trotz der starken Kernkraft. Ihre kinetische Energie ist dabei niemals ausreichend, um den Potentialwall, der von der starken Kernkraft aufgebaut wird, zu überwinden, und in den Bereich zu gelangen, in dem die elektrische Abstoßung überwiegt. Der Tunneleffekt erklärt auch an dieser Stelle, warum es manchmal dennoch zum -Zerfall kommt.