Dresden/ Gebäude/ Nr. 766
Moritzstraße
Im Gewoͤlbe: kurfuͤrstliche Spiegelfabrikniederlage
[Bearbeiten]Im Gewoͤlbe (Erdgeschoß) ist die kurfuͤrstliche Spiegelfabrikniederlage, ein Werksverkauf der kurfuͤrstlichen Spiegelschleife am Weißeritzmühlgraben. Aufwaͤrter (Verkäufer, Verantwortlicher) bei der Spiegelfabrikniederlage ist Herr Donath, der im Hause im obersten Geschoß wohnt.
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Dresden-Löbtau, Am Weißeritzmühlgraben 14, Gebäude der ehemaligen Spiegelschleife (bis 1813), Zustand um 1920, 1945 zerstört.
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Weißeritzmühlgraben zwischen Löbtau und Plauen mit Kupferhammer, Pulvermühle, Spiegelschleife und Walkmühle (von Löbtau aus aufgezählt), Karte Kurfürstentums Sachsen, Petri, nach 1759 (Sign.: VII, 63).
die Kurfürstliche Spiegel-Schleif- und Polierfabrik (Spiegelschleife) befand sich
- ca. 200 Meter oberhalb der kurfürstlichen Pulvermühle von 1576 und
- etwa 400 oberhalb des kurfürstlichen Kanonenbohrwerks von 1765
am linken Ufer des Weißeritzmühlgrabens
- bereits 1554 wurde an der Stelle des Kanonenbohrwerkes ein Kupferhammer erwähnt, der 1665 von der Familie des Oberzeugmeisters und Baumeisters Paul Buchner an den Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen verkauft wurde
die kurfürstliche Rentkammer hatte die Spiegelschleife 1783 wieder übernommen, nachdem sie diese bereits von 1715 bis 1743 ohne wirtschaftlichen Erfolg geführt und danach verpachtet hatte
1787 errichtete die Rentkammer ein Arbeiterwohnhaus als nördlichen Abschluss des 2700 Quadratmeter großen Grundstückes, welches vollständig von einem Bretterzaun umgeben war und nur über zwei Ein- und Ausgänge (nach Dresden und nach Plauen) verfügte
neben dem Haupthaus von 1712 stand die 1759 abgebrannte und in den 1760er Jahren wieder aufgebaut Folienschlägerei, mitten auf dem Gelände das 1736 erbaute Beleghaus, an den Seiten des Grundstücks befanden sich diverse Schuppen zur Lagerung der Ausgangsprodukte (vor allem Rohglas der Spiegelglashütte Friedrichsthal) und der fertigen Spiegel, die auch in Dresden selbst in der zentral gelegenen kurfuͤrstlichen Spiegelfabrikniederlage zum Verkauf angeboten wurden
die Spiegelglashütte Friedrichsthal war 1709 von der kurfürstlichen Rentkammer gegründet und von Matthäus Daniel Pöppelmann entworfen worden, um Kursachsen von teuren Spiegelglas-Importen unabhängig zu machen
bereits 1710 drängte August der Starke den Kammer- und Bergrat H. Georg Gabriel Wichmannshausen dazu, seinen erst 1700 errichteten Eisenhammer am Weißeritzgraben an die kurfürstliche Kammer für 2.000 Taler zu verkaufen, der daraufhin abgerissen und mit seinem unterschlächtigen Wasserrad bis 1715 zur Spiegelschleife umgestaltet wurde
Hausbesitzer Johann Traugott Kemter
[Bearbeiten]Das Haus gehört Herrn Dr. Johann Traugott Kemter, der die Belle Etage bewohnt. Er ist
- Amtsverweser des kurfuͤrstlichen saͤchsischen Amtes Laußnitz (mit Gräfenhain, Höckendorf und Großokrilla; siehe Amt Laußnitz 1551 - 1764 - 1816) bei Königsbrück, rund 28 km von Dresden entfernt
- Rechtskonsulent und
- Gerichtsdirektor
Fuͤrstlich Schwarzburgisch-Sondershauser Konsulat
[Bearbeiten]Im Haus befindet sich auch das Fuͤrstlich Schwarzburgisch-Sondershauser Konsulat im Kurfuͤrstentum Sachsen, welches der Hausbesitzer Johann Traugott Kemter als "fuͤrstl. schwarzburg. sondershaus. Konsulent und Agent" in der Belle Etage in einem großen repräsentativen Raum mit den Fenstern auf die Moritzstraße betreibt. Ein Schild neben der Haustür weist auf das Konsulat hin. Seit 1794 war Günther Friedrich Carl I. von Schwarzburg-Sondershausen regierender Fürst, davor sein Vater Christian Günther III..
Johann Traugott Kemter hatte als Amtsverweser von Laußnitz (Oberlausitz) beruflich regelmäßig mit dem Johann Wilhelm Traugott von Schönberg (1721–1804) zu tun, seit 1764 Oberamtshauptmann des Marggraftums Oberlausitz (seit 1635 von den böhmischen Landen als Friedenpfand zu Sachsen). Über ihn lernte er auch dessen Hofmeister Johann Karl Wezel (1747–1819) kennen, der von 1769 bis 1775 in Bautzen bei von Schönberg lebte und arbeitete und seit 1772 jährlich in Leipzig publizierte. Wezel reiste deswegen regelmäßig auch über Dresden, wo von Schönberg Verwandte hatte, und besuchte Johann Traugott Kemter, der dadurch auch zu Gegenbesuchen bei Wezels Familie in Sondershausen angeregt wurde. Hieraus entwickelte sich Kemters Amt als Fuͤrstlich Schwarzburgisch-Sondershauser Konsulent und Agent. Er wurde anfänglich besonders durch die Schwarzburgisch-Sondershauser Fürstin Charlotte Wilhelmine von Anhalt-Bernburg (1737–1777) gefördert, Tochter des Fürsten Victor Friedrich von Anhalt-Bernburg. Das Konsulat konnte er im eigenen Hause an günstiger Stelle einrichten. Dem ehemaligen Haus von Kemter schräg gegenüber befand sich nach der Wende 1989/90 am Neumarkt 12 das Honorarkonsulat des Königreichs Spanien ebenfalls in dieser zentralen Lage. Auch zu Kemters Zeit gab es bereits eine königlich-spanische Gesandtschaft in Dresden.
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Grabdenkmal des Johann Wilhelm Traugott von Schönberg, † 1804. Standort Lugaer Schanze. 113x71cm, 3m hoch, Sandsteinquader. Inschrift: Johann Wilhelm Traugott // von Schönberg und Luga // Oberamtshauptmann des Marggraftums // Oberlausitz // Starb am 17. April 1804 zu Budissin im 83. // Jahr seines Alters, nachdem er dieses Amt // 40 Jahre zur Zufriedenheit des // ganzen Landes verwaltet.
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Christian Gottlieb Geyser (1757 - 1803) Porträt von Johann Karl Wezel (1747–1819).
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Dieses unbezeichnete Doppelporträt vom Ausgang des 18. Jhs. zeigt sehr wahrscheinlich das damals regierende Fürstenpaar: Christian Günther III. von Schwarzburg-Sondershausen (1736–1794) und Charlotte Wilhelmine von Anhalt-Bernburg (1737–1777), Tochter des Fürsten Victor Friedrich von Anhalt-Bernburg. Die Fürstin sorgte dafür, daß Kemter das Amt des Konsulenten und Agenten für Kursachsen erhielt.
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Günther Friedrich Carl I. (Schwarzburg-Sondershausen) (* 5. Dezember 1760 in Sondershausen; † 22. April 1837 auf dem Jagdschloss „zum Possen“ bei Sondershausen), um 1816.
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Günther Friedrich Carl I. (Schwarzburg-Sondershausen) (* 5. Dezember 1760 in Sondershausen; † 22. April 1837 auf dem Jagdschloss „zum Possen“ bei Sondershausen), undatiert.
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Stadt und Schloss Sondershausen gegen Morgen, Stahlstich von 1840 nach einer alten Vorlage um 1820. Kemter reiste mindestens einmal jährlich, in der Regel aber des Öfteren hierhin, um seiner Tätigkeit als Konsulent und Agent nachzugehen. Das Allianzwappen Schwarzburg-Sondershausen/Anhalt-Bernburg aus den 1760er Jahren am spätbarocken Westflügel erinnert noch heute an Kemters Gönnerin, Charlotte Wilhelmine von Anhalt-Bernburg (1737–1777), Tochter des Fürsten Victor Friedrich von Anhalt-Bernburg.
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August Friedrich Wilhelm Nothnagel (1822–1899): Jagdschloss "Zum Possen" der Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen, 1855. Hier starb Günther Friedrich Carl I. (Schwarzburg-Sondershausen) am 22. April 1837. Hier weilte Kemter oft zu Besuch, wenn sich der Fürst in der wärmeren Jahreszeit hier aufhielt.
Adreßbuch 1797: Text
[Bearbeiten]Hr. Donath, Aufwaͤrter b. d. Spiegelfabrikniederlage.
Hr. Christian Frdr. Franz, kurfuͤrstl. Hofkuͤchenmeister
Hr. Joh. Traug. Kemter, Amtsverweser des kurfuͤrstl. saͤchs. Amtes Laußnitz, Rechtskonsulent u. Gerichtsdirektor, s. Dresdner Adreßverz., auch fuͤrstl. schwarzburg. sondershaus. Konsulent und Agent.
Hr. Adolph Moriz Kersten, Regierungsregistrator.
Hr. August Friedrich Kuͤhnel, Hauptzeughausagent.
Hr. Gebhard Friedr. Kasimir von der Schulenburg, Oberhofjaͤgermeister.
(Im Erdgeschoß dieses Hauses ist die kurfuͤrstl. Spiegelfa=
brikniederlage; Herr D. Kemter besitzt dasselbe.)