Erste Hilfe im Gelände/ Kälte

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Durch Kälte verursachte Notfälle[Bearbeiten]

Unterkühlung[Bearbeiten]

Definition: Bei einer Unterkühlung ist die Wärmeabgabe des Körpers über einen längeren Zeitraum größer, als die Wärmeproduktion. Das heißt, dass die Körperkerntemperatur absinkt, nicht zu verwechseln mit der Erfrierung!!

Unterkühlung ist bei jedem Notfall, egal ob in der Stadt oder in freier Wildbahn ein entscheidendes Thema für den weiteren Heilungsverlauf eines Verunglückten. Dennoch kommt es selbst im Winter in urbanen Umgebungen selten zu derart starken Unterkühlungen das es lebensbedrohlich wird. Die Ursache liegt auf der Hand und begründet sich im zeitnahen Eintreffen des Rettungsdienstes. Was aber wenn die professionelle Rettung Stunden vom Notfallort entfernt ist? In solchen Situationen gibt es wesentlich mehr für den Ersthelfer was er wissen und beachten sollte. Inhalt dieses Artikels ist die Betrachtung der Unterkühlung als und bei Notfällen im Gelände.

Die hier dargestellten Informationen basieren auf dem Alaskan Protokoll, im englischen Original [hier] nachzulesen.


Einteilung von Unterkühlung[Bearbeiten]

Unterschieden werden leichte und schwere Unterkühlungen. Die Medizin kennt auch andere Einteilungsschemen, dennoch hat sich besonders dort wo man auf Grund der Gegebenheiten häufig mit Unterkühlungen zu tun hat sich ein Schema mit Unterteilung in schwere und moderate Unterkühlungen durchgesetzt.

Symptome[Bearbeiten]

Schwere Unterkühlung: Ist der Verunglückte kalt und hat eines der folgenden Anzeichen, so hat er eine schwere Unterkühlung.

  1. Körperkerntemperatur unter 32,2 °C oder weniger.
  2. reduzierte Vitalzeichen, wie z. B. verlangsamter Puls oder Atmung.
  3. Veränderung der Bewusstseinslage, verwaschene Sprache, unsicherer Gang, verminderte geistige Leistungsfähigkeit oder mangelnde Reaktionsfähigkeit auf verbale oder Schmerzreize.
  4. Kein Kältezittern obwohl es dem Verunglückten sehr kalt ist. (Beachte: Dieses Anzeichen ist potentiell unsicher und wird durch Alkoholkonsum verschleiert.)

Leichte Unterkühlung: Ist dem Verunglückten kalt und er hat keines der oberen Symptome so leidet er an einer leichten Unterkühlung.

Maßnahmen[Bearbeiten]

allgemeine Maßnahmen[Bearbeiten]

Ziel aller Maßnahmen muss es sein weiteren Wärmeverlust zu vermeiden.

  1. Kontrolle der Vitalfunktionen (Bewusstsein, Herz-Kreislauf-System, Atmung)
  2. Notruf
  3. Isoliere den Verunglückten gegen Bodenkälte und Wind. Verdunstungskälte beachten, nasse gegen trockene Kleidung tauschen. ABER: Verunglückten nur sehr wenig und vorsichtig bewegen, da es sonst zur Wiedererwärmungskrise kommen kann
  4. oder isoliere ihn in einer Verdunstungsbarriere wie z. B. einer Tüte oder einem einfachen Biwaksack.
  5. Kopf und Hals des Verunglückten warm einpacken
  6. Mund und Nase mit dünnem Stoff schützen, um den Wärmeverlust durch die Atmung zu reduzieren
  7. Bei Bewusstsein dem Verunglückten warme Getränke mit Zucker geben. ACHTUNG: Kein Alkohol, da dieser die Blutgefäße weitet und somit die Wärmeabgabe fördert!

Maßnahmen bei leichter Unterkühlung[Bearbeiten]

Versorge den Verunglückten so wie unter allgemeine Maßnahmen beschrieben.

Wenn es keine Möglichkeit gibt, den Verunglückten in eine medizinische Einrichtung zu bringen, erwärme den Verunglückten stufenweise:

  1. Bring den Verunglückten in eine möglichst warme Umgebung
  2. Steigere die Wärmeproduktion durch Eigenbewegung des Verunglückten und kalorienreiche warme Flüssigkeit. Dieser Weg der Wiedererwärmung ist besonders wichtig, wenn mit sehr langen Hilfsfristen durch die lokalen Rettungsdienste zu rechnen ist.
  3. Wiedererwärmung durch isolierte Wärmepackungen an Körperstellen an denen es zu starken Wärmetransport kommt, so wie z.B. Kopf, Nacken, Unterarme, die Seiten des Brustkorbes und Leistengegend. Diese Maßnahmen bringen natürlich nur dann etwas, wenn man weiteren Wärmeverlust vermeidet.
  4. Wenn der Verunglückte Bewusstseinsklar ist: warme Dusche oder ein warmes Vollbad
  5. Lege den Verunglückten in einen Schlafsack zusammen mit einem warmen Kameraden. Der Verunglückte darf auf keinen Fall mit einem anderen Unterkühlten in einen Schlafsack gelegt werden. Diese Maßnahme sollte als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden, da sie für den Helfenden nicht ungefährlich ist und weniger effektiv ist als andere Maßnahmen.

Animiere den Verunglückten warme Flüssigkeiten zu trinken sobald er schlucken kann und schütze seine Atemwege!

Maßnahmen bei schwerer Unterkühlung mit Vitalzeichen[Bearbeiten]

Behandle den Verunglückten wie unter Allgemeine Maßnahmen und Maßnahmen bei leichter Unterkühlung beschrieben mit folgenden Ausnahmen:

  1. Auf keinen Fall sollte der schwer unterkühlte Verunglückte duschen oder baden
  2. Gib dem Verunglückten keine warmen Flüssigkeiten zu trinken so lange er nicht selber schlucken kann.

Behandle Verunglückte mit schwerer Unterkühlung sehr vorsichtig. Das Reiben und Massieren von Gliedmaßen oder andere Manipulationen sollen unterbleiben.

Maßnahmen bei schwerer Unterkühlung ohne Vitalzeichen[Bearbeiten]

  1. Behandle den Verunglückten wie oben beschrieben
  2. Wenn keine Atmung (Kontrolle 10 sec!) vorhanden ist, beginne mit der Wiederbelebung, außer in folgenden Fällen:
    1. Verunglückte, die über eine Stunde unter Wasser waren.
    2. Verunglückte mit einer Körperkerntemperatur unter 15,5 °C
    3. Verunglückte mit Verletzungen, die nicht mit dem Leben vereinbar sind (z.B. Enthauptung)
    4. gefrorene Verunglückte, z. B. mit Eisformationen in den Atemwegen
    5. Verunglückte deren Brustkorb hart gefroren ist, so das keine Herzdruckmassage möglich ist.
    6. Wenn der Helfer erschöpft ist oder sich in Gefahr befindet.
  3. Benutze Mund-zu-Masken-Beatmung
  4. Regelmäßige Bewertung der Vitalfunktionen

Der Transport in eine medizinische Facheinrichtung sollte so früh wie möglich durchgeführt werden, da sich dieser Notfall draußen nur sehr schwer bis unmöglich beherrschen lässt.

Erfrierungen[Bearbeiten]

Basis für die hier dargestellten Informationen bildet die Empfehlung REC M 0015 – On Site Treatment of Frostbite for Montaineers die in ihrem englischen Original auf der Webseite der [IKAR (inaternat. Kommission für alpine Rettung] zu finden ist. Einen direkten Link zur entsprechenden Empfehlung im PDF Format (18 kb) ist [hier] zu finden.


Definition[Bearbeiten]

Erfrierungen sind schwerste lokale Kälteschädigungen. Sie können oberflächlich oder tief sein. Erfrierungen können zur Amputation des erfrorenen Körperteils führen.

begünstigende Faktoren[Bearbeiten]

  1. Schlechte Isolation gegen Kälte
  2. Luftfeuchtigkeit
  3. Windchill
  4. Bewegungsunfähigkeit
  5. Verletzungen (z. B. Knochenbrüche)
  6. große Höhen
  7. überstandene Erfrierungen in der Vergangenheit an der gleichen Stelle
  8. reduzierte Durchblutung durch Ausrüstung (z. B. Klettergurt, enge Stiefel, Uhren, Ringe, ...)
  9. Gesundheitliche Disposition, z.B. Diabetes
  10. Alkohol, Nikotin, Drogen

Prophylaxe[Bearbeiten]

Erfrierungen sind häufig vermeidbar, in dem man die oben genannten Punkte die eine Erfrierung begünstigen, berücksichtigt. Besonders Schuhe und Handschuhe sollten gut sitzen, winddicht und nicht zu eng sein. Eine Verbesserung der Beschwerden nach 10min Wiedererwärmung weist auf eine oberflächliche Erfrierung hin. Es bedeutet gleichzeitig aber auch, dass die Erfrierungsprophylaxe nicht ausreichend war und das es zu einer erneuten Erfrierung kommen wird, wenn die Prophylaxe nicht verbessert wird.

Symptome[Bearbeiten]

  1. Weiße, lokal begrenzte, gefühlslose Stelle
  2. fortschreitende Gefühlslosigkeit ohne Schmerzen


Maßnahmen[Bearbeiten]

Allgemein – Maßnahmen als Ersthelfer[Bearbeiten]

  1. Vitalfunktionen kontrollieren (Bewusstsein, Atmung, Herz-Kreislauf-System)
  2. Notruf
  3. Person in eine warme Umgebung bringen
  4. betroffene Extremität oder Stelle nicht bewegen und nicht lokal erwärmen, wenn möglich etwas Warmes trinken
  5. Wunden steril abdecken
  6. bei Bewusstsein --> Person flach lagern

wichtige Merksätze[Bearbeiten]

  1. Niemals mit Schnee oder anderem Material versuchen warm zu reiben
  2. Die Behandlung von Unterkühlung geht vor der Versorgung von Erfrierungen. Niemals eine Wiedererwärmung eines Körperteils durchführen wenn der Betroffene an Unterkühlung leidet.
  3. Niemals eine Wiedererwärmung starten wenn die Gefahr des Wiedergefrierens besteht.
  4. Immer so früh wie möglich medizinische Hilfe aufsuchen wenn die Durchblutung in einem von Erfrierung befallen Teil nicht wieder her gestellt werden kann. Innerhalb von 48 Stunden ist der Verlust eines erfrorenen Körperteils immer möglich.

Im Freien mit möglicher Erfrierung[Bearbeiten]

  1. Gehe aus dem Wind
  2. Erwäge umzukehren
  3. Trinke! (wenn möglich warmes)
  4. Sind die Füße betroffen, lockere Bindungen von Riemensteigeisen, Schneeschuhen etc.
  5. Entferne enges Schuhwerk. Bedenke, dass es zu Problemen kommen kann, mit einem angeschwollenen Fuß den Schuh wieder anzuziehen
  6. Tausche nasse Socken/Handschuhe gegen trockene
  7. Hände/Füße können zum Wiedererwärmen in die Achselhöhlen oder Leisten einer anderen Person gelegt werden. Jedoch maximal für 10 Minuten
  8. Tausche nasse Schuhe gegen trockene. Wenn nicht möglich, trockene Strümpfe anziehen, Plastiktüte darüber und dann nochmal Socken anziehen – Notbehelf!
  9. Nimm eine Aspirin oder Ibuprofen zur Verbesserung der Durchblutung (wenn verfügbar und nicht kontraindiziert. Besprich diesen Punkt vorher mit einem Arzt)
  10. Die betroffene Stelle nicht reiben. Dies kann zu Gewebeschäden führen.
  11. Keine direkte Hitzeeinwirkung

Wenn das Gefühl an der entsprechenden Körperstelle wiederkehrt, kannst Du weiter gehen. Wenn nicht, geh in die nächste warme Unterkunft (Hütte, Basislager) und suche medizinische Hilfe auf.

In großen Höhen: unterstütze die Atmung mit künstlichen Sauerstoff.

Im Basislager, Berghütte oder Ähnlichem[Bearbeiten]

  1. Schuhe ausziehen
  2. nasse Kleidung gegen trockene tauschen
  3. Ringe von den Fingern!!!
  4. warme Getränke ohne Alkohol
  5. Aspirin 500–1000 mg oder Ibuprofen 400–800 mg zur Schmerzlinderung und zur Verbesserung der Durchblutung (besprich diesen Punkt vorher mit Deinem Arzt)
  6. schnelle Wiedererwärmung:
    1. Niemals trockene Hitze, niemals reiben!
    2. Bade betroffene Stelle in warmen Wasser (mit Desinfektionsmittel wenn möglich). Die Wassertemperatur sollte 37 °C betragen
    3. füge von Zeit zu Zeit warmes Wasser hinzu um das Bad warm zu halten
    4. Erwärme den betroffenen Körperteil bis zu einer Temperatur auf die der des übrigen Körpers entspricht oder bis die normale Hautfarbe zurück kehrt. (durchschnittlich 1 Stunde für einen Fuß)
    5. Anschließend: vorsichtig abtrocknen und locker, steril verbinden wenn möglich. Betroffene Körperstelle hochlagern. Der Verletzte darf, wenn die Füße betroffen sind, anschließend nicht laufen. Ein Transport in eine medizinische Einrichtung ist zwingend notwendig.
    6. Die Prozedur der Wiedererwärmung verursacht große Blasen. Gib acht, dass sie nicht platzen.