Examensrepetitorium Jura: BGB Schuldrecht: Schadensersatz
Allgemeines
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Allgemeine Voraussetzungen für den Schadensersatz
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Im Recht der Leistungsstörungen (bzw. Pflichtverletzungen) kommen verschiedene Anspruchsgrundlagen in Betracht: §§ 280 - 283 sowie § 311a Abs. 2 BGB. Die zentrale Norm ist § 280 BGB (h. M.). Sie gilt für alle Pflichtverletzungen (außer für die anfängliche Unmöglichkeit nach § 311a BGB); die §§ 281 ff. BGB stellen zusätzliche Voraussetzungen auf. Dementsprechend sind nach h. M. §§ 281 ff. BGB immer in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB und der entsprechenden Verweisung in § 280 Abs. 2, 3 BGB anzuwenden[1]. Nach a. A. sind sowohl §§ 280 Abs. 1 als auch §§ 281 ff. BGB eigene Anspruchsgrundlagen, die einzeln genannt und angewandt werden können[2].
Der Begriff der Pflichtverletzung ist von zentraler Bedeutung. Folgende Formen der Pflichtverletzung sind denkbar:
- Verletzung einer Hauptpflicht (z. B. Leistung einer mangelhaften Kaufsache, § 433 Abs. 1 S. 2 BGB),
- Verletzung einer leistungsbezogenen Nebenpflicht (z. B. mangelhafte Beratung, Aufklärung, Verpackung, Anlieferung, Aufstellung),
- Verletzung einer nichtleistungsbezogenen Nebenpflicht (z. B. Zerstörung einer wertvollen Vase bei Handwerkerarbeiten in der Wohnung, § 241 Abs. 2 BGB).
Nach h. M. gelten bei der Abgrenzung der möglichen Anspruchsgrundlagen die folgenden Grundsätze[3]:
- Der Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281 - 283 BGB tritt an die Stelle der primär geschuldeten Leistung. Daher sind nach diesen Normen nur solche Schäden ersatzfähig, die aus dem endgültigen Ausbleiben der Leistung resultieren.
- Sämtliche Verzögerungsschäden (d. h. Schäden aufgrund verspäteter Leistung) fallen unter § 280 Abs. 1, 2 in Verbindung mit § 286 BGB.
- Alle übrigen Schäden sind nach § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Das betrifft sowohl Schutzpflichtverletzungen (§ 241 Abs. 2 BGB) als auch leistungsbezogene Pflichtverletzungen bei Vertragstypen, die kein spezielles Gewährleistungsrecht haben (z. B. der Dienstvertrag).
Der Schadensersatzanspruch des Gläubigers ist nur begründet, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Wichtig ist die Unterscheidung: Für die Pflichtverletzung des Schuldners trägt der Gläubiger die volle prozessuale Darlegungs- und Beweislast, nur das Vertretenmüssen wird zu Lasten des Schuldners vermutet. Steht also fest, dass der Schuldner eine Pflicht verletzt hat, muss er im Prozess darlegen und beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (Eine Ausnahme macht § 619a BGB für Arbeitnehmer.) Bei feststehendem (Klausur-)Sachverhalt ist das Vertretenmüssen nach §§ 276 - 278 BGB zu prüfen.
- Der Schuldner haftet für jedes Risiko, das er vertraglich übernommen hat, z. B. die Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffenheitsrisikos (§ 276 Abs. 1 BGB). Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht mehr an. Der Schuldner kann sich nur noch z. B. mit dem Einwand verteidigen, dass kein Garantiefall eingetreten sei. Einen weiteren Fall verschuldensunabhängiger Haftung bildet die Haftung für zufälligen Untergang während des Verzugs (§ 287 S. 2 BGB).
- Ansonsten haftet der Schuldner für Verschulden. Dies setzt zunächst seine Verschuldensfähigkeit voraus (§ 276 Abs. 1 S. 2 verweist auf §§ 827, 828 BGB); strittig ist, ob die Billigkeitshaftung des § 829 BGB Anwendung findet[4]. Scheidet die eigene Verschuldensfähigkeit eines Minderjährigen aus, kommt es auf das Verschulden seiner gesetzlichen Vertreter (i. d. R. die Eltern, § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB) an. Des weiteren ist das konkrete Verschulden zu prüfen. Der Schuldner haftet insbesondere für Fahrlässigkeit, d. h. das Außerachtlassen der verkehrsüblichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB). Dabei gilt ein objektiver Maßstab, individuelle Leistungsfähigkeit bleibt grundsätzlich unberücksichtigt. Der Haftungsmaßstab kann auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beschränkt sein, sofern auf § 277 BGB verwiesen wird (z. B. in §§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, 690, 708, 1359, 1664, 2131 BGB, § 4 LPartG). Teils ist die Haftung auch auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt (vgl. §§ 300 Abs. 1, 521, 599, 680 BGB, §§ 104 ff. SGB VII).
- Der Schuldner muss sich auch fremdes Verschulden zurechnen lassen, nämlich das seiner Erfüllungsgehilfen und seiner gesetzlichen Vertreter (§ 278 BGB). Zu prüfen ist allerdings nicht eigenes Verschulden der Hilfsperson, sondern ob das Verhalten der Hilfsperson schuldhaft wäre, wenn der Schuldner selbst sich derart verhalten hätte (Wortlaut "in gleichem Umfange"[5]. Allerdings wird das Auftreten eines besser qualifizierten Erfüllungsgehilfen regelmäßig zur Anhebung des Fahrlässigkeitsstandards führen, denn der Schuldner muss sich die Kenntnisse und Fähigkeiten seiner Gehilfen insoweit zurechnen lassen[6].
Die einzelnen Schadensersatzansprüche
[Bearbeiten]Der allgemeine Schadensersatzanspruch
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§ 280 Abs. 1 BGB
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1. Zunächst muss eine Pflichtverletzung vorliegen.
a) Der allgemeine Schadensersatzanspruch folgt aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. Unstreitig erfasst ist die Verletzung nichtleistungsbezogener Pflichtverletzungen, also Schutzpflichtverletzungen im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB. Zu ersetzen sind insb. Integritätsschäden an Rechtsgütern des Gläubigers. Beispiel: Verkäufer V liefert Käufer K eine nicht wasserdichte Waschmaschine. Als K die Maschine in Betrieb nimmt, entsteht ihm ein Wasserschaden.
V hat eine Pflichtverletzung begangen, da er zur Lieferung einer mangelfreien Waschmaschine verpflichtet war (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Dadurch sind Rechtsgüter des K geschädigt worden.
- Nach h. M. liegt damit schon die Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB vor[7].
- Nach a. A. ist noch § 241 Abs. 2 BGB zu prüfen[8]. V müsste nach dieser Ansicht seine Pflicht verletzt haben, die Waschmaschine auf ihre fehlerfreie Funktion vor der Lieferung zu überprüfen. Da eine solche Pflicht für einen Zwischenhändler industriell gefertigter Massenartikel nicht besteht[9], würde der Anspruch demnach hier scheitern.
§ 280 Abs. 1 BGB ist auch bei Verletzung vor- oder quasivertraglicher Schutzpflichtverletzungen anzuwenden. Pflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB entstehen in den Fällen von § 311 Abs. 2 und 3 BGB.
b) Strittig ist, ob § 280 Abs. 1 S. 1 BGB darüber hinaus auch die Verletzung von leistungsbezogenen Pflichten erfasst. Nach einer von Teilen der Literatur vertretenen Ansicht ist das nicht der Fall; die Norm soll ausschließlich Integritätsschäden i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB erfassen[10]. Dagegen spricht jedoch die gesetzliche Systematik, aus der sich eine solche Beschränkung nicht entnehmen lässt (h. M.). Insbesondere wird der Schadensersatz wegen Schlechtleistung im Dienstvertragsrecht nach ganz h. M. auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt. Die Norm nimmt bei Vertragstypen ohne eigenes Gewährleistungsrecht den Platz der früheren positiven Forderungs- bzw. Vertragsverletzung (pVV) ein[11]. § 280 Abs. 1 BGB erfasst also grundsätzlich auch Fälle der Schlechtleistung.
c) Problematisch ist schließlich noch der Begriff der Pflichtverletzung und die daraus resultierenden Folgen für die Beweislast des Gläubigers.
- Nach einem Teil der Literatur ist der Begriff der Pflichtverletzung verhaltensbezogen zu verstehen. Danach stellt z. B. nicht schon die Unmöglichkeit zur Leistung eine Pflichtverletzung dar, sondern das konkrete Verhalten, das die Unmöglichkeit herbeigeführt hat[12]. Das hat zur Folge, dass der Gläubiger nicht nur die bloße Nichterfüllung, sondern auch den konkreten Grund dafür darzulegen und zu beweisen hat.
- Gegen dieses Ergebnis wendet sich die h. M., da der Gesetzgeber eine solche Verteilung der Beweislast zuungunsten des Gläubigers nicht gewollt hat. Nach h. M. genügt zur Bejahung einer objektiven Pflichtverletzung aus dem Leistungsbereich schon jede Nichterfüllung. Anders liegt es nur bei der Schutzpflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB), da nicht jede Verletzung fremder Rechtsgüter gleichzeitig eine Pflichtverletzung aus einer Sonderverbindung sein muss[13].
2. Die Pflichtverletzung muss ursächlich für den eingetretenen Schaden sein (Kausalität).
3. Aus der negativen Formulierung von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich, dass zu Lasten des Schuldners vermutet wird, er habe die Pflichtverletzung zu vertreten. Es handelt sich um eine widerlegbare Vermutung. Der Schuldner kann sich exkulpieren, indem er darlegt und nötigenfalls auch beweist, dass ihn kein Verschulden im Sinne von §§ 276 - 278 BGB trifft.
Die Verschuldensvermutung bezieht sich auf die Pflichtverletzung, deren Begriff - wie oben unter 1. c) ausgeführt - umstritten ist. Folgt man dem verhaltensbezogenen Begriff, wird vermutet, dass der Schuldner das konkrete, zur Pflichtverletzung führende Handeln oder Unterlassen zu vertreten hat. Folgt man dagegen der h. M., hat der Schuldner schon die Nichterfüllung seiner Pflicht zu vertreten[14].
Konkurrenzen: Neben § 280 Abs. 1 BGB können Ansprüche aus Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) oder dem Produkthaftungsgesetz bestehen. Es besteht Anspruchskonkurrenz, Schadensersatz kann also nur einmal, allerdings mit alternativer Begründungsmöglichkeit, verlangt werden.
Verzögerungsschäden
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§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB
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Schäden wegen verspäteter Leistung sind nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB zu ersetzen. Voraussetzung dafür ist, dass der Anspruch auf eine noch erbringbare Leistung noch nicht erfüllt ist. Dieser Anspruch muss voll wirksam und fällig sein, es darf also keine dauernde oder aufschiebende Einrede bestehen. Die Leistung darf auch nicht unmöglich sein. Des weiteren muss der Schuldner vom Gläubiger gemahnt worden sein (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB) oder eine der Mahnung gleichgestellte Handlung vorgenommen haben (§ 286 Abs. 1 S. 2 BGB). In den Fällen von § 286 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 BGB ist die Mahnung entbehrlich. Bei Entgeltforderungen tritt der Verzug ein, wenn der Schuldner nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung zahlt (§ 286 Abs. 3 BGB); Abschwächungen gelten für Schuldner, die Verbraucher (§ 13 BGB) sind. Schließlich ist noch zu beachten, dass der Schuldner nicht in Verzug gerät, wenn er die Leistungsverzögerung nicht zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB).
Der Gläubiger einer Geldforderung kann Verzugszinsen verlangen (§ 288 Abs. 1 - 3 BGB), und zwar fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 247 BGB) oder, wenn kein Verbraucher (§ 13 BGB) an dem Geschäft beteiligt ist, acht Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz. (Exkurs: Beim Klageantrag sollte auf die Formulierung "x Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz" geachtet werden, denn rechnerisch zu wenig bekommt, wer nur "x Prozent über dem Basiszinssatz" beantragt[15].
Darüber hinaus kann der Gläubiger weiteren Schadensersatz verlangen (§ 288 Abs. 4 BGB). Die Kosten für die erste Mahnung gehören übrigens nicht zum Verögerungsschaden, da die Mahnung erst verzugsbegründend wirkt.
Schadensersatz statt der Leistung
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§§ 280 Abs.1,3, 281 BGB
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In den Fällen von Nichtleistung oder Schlechtleistung besteht ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB. Voraussetzung ist zunächst ein wirksames Schuldverhältnis. Der Schuldner muss eine daraus resultierende Pflicht verletzt haben, indem er eine fällige (§ 271 BGB) Leistung nicht oder nicht wie geschuldet (schlecht) erbracht hat. Der Anspruch auf diese Leistung muss voll wirksam entstanden und durchsetzbar sein, also insbesondere einredefrei sein (h. M.); eine Ausnahme davon ist entsprechend § 323 Abs. 4 BGB zu machen, wenn der Schuldner die Leistung schon vor Fälligkeit verweigert. Die Leistung muss noch möglich (§ 275 BGB) sein, ansonsten greifen §§ 283, 311a BGB. Der Gläubiger muss außerdem erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt haben (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB), es sei denn die Fristsetzung ist nach einem Fall von § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich. Der Anspruch ist schließlich ausgeschlossen, wenn der Schuldner sich gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entlastet.
Die Geltendmachung von Schadensersatz schließt den Anspruch auf die Leistung aus (§ 281 Abs. 4 BGB). Auch der Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. § 284 BGB ist neben dem Schadensersatz statt der Leistung ausgeschlossen. Der Rücktritt gem. § 323 BGB bei gegenseitigen Verträgen ist hingegen nicht ausgeschlossen. Strittig ist, ob die Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 BGB mit dem Verlangen nach Schadensersatz verbunden werden kann. Fraglich ist in dem Zusammenhang auch, ob § 281 Abs. 4 BGB durch AGB abdingbar ist und so zur früheren Friststzung mit Ablehnungsandrohung zurückgekehrt werden kann[16].
Schadensersatz statt der Leistung wegen Schutzpflichtverletzung
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§§ 280 Abs.1, 3, 282, 241 Abs.2 BGB
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Nach § 282 BGB kann Schadensersatz statt der Leistung verlangt werden, wenn der Schuldner eine Schutzpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt und dem Gläubiger dadurch die Entgegennahme der Leistung unzumutbar wird. (Nicht zu verwechseln mit dem Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, der unabhängig vom Leistungsanspruch besteht.) Beispiel: Ein Handwerker beschädigt bei der an sich ordentlichen Arbeit Eigentum des Auftraggebers.
Teilweise wird vertreten, dass der Gläubiger den Schuldner nach erstmaliger Pflichtvereletzung immer zunächst abmahnen muss. Nach a. A. kann der Schadensersatzanspruch zumindest dann sofort geltend gemacht werden, wenn es sich um eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung handelt. Das Abwarten nach einmaliger Pflichtverletzung ist nur dann zu fordern, wenn die erste Pflichtverletzung noch nicht die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet[17].
Schadensersatz wegen nachträglicher Unmöglichkeit
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§§ 280 Abs.1,3, 283 BGB
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Im Fall nachträglicher Unmöglichkeit kann Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB verlangt werden. Voraussetzung ist zunächst, dass ein Fall der subjektiven oder objektiven Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) bzw. ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2, 3 BGB vorliegt. Eine Fristsetzung ist entbehrlich. Das Leistungshindernis darf erst nach Vertragschluss entstanden sein (ansonsten gilt § 311a BGB). Es muss ein kausaler Schaden beim Gläubiger entstanden sein. Im Fall der quantitativen Unmöglichkeit setzt der "große" Schadensersatzanspruch voraus, dass an der Teilleistung kein Interesse besteht (§ 283 S. 2 in Verbindung mit § 281 Abs. 1 S. 2 BGB); im Fall der qualitativen Unmöglichkeit muss die Schlechtleistung erheblich sein (§ 283 S. 2 in Verbindung mit § 281 Abs. 1 S. 3 BGB). Der Anspruch ist schließlich ausgeschlossen, wenn der Schuldner sich gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten kann.
Auch hier wird der Streit über den Begriff der Pflichtverletzung relevant:
- Nach teilweise vertretener Ansicht liegt die Pflichtverletzung in dem Verhalten, dass die Leistung unmöglich gemacht hat. Das hat zur Folge, dass den Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich dieses Verhaltens trifft (siehe schon oben). Dafür spricht, dass streng logisch betrachtet nur die Herbeiführung der Unmöglichkeit eine Pflichtverletzung sein kann, nicht jedoch die Unmöglichkeit selbst, da eine unmögliche Pflicht nicht mehr verletzt werden kann[18].
- Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast widerspricht jedoch nach h. M. sowohl dem Wortlaut des § 283 BGB als auch dessen Entstehungsgeschichte (Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 [271]). Die Pflichtverletzung liegt nach h. M. daher schon in der Nichterfüllung. Die Frage, warum der Schuldner nicht mehr leisten kann, ist beim Vertretenmüssen zu erörtern[19].
Anmerkung: Es wird vertreten, dass die Vorschrift des § 283 BGB eigentlich überflüssig ist[20], und zwar aus folgenden Gründen: Der Anwendungsbereich von S. 1 erstreckt sich rein auf die Fälle von § 275 BGB. Es handelt sich bei § 283 S. 1 BGB also um eine Ergänzung zu § 281 Abs. 2 BGB, d. h. einen weiteren Fall, in dem die Fristsetzung entbehrlich ist. Verweigert der Schuldner aus den Gründen von § 275 BGB jedoch die Leistung, liegt immer auch eine Erfüllungsverweigerung nach § 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB vor. Demnach verbleibt für § 283 BGB kein wirklich eigener Regelungsbereich (§ 283 S. 2 ist ohnehin rein deklaratorisch).
Schadensersatz wegen anfänglicher Unmöglichkeit
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§ 311a Abs.2 BGB
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Liegt ein Leistungshindernis nach § 275 Abs. 1 - 3 BGB schon bei Vertragsschluss vor, kann der Gläubiger Schadensersatz oder Aufwendungsersatz (§ 284 BGB) verlangen, es sei denn der Schuldner kannte das Leistungshindernis nicht und hat seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten (§ 311a BGB).
Der Schuldner haftet also, wenn er das Leistungshindernis zu vertreten hat. Gesetzlich offen gelassen ist der Fall, dass er das Hindernis nicht zu vertreten hat. Die Rechtsfolge ist für den Fall umstritten:
- Nach teilweise vertretener Auffassung ist § 122 BGB analog anzuwenden. Dafür spricht, dass der Irrtum über die Leistungsfähigkeit in der Regel einen Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB) begründet und der Gläubiger entsprechend schutzwürdig ist[21].
- Nach h. M. hat der Gläubiger jedoch keinen Anspruch. Nach dem Wortlaut des Gesetzes haftet der Schuldner nur für ein zu vertretenes Leistungshindernis (§ 311a Abs. 2 BGB). Außerdem sei es widersprüchlich, dem Schuldner einerseits den Schutz von § 119 BGB zu versagen (es besteht i. d. R. kein Anfechtungsrecht) und ihm andererseits die Pflicht nach § 122 BGB aufzuerlegen[22].
Zu beachten ist auch: Zwar verletzt das Versprechen einer unmöglichen Leistung die Freiheit der Willensentschließung, also ein Rechtsgut im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB. Jedoch darf neben § 311a Abs. 2 BGB nicht § 280 Abs. 1 BGB angewendet werden. Die Regelung in § 311a BGB ist spezieller. Nach der Norm ist auch nur das (positive) Erfüllungsinteresse zu ersetzen, nicht ein darüber hinausgehender Schaden[23].
Aufwendungsersatz
[Bearbeiten]Alternativ zum Schadensersatz kann Aufwendungsersatz verlangt werden (Wortlaut des § 284 BGB: "anstelle").
Umstritten ist, ob der Gläubiger nutzlos aufgewendete eigene Arbeitsleistung erstattet verlangen kann.
- Teilweise wird der Ersatz (entsprechend der Rechtslage bei § 670 BGB) auf solche Arbeit beschränkt, die zum Gewerbe oder Beruf des Gläubigers gehört.
- Die Gegenansicht verweist darauf, dass die o. g. Auslegung von § 670 BGB auf der Unentgeltlichkeit des Auftrags beruht. Daher sei nicht einzusehen, dass der Ersatz für eigene Arbeitsleistungen beschränkt werden müsse[24].
Ein weiteres Problem ist das Verhältnis des § 284 BGB zur sog. Rentabilitätsvermutung für frustrierte Aufwendungen: Danach besteht beim Schadensersatz eine Vermutung dafür, dass getätigte Aufwendungen durch den Erhalt der Vorteile aus der Gegenleistung kompensiert worden wären[25]. Frustrierte Aufwendungen gehören systematisch zum negativen Interesse, das grundsätzlich nur nach § 284 BGB ersetzt wird, also nach der Norm nur alternativ zum Ersatz des positiven Interesses als Schadensersatz.
- Teils wird vertreten, dass § 284 BGB teleologisch reduziert werden müsse, um bei pflichtwidrig nicht erfülltem Vertrag Aufwendungsersatz neben dem Schadensersatz zu ermöglichen. Wegen der frustrierten Aufwendungen müsse auf die Generalklausel gem. § 280 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden[26].
- Nach h. M. bleibt es dagegen bei der Exklusivität im Verhältnis zwischen Aufwendungs- und Schadensersatz. Allerdings finde im Rahmen des Schadensersatzes die Rentabilitätsvermutung weiterhin Anwendung[27]. Damit zählen auch vergebliche Aufwendungen zum ersatzfähigen Schaden. Die Konsequenz ist allerdings, dass auch hinsichtlich der Aufwendungen Verschulden des Schädigers vorliegen muss (§ 284 BGB setzt an sich kein Verschulden voraus).
Zu beachten ist jedenfalls:
- Das Konkurrenzverhältnis ist für jeden Schadensposten einzeln zu klären. Die Gefahr der Überkompensation, die durch Alternativität der Berechnungsarten vermieden werden soll, besteht dann nicht[28].
- Die Rentabilitätsvermutung ist von vornherein ausgeschlossen, wenn der Gläubiger mit der Leistung keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt; in dem Fall kann er den Ersatz seiner nutzlosen Aufwendungen nur nach § 284 BGB erlangen[29].
Anmerkungen
[Bearbeiten]- ↑ Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (268).
- ↑ v. Wilmowsky, JuS-Beilage 1/2002, S. 3 f.
- ↑ Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (268); HandKomm-BGB/Schulze, 4. Aufl. 2005, § 280 Rn. 4.
- ↑ Dafür Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 276 Rn. 6; HandKomm-BGB/Schulze, 4. Aufl. 2005, § 276 Rn. 5.
- ↑ Medicus, Grundwissen zum Bürgerlichen Recht, 6. Aufl. 2004, Rn. 160.
- ↑ Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel, BGB, 2006, § 278 Rn. 3 und § 276 Rn. 12.
- ↑ Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (268 f.); HandKomm-BGB/Schulze, 4. Aufl. 2005, § 437 Rn. 10.
- ↑ Schwab, JuS 2002, 1 (7 f.); Reischl, JuS 2003, 40 (47).
- ↑ Vgl. Schulze/Ebers a. a. O. Fn. 51.
- ↑ v. Wilmowsky, JuS-Beilage 1/2002, S. 5; Reischl, JuS 2003, 250.
- ↑ Vgl. Palandt/Heinrichs, 63. Aufl. 2004, § 280 Rn. 16; Medicus, Grundwissen zum Bürgerlichen Recht, 6. Aufl. 2004, Rn. 155 f.
- ↑ Schwab, JuS 2002, 1 (3); Mattheus, JuS 2002, 209 (213).
- ↑ Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (269).
- ↑ Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (269).
- ↑ Dazu Führ, JuS 2005, 1095 ff.
- ↑ Für Verstoß gegen § 307 Abs. 2 BGB Schulze/Ebers, Jus 2004, 265 (271).
- ↑ Schulze/Ebers, Jus 2004, 265 (271).
- ↑ Schwab, JuS 2002, 1 (3); Mattheus, JuS 2002, 209 (213).
- ↑ Schulze/Ebers a. a. O.
- ↑ Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel, BGB, 2006, § 283 Rn. 1, 4.
- ↑ Canaris, JZ 2001, 499 (507 f.); zustimmend Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (271 f.); HandKomm-BGB/Schulze, 4. Aufl. 2005, § 311a Rn. 9.
- ↑ Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 311a Rn. 14.
- ↑ v. Wilmowsky, JuS-Beilage 1/2002, S. 5.
- ↑ Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (272).
- ↑ HandKomm-BGB/Schulze, 4. Aufl. 2005, § 281 Rn. 16.
- ↑ Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 440.
- ↑ Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (272).
- ↑ Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel, § 284 Rn. 4.
- ↑ Medicus, Grundwissen zum Bürgerlichen Recht, 6. Aufl. 2004, Rn. 150a.