Examensrepetitorium Jura: Grundrechte: Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit)

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Träger[Bearbeiten]

Grundrechtsträger sind alle Deutschen. Art. 19 III GG ist dem Wesen des Art. 8 GG nach anwendbar: Juristische Personen können Veranstalter von Versammlungen sein, an denen sie mangels physischer Existenz nicht teilnehmen können.

Schutzgut[Bearbeiten]

Die Freiheit sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, stellt nach dem BVerfG eine Art Verkörperung der Meinungsfreiheit dar. Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.[1]

  • Mehrere Personen: Diskutiert werden mindestens 7 nach § 56 BGB, mindestens 3 nach § 73 BGB oder, weil das BGB als einfaches Gesetz für die Auslegung von Grundrechten keinen Maßstab setzen kann, mindestens 2 Personen (h.M.).
  • gemeinsamer Zweck: Hieran sollen Versammlungen von Ansammlungen getrennt werden. Letztere haben zwar den gleichen, aber nicht auch einen gemeinsamen Zweck (z.B. Gaffer, Konzertbesucher). (P) Strittig ist, ob der Zweck auf die öffentliche Meinungsbildung zu beschränken ist. Ein rein kommerzieller Zweck soll nicht ausreichend sein.[2] Problematisch erscheint dies angesichts von Parteien organisierten, mit kommerziellen Elementen angereicherten Versammlungen. Die Unterscheidung anhand einer (fernliegenden) politischen Ausrichtung erscheint in diesen Fällen willkürlich.
  • örtliche Zusammenkunft: Der Schutzbereich umfasst Gegenstand, Zeit und Ort der Versammlung. Das Recht des Orts wiederum berechtigt nicht zur Inanspruchnahme von Grundstückseigentümern. Problematisch ist, ob der Weg hin zur Versammlung auch in den Schutzbereich fällt. Auswirkungen hat diese Frage auf die Anwendbarkeit des Polizei- und Ordnungsrechts.

Nicht friedliche Versammlungen und solche, die nicht ohne Waffen stattfinden, sind schon vom Schutzbereich ausgeklammert.

  • Waffen: Waffen sind alle Waffen im technischen Sinn. Weiterhin auch gefährliche Werkzeuge (Baseballschläger, Eisenketten...). Helme und andere Schutzkleidung und Vermummungen sind keine Waffen. (P) Schutzwaffen (also Helme/Schutzkleidung) sind nach § 17 II VersammlG verboten.
    • Nach einer Ansicht greift diese Regelung nicht in Art. 8 GG ein: Sich gegen Zwangs- und Erkennungsmaßnahmen zu schützen, ist nicht versammlungsspezifisch, sondern nach Art. 2 GG zu beurteilen.[3]
    • Nach anderer Ansicht liegt zwar ein Eingriff vor, dieser ist aber jedenfalls gerechtfertigt; in Ausnahmefällen ist eine „friedliche Vermummung“ in verfassungskonformer Auslegung des § 17 II VersammlG zuzulassen.
  • Unfriedlich ist eine Versammlung, wenn sie als ganzes gewalttätig und aufrührerisch ist oder solches Tun Einzelner von der Mehrheit gebilligt wird. Einzelne gewaltbereite Personen genügen sonst nicht. Ebenso genügt die einfache Verwirklichung von Straftaten nach dem StGB oder Ordnungswidrigkeiten nach dem OWiG nicht, sonst könnte auf diesem Weg die Versammlungsfreiheit ausgehöhlt werden. Das gleiche gilt für die Behinderung Dritter.

Schranken[Bearbeiten]

Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 8 II GG unterliegen dem einfachen Gesetzesvorbehalt. (P) Die Anmeldepflicht nach dem VersammlG widerspricht dem Wortlaut nach Abs. 1. Der Abs. 2 muss daher entweder so interpretiert werden, dass er das gewährte Schutzgut zurücknimmt, was frei zugängliche Versammlungen betrifft oder man muss bei § 14 I VersammlG ansetzen. Dazu kommt einmal die verfassungskonforme Auslegung in Betracht: § 14 I VersammlG gilt dann nicht uneingeschränkt (z.B. nicht für Spontandemonstrationen und Eilversammlungen, die evtl. von der 48-Stunden-Frist befreit sind). Andererseits kommt in Betracht, dass § 14 I VersammlG schlicht verfassungswidrig ist.[4]

Einzelne Schrankengesetze:

  • Versammlungsgesetz des Bundes (Lex specialis zu den folgenden Gesetzen. Die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht liegt seit 2006 bei den Ländern. Solange jedoch die Länder keinen Gebrauch von ihrer Kompetenz machen, gilt das Bundesgesetz fort, Art. 125a I GG.)
  • Bannmeilengesetze der Länder (verfassungskonform, wenn auch Demonstration innerhalb der Bannmeile zugelassen werden kann)
  • §§ 125, 125a und 130 IV StGB
  • Polizei- und Ordnungsrecht (insb. relevant, wenn es um Einzelpersonen geht)
  • Nicht Straßenrecht, Versammlungen sind keine erlaubnispflichtige Sondernutzung.
  • Art. 17a I GG iVm. § 15 III SoldatenG

Versammlungen, die nach den Seiten abgegrenzt und somit weniger gefährlich sind (= nicht unter freiem Himmel), weil kein unkontrollierter ungehinderter Zugang besteht, werden nur durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt. Hier sei nochmal auf den Art. 17a I GG iVm. § 15 III SoldatenG hingewiesen.

Nebenstreitigkeiten[Bearbeiten]

Es wird diskutiert, ob § 3 I VersammlG rechtmäßig ist: Die historisch begründete Möglichkeit, von dem militant anmutenden Aufzug eingeschüchtert zu werden, besteht wohl. Fraglich ist, ob sich daraus die Grundlage für behördliches Einschreiten im Einzelfall oder auch die Befugnis zum undifferenzierten Verbot ergibt.[5]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. BVerfGE 104, 92.
  2. BVerfG NJW 2001, 2459.
  3. Ipsen "Staatsrecht II" Rn. 541.
  4. Sachs "GG Kommentar" 5.Auflage, Art.8 Rn 57-59.
  5. Sachs "GG Kommentar" 5. Aufl. 2009, Art. 8, Rn. 61.