Examensrepetitorium Jura: Schwerpunktbereich Internationales Privatrecht: Anerkennung und Vollstreckung

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EuGVVO[Bearbeiten]

Anerkennung[Bearbeiten]

Die Anerkennung ausländischer Urteile erfolgt nach Art. 33 Abs. 1 EuGVVO automatisch ohne ein gesondertes Anerkennungsverfahren. Urteile der Gerichte eines Mitgliedsstaats gelten nach auch in allen anderen, können aber in einem eigenen Verfahren oder inzident bei der Entscheidung über eine Klage, die sich auf dieses Urteil stützt überprüft werden.

Die Anerkennung kann nach Art. 34 EuGVVO und Art. 35 EuGVVO nur aus folgenden Gründen verweigert werden:

  • Unvereinbarkeit mit dem ordre public des Mitgliedsstaates. Dies bezieht sich sowohl auf materiellrechte wie auch auf prozessuale Grundsätze.
  • fehlendes rechtliches Gehör des Beklagten aufgrund nicht rechtzeitiger Zustellung der Klageschrift
  • Unvereinbarkeit mit einem Urteil eines Gerichts des Mitgliedsstaats
  • Unvereinbarkeit mit einem in derselben Sache ergangenen Urteil eines anderen Mitgliedsstaats oder Drittstaats
  • Verletzung der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 EuGVVO oder derjenigen zum Schutz von Versicherungsnehmern, Verbrauchern und Arbeitnehmern. Eine weitergehende Zuständigkeitsprüfung kann sich nur aus bilateralen Verträgen ergeben (Art. 72 EuGVVO).

Eine inhaltliche Prüfung der ausländischen Entscheidung (révision au fond) ist nach Art. 36 EuGVVO ausgeschlossen.

Die Anerkennungsvoraussetzungen sind von Amts wegen zu prüfen, wobei die Beweislast derjenige trägt, der die Anerkennung bestreitet.[1] Ist gegen die Entscheidung in dem Mitgliedstaat, in dem sie ergangen ist, ein Rechtsbehelf anhängig, kann das Anerkennungsverfahren gem. Art. 37 EuGVVO ausgesetzt werden. Die Entscheidung erfolgt von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen gem. § 148 ZPO.[2]

Vollstreckung[Bearbeiten]

Im Gegensatz zur automatischen Anerkennung kann die Zwangsvollstreckung aus einem ausländischen Titel nach Art. 38 EuGVVO nur durchgeführt werden, wenn dieser zuvor auf Antrag eines Berechtigten in einem eigenständigen Verfahren, dem sog. Exequaturverfahren, für vollstreckbar erklärt worden ist.

Voraussetzungen[Bearbeiten]

Verfahren[Bearbeiten]

Das Verfahren nach der EuGVVO wird ergänzt durch das AVAG.

  • Zuständigkeit: Art. 39 i.V.m. Anhang II - Landgericht
  • Antrag: Art. 40, Art. 53, Art. 54, Anhang V - Vorlage der vollstreckungsfähigen Entscheidung und Bestätigung nach Art. 54
  • Verfahren: Art. 41 - keine Anhörung des Schuldners, Prüfumfang auf Formalien beschränkt
  • Tenor: § 8 AVAG - Anordnung der Erteilung der Vollstreckungsklausel
  • Erteilung: § 9 AVAG - durch den Urkundsbeamten

Rechtsbehelf[Bearbeiten]

Gegen die Vollstreckbarerklärung eröffnen die Art. 43 EuGVVO bis Art. 45 EuGVVO Rechtsbehelfe. Zuständig ist nach Art. 43 i.V.m. Anhang III das OLG. Es handelt sich um ein kontradiktorisches Verfahren. Gegen die Entscheidung des OLG ist die Rechtsbeschwerde zulässig, Art. 44 i.V.m. Anhang IV.

Reform[Bearbeiten]

Die EuGVVO wird ab Januar 2015 abgelöst durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, die das Exequaturverfahren abschafft.

Autonomes deutsches Recht[Bearbeiten]

Anerkennung[Bearbeiten]

Die Anerkennung ausländischer Urteile erfordert kein gesondertes Verfahren, sondern erfolgt automatisch soweit die Voraussetzungen des § 328 ZPO vorliegen.

Vollstreckung[Bearbeiten]

Auch das deutsche Recht sieht wie die EuGVVO ein Exequatur-Verfahren vor, im Rahmen dessen das ausländische Urteil für vollstreckbar erklärt wird.

ZPO[Bearbeiten]

Dieses richtet sich bei normalen Zivilsachen nach § 722, § 723 ZPO. Es handelt sich um ein normales Klageverfahren inklusive Anhörung der Gegenseite. Der Prüfungsmaßstab ist jedoch eingeschränkt. Die Klage ist begründet, wenn

  • die ausländische Entscheidung rechtskräftig und nach § 328 ZPO anerkennungsfähig ist,
  • keine zulässigen und begründeten Einwendungen nach § 767 ZPO vorgebracht werden.

FamFG[Bearbeiten]

In Familiensachen im Sinne des § 111 FamFG findet eine mit dem ZPO-Verfahren vergleichbare Vollstreckbarerklärung nach § 110 FamFG statt.

Europäischer Vollstreckungstitel[Bearbeiten]

Die EuVTVO[4] gilt seit dem 21. Oktober 2005 und führt ein vereinfachtes Verfahren zur zeit- und kostengünstigen Vollstreckung unbestrittener Forderungen ein. Mit ihr können Gläubiger einen in den anderen Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) geltenden Vollstreckungstitel erhalten, ohne ein Exequaturverfahren durchführen zu müssen. Ziel der Verordnung ist die Stärkung der Grundfreiheiten im Binnenmarkt.[5]

Der Europäische Vollstreckungstitel (EuVT) ist kein selbständiger Vollstreckungstitel, sondern erweitert nur die Vollstreckbarkeit eines bestehenden Vollstreckungstitels auf die anderen Mitgliedstaaten.

Die ZPO enthält in den §§ 1079-1086 Regelungen zur genauen Umsetzung.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Hüßtege in Thomas/Putzo, 34. Aufl. 2013, Art. 33 EuGVVO Rn. 1
  2. Hüßtege in Thomas/Putzo, 34. Aufl. 2013, Art. 37 EuGVVO Rn. 2
  3. Hüßtege in Thomas/Putzo, 34. Aufl. 2013, Art. 38 EuGVVO Rn. 5
  4. EG-Verordnung Nr. 805/2004 - Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. L 143/04 S.15
  5. Heß, Neues deutsches und europäisches Zustellungsrecht, NJW 2002, 2417 (2425)

Weblinks[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

  • Haimo Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl 2014, ISBN 978-3-406-66101-3.
  • Ansgar Staudinger / Björn Steinrötter, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht: Alles „Brüssel“, oder was?, Juristische Arbeitsblätter (JA) 2012, 421 (PDF).
  • Thomas Rauscher (Hrsg.), Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht: Brüssel I-VO, LugÜbk 2007, 2010, ISBN 978-3-86653-088-1.
  • Thomas Rauscher (Hrsg.), Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht: EG-VollstrTitelVO, EG-MahnVO, EG-BagatellVO, EG-ZustellVO 2007, EG-BewVO, EG-InsVO, 2010, ISBN 978-3-86653-090-4.
  • Thomas Rauscher (Hrsg.), Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht: Brüssel IIa-VO, EG-UntVO, EG-ErbVO-E, HUntStProt 2007, 2010, ISBN ISBN 978-3-86653-089-8.
  • Reinhold Geimer, Rolf A. Schütze, Ewald Geimer: Europäisches Zivilverfahrensrecht. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3406510151..
  • Peter F. Schlosser: EU-Zivilprozessrecht. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3406565366..