Handbuch Sozialleistungen/ Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II)

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Allgemeines und Voraussetzungen[Bearbeiten]

Das Arbeitslosengeld II (umgangssprachlich auch „Hartz IV“) stellt die Grundsicherung für arbeitsfähige Menschen dar. Es wird aus Steuermitteln finanziert, daher gibt es keine Vorversicherungszeit.

Träger des Arbeitslosengeldes II sind die Jobcenter. Daneben gibt es die sogenannten Optionskommunen in denen die Landkreise bzw. Städte die Aufgaben alleine wahrnehmen. Die Leistungsfähigkeit der Jobcenter (§ 48a SGB II, SGB2§48aFKV) wird anhand folgender Kriterien verglichen:

  • Verringerung der Hilfebedürftigkeit.
  • Integration in Erwerbstätigkeit.
  • Vermeidung von langfristigem Leistungsbezug.


Der Bezug von ALG II ist an die Bedürftigkeit der Empfänger gebunden, so dass zunächst Einkommen und Vermögen eingesetzt werden müssen. Die Mitglieder eines Haushaltes bilden eine Bedarfsgemeinschaft, d.h. ihr Einkommen und ihr Bedarf werden gemeinsam ermittelt (§ 7 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft zählen:

  • Der Antragsteller.
  • Sein Partner.
  • Die Eltern eines Kindes unter 25 Jahren.
  • Der Partner eines Elternteils.
  • Kinder unter 25 Jahren.


Eine Haushaltsgemeinschaft liegt vor, wenn mehrere Personen, die keine Bedarfsgemeinschaft bilden, auf familiärer Grundlage auf Dauer zusammen wohnen und wirtschaften (§ 9 SGB XII). Die Beweispflicht für das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft trifft den Grundsicherungsträger (BSG B 14 AS 6/08 R).

Untermietverhältnisse, Wohngemeinschaften oder die Wohnungsstellung durch Arbeitgeber (etwa im Gastgewerbe), sind keine Haushaltsgemeinschaften.

Unter 25-Jährige haben im Regelfall keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine eigene Unterkunft.

Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist jede Arbeit zuzumuten, Ausnahmen gelten nur bei gesundheitlicher Gefährdung oder Gefährdung der Familie.


Leistungen an Ausländer[Bearbeiten]

Keine Leistungen erhalten

  • Ausländer während der ersten drei Monate nach ihrer Einreise.
  • Ausländer deren Aufenthaltsrecht sich ausschließlich aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt (i.d.R. EU-Bürger).
  • Ggf. können im Rahmen der Sozialhilfe Überbrückungsleistungen gezahlt werden (§ 23 SGB XII).

Der Ausschluss gilt nicht

  • für Arbeitnehmer, Selbständige oder während einer Berufsausbildung.
  • Bei unfreiwilliger (durch die AA bestätigter) Arbeitslosigkeit bzw. Beendigung der Selbständigkeit.
  • Nach durchgängiger Tätigkeit von 12 Monaten. Bei nur einem Arbeitstag Unterbrechung beginnt der Zeitraum von 12 Monaten wieder neu!
  • Für Ausländer, die sich seit 5 Jahren in Deutschland aufhalten.

(§ 7 Abs. 1 SGB III).

Die Leistungen[Bearbeiten]

Der Regelbedarf beträgt 2020 432 € für Alleinstehende, für Verheiratete jeweils 90 Prozent, Kinder zwischen 14 und 18 Jahren erhalten 80 Prozent, jüngere Kinder 60 Prozent. Die Kosten für Miete, Heizung und die Beiträge für die Krankenversicherung werden ebenfalls übernommen.

Arbeitslosengeld II umfasst nach § 19 SGB II:

  • den Regelbedarf nach § 20 SGB II,
  • Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und
  • Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II.


Unter den jeweiligen Voraussetzungen werden erbracht:

  • Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen besondere Bedarfe für Bildung und Teilhabe (§ 28 SGB II), s. Kapitel 12.4.
  • Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung (auch private KV).
  • Einmalige Leistungen und Darlehen (§ 24 Abs. 3 SGB II).
  • Mehrbedarfe (§ 21 SGB II) wegen Schwangerschaft, für Alleinerziehende, dezentrale Warmwasserversorgung und kostenaufwändige Ernährung. Zur Ernährung: Deutscher Verein - Krankenkostzulage


Die Kosten der Unterkunft (§ 22 SGB II) werden mit dem Regelbedarf an den Leistungsbezieher ausgezahlt. Auf seinen Antrag hin oder bei zweckwidriger Verwendung hat der Leistungsträger direkt an den Vermieter zu zahlen. Zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit sollen auch Mietschulden übernommen werden.

Für die Angemessenheit der Kaltmiete einer Wohnung sind die Verhältnisse auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zu berücksichtigen. Hierzu muss ein sogenanntes „schlüssiges Konzept“ vorliegen. Existiert kein schlüssiges Konzept, wird hilfsweise zur Bestimmung der angemessenen Kosten die Wohngeldtabelle, zuzüglich eines Aufschlags von zehn Prozent, herangezogen. Allerdings muss der Leistungsberechtigte tatsächlich die Möglichkeit haben, eine Wohnung anzumieten. Hat er trotz intensiver Bemühungen keine angemessene Wohnung gefunden, muss der Grundsicherungsträger auch unangemessen hohe Kosten übernehmen.

Zusätzlich werden die Nebenkosten berücksichtigt, die nach der Betriebskostenverordnung (BetrKV) vom Vermieter umgelegt werden dürfen. Die Stromkosten sind allerdings im Regelbedarf enthalten! Sonstige Verpflichtungen aus dem Mietvertrag, wie z.B. Schönheitsreparaturen sind ebenfalls zu übernehmen. Heizkosten sind in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Ein Anhaltspunkt für die Angemessenheit ist der Heizspiegel. Sind die Werte höher muss der Leistungsbezieher die Gründe (und die Angemessenheit) darlegen.

Bei Wohnungseigentum sind die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft bis zur Höhe der angemessenen Kosten für eine Mietwohnung zu berücksichtigen. Hierzu zählen die Heizkosten und Aufwendungen nach:
www.gesetze-im-internet.de/bshg_76dv/__7.html

Weitere Informationen zu den Kosten der Unterkunft:
KDU-Empfehlungen
Mietschulden-Energiekostenrückstände
Örtliche Richtlinien

Einsatz von Einkommen und Vermögen[Bearbeiten]

Vom Einkommen können bestimmte Beträge wie z.B. Werbungskosten oder Mitgliedsbeiträge (z.B. Sozialverband VdK) abgesetzt werden. Beim Erwerbseinkommen sind 100 € frei, darüber hinaus bleibt prozentual nur ein geringer Freibetrag (§ 11b SGB II). Hilfreich ist der Freibetragsrechner SGB II des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Nicht als Einkommen berücksichtigt werden beispielsweise Zahlungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung oder Entschädigungszahlungen für Opfer von Straftaten (§ 11a SGB II).

Ein Vermögen von 150 € pro Lebensjahr, mindestens aber 3.100 € pro Person, wird nicht angerechnet. Das Vermögen von Kindern bleibt bei der Berechnung der Leistungen für die Eltern unberücksichtigt. Zusätzlich existiert ein Freibetrag für Anschaffungen in Höhe von 750 € für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Leistungsberechtigten (§ 12 SGB II).

Vermögen, das in staatlich geförderte Altersvorsorge geflossen ist, wird nicht berücksichtigt. Bei sonstiger Altersvorsorge sind 750 € pro Lebensjahr, maximal 50.205 €, frei, wenn sie laut Vertrag nicht vorzeitig verwertet werden kann.

Ab Jahrgang 1964 beträgt der maximale Vermögensfreibetrag (ohne Alterssicherung) 10.050 €. Für ältere Jahrgänge gelten günstigere Regelungen (§ 12 SGB II). Ebenso wird ein angemessenes Kraftfahrzeug oder Hausrat nicht als Vermögen berücksichtigt. Weitere Informationen finden Sie in der ALG II/Sozialgeld-Verordnung.

Selbst bewohntes Wohneigentum muss nicht eingesetzt werden, wenn es angemessen ist. Darüber wird im Einzelfall entschieden. Eine Prüfung der Angemessenheit ist entbehrlich, wenn die Wohnfläche folgende Größen nicht übersteigt:

Bewohnt mit … Personen Eigentumswohnung m2 Familienheim m2
1–2 80 90
3 100 110
4 120 130

Generell muss Vermögen nicht verwertet werden, wenn die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeutet. Detaillierte Informationen finden sich in den Weisungen der Arbeitsagentur: Weisungen-Grundsicherung

Soweit die sofortige Verwertung von Vermögen nicht möglich ist, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Das Darlehen kann davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung gesichert wird z.B. durch Eintragung einer Grundschuld. Die Eintragung der Grundschuld ist nach § 64 SGB X kostenfrei.

Weitere Informationen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende:
WissensdatenbankSGBII


Exkurs - Unterhalt[Bearbeiten]

Verwandte in gerader Linie (Großeltern-Eltern-Kinder) sind einander unterhaltspflichtig. Anspruch auf Unterhalt hat nur, wer nicht in der Lage ist sich selbst zu versorgen (erwachsene Kinder in Ausbildung, pflegebedürftige Eltern oder Kinder). Gegenüber minderjährigen Kindern besteht eine sogenannte gesteigerte Unterhaltspflicht. Das heißt, der Unterhaltspflichtige muss alles ihm Zumutbare tun, um den Unterhalt des Kindes sicherzustellen, auch sein Vermögen einsetzen. Bei der normalen Unterhaltspflicht darf die Lebensstellung und die Altersvorsorge nicht nachhaltig durch Unterhaltsleistungen beeinträchtigt werden.

Düsseldorfer Tabelle
Deutscher Verein