Marketing- und Vertriebscontrolling: Druckversion
In der Praxis ist die Abgrenzung zwischen Marketing und Vertrieb hinsichtlich Zielsetzung und Aufgabenstellung zunehmend von Unschärfe gekennzeichnet. Mitarbeiter eines Unternehmens brauchen verstärkt sowohl Vertriebs- als auch Marketingfertigkeiten, um die geforderten Aufgaben des jeweiligen Bereiches zu erfüllen. Informationssysteme, wie CRM-Systeme oder BI-Systeme, tragen ihren Teil dazu bei, dass die klar vermeintlichen Grenzen zwischen Marketing und Vertrieb zunehmend verschwimmen. Immer häufiger ist eine Verlagerung der Marketingaktivitäten in den Vertriebsbereich oder die Verantwortung für beide Bereiche vereint unter einer Leitungsebene zu beobachten.[1] Folglich verliert eine Trennung zwischen Marketingcontrolling und Vertriebscontrolling mehr und mehr an Bedeutung. Ein neuer Funktionsbereich, das Marketing- und Vertriebscontrolling, setzt sich zunehmend in der Praxis durch.
Es gibt derzeit eine große Lücke zwischen der theoretischen Darlegung und dem praktischen Verständnis zum Themengebiet Marketing- und Vertriebscontrolling (MVC). Zur Schließung dieser Lücke soll die vorliegende Arbeit beitragen.
In diesem Zusammenhang wird zunächst auf die entsprechenden Grundlagen eingegangen. Hierzu wird der Begriff Controlling definiert, dem die Teilbereiche Marketingcontrolling und Vertriebscontrolling unterzuordnen sind. Um sich der Thematik Marketing- und Vertriebscontrolling anzunähern, werden diese Teilbereiche getrennt voneinander betrachtet. Dazu werden diese erläutert und anschließend deren jeweiligen Aufgaben in Theorie und Praxis beschrieben.
Im nächsten Schritt erfolgt eine Zusammenführung der Bereiche Marketingcontrolling und Vertriebscontrolling. Dazu werden verschiedene Definitionen für das Marketing- und Vertriebscontrolling und ein eigenes Verständnis für den Begriff dargelegt. Des Weiteren wird auf dessen organisatorische Einordnung und auf die Aufgabenfelder des MVC aus theoretischer und praktischer Sicht eingegangen.
Der nachfolgende Abschnitt beinhaltet fünf Instrumente des Marketing- und Vertriebscontrollings. Als Ausgangspunkt wird die Kundenwertanalyse betrachtet, woran das Scoring-Modell, die Portfolioanalyse, die Kundendeckungsbeitragsrechnung sowie das CLV/CE-Modell anschließen. Zur Verdeutlichung des Einsatzes dieser Instrumente in der Praxis wird zudem ein Anwendungsbeispiel aufgezeigt.
Das Fazit gibt zusammenfassend die wichtigsten Erkenntnisse über den Bereich des Marketing- und Vertriebscontrollings wieder.
- ↑ Vgl. Winkelmann, P., 2008, S. 23 ff.
Definition
Die Definition des Begriffes Controlling fällt aufgrund verschiedener Betrachtungsweisen unterschiedlich aus.
Nach Horváth wird das Controlling als ein Subsystem der Führung definiert, welches die Planung, Kontrolle und Informationsversorgung systembildend koordiniert. Es dient zur Unterstützung der Adaption und Koordination des Gesamtsystems und der Führung. Der Führung wird ermöglicht, das Gesamtsystem ergebnisorientiert den Umweltveränderungen anzupassen und die Koordinationsaufgaben hinsichtlich des operativen Systems wahrzunehmen.[1]
Hahn und Hungenberg schließen sich ebenfalls dieser Definition an, indem sie das Controlling als eine Führungs- bzw. Führungsunterstützungsfunktion definieren. Das Controlling hat ihrerseits die Aufgabe, eine ergebnisorientierte Unternehmensführung sicher zu stellen und alle im Unternehmen zu treffenden Entscheidungen und Handlungen danach auszurichten. Es beinhaltet die Planung, Steuerung und Überwachung des Unternehmensgeschehens.[2]
Aufgrund der hohen Komplexität eines Unternehmens kann das Controlling in unterschiedlichen Bereichen und auf unterschiedlichen Ebenen zu einer möglichst zielkonformen Teiloptimierung eingesetzt werden. So spricht man von Bereichscontrolling, wenn man sich mit spezifischen Handlungsbereichen eines Unternehmens befasst. Handlungsbereiche eines Unternehmens sind in erster Linie die Funktionsbereiche wie z.B. Beschaffung, Produktion, Marketing, Absatz und Logistik. Somit gelangt man von dem allgemeinen Controllingwissen zu spezifischem Wissen im Bereich des Absatzcontrollings, Marketingcontrollings, Beschaffungscontrollings etc. Im Folgenden werden die Bereiche des Vertriebscontrollings und des Marketingcontrollings näher erläutert.[3]
- ↑ Vgl. Horváth, P., 2008, S. 125.
- ↑ Vgl. Schauder, M., 2007, S. 17.
- ↑ Vgl. Palupski, R., 2002, S. 163.
Die im vorherigen Kapitel beschriebenen Definitionen sowie Aufgaben des Marketingcontrollings und des Vertriebscontrollings verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Während das Marketingcontrolling eher auf die Transparenz von Ergebnissen und Kosten im Bereich der Marktforschung, Marktanalyse und bei Marketingkonzepten abzielt, stellt das Vertriebscontrolling auf die Transparenz von Vertriebserlösen und -kosten ab.[1] Trotz dieser unterschiedlichen Zielsetzungen sind die Aufgabenfelder beider Controllingbereiche nicht immer klar voneinander abzugrenzen. Sie beinhalten eine Vielzahl von Berührungspunkten und Abhängigkeiten in der Informationsversorgung und betriebswirtschaftlichen Beratung, Planung und Budgetierung sowie Kontrolle und Berichterstattung. Somit können die Aufgaben des Vertriebscontrollings beispielsweise auch vom Marketingcontrolling oder der Planung wahrgenommen werden.[2] In der Praxis sind daher Überschneidungen in den Aufgabenfeldern und Kompetenzen, Unklarheiten in den Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, Doppelarbeiten, erhöhter Kommunikationsaufwand, Konflikte und nicht ausgeschöpfte Potentiale die Folge.
Durch die vielfältigen Berührungspunkte in den Aufgabenfeldern und durch eine zunehmende Verlagerung der Marketingaktivitäten in den Vertriebsbereich gewinnt das MVC zunehmend an Bedeutung. Es vereint die unterschiedlichen Zielsetzungen und Aufgaben des Marketingcontrollings und des Vertriebscontrollings, um so Synergieeffekte zu erzielen sowie markt- und kundennahe Prozesse zu unterstützen.[3]
In diesem Kapitel werden sehr unterschiedliche Auffassungen zum Begriff Marketing- und Vertriebscontrolling aufgezeigt. Die Möglichkeiten der organisatorischen Verankerung des MVC mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen bilden den zweiten Teil dieses Kapitels. Abschließend wird das breite Spektrum an Aufgaben des MVC sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht beleuchtet.
- ↑ Vgl. Duderstadt, S., 2006, S. 30.
- ↑ Vgl. Küpper, H.-U./ Weber, J., 1995, S. 336.
- ↑ Vgl. Dehr, G., 2001, S. 969; Winkelmann, P., 2008, S. 24.
Zur Wahrnehmung der zentralen Aufgaben existiert eine große Vielfalt an Analyseinstrumenten. Insbesondere im Marketing- und Vertriebscontrolling kommen für die Informationsversorgung, Planung und Kontrolle die im Folgenden dargestellten Instrumente zum Einsatz. Als Ausgangspunkt wird die Kundenwertanalyse betrachtet, die sich wiederum verschiedener Instrumente wie z.B. der Kundendeckungsbeitragsrechung oder Portfolioanalyse bedient um den Kundenwert zu ermitteln. Der Begriff des Marketing- und Vertriebscontrolling unterliegt in der Literatur keinem einheitlichen Verständnis. Neben verschiedenen Definitionsansätzen existiert beispielsweise die Auffassung, dass das Vertriebscontrolling ein Bestandteil des Marketingcontrollings darstellt und damit das MVC das gleiche Aufgabenspektrum wie das Marketingcontrolling umfasst. Dem gegenüber steht eine neu entwickelte Definition mit einer umfassenderen Sichtweise für den Begriff Marketing- und Vertriebscontrolling.
Das MVC kann fachlich und disziplinarisch entweder direkt dem zentralen Controllingbereich zugeordnet werden oder dem Marketing- und Vertriebsbereich. In der Praxis ist die fachliche Zuordnung zum Controlling und disziplinarische Zuordnung zum Marketing bzw. Vertrieb weit verbreitet.
Die Aufgabenschwerpunkte (operativ und strategisch) des Markting- und Vertriebscontrollings liegen in der Koordination der absatzwirtschaftlichen Informationsversorgung sowie Informationsbereitstellung, der Planung und der Kontrolle zur marktorientierten Unterstützung der Marketing- und Vertriebsleitung. Folglich befasst sich ein Marketing- und Vertriebscontroller in der Praxis hauptsächlich mit
- der Informationsaufbereitung und der Informationsversorgung der Marketing- und Vertriebsbereiche,
- der Erstellung und Abstimmung von Budgets,
- der Generierung von Soll-/Ist-Analysen sowie Abweichungsanalysen,
- dem Aufbau und der Pflege des Berichtswesens.
Ein weiterer Schwerpunkt des Markting- und Vertriebscontrollings ist die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Kunden bzw. Kundengruppen. Hierfür stehen dem Controller diverse marketing- und vertriebsspezifische Instrumente zur Verfügung. Zum Beispiel kann das Unternehmen mit Hilfe der Kundendeckungsbeitragsrechnung den verbleibenden Bruttoüberschuss aus einer Kundenbeziehung bestimmen. Ferner ist es für die Ermittlung nicht monetärer Parameter möglich ein Kundenscoring durchzuführen, welches als Grundlage für eine spätere Portfolioanalyse dient. Hieraus kann das Unternehmen schlussfolgern, ob die Art der Zusammenarbeit mit dem Kunden einer Änderung bedarf. Darauf aufbauend lassen sich entsprechende Maßnahmen ableiten. Bea, F. X., Hass, J.: Strategisches Management, Stuttgart 2005
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