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Bei einer Kurvendiskussion werden aus einer gegebenen Funktionsgleichung die Charakteristika der Funktion abgeleitet. Eine Steckbriefaufgabe stellt im Grunde genommen das Gegenteil dar: Aus gegebenen Charakteristika muss eine Funktionsgleichung hergeleitet werden.

Im Grunde ist dieses Problem nicht schwierig, es besteht lediglich darin eine allgemeine Funktionsgleichung aufzustellen, dafür ein entsprechend großes Set an Informationen über die Charakteristika der Funktion herauszufinden, um schließlich ein lineares Gleichungssystem herauszufinden und zu lösen.

Herangehensweise[Bearbeiten]

Die Herangehensweise an Steckbriefprobleme ist im Grunde genommen für alle Probleme gleich. Nur die Art der Funktion kann sich theoretisch extrem unterscheiden.

Schritt 1: Finden der allgemeinen gesuchten Funktion[Bearbeiten]

Wie oben beschrieben ist das Ziel einer Steckbriefaufgabe das Herleiten einer Funktion aus ihren gegebenen Charakteristika. Dazu muss aber zuerst einmal bekannt sein, um was für eine Art von Funktion es sich handelt. In der Oberstufe werden normalerweise vorwiegend ganzrationale Funktionen gesucht. Also ist es nötig, zunächst festzustellen, um was für eine Funktion es sich eigentlich handelt. Dies steht meist im Aufgabentext (Bsp.: „[...] wird durch eine Polynomfunktion dritten Grades beschrieben“), manchmal auch in versteckter Form. Aufgrund dieser Information kann dann die allgemeine Form der Funktion aufgestellt werden (Bsp.: für eine Funktion dritten Grades).

Nur in seltenen Fällen ist die Funktionsart nicht explizit angegeben, sondern wird an die Bedingungen, die sie erfüllen muss, geknüpft (Bsp.: „Suchen Sie eine Funktion mit dem geringsten Grad, die diese Merkmale erfüllt.“). In dem Fall muss der zweite Schritt dieses Schemas dem ersten vorgezogen werden.

Schritt 2: Herausfiltern der gegebenen Charakteristika der Funktion[Bearbeiten]

Im zweiten Schritt ist es nun nötig, bestimmte Informationen aus dem Text zu ziehen, die sich auf Charakteristika der Funktion beziehen. Beispielsweise könnte die Position eines Tiefpunktes gegeben sein. Daraus kann man folglich schließen, dass die Ableitung der gesuchten Funktion an dieser Stelle folglich 0 sein muss. Falls sogar die genaue Position (x- und y-Koordinate) gegeben sein sollte, hätte man somit auch noch die Information über den Funktionswert an dieser Stelle. Manchmal können die Informationen sehr versteckt sein, oder das Wissen über bestimmte Eigenschaften der Funktion voraussetzen (z.B. über Symmetrieeigenschaften bei ganzrationalen Funktionen).

Wie viele Informationen letzlich gefunden werden müssen, lässt sich zu einer Merkregel zusammenfassen, deren Richtigkeit in Schritt 3 erklärt wird:

Anzahl der Informationen für eine eindeutige Lösung

Die Anzahl der verschiedenen Informationen, die für eine eindeutige Lösung des Problems benötigt werden,

ist gleich der Anzahl der Unbekannten in der allgemeinen Funktionsgleichung, die dem Problem zugeordnet werden kann.

 


Aus dieser Regel lässt sich nun auch eine Funktionsgleichung aufstellen für die Probleme, deren Funktionstyp nicht gegeben ist: Die allgemeine Funktion kann nur so viele Unbekannte enthalten, wie verschiedene Informationen gegeben sind.

Schritt 3: Aufstellen und Lösen eines linearen Gleichungssystems[Bearbeiten]

Mit Hilfe unserer allgemeinen Funktionsgleichung (und derer Ableitungen) lässt sich nun ein Gleichungssystem aufstellen, wobei jede Information in eine Gleichung verwertet wird. Nun wird auch klar, warum die Zahl der Informationen der Zahl der Unbekannten mindestens enstprechen muss: Gäbe es mehr Unbekannte als Informationen, so gäbe es folglich auch mehr Unbekannte als Gleichungen in unserem Gleichungssystem. Ein solches Gleichungssystem ist aber in aller Regel unterbestimmt, d.h. es hat zumeist keine eindeutige, sondern unendlich viele Lösungen.

Das entstandene Gleichungssytem gilt es nun zu lösen. Setzt man die gewonnen Lösungen in die allgemeine Funktion ein, so erhält man eine bestimmte Funktionsgleichung und somit die Lösung der Aufgabe.

Beispiel[Bearbeiten]

Beispiel: Aufgabe

Gegeben sei der Graph einer ganzrationalen Funktion dritten Grades, der die x-Achse an der Stelle x=-2 schneidet. Die Tangente an dieser Stelle ist parallel zur Gerade der Gleichung y=-5,5x-1. An den Stellen x=-3 hat der Graph eine Extremstelle und an x=0 eine Wendestelle.

 


Diese Art der Aufgabe kommt ohne Anwendungsorientierung aus. Daher sind die Informationen meist recht einfach zugänglich. Wir wollen nun die Aufgabe mittels obigen Schemas lösen:

Schritt 1[Bearbeiten]

Das Aufstellen der allgemeinen Gleichung ist nicht weiter schwierig, es handelt sich ja um eine ganzrationale Funktion dritten Grades, also gilt für unsere Funktion :

Damit wissen wir natürlich auch:

Schritt 2[Bearbeiten]

Zuerst einmal machen wir uns kurz darüber Gedanken, wie viele Informationen wir finden müssen. Ein Blick auf die Gleichung ergibt vier Unbekannte, folglich benötigen wir mindestens vier verschiedene Informationen.

Wir finden sofort:

  1. An der Stelle x=-2 schneidet der Graph die x-Achse.
  2. An der Stelle x=-2 ist die Tangente des Graphen parallel zur Gerade der Gleichung y=-5,5x-1. Anders gesagt: An der Stelle x=-2 hat die Tangente am Graphen (und damit auch der Graph selber) die Steigung m=-5,5.
  3. An der Stelle x=-3 hat der Graph einen Tiefpunkt (die Steigung an dieser Stelle ist also 0).
  4. An der Stelle x=0 hat der Graph einen Wendepunkt (die Steigung an dieser Stelle ist also maximal).

Somit haben wir unsere vier Informationen gefunden. Wir „übersetzen“ sie nun noch in eine mathematische Schreibweise:

Schritt 3[Bearbeiten]

Nun können wir ein lineares Gleichungssystem mit vier Gleichungen und vier Variablen aufstellen:

Dieses Gleichungssystem gilt es nun zu lösen. Nach wenigen Rechenschritten ergibt sich:

Damit haben wir die Aufgabe gelöst. Die gesuchte Funktion ist: