In der Maßtheorie wollen wir Mengen ein Maß zuordnen. Bei Teilmengen aus sind dies Längen, bei Teilmengen aus Flächen, bei Teilmengen aus Volumina und bei Teilmengen aus mit verallgemeinerte Volumina. Dabei ordnen wir nur gewissen „guten“ Mengen ein Maß zu: das sind jene Mengen die wir durch Intervalle oder Rechtecke oder Quader "gut" überdecken können.
Zuerst haben wir nur sehr primitive geometrische Figuren, wie Intervalle, Rechtecke oder (verallgemeinerte) Quader betrachtet und deren Eigenschaften zum Halbring verallgemeinert (mit sind auch und ist endliche disjunkte Vereinigung von Elementen aus ). Danach haben wir endliche disjunkte Vereinigungen von Halbringelementen eingeführt und zum Ring erklärt (mit sind auch ). Daraufhin haben wir unsere Flächenfunktion verallgemeinert zu einem additiven Inhalt bzw. sigma-additiven Prämaß, zuerst auf dem Halbring, dann auf dem Ring und deren Eigenschaften untersucht. Wir haben uns das System der "guten" Mengen definiert als Sigma-Algebra (dort gilt mit sind auch ) und sigma-additive Maße darauf betrachtet. Als beweistechnisches Hilfsmittel haben wir äußere Maße definiert und gezeigt, dass zu diesem eine Sigma-Algebra der "allgemein guten Mengen" existiert, sodass das äußere Maß auf der Sigma-Algebra ein Maß wird. Es stellte sich heraus, dass die von dem Halbring erzeugte Borelsche Sigma-Algebra in der zu dem äußeren Maß gehörigen Sigma-Algebra enthalten ist und das erhaltene Maß eine Fortsetzung des Prämaßes ist. Damit ist die Existenz der Maßfortsetzung gezeigt. Wir haben dann Dynkinsysteme untersucht als beweistechnisches Hilfsmitel (dort gilt mit sind auch ) und mit ihrer Hilfe die Eindeutigkeit von Maßen im sigma-endlicuen Fall bewiesen. Nimmt man zur Borelschen Sigma-Algebra der "guten" Mengen die Teilmengen ihrer Nullmengen als Vervollständigung hinzu, so erhält man genau die Sigma-Algebra des äußeren Maßes der "allgemein guten" Mengen. Abschließend zeigen wir für Interessierte die Unlösbarkeit des Maßproblemes-
Beweis (Das klassische Maßproblem ist nicht lösbar für )
Die Beweisidee ist, in abzählbar unendlich viele "gleich große" Teilmengen zu zerlegen und damit einen Widerspruch zu erhalten zu .
1.) Definiere eine Äquivalenzrelation für Sei eine beliebige irrationale Zahl, setze
Wir rechnen die drei Eigenschaften der Äquivalenzrelation nach:
Mit der Wahl gilt
Damit gilt .
Gelte . Mit der Definition folgt
Multipliziert man die Beziehung mit Minus Eins, erhält man
und das bedeutet nach Definition .
Gelte . Mit der Definition folgt
Addieren der beiden Gleichungen ergibt
Das ist aber die Definition von .
2.) Bilde nun ein Repräsentantensystem von , d.h. wähle (mit dem Auswahlaxiom) je einen Vertreter jeder Menge bzgl. der Äquivalenzrelation. In der Äquivalenzklasse für von sind z.B. daher auch die Elemente .
Nimm nun nur das Repräsentantensystem, verschiebe es auf ganz und schiebe die Elemente wieder geschickt zurück auf gemäß der Anleitung
ist i.A. nicht mehr im Einheitsintervall enthalten, deshalb definieren wir
Jeder einzelne Repräsentant wird also zurückgebracht nach .
3.) Die sind paarweise disjunkt nach Konstruktion der Äquivalenzklassen, wir rechnen es aber nach. Sei , dann gilt mit
Umstellen ergibt
d.h. und somit gemäß Wahl des Vertreters. Es folgt mit
und somit , d.h. .
4.) Die hätten dieselbe Länge
Sei . Da aus durch Verschiebung um entsteht, ist ihre Länge gleich
Nach einer geeigneten Zerlegung entsteht aus ebenfalls durch Verschiebung. Definiere dazu die disjunkten Mengen
Wegen gilt , das ergibt eine disjunkte Zerlegung
Definiere durch Verschiebung
so gilt
denn seien , dann folgt
ein Widerspruch. Damit ergibt sich
5.) Die bilden eine Zerlegung von .
Zeige: Für alle existiert ein mit .
Sei beliebig. Da ein Repräsentantensystem ist, gibt es ein mit , d.h.
Wegen folgt
und somit
6.) Damit folgt der Widerspruch
Sei , dann ist
ein Widerspruch zu .
Sei . Dann folgt
ein Widerspruch zu .