Reaktionsmechanismen der Organischen Chemie: Substitutionsreaktionen: Nucleophile Substitution
Bei einer nucleophilen Substitution, verdrängt ein nucleophiler Reaktionspartner einen anderen Substituenten, welcher seinerseits zur Abgangsgruppe (nucleofuge Gruppe) wird. Das benötigte Elektronenpaar wird hierbei vom Nucleophil für die kovalente Bindung zum positiv polarisierten C-Atom bereitgestellt. Im Allgemeinen verdrängt das stärkere Nucleophil das schwächere aus dem Molekül (Abb. 1.2.1).
Man unterscheidet hinsichtlich des Mechanismus zwei Verschiedene Arten der nucleophilen Substitution:
Monomolekulare Nucleophile Substitution, SN1
[Bearbeiten]Die SN1-Reaktion tritt bei Substitutionen an tertiären C-Atomen auf. Zunächst wird die Abgangsgruppe vom C-Atom abgespalten, wobei sich ein tertiäres Carbeniumion bildet. Dieser Übergang in ein planares Zwischenprodukt ist der geschwindigkeits-bestimmende Schritt, d.h. der langsamste Schritt im gesamten Mechanismus.
An dieses positive Carbeniumion kann nun das Nucleophil angreifen. Der Angriff kann von beiden Seiten mit gleich großer Wahrscheinlichkeit erfolgen, was sich darin zeigt, dass chirale Endprodukte in racemischer Form vorliegen (beide Stereoisomeren sind in gleichen Mengen vorhanden).
Begünstigt werden SN1-Reaktionen durch polare Lösungsmittel (Ethanol, Ethanol/H2O, Eisessig), welche das Zwischenprodukt stabilisieren können. Die Wahl des Lösungsmittels spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Geschwindigkeit der Reaktion. Eine Erhöhung der Polarität des Lösungsmittels bewirkt eine Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit. SN1-Reaktionen kommen praktisch nur in Lösung vor, Reaktionen in der Gasphase sind kaum bekannt.
Kinetisch betrachtet ist der SN1-Mechanismus eine Reaktion erster Ordnung. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist nur von der Konzentration des Substrats abhängig, da nur das Substrat am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt teilnimmt. Für die Geschwindigkeit gilt also: v ~ c(Substrat).
Bimolekulare Nucleophile Substitution, SN2
[Bearbeiten]Im Gegensatz zur SN1-Reaktion, tritt die SN2-Reaktion hauptsächlich an primären Kohlenstoffatomen auf. Der Angriff des Nucleophils, die Bildung der neuen Bindung sowie die Spaltung der alten, treten zeitgleich auf. Es entsteht ein fünfbindiger Übergangszustand, an dem sowohl Nucleophil als auch Substrat beteiligt sind. Aus diesem Zwischenprodukt wird anschließend die Abgangsgruppe abgespalten und durch das angreifende Nucleophil ersetzt.
Da das Nucleophil von der der Abgangsgruppe entgegen gesetzten Seite angreift, kommt es nach der Abspaltung zu einer Inversion der Konfiguration. Man nennt dieses regenschirmähnliche Umklappen Walden-Umkehr. Dies ist vor allem bei Substitutionen an asymmetrischen C-Atomen von Bedeutung, da sich hier die Stereochemie umkehrt.
Die SN2-Reaktion ist eine Reaktion 2. Ordnung. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist sowohl von der Konzentration des Substrats als auch von der Konzentration des Nucleophils abhängig, da der langsamste Schritt (die Entstehung des Übergangszustandes) von beiden Reaktanden bestimmt wird. Das Geschwindigkeitsgesetz hat folgende Gestalt: v ~ c(Substrat) ∙ c(Nucleophil).
Durch Variation der Reaktionsbedingungen können an sekundären C-Atomen sowohl SN1- als auch SN2-Reaktionen stattfinden.