Soziologische Klassiker/ Burgess, Ernest W.

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Biographie in Daten[Bearbeiten]

Ernest Watson Burgess

  • geboren am 16. Mai 1886 in Tilbury, Ontario, Kanada
  • gestorben am 27. Dezember 1966

Soziologe, Vertreter der sozialökologisch orientierten  Chicagoer Schule der Soziologie

  • Eltern
    • Vater: Edmund J. Burgess, Priester in der Kongregationisten Kirche
    • Mutter: Mary Ann Jane Wilson Burgess


Lebenslauf[Bearbeiten]

  • 1886 Umzug in die USA
  • 1908 B.A. (Bakkalaureus der philosophischen Fakultät) am Kingfisher College in Kingfisher, Oklahoma,
  • 1908-1913 Studium der Soziologie an der Universität von Chicago
  • 1913 Verleihung der Doktorwürde
  • 1912-1913 Dozent für Soziologie an der Universität von Toledo (Ohio)
  • 1913-1915 Assistenz - Professor an der Universität von Kansas
  • 1915-1916 Assistenz - Professor an der Ohio State University
  • 1916-1957 Professuren an der Universität von Chicago
  • 1916 Assistenz – Professor für Soziologie an der Universität von Chicago. Burgess war einer der ersten "richtigen"
    Soziologen, da die Professoren zuvor aus anderen Bereichen in die Soziologie übergewechselt hatten.
  • 1921 Assoc. Professor an der Universität von Chicago
  • 1921-1930 Geschäftsführender Herausgeber der  American Sociological Society
  • 1927 Ordentlicher Professor für Soziologie an der Universität von Chicago
  • 1930-1939 Direktor des Behavior Research Fund in Chicago
  • 1934-1943 Schriftführer des Chicago Area Project
  • 1934 Präsident der  American Sociological Society
  • 1936-1940 Herausgeber des  American Journal of Sociology
  • 1938 Gründungsmitglied der National Conference on Family Relations
  • 1942 Präsident der Sociological Research Association
  • 1942 Präsident der National Conference on Family Relations
  • 1945-1946 Vorsitzender des Social Science Research Council
  • 1946-1952 Burgess ist Vorsitzender der Abteilung für Soziologie an der Universität von Chicago,er bleibt noch ein Jahr über seine Emeritierung hinaus Vorsitzender der Abteilung.
  • 1951 Burgess emeritiert
  • 1952 Gründung des „Family Study Centers“, dieses sollte später in „Family und Community Study Center“ umbenannt werden.
  • 1953 Präsident der Society for the Study of Social Problems


Weitere Tätigkeiten[Bearbeiten]

Burgess war im Laufe seiner Karriere Mitglied in folgenden Organisationen:

  • American Law Institute
  • Vincent Astor Foundation
  • Chicago Crime Commission
  • Committee of Fifteen
  • Douglas Smith Fund
  • Illinois Citizens Committee on Parole
  • Illinois Academy of Criminology
  • National Recreation Commission
  • International Congress of Criminology
  • The City Club


Historischer Kontext[Bearbeiten]

Chicago wies um die Jahrhundertwende ein sehr starkes Wachstum auf. Die Stadt vergrößerte sich von 10 EinwohnerInnen im Jahre 1830, auf ca. 500 000 im Jahre 1880 und erreichte im Jahre 1930 eine Bevölkerungsanzahl von ca. 3,4 Millionen Menschen. Dementsprechend vergrößerte sich auch das Stadtgebiet von 10 Quadratmeilen im Jahre 1837 auf 225 Quadratmeilen im Jahre 1960.


Theoriegeschichtlicher Kontext[Bearbeiten]

Burgess wurde in seiner Forschung maßgeblich von den Theorien und Arbeitsweisen William Isaac Thomas’, Robert Ezra Parks und George Herbert Meads beeinflusst. Insbesondere Meads Theorien über die Identität und die sozialen Rollen prägten Burgess' Denken. So entwickelte er aus diesen Ansätzen die Vorstellung, dass Familieneinheiten aus der Interaktion und der Kommunikation zwischen den Familienmitgliedern entstünden.

Thomas und Park betrieben außerdem Feldforschungen über das Zusammenleben der Menschen in den Städten

Weiters entwickelte Burgess, gemeinsam mit R. D. Mc Kenzie, Theorien darüber, wie Strukturen der Tier- und Pflanzenwelt auf menschliche Gesellschaften übertragen werden könnten. Sie gingen dabei von einem absolutistischen Raumkonzept aus, welches besagt, dass der Raum eine vom menschlichen Handeln getrennte Größe sei. Ausgangspunkt für diese Theorie war die Vorstellung, dass der Mensch sich seiner natürlichen Umgebung anpassen müsse.


Werke[Bearbeiten]

  • 1921 Introduction to the Science of Sociology (gemeinsam mit Robert E. Park)
  • 1925 The City (gemeinsam mit Robert E. Park und Roderick D. Mc Kenzie)
  • 1926 The Family as a Unity of Interacting Personalities
  • 1926 The Romantic Impulse an Family Disorganization
  • 1926 The Urban Community: Selected Papers From the Proceedings of the American Sociological Society (Burgess,Hrg.)
  • 1928 Factors Determining Success or Failure on Parole
  • 1928 Family Tradition an Personality Development
  • 1928 The Family and the Person
  • 1939 Predicting Success and Failure in Marriage (gemeinsam mit Leonard S. Cottrell)
  • 1945 The Family: From Institution to Companionship (gemeinsam mit Harvey J. Locke und Mary M. Thomas)
  • 1953 Engagement and Marriage (gemeinsam mit Paul Wallin)
  • 1954 Courtship, Engagement and Marriage (gemeinsam mit Paul Wallin und Gladys D. Schultz)
  • 1955 Council of State Governments: The State and Their Older Citizens, eine Studie von Burgess und Sidney Spector
  • 1960 Aging in Western Societies (Burgess, Herausgeber)
  • 1964 Contributions to Urban Sociology (Burgess und Donald J. Bogue, Herausgeber)


Das Werk in Themen und Thesen[Bearbeiten]

Die Forschungsschwerpunkte von Burgess waren Ehe und Familie mit besonderem Bezug auf das Alter, die Stadtentwicklung sowie die Systeme der vorzeitigen Haftentlassung.


Familie und Ehe[Bearbeiten]

Burgess konzipierte die Ehe und Familie als „a unity of interacting personalities“ (Burgess (1926a. In weiterer Folge erarbeitete er, angeregt durch frühere Forschungen über den Erfolg oder das Versagen von Haftentlassungsmodellen, Testverfahren welche die Erfolgschancen einer Ehe vorhersagen sollten. Dazu befragte Burgess die Verlobten über ihre Einstellungen zur Ehe, ihre persönlichen Interessen, sowie ihre sozialen Charaktere. Burgess kam zu dem Schluss, dass gleichartige Einstellungen und eine gleichartige Herkunft wesentliche Elemente zum Gelingen einer Ehe wären.

In weiterer Folge befasste sich Burgess mit der Ehe und Familie im Alter, seine wesentlichen Forschungsinteressen hierbei waren, die finanzielle Situation von Senior/innen, das Verhältnis der Eheleute zueinander, insbesondere nach der Pensionierung des Ehemannes, sowie das Verhältnis zu den Kindern.


Die Stadtentwicklung[Bearbeiten]

Burgess untersuchte die moderne Stadtentwicklung anhand der Stadt Chicago. Er entwickelte 1925/29 das so genannte  Zonenmodell (oder auch Ringmodell), welches das erste der klassischen Stadtstrukturmodelle darstellte. Burgess ging dabei davon aus, dass sich die Stadt kreisförmig um das Stadtzentrum („Loop“, benannt nach dem Gleisviereck der Hochbahn) zur Peripherie hin ausdehne. Die verschiedenen Zonen würden hierbei unterschiedlich genutzt:

  • Loop: CBD, Central Business District, der zentrale Geschäftsbereich
  • Zone in Transition: Übergangszone, in unmittelbarer Nähe zum Loop, Ghettos, Slums, Leichtindustrie
  • Zone of Workingmen’s Home: Arbeiterwohngebiete, MigrantInnen der 2. Generation
  • Residental Zone: Wohngebiete, Einfamilienhäuser, Mittelschicht
  • Community Zone: Pendlergebiet, vorwiegend statushohe Bevölkerung


Rezeption und Wirkung[Bearbeiten]

Burgess berücksichtigte in seinem Zonenmodell nur ein Zentrum („Loop“), die Wirkung von Subzentren oder die Wirkung von verkehrsbedingten Unterschieden auf die Stadt(teil)- oder Zonenentwicklung fanden nur wenig Berücksichtigung. 1939 entwickelte H. Hoyt ein Sektorenmodell, 1945 entwickelten C. D. Harris und E. L. Ullman ein Mehrkernmodell, welche auch auf diese Einflüsse eingingen.

Die Jährliche Verleihung eines Burgess Awards des National Conference on Familiy Relation für hervorragende Leistungen in der Forschung über Familien zeugt von dessen Bedeutung in diesem Spezialfeld soziologischer Forschung.


Literatur[Bearbeiten]

  • Bernsdorf, Wilhelm/ Knospe Horst [Hrsg.] (1980):
    "Internationales Soziologenlexikon, Bd. 1, 2. Aufl."
    Stuttgart 1980
  • Sills, David L. (1968):
    "International Encyclopedia of the Social Sciences, Vol. 2, The Macmillan Comp. & The Free Press


Internetquellen[Bearbeiten]