Soziologische Klassiker/ Butler, Judith

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Biographie in Daten[Bearbeiten]

Butler Judith

  • geboren am 24. Februar 1956 in Cleveland, Ohio
  • 1974-1976 Bennington-College, Vermont
  • 1978 B.A. in Philosophie, Yale University
  • 1978/79 Studienaufenthalt in Heidelberg (Schwerpunkt deutscher Idealismus)
  • 1982 M.A in Philosophie, Yale University
  • ab 1982 Lehrtätigkeit in der Philosophie an der Yale University
  • seit 1983 Lehre als assistant und dann full professor an verschiedenen Universitäten der USA
  • 1984 PhD in Philosophie, Yale Universität mit einer Arbeit über Hegel’s Begriff der Begierde (Subjects of Desire: Hegelian Refelctions in Twentieth Century France)
  • 1986-89 Assistenzprofessorin für Philosophie an der George-Washington Universität
  • 1990 Buch: Gender trouble: Feminism and the Subversion of Identity;
  • 1991 Professur für Humanwissenschaften an der Johns-Hopkins-Universität
  • 1992 Gemeinsam mit Joan W. Scott Herausgeberin des Sammelbandes Feminists Theorize the Political, New York: Routledge
  • seit 1994 Professorin für Rhetorik und vergleichende Literaturwissenschaft an der University of California in Berkeley; dort auch beteiligt an den Women’s Studies. Schwerpunkte in der Lehre sind Literaturtheorie, französische Philosophie des 20. Jahrhunderts und des deutschen Idealismus; Hegel, Nietzsche, Kierkegaard, Cultural theory, Politische Philosophie, Psychoanalyse, Theorie der Rhetorik, Feministische Theorien.
  • 1993 Erscheinung ihres Buches Bodies that Matter: on the Discursive Limits of „Sex“,
  • 1993 Buch: Der Streit um Differenz: Feminismus und Postmoderne in der Gegenwart
  • 1997 Buch: Excitable Speech: A Politics of the Performative
  • 1997 The Psychic Life of Power: Theories in Subjection erschien in diesem Jahr.
  • 1998 Forschungs- und Lehraufenthalt in Deutschland und Ungarn
  • 2000 Auseinandersetzung mit dem normativen Begriff Familie und Verwandtschaft in: Antigone’s Claim: Kinship Between Life and Death, Schriften zur politischen Theorie „Contingency, Hegemony, Universality“
  • 2001 Berlin Fellow, German-American Academy Berlin;Erörterung des Verhältnisses von Begierde, Anerkennung und Subjektwerdung in „Politics and Kinship. Antigone for the Present“
  • 2002 Spinoza Gastdozentur an der Universität Amsterdam
  • 2002 Amnesty International Lecuture on „Sexual Rights“, Oxford University
  • 2002 Adorno-Vorlesungen, Frankfurt/M.; Erste Veröffentlichung zur Moralphilosophie (“Giving an Account of Oneself”).
  • 2004 Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Kriegs auf Sprache und Gedanken in Precarious Life: Powers of Violence and Mourning, Ebenso erschien Undoing Gender

Historischer Kontext[Bearbeiten]

Aufgewachsen in einer jüdischen Familie mit ungarischen und russischen Wurzeln, kommt Judith Butler früh mit philosophischen und theologischen Schriften in Berührung. Während ihres Studiums der Philosophie in Yale beschäftigt sie sich vorwiegend mit der Phänomenologie und setzt ihren Schwerpunkt, bei ihrem späteren Studienaufenthalt in Heidelberg, schließlich auf den deutschen Idealismus.

Die theoretischen Grundlagen ihrer Positionen liefert der Poststrukturalismus[1]. Dieser ist typisch für die kritische Herangehensweise an Denkkonzepte unter Verwendung sprachphilosophischer und psychoanalytischer Begriffe, die gesellschaftlich konstruiert sind. Das selbstbestimmte, autonome Individuum wird in Frage gestellt. Es stellt vielmehr ein Bündel von Fremdeinwirkungen dar. So ist beispielsweise die Diskursanalyse zu den poststrukturalistischen Methoden zu zählen.

Mit ihrer Methode rekurriert Butler stark auf den Dekonstruktivismus, denn ihrer Ansicht nach meint „Dekonstruktion nicht verneinen oder abtun, sondern in Frage stellen“. Der Begriff ist eine subversives Prinzip der Annäherung an Texte von innen her.

Theoriegeschichtlicher Kontext[Bearbeiten]

Judith Butler verwendet in ihren Analysen Theorien und Forschungsansätze (uA) von Michel Foucault, Sigmund Freud, Jacques Derrida und Louis Althusser. Sie versucht das Verständnis der Verbindung von Subjekt und Macht, sowie von Physischem und Diskursivem in der Materialität des Körpers hervorzubringen. Körper materialisieren sich, hier lehnt sich Butler an Aristoteles an, nie unabhängig von ihrer kulturellen Form. Die Materialität des Körpers ist also immer an die jeweilige kulturspezifische Wahrnehmung gebunden, die zugleich konstitutiv für das Sujet (Materie) selbst ist.

Besonders in der Begrifflichkeit der Performativität lehnt sich Butler an John L. Austin an, der Sprechakte als performativ bezeichnet, wenn sie das Benannte umsetzen und Handlungscharakter besitzen (Beispiel: Ehezeremonie: Ja-Wort).

In ihrer Schrift „Kritik der ethischen Gewalt“ greift Butler die Motive Adornos auf und verbindet sie mit dem Gedankengut, welches sie auch bei Michel Foucault und Emanuel Lévinas wieder findet.

In ihrer Subjekttheorie bezweifelt Butler das „cartesianische Subjekt“, womit sie indirekte Kritik an Descartes („Ich denke, also bin ich“) übt. Anhänger des Poststrukturalismus sprechen nicht vom cartesianischen Subjekt, sondern „vom Tod des Subjekts“ oder vom „Tod des Menschen“. Der Mensch wird als ein sprachliches Konstrukt gesehen. So wird behauptet, „daß es keinen Täter hinter der Tat gibt“. „Niemand ist für sein Handeln vollkommen verantwortlich. Die Subjekte sind nur Effekte der diskursiven Macht.“ [1] In ihrem Buch "Das Unbehagen der Geschlechter" bezieht sich Butler außerdem auf Mary Douglas und stellt darin fest: „Douglas Analyse legt nahe, daß die Schranke des Körpers niemals bloß durch etwas Materielles gebildet wird […]“ [2]


Werke[Bearbeiten]

  • Butler, Judith, Paul Rabinow. Dialogue: Antigone, Speech, Performance, Power. In S. I. Salamensky (ed). Talk, Talk, Talk: The Cultural Life of Everyday Conversation. Routledge. New York, 2001.
  • Butler, Judith. The End of Sexual Difference? In Elisabeth Bronfen, Misha Kavka (eds). Feminist Consequences: Theory for the New Century. Gender and Culture. Columbia University Press. New York, 2001.
  • Butler, Judith. How Can I Deny That These Hands and This Body Are Mine? In Tom Cohen, Barbara Cohen, J. Hillis Miller, Andrzej Warminski (eds). Material Events: Paul de Man and the Afterlife of Theory. University of Minnesota Press. Minneapolis, 2001.
  • Butler, Judith: Antigones Verlangen: Verwandtschaft zwischen Leben und Tod. Suhrkamp. Frankfurt, 2001
  • Butler, Judith. Psyche der Macht. Suhrkamp. Frankfurt, 2001
  • Butler, Judith. Antigone's Claim: Kinship between Life and Death. Wellek Library Lecture at the University of California, Irvine. Columbia University Press. New York, October 2000
  • Butler, Judith, Ernesto Laclau, Slavoj Zizek. Contingency, Hegemony, Universality: Contemporary Dialogues on the Left. Verso. Phronesis. London & New York, 2000
  • Butler, Judith, John Guillory, Kendall Thomas (eds). What's Left of Theory? New Work on the Politics of Literary Theory. Essays from the English Institute. Routledge. New York, July 2000.
  • Butler, Judith. Excitable Speech: A Politics of the Performative. Routledge. NewYork, London, February 1997.
  • Butler, Judith. The Psychic Life of Power: Theories of Subjection. Stanford University Press. Stanford, June 1997.
  • Butler, Judith. For a Careful Reading. In Feminist Contentions: A Philosophical Exchange. Thinking Gender. Routledge. London, New York, February 1995.
  • Butler, Judith. Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlects. Berlin Verlag / Suhrkamp. Berlin / Frankfurt, 1995 / 1997.
  • Butler, Judith. Bodies that Matter: On the Discursive Limits of 'Sex'. Routledge. London, New York, October 1993
  • Butler, Judith and Maureen MacGrogan (eds), Linda Singer. Erotic Welfare: Sexual Theory and Politics in the Age of Epidemic. Thinking Gender. Routledge, London, New York, 1993.
  • Butler, Judith, Joan W. Scott (ed). Feminists Theorize the Political. Routledge. London, New York, 1992.
  • In Feminist Contentions: A Philosophical Exchange. Thinking Gender. Routledge. London, New York, February 1995.
  • Butler, Judith. Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity. Thinking Gender. Routledge. London, New York, 1990/1999.
  • Butler, Judith. Subjects of Desire: Hegelian Reflections in Twentieth-Century France. Columbia University Press. New York, 1987/1999.


Das Werk in Themen und Thesen[Bearbeiten]

Subjekttheorie[Bearbeiten]

Judith Butlers Subjekttheorie befasst sich mit dem Thema Geschlecht und Identität. Sie hinterfragt die Natürlichkeit und Unvoreingenommeneheit/Sachlichkeit der Geschlechteridentität. Hierbei lenkt sie ihre Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche Normprozesse, die bestimmte Formen von Identitäten zulassen und andere wiederum ausschließen. Butler sieht demnach das Geschlecht als eine sprachliche, interaktionale Konstruktion an. Ein Beispiel dazu: Wenn man sagt oder annimmt, dass alle Frauen dazu bestimmt sind, Mütter zu sein, so schließt man gleichzeitig Frauen aus die keine Kinder haben können oder wollen. Ausschlüsse entstehen laut Butler durch Differenzierungen zwischen Normen oder Gesetzen. Sie will aber keineswegs „Frau“ abschaffen, vielmehr spricht sie sich gegen eine vollständig definierte und unabänderbare Kategorie wie „Frau“.

Queer Politics[Bearbeiten]

„Die feministische Theorie ist zum größten Teil davon ausgegangen, dass eine vorgegebene Identität existiert, die durch die Kategorie „Frau(en)“ ausgedrückt wird“, schreibt Judith Butler. Aber „im Grunde herrscht […] kaum Übereinstimmung darüber, was denn die Kategorie „Frau(en)“ konstituiert und konstruieren sollte. Die Unklarheit, auf die Judith Butler versucht zu verweisen, resultiert aus der politisch zunehmend sichtbar gewordenen Vielfalt von weiblichen Geschlechtsidentitäten: Sexuelle, altersspezifische, ethnische, regionale, religiöse und klassenbezogene Identitäten sind immer und immanent sowohl miteinander als auch mit der „weiblichen“ Geschlechtsidentität verwoben [3] Judith Butler versucht nun die Begriffe Identität, Subjekt, Sexualität, Macht, Handlungsfähigkeit zu problematisieren, um dann neue Deutungen dieser Begriffe vorzuschlagen. Besonders berühmt ist das Wort „Queer“, wenn es um Butlers feministische Positionen geht. Butler gilt ja gewissermaßen als eine der Begründerin der so gennanten Queer Politics, Queer Theory oder auch Queer Studies [4] Umstritten ist noch immer was queer eigentlich bedeutet. Im Englischsprachigen Raum bedeutet der Begriff: abwertend, schräg, seltsam, verdächtig oder eigenartig. Queer war auch eine Abkürzung für die eigene, „andere“ Identität und entwickelte sich so vom Schmimpfwort zu einer positiven Bezeichnung. Es steht häufig für lesbisch-schwul oder wird als Synonym für politische oder kulturelle Aktivitäten auf Grundlage homosexueller Identität verwendet. Queer ist aber nie als ein Synonym von lesbisch-schwul anzusehen, da man nie sagen kann, was lesbisch oder schwul eigentlich ist. Butler sieht es kritisch an, Identitäten (Frau, Mann,…) so hinzunehmen, als seien sie bereits gegeben und in Zusammenhang stehend. Ihr Vorschlag daher, die Queer Politik als eine Politik des Vorläufigen, Uneigentliche, des Als-ob in Anführungszeichen anzusehen. Eine weitere Komponente der Queer Theorie/Politik beinhaltet die Parodie der subversiven Strategie. Hierzu führt Butler das Beispiel der Travestie an welches für sie eine paradigmatische Form des politischen „Gender Trouble“ ist: „Ich behaupte […], daß die Travestie auch die Unterscheidung zwischen seelischem Innen- und Außenraum grundlegend subversiert und sich sowohl über das Ausdrucksmodell der Geschlechtsidentität als auch über die Vorstellung von einer wahren geschlechtlich bestimmten Identität lustig macht.“ “Als Imitationen, die die Bedeutung des Orignials verschieben, imitieren sie den Mythos der Ursprünglichkeit selbst."[5]

Politik des Performativen (Hate speech)[Bearbeiten]

Hate speech: Das ist jene Form der Rede, die verletzt, droht, demütigt. Hierbei geht es nicht um eine harmlose Beleidigung, sondern um ein Geflecht von Worten, welches im Zusammenhang mit konkreten Taten (historisch, zukünftig oder potentiell) steht. Butler beschreibt in "Hass spricht", 3 konkrete Phänomene. Ein Beispiel daraus, welches den Umgang mit Homosexualität in der US-Amerikanischen Armee zeigt:

  • Army Angestellte dürfen beispielsweise keine sprachliche Äußerung über ihre Homosexualität vornehmen, da diese Äußerung bereits als homosexuelle Tätigkeit gewertet werden würde. [6]

Entscheidend für die Äußerung ist also der Kontext und nicht das Wort selber: „Das Sprechen wird nämlich durch den gesellschaftlichen Kontext nicht nur definiert, sonder zeichnet sich auch durch die Fähigkeit aus, mit diesem Kontext zu brechen […]“ [7]

Materielle Körper[Bearbeiten]

Butler geht von einer materialisierenden Wirkung von kulturellen Normen aus, denn durch Wiederholung und durch das Performativ der kulturellen Normen entsteht erst der Körper. Dabei versucht sie den Dualismus von Kultur und Natur zu trennen. Materialisierung bezeichnet also den Prozess, bei dem zum Beispiel aus Diskursen zur Geschlechtsidentität (gender) vergeschlechtlichte Körper (sex) werden. Allerdings wird Materie bei Butler nicht nur als diskursives Konstrukt gesehen, sondern als eine eigenlogisches Gestalt (oder Morphe). [8] Sie spricht sich also auch für eine Vervielfältigung des Begriffs der Materie aus. In Bezug auf den Geschlechtskörper beschreibt Butler den Prozess der Materialisierung in Anlehnung an Lacan als Morphogenese; jeder Geschlechtskörper hat demnach eine biografische und soziale Geschichte. Vielmals wurde kritisiert, dass sie die körperliche Erscheinung des Geschlechts zu negieren versucht oder vielmehr zu leugnen was es bedeutet körperlich ein Mann oder eine Frau zu sein. Weiters eine wichtige Rolle im Rahmen der Kritik an Butler: Gibt es nicht auch körperliche Unterschiede zwischen Mann und Frau? Beispielsweise: Hormone, unterschiedliche Chromosomenpaare, äußerliche Erscheinungen (Bart, …) [9] Die Behauptung Butlers „das biologische Geschlecht sei bereits durch die Geschlechtsidentität kulturell konstruiert“ lässt viel Raum für Kritik. Um die Materialität des Körpers erklären zu können greift sie zunächst den(feministischen) Konstruktivismus auf. Sie geht also davon aus, dass das am Geschlecht Relevante kulturell und sozial konstruiert wird. Der Dualismus von sex/gender ist für Butler nicht nur sachlich falsch, sondern auch „phallogozentrisch“. So bedeutet „phallogozentrisch“, dass dem Männlichen das geistige und dem weiblichen das Körperliche zugeschrieben wird. Butler ist auch der Ansicht, dass Geschlecht, Sexualität oder Körper als Konstruktion auch die Berücksichtigung von Zwängen, Einschränkungen, Verwerfung und Macht verlangt.
„Daß ein Leben, Sterben, Atmen und Altern der Körper stattfindet, ist unbestritten. Die Behauptung, dies alles seien soziale und diskursive Praktiken, bedeutet ja nicht, dass diese Phänomene grundsätzlich zu leugnen seien […]“ [10]

Diskurs und Sprache[Bearbeiten]

Butler setzt ihr Hauptaugenmerk auf Sprache beziehungsweise Diskurs [2] als Prämisse der Konstruktion sozialer Wirklichkeit. Diskurs ist demnach:

„[…] nicht bloß gesprochene Wörter, sondern ein Begriff der Bedeutung; nicht bloß, wie es kommt, daß bestimmte Signifikanten bedeuten, was sie nun mal bedeuten, sondern wie bestimmte diskursive Formen Objekte und Subjekte in ihrer Intelligibilität ausdrücken. In diesem Sinne benutze ich das Wort ‚Diskurs’ nicht in seiner alltagssprachlichen Bedeutung, sondern ich beziehe mich damit auf Foucault. Ein Diskurs stellt nicht einfach vorhandene Praktiken und Beziehungen dar, sondern er tritt in ihre Ausdrucksformen ein und ist in diesem Sinne produktiv“ [11]

Diskurse sind also nicht (nur) gesprochene Sprache, sondern auch Systeme des Denkens und Sprechens, die das wahrgenommene konstituieren, indem sie die Art und Weise der Wahrnehmung prägen. Identität wird durch wiederholtes Tun verwirklicht und ist nicht etwas, das man einfach hat. Dieses wiederholte Tun geschieht auch durch „performative Sprechakte“, durch Sprechakte also, welche die Handlung nicht beschreiben, sondern vollziehen. Als Beispiel führt sie hier die Trauung die nur Priester oder Standesbeamten legitim vollziehen können.

„Der illuktionäre Sprechakt vollzieht die Tat im Augenblick der Äußerung. Da dieser jedoch ritualisiert ist, handelt es sich niemals bloß um einen einzelnen Augenblick. Der ritualisierte Augenblick stellt vielmehr eine kondensierte Geschichtlichkeit dar […]“ [12]

So ist für Butler Identität (Mann/Frau, hetero- oder homosexuell) nicht etwas, das man einfach hat, sondern etwas, das durch wiederholtes Tun verwirklicht wird. Dies geschieht nicht zuletzt durch "performative Sprechakte", also sprachliche Äußerungen, die Handlungen nicht so sehr beschreiben als vielmehr vollziehen. Ein Beispiel: Die Aussage „Es ist ein Mädchen“ nimmt in diesem Kontext den Charakter einer sozialen Tatsache an. Dem Körper wird ein Geschlecht zugeordnet (also in diesem Beispiel Mädchen) und das „ES“ wechselt also zum „SIE“. Die Performativität der Aussage besteht in den Wiederholungen und Handlungsweisen.


Intelligible Geschlechter[Bearbeiten]

Viele Kritiker behaupten, Feministische Theorien seien zu sehr pauschalisiert und verkörpern eher das Bild der „westlichen, weißen Frau“. Der Feminismus sei aus dieser Perspektive zu sehr rassistisch veranlagt und beziehe sich darüber hinaus hauptsächlich auf heterosexuelle Frauen. Viele Frauen fühlen sich daher vom Feminismus nicht angesprochen. So knüpft das das Konzept von Judith Butler in ihrem Postament an der Kritik der feministischen Theorie an und stellt die Kategorien („sex“ und „gender“) stark in Frage. Sex soll die körperlichen und biologischen Unterschiede darstellen wohingegen gender die sozialen Unterschiede(kulturelle, institutionelle) kennzeichnen soll. Demnach sind „Geschlechtsunterschiede nicht direkt "im Vorhandensein bestimmter Organe begründet", sondern indirekt "mit der Reaktion der anderen auf diese Organe“. Butler will so auch die Gleichheit und Unterschiedlichkeit zwischen Frauen verstanden wissen: es gibt Gemeinsamkeiten zwischen Frauen, die sie von Männern unterscheiden, es gibt aber simultan Unterschiede, die zur Gemeinsamkeit nicht einfach nur hinzuaddiert werden dürfen. Zur bildlichen Veranschaulichung lässt sich diese Sichtweise mit den zwei verschiedenen Gesichtern aus der Wahrnehmungspsychologie vergleichen. Es können sowohl ein Krug als auch zwei Gesichter wahrgenommen werden. Butler orientiert sich in dieser Hinsicht an Michel Foucault insbesondere an seinem Buch „Der Wille zum Wissen“ sowie an seiner These, dass Macht produktiv ist. Durch die gesellschaftliche Konstruktion und Einteilung der Geschlechter wird Macht erst produziert und aufrechterhalten. Allerdings versteht Butler den Diskurs nicht als vielstimmig (wie Foucault), sondern sie führt die Geschlechterverhältnisse auf ein zentrales Gesetz zurück, auf einen bestimmenden Diskurs, aus dem kein Entkommen ist.
Butler greift im Zusammenhang mit intelligible Geschlechter auch das Beispiel der Travestie heraus, um zu zeigen, dass jede Inszenierung des Geschlechts dem Muster der Imitation folgt. [13]
„Ich behaupte, darüber hinaus, daß die Travestie auch die Unterscheidung zwischen seelischem Innen- und Außenraum grundlegend subvertiert und sich sowohl über das Ausdrucksmodell der Geschlechtsidentität als auch über die Vorstellung von einer wahren geschlechtlichen Identität (gender identity) lustig macht.“ [14]

Rezeption und Wirkung[Bearbeiten]

Nur wenige Autoren haben in den vergangenen Jahren so viele kontroverse Diskussionen, Kritiken an Begrifflichkeiten und politischen Wirbel verursacht wie Judith Butler. Seit der zweiten Frauenbewegung wurde kaum eine andere Autorin so wahrgenommen wie sie. Ihre Einflüsse reichen von feministischen Theorien, Feuilletons in Tageszeitungen, Kunstausstellungen, Popkultur bis hin zur Belletristik. Obwohl sie wenig gesellschaftsrelevante Themen wie die ökonomische Benachteiligung, die Förderung der Familie und Beruf etc. wahrnimmt, löste sie (besonders Anfang der 90er) einen regelrechten Boom aus. Den Grund für ihren Ruhm sehen Experten an den subkulturellen Phänomenen, die politische Strategien verwurzeln (Bsp.: Homosexualität). Gerade seit den 90er Jahren wird Sexualität für kommerzielle Zwecke genutzt. Androgynie, Bisexualität waren besonders angesagt und so fand Butler mit ihren Theorien fruchtbaren Boden. Das zweite gesellschaftliche Phänomen, welches zu Beginn der 1990er Jahre festgestellt wurde und möglicherweise Mitverantwortung zum Butler-Boom beitrug, war die Debatte um die Postmoderne. Hier sei allerdings angemerkt, dass Butler in ihren Theorien dem Poststrukturalismus nahe steht, allerdings oft irrtümlich mit dem Begriff der Postmoderne gleichgesetzt wird.

Es finden sich auch genügend Kritiker an Butlers Thesen. Oftmals wird ihr unterstellt, sie werfe die Begriffe Differenz und Ungleichheit in einen Topf und betonen dabei, dass diese beiden Begriffe eben nicht deckungsgleich sind. Der Vorwurf, eines Mangels an Empirie in ihren Theorien ist im Hinblick auf den Konstruktivismus gar nicht unbegründet. So äußern Kritiker, sie beantworte die Frage nach der Konstruktion des Geschlechts auf der diskursiven und textimmanenten Ebene. Häufig wird bemängelt, ihr Argumentationen seien postmodern, weil sie sich vom „Ich als Subjekt einer Lebensgeschichte verabschiedet“ habe. [15] Butler kontert dazu: Sie wisse nicht was der Terminus postmodern bedeute, doch sie würde ihre Thesen eher dem Poststrukturalismus zuordnen. [16]

Benhabib wirft Butler, Determinismus vor, denn sie stellt die Frage, wie feministische Positionen entstehen, wenn alle Subjekte von den vorherrschenden, nicht-feministischen Diskursen konstituiert sind? Die Antwort auf diese Frage lautet: Performative Sprechakte. Diese sind potentiell auch feministisch, weil sie prinzipiell scheitern können und dies oft auch tun. [17]

Wirft man einen näheren Blick auf den Begriff Gender, so verbindet Butler damit ausschließlich Geschlechtsidentität. Insofern fallen bei ihr gesellschaftliche Komponenten, die im deutschen Sprachraum als soziales Geschlecht verankert sind, weg. Es ist damit oft unklar, auf welcher Ebene sich der Begriff Identität bei ihr verorten lässt. Weiters kommt die Frage auf, muss die Identität immer totalisierend sein, im Sinne von vereindeutigt und mit sich selbst identisch?

Besonders ungewöhnlich scheint, dass Butlers Werke auffallend ahistorisch sind, da aktuelle wissenschaftskritische und historische Arbeiten zur modernen, bürgerlichen „Ordnung der Geschlechter“ [18] nicht einbezogen werden.


Literatur[Bearbeiten]

  • Villa, Paula-Irene (2003):
    "Judith Butler"
    Frankfurt am Main


Internetquellen[Bearbeiten]

Podcast-Tipp[Bearbeiten]

Soziopod #025: Geschlecht und Macht – Immer noch das alte Spiel?

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. http://www.die-grenze.com/
  2. (Villa, S. 101)
  3. Butler, Judith, Unbehagen der Geschlechter, S. 35
  4. vgl. Jagose, 2001, S. 108
  5. Butler Judith, Unbehagen der Geschlechter, S.201
  6. (vgl Villa, S. 122)
  7. (vgl Villa, 2003, S. 119 ff)
  8. vgl. Villa, S. 77
  9. vgl. Villa, S. 79
  10. (Butler 1993c zit. n Villa, S.88)
  11. Für ein sorgfältiges Lesen, S. 129 zit. n Villa, S.20
  12. Butler, Judith, Hass spricht, S.11, zit. n Villa, S. 28
  13. vgl. Villa, S.60
  14. Butler 2003, S. 201
  15. Benhabib, 1993a, S. 15, zit. n Villa, S. 144.
  16. vgl. Butler 1993a, S. 36, zit. n. Villa, S.145
  17. vgl. Villa, S. 147
  18. Honegger, 1992, zit. n Villa, S. 149