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Soziologische Klassiker/ Erikson, Erik H.

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Grundstruktur des Kapitels:


Biographie in Daten

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Erik Erikson

  • geboren am 15. Juni 1902 in Frankfurt am Main jaa
  • gestorben am 12. Mai 1994 in Harwich, Massachusetts (USA)
  • 1902: geboren mit dem Nachnamen Salomonson, doch sein leiblicher Vater blieb unbekannt; seine Mutter Karla Abrahamson, aus einer angesehenen dänischen, jüdischen Familie stammend, lebte zum Zeitpunkt seiner Empfängnis bereits von ihrem Ehemann Valdemar Salomonson getrennt. Sie floh nach Deutschland und brachte ihren Sohn bei Frankfurt am Main zur Welt.
  • 1905: Durch eine Krankheit Eriksons lernte seine Mutter den jüdischen Kinderarzt Dr. Theodor Homburger kennen und lieben. Kurz darauf heirateten sie und Erik bekam den Namen seines Stiefvaters. So entstand schließlich sein mittlerer Namensteil Erik Homburger Erikson
  • 1929: Heirat mit Joan Sersons

Mit ihr hatte er zwischen 1931 und 1944 drei Söhne, Kai, Jon und Neil, und eine Tochter, Sue. Neil wurde mit Trisomie 21 geboren und in ein Heim abgegeben,was die Familie verschwieg. Er starb im Alter von 21 Jahren.


Werdegang

  • 1923: Nach acht Jahren Gymnasialzeit erreichte er das Abitur. Nach einer einjährigen Reise quer durch Europa kam er nach Karlsruhe zurück.
  • ca. 1924 schrieb er sich, mit dem Gedanken Künstler zu werden, an der Badischen Landeskunstschule ein.
  • ca. 1925 begann er für kurze Zeit an der Kunstakademie in München zu studieren.
  • 1927-1933: verbrachte er eine Zeit in Wien. Er war Schüler und Lehrer zugleich. Er unterrichtete amerikanische Kinder und studierte klinische Psychoanalyse.
  • 1933: Prüfung bei der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft – Ernennung zum ordentlichen Mitglied;Emigration über Kopenhagen in die USA. Innerhalb von fünf Jahren

  • bekam er dort eine Anstellung an der Harvard Medical School, sowie am Massachusetts General Hospital,
  • wurde er Berater am Judge Baker Guidance Center
  • eröffnete er eine Praxis in der Marlborough Street
  • trat er in den Stab der Harvard Psychological Clinic ein
  • erhielt er ein Angebot für eine Stelle am „Institute of Human Relations“ an der Yale-Universität
  • wurde er Dozent an der Yale Medical School und wird kurz darauf Assistenzprofessor

  • 1938: Reise nach Süd-Dakota Reise zum Pine Ridge Reservation, wo ihm die Möglichkeit geboten wurde, Kinder von Sioux-Indianern zu beobachten
  • 1939: Mitarbeiter im Institute of Child Welfare
  • 1960: Professor an der Harvard University
  • 1963: Vortrag in Neu-Delhi vor dem India International Centre
  • 1968: wurde ihm an der Universität von Kalifornien ein akademischer Ehrengrad verliehen, weiters reiste er nach Afrika um an der Universität von Kapstadt die T.B. Davie-Gedächtnisvorlesung zu halten.
  • In den darauf folgenden Jahren arbeitete er aktiv in der Academy of Arts and Sciences mit und hielt Vorträge in Deutschland über Freud.

Historischer Kontext

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Erik H. Erikson war kein guter Schüler. Er mochte die strenge Atmosphäre in der Schule nicht, außerdem war er mehr an Allgemeinbildung interessiert. Seine achtjährige Gymnasialzeit stellte für ihn die längste durchgehaltene Vertiefung mit der formalen Bildung dar. Kurz vor dem Abitur fühlte er sich mit sich selbst, durch einen Identitätskonflikt - verursacht durch seine Kindheit, nicht im Reinen. Anstatt nach dem Abitur zu studieren, beschloss er quer durch Europa zu reisen. Während seiner „Flucht“ führte er ein Tagebuch über seine Gedanken und Erfahrungen. Seine Reisen waren für ihn persönlich und auch fachlich von großer Bedeutung.

Nach einem Jahr kehrte er zurück und beschloss fortan Künstler zu werden. Seine Zeichnungen, Holzschnitte und Radierungen wurden im Münchener Glaspalast ausgestellt. Diese Galerie stellte den Höhepunkt seiner künstlerischen Arbeit dar. Nach zwei Jahren in München ging er nach Florenz und gab schlussendlich sein Künstlerdasein auf.

Während er durch das Land zog, erwachte sein Interesse für Biologie.Nach dem Erhalt eines Briefes von seinem alten Freund Peter Blos ging er nach Wien. Er bekam das Angebot, mit Blos amerikanische Kinder zu unterrichten. Gefördert wurde das Projekt von Dorothy Burlingham und Anna Freud – der Tochter Sigmund Freuds. Annas Interesse galt dem Rätsel der Kindheit. In dieser Zeit lernte er die gesamte Familie Freud kennen, die in ihm einen Kandidaten für eine psychoanalytische Ausbildung sah, die er schlussendlich bei Anna begann. Schließlich konnte er selbst Patient/inn/en in Empfang nehmen und agierte in gewisser Weise auch als Kinderarzt – genauso wie es sich sein Vater von ihm wünschte. Die Ernennung zum ordentlichen Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft ermöglichte es ihm sofort nach Hitlers Machtergreifung, nach Dänemark und daraufhin nach Amerika zu gehen. In Boston wurde er der erste Kinderanalytiker und bekam Stellen an renommierten Universitäten.

Der zweite Weltkrieg hatte Auswirkungen auf Eriksons Arbeit, bei dessen Ausbruch übernahm er zusätzliche Forschungsaufgaben. Seine Berichte bekamen den Titel „U-Boot-Psychologie, sind psychologische Beobachtungen in Interniertenlagern durchführbar?" Er setzte sich stark mit Adolf Hitler auseinander, worüber er mehrere Aufsätze verfasste.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Die Begegnung mit Anna und Sigmund Freud hat Eriksons Leben und seine Karriere verändert. Sie erweckten in ihm das Interesse für die Psychoanalyse, indem er bei Anna seine Analyse begann. In dieser Zeit agierte er gleichsam als Lehrer und als Schüler. Er studierte klinische Psychoanalyse bei August Aichhorn, Edward Bibring, Helene Deutsch, Heinz Hartmann und Ernst Kris – einer bemerkenswerten Lehrergruppe in den dreißiger Jahren. Außerdem studierte er noch bei einer Montessori-Gruppe, das ihn bei seinen späteren psychoanalytischen Studien nachhaltig beeinflusste. Die interessante Arbeit war es nun, die Eriksons Unrast besänftigte und ihn Wurzeln schlagen ließ.

Nach Anraten Freuds begann Erikson die Art und Weise zu untersuchen, in der die Menschen permanent nach Ausdruck suchen, indem sie im Tagtraum auf dem Spielplatz oder in der Bibliothek die Rätsel und Konflikte ihres eigenen Seelenlebens finden.


Die geistige Gemeinschaft der Harvard Universität übte bedeutenden Einfluss auf Erikson aus., denn dort war er Menschen begegnet, deren Ideen sein beruflichen Leben in eine bestimmte Richtung lenkten z.B. Margaret Mead, Gregory Bateson, Ruth Benedict, Scudder Mekeel, Henry Murray, Lawrence Frank und Kurt Lewin.

Werke

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Die wichtigsten Schriften Eriksons

  • Psychoanalysis and the Future of Education, Psychoanalytic Quaterly 4, S.50-68. 1935
  • Section on Play Therapy: A Panel Discussion with Maxwell Gitelson and Others, American Journal of *Orthopsychiatry 8, S. 449-524. 1938
  • Observations on Sioux Education, Journal of Psychology 7, S. 101-156. 1939
  • Problems of Infancy and Early Childhood, In: The Cyclopaedia of Medicine, Surgery and Specialties, S. 714-730, Philadelphia. 1940
  • Ego Development and Historical Change, In: The Psychoanalytic Study of the Child, Bd. II, S. 359-396, New York. 1946
  • Young Man Luther, a study in psychoanalysis and History, New York. 1958
  • Childhood and Society, New York. 1950
  • The power of the Newborn, Mademoiselle 62, S. 100-102. 1953
  • The Problem of Ego Identity, Journal of the American Psychoanalytic Association 4, S. 54-121. 1956
  • Identity and the Life Cycle. New York: International Universities Press. 1959
  • Psychosexual Stages in Child Development, In: Discussion on Child Development, Bd. IV. 1959
  • Insight and Responsibility, New York. 1964
  • Youth and crises, New York. 1968
  • The Human Life Cycle, In: International Encyclopedia of the Social Sciences, Macmillan, New York. 1968
  • Ghandi’s Truth, New York. 1969
  • Dimensions of a New Identity, New York. 1974

Das Werk in Themen und Thesen

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Kindheit und Gesellschaft

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Mit seinem Buch „Kindheit und Gesellschaft“ trug Erikson dazu bei, dass die Psychoanalyse zu einer umfassenden psychologischen Theorie wurde. Es ist wohl das bekannteste Werk eines Freud-Schülers und war Jahrzehnte lang als Grundlagenwerk in der psychoanalytischen und psychiatrischen Ausbildung in Gebrauch. Es gliedert sich in vier Teile:

  • Im ersten Teil möchte Erikson feststellen, wie Kinder aufwachsen und sich so zu unterschiedlichen Erwachsenen entwickeln. Dabei möchte er der Theorie Freuds von der infantilen Sexualität mehr Relevanz verschaffen. Er möchte aufzeigen wie ähnlich und dennoch verschieden die Kinder sind und klären, warum dies so ist.
  • Der zweite Teil liegt im Augenmerk der Indianer. Er beobachtete die nomadisierenden Jäger (Sioux) und die sesshaften Fischer und Bauern (Yurok). Die These, dass zwischen den Formen der Kindererziehung und den späteren Erwachsenenrollen eine Wechselbeziehung besteht, zog sich wie ein roter Faden durch seine Analyse. Erikson postulierte, dass primitive Gesellschaften keine infantilen Stadien der Menschheit sind, sondern er würde sie sogar als volles, reifes Menschentum bezeichnen, mit einer beneidenswerten Homogenität und Integrität.
  • Im dritten Teil wendet sich Erikson dem Ich zu, zur psychologischen Seite dessen, was passiert, wenn Kinder taugliche Mitglieder bestehender Gesellschaften werden. Er analysiert, wie auch schon im ersten Teil, auf der Basis einiger Fallgeschichten. Am Anfang war das Es alles, es wurde als die reale Kraft angesehen, die den Menschen antrieb. Das Es ist all das, was an Bedürfnissen aus unseren frühesten Säuglingsalter in unsere Organisation zurückgeblieben ist. Als nächstes folgt das Über-Ich, das Pflichtgefühl, das nach und nach erlangt wird, die Gebote und Verbote der Welt, die sie lernen. In Momenten von Selbstvorwürfen richtet sich das Über-Ich gegen das Ich, sodass es dem Es ähnlich wird. Das Ich war gefangen zwischen den beiden Kräften. Doch das Ich leistet mehr als Widerstand, es umgeht Risiken oder Kräfte und lernt auch Lektionen und Fertigkeiten, weiters muss es lernen wie es äußere Gefahren überlebt. Erikson möchte aufzeigen wie das Ich wächst bis ein Kind Krankheit, Geld, Liebe, Arbeit etc. kennt.
  • Im vierten Teil steht das Lebensalter der Jugend im Zentrum seiner Analyse. In der diachronen Perspektive wird der Zusammenhang von Ich-Entwicklung und Gesellschaft beleuchtet und zwar durch die kontrastive Analyse der jugendlichen Lebensläufe so unterschiedlicher Persönlichkeiten wie Adolf Hitler und Maxim Gorki.


Stufenmodell der Psychosozialen Entwicklung

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Im Rahmen des dritten Teiles hat Erikson ein Stufenmodell der Psychosozialen Entwicklung aufgestellt, in der er, aufbauend auf Freud, die Entwicklungen menschlicher Identität darstellt. Während der Entwicklung durchläuft das Individuum Krisen und Konflikte, die durch die Auseinandersetzung mit konträren Forderungen und Bedürfnisse ausgelöst werden. In der Entwicklungsaufgabe sieht Erikson deren Bewältigung, mit anderen Worten, die Lösung einer Krise eröffnet den weitern Entwicklungsweg.


VIII
Reife
Ich-Integrität gegen Verzweiflung
VII
Erwachsenen Alter
Generativität gegen Stagnation
VI
Frühes-Erwachsenen-Alter
Intimität gegen Isolierung
V
Pubertät und Adoleszenz
Identität gegen Rollenkonfusion
IV
Latenz
Leistung gegen Minderwertig keitsgefühl
III
Lokomotorisch-genital

Initiative gegen Schuldgefühl

II
Muskulär-anal
Autonomie gegen Scham und Zweifel
I
Oral-sensorisch
Urvertrauen gegen Misstrauen
1
2
3
4
5
6
7
8


Quelle: Coles 1974, S. 156


Urvertrauen gegen Misstrauen: 1. Lebensjahr

Das Kind ist angewiesen auf die Zuverlässigkeit der Bezugsperson. Die Bedürfnisse, die ein Kind hat, wie etwa Geborgenheit, Nahrung, Nähe etc. müssen erfüllt werden. Bekommt dies ein Kind jedoch nicht, entwickelt es Bedrohungsgefühle und Angstzustände. Es baut sich ein Ur-Misstrauen auf.


Autonomie gegen Scham und Zweifel: 2. bis 3. Lebensjahr

Erikson sieht diese Phase als „entscheidend für das Verhältnis zwischen Liebe und Hass, freier Selbstäußerung und Gedrücktheit“ etc. Erikson beschreibt die ansteigende Selbstständigkeit des Kindes und deren Bedeutung für die Identität. Die Basis für diese Selbstständigkeit beruht auf dem Vertrauen in die Bezugsperson und in sich selbst, erfordert also die Bewältigung der Phase 1. Für das Kind muss das Gefühl entstehen, ausprobieren bzw. den eigenen Willen durchsetzen zu dürfen, ohne die Gefährdung des Vertrauens herbeizuführen. Erikson postuliert hierbei, dass die Scham eine wesentliche Rolle spielt. Die kontinuierliche Einschränkung der Art und Weise wie sich ein Kind verhalten soll, kann zur Folge haben, dass das Kind seine Bedürfnisse als unakzeptabel bzw. als „schmutzig“ wahrnimmt. Beim Kind entsteht in der Folge Scham und der Zweifel an der Richtigkeit der individuellen Wünsche und Bedürfnisse.


Initiative gegen Schuldgefühl: 4. bis 5. Lebensjahr

Im Zentrum steht hier die Bewältigung bzw. Nichtbewältigung des Ödipuskomplexes. Die Beziehung zwischen Mutter und Kind bricht auf und zunehmend wird dem Kind klar, dass noch andere Personenl Bedeutung für die Mutter haben. Speziell die Beziehung zwischen Mutter und Vater ist von Bedeutung, da sie sexuelle Elemente beinhaltet, die ein Kind noch nicht versteht. Demzufolge entsteht hier Eifersucht und Rivalität des Kindes zum jeweils gleichgeschlechtlichen Elternteil. Weiterhin ist hier noch der Gesichtspunkt der „Gewissensentwicklung“ wichtig. Vordergründig geht es hierbei um die Bewältigung der kindlichen Moral. Die Basis für die Entwicklung des Gewissens ist gefestigt, das Kind fühlt sich abgesehen vom Entdecktwerden seiner Fehltritte schlecht.


Leistung gegen Minderwertigkeitsgefühl: 6. Lebensjahr bis 13 Lebensjahr

Kinder in diesem Alter wollen nicht mehr „so tun als ob“, sie wollen mitmachen, zusehen und beobachten. Wichtig ist auch dass man ihnen zeigt, wie man etwas macht. Hier entwickelt sich der Werksinn des Kindes, das Bedürfnis etwas Gutes und Nützliches zu machen. Kinder müssen gefördert werden, man soll ihnen Lust machen etwas zu tun. Wird dieser Werksinn überbeansprucht, so entwickelt das Kind ein Gefühl der Minderwertigkeit und Schwäche. Stellen die Eltern zu hohe Ansprüche an die Kinder und überfordern sie somit, so scheitern Kinder in dieser Phase. Wird das Bedürfnis der Kinder, es gleich zu tun mit den Erwachsenen, ständig untersagt, so können sich ebenfalls Minderwertigkeitsgefühle entwickeln.


Identität gegen Rollenkonfusion: 13. bis 18. Lebensjahr

Identität ist wichtig, man weiß wer man ist und man weiß um die eigene Position in der Gemeinschaft. In dieser Entwicklungsstufe gestalten die Jugendlichen ihr Selbstbild, indem sie all ihr Wissen über sich selbst und die Welt zusammensetzen. Man sucht die soziale Rollen. Schafft dies der Jugendliche nicht, so stößt er auf Zurückweisung. Diese Menschen ziehen sich zurück und gelangen so möglicherweise in Gruppen, die ihnen eine gemeinsame Identität anbieten.


Intimität gegen Isolierung: 20. bis 30. Lebensjahr

In erster Linie steht hier die Erreichung von Intimität im Vordergrund, anstatt isoliert zu bleiben. Die Identitäten sind gereift, es stehen sich zwei unabhängige Egos gegenüber. Wird zu wenig Wert auf intime Beziehungen gelegt, so kann Isolation entstehen. Wer diese Phase erfolgreich hinter sich bringt, so Erikson, ist reif für die Liebe, also die Befähigung Unterschiede und Widersprüche mehr ins Abseits zu stellen.


Generativität gegen Stagnation: 30. bis 50. Lebensjahr

Die Generativität gilt als die wichtigste Entwicklungsstufe des Alters. Es bedeutet die Liebe in die Zukunft zu tragen, sich um die folgende Generation zu kümmern. Was Erikson damit meint, bedeutet nicht ausschließlich eigene Kinder zu bekommen, sondern bezieht sich auch auf die Künste, die Wissenschaft etc. Das genaue Gegenteil wäre Stagnation, man ist ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Das würde Ablehnung seitens der Mitmenschen nach sich ziehen. Wer ein Mittelmaß findet, also wer sich selbst und andere nicht vernachlässigt, der hat diese Phase bewältigt und die Fähigkeit zur Fürsorge erreicht.


Ich-Integrität gegen Verzweiflung: 60. bis 80. Lebensjahr

In dieser letzten Entwicklungsstufe blickt der Mensch auf sein Leben zurück. Er soll seine Taten annehmen und den Tod nicht fürchten. Verzweiflung äußert sich bei all jenen, die meinen, im Leben etwas falsch gemacht zu haben und dieses aufgrund dessen noch einmal leben zu müssen. Der Mensch muss sich mit dem Alter und dem Tod auseinandersetzen. Wer diese letzte Phase erfolgreich abschließt, erlangt Erikson zufolge Weisheit. Was nichts anderes bedeutet als dem Tod entgegenzusehen, sein Leben anzunehmen mitsamt der Fehler und darin dann das Glück finden.

Rezeption und Wirkung

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Erik H. Erikson zählt zu den einflussreichsten Psychoanalytikern des 20. Jahrhunderts. Er wird als Freudianer bezeichnet, weil er den wesentlichen Grundsätzen Freuds treu blieb und ebenso der Welt außerhalb seines Sprechzimmers große Aufmerksamkeit schenkte.

Erikson wuchs über den Status eines führenden Psychoanalytikers hinaus. Historiker, Theologen, Philosophen, Biologen und Studenten aller Fachrichtungen interessieren sich zunehmend für seine Arbeit. Man forderte ihn auf, an unzähligen Hochschulen und Universitäten auf der ganzen Welt Vorträge zu halten. Beim Kongress der Weltgesundheitsorganisation 1953 trafen sich 12 führende Wissenschaftler um den Einfluss in der Kindheit wirksamer Faktoren auf die Entwicklung der Persönlichkeit zu erörtern. Dabei wurden Eriksons Theorien herangezogen und in zwei der vier darauf erschienen Bänder mit dem Titel „Discussion on Child Development“ veröffentlicht.


Erikson Institut

Unter dem Patronat der Loyola-Universität in Chicago wurde ein Erikson-Institut für frühkindliche Erziehung eröffnet. In diesem Institut werden Lehrer für die Arbeit mit Kindern ausgebildet. Die Kinder kommen von den Ghettos oder aus schlechten ländlichen Umgebungen. Menschen aus dem ganzen Land lassen sich zum Lehrer ausbilden, jene die für deren Ausbildung sorgen, kommen aus der ganzen Welt. Dazu gehörten u.a. Anna Freud, Jean Piaget, Konrad Lorenz und Erikson selbst. Diese Auszeichnung nahm Erikson mit Stolz entgegen, ansonsten lehnte er eine beträchtliche Anzahl von Einladungen und Angeboten von Ehrentiteln ab.

Literatur

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  • Coles, Robert (1974):
    "Erik H. Erikson – Leben und Werk"
    München
  • Konrad, Franz-Michael (2001):
    "Erikson, Erik H. – Kindheit und Gesellschaft. In: Oesterdiekhoff, W. Georg (Hrsg.): Lexikon der soziologischen Werke"
    Wiesbaden, S. 178-179
  • Noack, Juliane (2005):
    "Erik H. Eriksons Identitätstheorie"
    Oberhausen


Internetquellen

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